wird die Quote an Fehlschlägen (und damit die Probleme für den Patien- ten) klein bleiben. Wir müssen aber feststellen, daß die Indikationsstel- lung von morphologischer Seite her häufig bereits Probleme macht. Mit unzureichendem Bildmaterial wird dokumentiert, wie wenig man von der Praxis der Methode versteht. Klini- ken, die unter kompetenter Anleitung und gut vorbereitet mit den entspre- chenden Patienten beginnen, werden wenig primäre Komplikationen ha- ben. Dies zeigt unsere Erfahrung.
Die Indikation für endovaskuläre Prothesen wird sich auf bestimmte Gruppen von Patienten beschränken und dort bewähren. Welche Gruppen das sein werden, ist nach unserer Mei- nung derzeit noch nicht hinreichend einzuschätzen. Nur die sorgfältige Nachbeobachtung aller Patienten kann uns helfen, die Patienten zu se- lektieren, die am meisten von dieser neuen Methode profitieren. Dies ist (leider) nur aus praktischer Erfah- rung abzuschätzen und nicht in der Theorie.
Literatur
Stelter WJ, Umscheid T, Ziegler P: Three years surgical experience with modular stentgraft devices for treatment of AAA. J Endovasc Surg 1997; 4: 362–369.
Dr. med. Thomas Umscheid Prof. Dr. med. Wolf-Joachim Stelter Chirurgische Klinik
Städtische Kliniken Frankfurt-Höchst Gotenstraße 6–8
65929 Frankfurt am Main
Wir danken Herrn Umscheid und Herrn Stelter aus Frankfurt so- wie Herrn Heilberger und Herrn Raithel aus Nürnberg für ihre Stel- lungnahmen zu unserem Beitrag. Bei- de Kommentare zielen in ihrer Kritik auf Einzelpunkte unserer zusammen- fassenden Darstellung, ohne die ei- gentliche Problematik im Zusam- menhang mit der klinischen Ein- führung endoluminaler Stentimplan- tationen zur Versorgung infrarenaler Aortenaneurysmen zu erwähnen.
Aus diesem Grunde möchten wir die
Gelegenheit nutzen, noch einmal un- seren Hauptkritikpunkt zu erläutern.
Parodi und Palmaz führten 1990 mit der endoluminalen Stentimplanta- tion ein neues Verfahren zur Therapie infrarenaler Bauchaortenaneurysmen ein, ohne daß durch die wissenschaftli- che Grundlagenforschung auch nur annähernd die Voraussetzungen für die klinische Anwendung geschaffen worden waren. Während im anglo- amerikanischen Raum eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten war, waren und sind einige westeuropäi- sche Kliniken nicht selten offensicht- lich kritiklos darauf bedacht, so rasch wie möglich Erfahrungen zu sammeln.
Die insbesondere initial hohe Kompli- kationsrate schreckte davor nicht zurück. Man mag sich in die Zeit der Jahrhundertwende zurückversetzt fühlen, wenn 1997 über erste klinische Ergebnisse der endoluminalen Stent- implantation bei zwei bis fünf Patien- ten berichtet wird (1). Das Streben nach Aktualität wurde und wird durchaus auch durch ökonomische Faktoren beeinflußt. Es fehlten bei Einführung der Stents Materialstudi- en zu den biologischen und physikali- schen Protheseneigenschaften, wie zum Beispiel der Wanddicke, Poro- sität, Deformation unter Druck, Nahtrückhaltekraft, Berstdruck und Dilatationsresistenz. Ebenso existier- ten keine mechanischen, rasterelek- tronenmikroskopischen und che- misch-physikalischen (zunächst in vitro durchzuführenden) Studien zu den Langzeitveränderungen des Ma- terials. Biologische Gewebereaktio- nen auf die Implantate, Verankerung der Prothesen mit Integration in die Gefäßwand und Epithelialisierung wurden in ihrer Komplexizität erst jetzt lichtmikroskopisch, immunzyto- chemisch und elektronenmikrosko- pisch evaluiert (2, 3). Aktuell befaßt sich eine Arbeitsgruppe um Prof. K.- M. Müller, Bochum, mit der Vermes- sung von Hals- und Fußpunktregionen sowie Längenausdehnung und Durch- messer von autoptisch nachgewiese- nen Aneurysmen zur prinzipiellen Klärung der Frage der Verankerungs- möglichkeiten von Aortenstents (Pu- blikation steht bevor).
In der neueren Geschichte der Medizin gibt es kein Verfahren, das derart unvollständig evaluiert in die kli-
nische Praxis eingeführt wurde. Diese Situation ist ethisch in unseren Augen prinzipiell bedenklich. Insofern sollte das Resümee unseres Beitrages nicht – wie Umscheid und Stelter poetisch-mu- sisch formulierten – versöhnlich und der Weg dorthin wie ein Abgesang klin- gen, sondern betonen, daß sich das Ver- fahren der Stentimplantation – wie alle anderen neu einzuführenden Techni- ken selbstverständlich auch – an den modernen Prinzipien der wissenschaft- lichen Forschung orientieren muß.
Und die Basisstudien sind keine Frage der klinischen Erfahrung, die zweifel- los gewonnen werden muß.
Wir bestreiten nicht, daß Chirur- gen in der Lage sind, endovaskuläre Prothesen zu implantieren. Daß Chir- urgen auf ernste Komplikationen so- fort reagieren und sie beherrschen können, wie von Umscheid und Stelter formuliert, ist richtig. Aber ei- ne ernste Komplikation, die zur Kon- version führt, kann durchaus bei ei- nem Patienten mit kardialer Vorer- krankung sehr rasch zu einem thera- peutisch unlösbaren Problem führen.
Nach wie vor sind wir der Meinung, daß eine Stentimplantation eine kriti- sche Situation darstellt, wenn aus Gründen der allgemeinen Inoperabi- lität eine Konversion zum offenen chirurgischen Vorgehen nicht möglich ist. Es ist auch eine Illusion zu glau- ben, daß der Patient im allgemeinen die Konsequenz seiner Entscheidung vollständig erfassen kann. Problema- tisch erscheint ebenfalls die Formulie- rung von Umscheid und Stelter:
„Aber der Chirurg kann seinen schwierigen Risikopatienten nicht einfach wegschicken.“ Wir wollen an dieser Stelle nicht wieder die Diskus- sion zur Frage der Indikation vertie- fen. Im Zweifelsfall sind wir aber von dem Grundsatz der hippokratischen Schule „nil nocere“ überzeugt. Auf keinen Fall soll bestimmten Patien- tengruppen die endovaskuläre oder konventionelle Therapie bei gegebe- ner Indikation vorenthalten werden, wie Umscheid und Stelter kritisieren;
hier ist der Text nicht korrekt verstan- den und zitiert worden. Leider ist es auch in Deutschland keine Selbstver- ständlichkeit – wie Heilberger und Raithel mit Recht voraussetzen –, daß moribunde polymorbide Aneurysma- träger nicht invasiv therapiert werden.
A-1248
M E D I Z I N
(52) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 20, 15. Mai 1998
DISKUSSION
Schlußwort
!
A-1249
M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 20, 15. Mai 1998 (53) Mögen Heilberger und Raithel
die Aktualität der zitierten Publika- tionen aus den Jahren 1995 und 1996 kritisieren (der Beitrag hatte eine Vorlaufzeit von zirka einem Jahr bis zum Erscheinen im Deutschen Ärzte- blatt), weisen Stelter und Umscheid selbst auf die derzeit noch hohe Zahl von Komplikationen hin (4). Prinzipi- ell möchten wir anmerken, daß wir verwundert sind über die Beurteilung der Diskussion als theoretisch-litera- risch (Umscheid, Stelter). Es ist eine banale Feststellung – die aber offen- sichtlich erforderlich ist –, daß es sinn- voll ist, nicht nur die eigenen Kompli- kationen zu registrieren. In der letzten Zeit häufen sich zum Beispiel die Be- richte über mykotische Aneurysmen nach Stentimplantation (5). McIntyre geht davon aus, daß diese Komplikati- on erheblich unterschätzt wird.
Wir stimmen Umscheid und Stelter zu, daß eine suffiziente Schu- lung der Stent-Implanteure und eine
exakte Dokumentation der Langzeit- resultate erforderlich sind; der Ansatz von G. Dorros et al. (unter Beteili- gung von Stelter) zur Evaluation des endovaskulären Vorgehens erscheint vielversprechend (6). Die Selektion der für die Stentimplantation in Frage kommenden Patienten aus der prakti- schen Erfahrung ist sinnvoll, wobei die klinische Erfahrung jedoch derzei- tig nicht das alleinige Kriterium sein kann. Hierzu sind die oben angespro- chenen, weiterführenden Studien er- forderlich. Auf dieser Grundlage wird die endovaskuläre prothetische Ver- sorgung in der Therapie infrarenaler Bauchaortenaneurysmen an Stellen- wert gewinnen und der Patient von dieser Technik profitieren.
Literatur
1. Sievert H, Ensslen R, Fach A et al.: Erste Erfahrungen mit der perkutanen Bypass- implantation in Lokalanästhesie bei infra- renalem Aortenaneurysma. Herz/Kreislauf 1997; 29: 78–81.
2. Marty B, Dirsch O, Segesser v LK, Schneider J, Turina M: Die Reaktion der Gefäßwand auf mikroporöse endovaskulä- re Prothesen. VASA 1997; 26: 33–38.
3. Palmaz JC, Tio FO, Laborde JC, Clem M, Rivera FJ, Murphy KD, Encarnacion CE:
Use of stents covered with polytetra- fluoroethylene in experimental abdominal aortic aneurysm. J Vasc Interv Radiol 1995;
6: 879–885.
4. Stelter WJ, Umscheid T, Ziegler P: Schwie- rigkeiten und Komplikationen der transfe- moralen Implantation von Stent-Prothesen beim infrarenalen Bauchaortenaneurysma (BAA). Zentralbl Chir 1996; 121, 9: 34–743.
5. McIntyre KE, Walser E, Hagman J, Schaper D: Mycotic aneurysm on the common iliac artery and distal aorta following stent place- ment. Vasc Surg 1997; 31: 551–557.
6. Dorros G, Parodi J, Schonholz C et al.: Eva- luation of endovascular abdominal aortic re- pair: anatomical classification, procedural success, clinical assessment, and data collec- tion. J Endovasc Surg 1997; 4 (Suppl. 2):
203–225.
Anschrift für die Verfasser Dr. med. Martin Teschner Klinik für Thoraxchirurgie Zentralkrankenhaus Bremen Ost Züricher Straße 40
28325 Bremen DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT
Die Freiburger Universitätskli- nik verfügt über die wohl weltweit umfangreichsten Erfahrungen bei der transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunt-Therapie (TIPS) zur Therapie der Ösophagus- varizenblutung bei portaler Hyper- tension. Die Autoren legen jetzt eine Studie vor, in der der transjuguläre Shunt mit der endoskopischen The- rapie zur Prophylaxe der Rezidiv-Va- rizenblutung verglichen wurde. Die Beobachtungszeit betrug 13 bezie- hungsweise 14 Monate, 61 Patienten erhielten einen transjugulären Shunt, 65 eine Sklerotherapie plus Propano- lol. Nach einem Jahr lag die Rate der Rezidivblutungen nach Shunt-Thera- pie bei 15 Prozent, nach endoskopi- scher Sklerotherapie bei 41 Prozent, nach zwei Jahren bei 21 beziehungs- weise 52 Prozent. Der transjuguläre Shunt erwies sich somit als effektiver als die endoskopische Behandlung bei der Prävention der Rezidivblu- tung aus Ösophagusvarizen, war al- lerdings mit einem deutlich höheren Risiko einer hepatischen Enzepha-
lopathie (36 Prozent versus 18 Pro- zent) belastet. Die Überlebensrate war in beiden Gruppen gleich. w Rössle M, Deibert P, Haag K et al.: Ran- domised trial of transjugular-intrahepa- tic-portosystemic shunt versus endoscopy plus propanolol for prevention of variceal rebleeding. Lancet 1997; 349: 1043–1049.
Abteilung für Gastroenterologie und He- patologie, Medizinische Universitäts Kli- nik, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg.
Die transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt-Therapie
Um die elektrohydraulische Stoß- wellen-Lithotripsie ist es ruhiger ge- worden; die Autoren untersuchten in einer Multizenter-Studie aus Mün- chen, Wuppertal, Lübeck, Berlin und Aschersleben, ob die adjuvante Thera- pie mit Gallensäuren wirklich notwen- dig ist. Sechs Monate nach der Hoch- energie-Lithotripsie waren 77 Prozent der Patienten mit kleinen Gallenstei- nen (unter 20 Millimeter Durchmes- ser), 60 Prozent mit großem Solitär-
Langzeitergebnisse der Lithotripsie
stein und 41 Prozent mit multiplen Steinen konkrementfrei. Die Gabe von 750 mg Ursodeoxycholsäure pro Tag hatte keinen Einfluß auf das Ver- schwinden der Konkremente.
Möglicherweise profitieren je- doch Patienten mit großem Solitär- stein und multiplen Steinen von ei- ner zusätzlichen Gallensäuretherapie.
Entscheidend ist die Funktionstüch- tigkeit der Gallenblase. w
Sauter G, Kullack-Ublick GA, Schuma- cher R et al.: Safety and efficacy of re- peated shockwave lithotripsy of gall- stones with and without adjuvant bile acid therapy. Gastroenterology 1997;
112: 1603–1609.
Abteilung für Medizin II, Klinikum Großhadern, 81366 München.
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