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Archiv "Diätetische Therapie der Adipositas: Schlußwort" (27.02.1998)

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hausärztliche Engagement. Was das ei- gentlich soll, habe ich nie recht verstan- den. Schaffen wir besser gemeinsam die unerläßlichen Voraussetzungen ein- schließlich der angemessenen Hono- rierung dieser Versorgungsleistungen außerhalb der Praxisbudgets, um sicht- bare Erfolge rasch zu bewirken.

Dr. med. Paul Kokott

Stormstraße 21 · 38226 Salzgitter

Der Objektivität willen muß ich auf folgendes hinweisen: Die kohlenhy- dratarme Diät der Dres Atkins, Lutz, Felix in einem viersätzigen Absatz als

„gesundheitsschädlich“ abzuhandeln, ist eigentlich eine akademische Sünde.

Das Verdienst dieser Autoren ist, daß sie den stimulierten Insulinspiegel (1) der Übergewichtigen in den Griff be- kommen, der ständige Hungergefühle, Eßsucht und innere Unruhe beschert, auch bei Kalorienzahlen um die 1 000 bis 1 500. Dr. Atkins – mittlerweile das erfolgreiche Atkins-Center in New York – blickt auf die Behandlung und klinische Überwachung von über 50 000 Patienten zurück, welche durch

„Ketose“ den hungerfreien Fettabbau („Lipolyse“) erreicht haben. Bilanziert und wissenschaftlich ist sie allemal (2, 3, 4, 5, 6, 7). „Unbegrenzte Fettaufnah- me“ wird nicht empfohlen („ . . . don’t get stuffed“), Verhaltenstherapie und Ernährungsberatung (hungererzeu- gende Nahrungsmittel, Einrichtung des kulinarischen Umfeldes) ist inbegrif- fen. Die Ketose führt nicht zur Keto- Azidose. Die Atkins-Diät und ähnli- ches ist nur anfangs sehr kohlenhydrat- arm (Induction Diet – 14 Tage/20 g/die), geht über in OWL (ongoing weight loss) und landet in „maintenan- ce“ (Beibehaltung des Gewichtes).

Dann entspricht sie der Kohlenhydrat- aufnahme unserer Urahnen und unter anderem der küstennahen Indianer in Nordamerika zeitlich vor Einmarsch und Beglückung durch die Europä- er (maximal 60 bis 80 g Kohlenhydra- te/die) (8, 9).

Die Diät ist nicht fettreich, im Ge- genteil, durch die Kohlenhydratbe- schränkung wird sogar die aufgenom-

mene Fettmenge reduziert (10) – im Vergleich zur durchschnittlichen heuti- gen Hausmannskost, die uns letztlich die Wartezimmer füllt. Im Dr. Atkins- Kochbuch gibt es ein Kapitel „Fettar- me Rezepte“. Auf der anderen Seite braucht es eine gewisse Menge Fett zur Sättigung unter Alltagsbedingungen, Hunger läßt sich keiner gefallen. Die erzwungene Zuckergewinnung aus Fettverbrennung (Nahrung und Kör- per) ist das Geheimnis, mit dem Fett- sucht/Hunger überlistet wird.

Die Umstellung von kohlenhy- dratreicher Kost auf -arme ist natürlich ein Eingriff, der Sachverstand und an- fangs Einstellung des Elektrolyt- und Vitaminspiegels erfordert. Als Arzt kann man dafür die volle Verantwor- tung übernehmen – es kommt zur Lipo- lyse/Ketose und damit auch zu einer Verminderung atheromatöser Ablage- rungen in den Gefäßen (nicht zur Zu- nahme, wie der Verfasser behauptet), Wohlbefinden inbegriffen (Glätten von Blutzucker, Adrenalin-, Kortisol- und Insulinspiegel [11]). Eine Kostform, die mit weniger Kalorien auskommt, die si- cher die Blutfette normalisiert (Trigly- zeride < 100 [12]) und zu Wohlbefinden führt, sollte nicht als „abzulehnen“ be- urteilt werden, schon gar nicht als „ge- sundheitsschädlich“. Bei der Atkins- Diät ist die Triglyzeridsenkung erfolg- reicher als beim zitierten Optifast-Pro- gramm. Den -zig Millionen Fettsüchti- gen in unserem Land zur Gewichtsre- duzierung je einen Psychologen, Arzt und Ernährungsberater zur Seite zu stellen, ist illusorisch, eigentlich genügt der Beitritt in einen Wanderverein und dessen regelmäßige Inanspruchnahme, bei der halben Ration nach Rezept un- serer Vorfahren. Mehr als ein Weg führt nach Rom. In dem Maße, wie wir Ärzte gegen das Rauchen und den Al- kohol wettern, sollten wir auch gegen den menschheitsgeschichtlich einmalig hohen Konsum von Oligosacchariden zu Felde ziehen (bei Erfolg würde aller- dings manch einer von uns Ärzten überflüssig).

Literatur beim Verfasser Dr. med. H.-J. Viertel Arzt für Allgemeinmedizin Chirotherapie

Fuldaer Straße 33a 36145 Hofbieber

Die hier in Tabelle 3 aufgeführte Richtlinie 96/8 der EU für die Zufuhr von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen belegt die noch im- mer persistierende Unwissenheit im Hinblick auf Elektrolytbedarf und -zu- fuhr.

Eine Tageszufuhr von nur 150 mg Magnesium (= 6 mmol) auch bei Gewichtsreduktion führt unweigerlich zu einem Mangel mit unter Umstän- den lebensbedrohlichen Komplikatio- nen und sekundär zu einem K-Mangel.

Längst hat die WHO die „recommend- ed dietary allowance“ für Magnesium auf 300 mg/die festgelegt: das ist die kleinste Nährstoffmenge, die zugeführt werden muß, um Mangelerscheinun- gen zu verhüten.

Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) hat 1985 die Zufuhr- empfehlungen für Magnesium eben- falls auf 300 mg/die erhöht, die jedoch im täglichen Leben nachgewiesener- maßen nicht ausreichen.

Kalorienreduktion darf nicht mit Elektrolytreduktion gekoppelt wer- den.

Dr. Dr. med. Armin Schroll Buchauerstraße 3

81479 München

Die überwältigende positive Reso- nanz auf meinen Beitrag hat mich über- rascht. Das sicherlich von manchem als Provokation empfundene Bemühen um Strukturierung durch Weglassen weniger relevanter Aspekte mußte zwangsläufig zu einigen kritischen An- merkungen führen. Zu diesen nehme ich gern Stellung.

Die kohlenhydratarmen Diäten nach den Dres. Atkins, Lutz und Felix werden von der Deutschen Gesell- schaft für Ernährung nicht empfohlen.

In der Adipositas-Therapie spielen sie, wie anhand fehlender kontrollierter Studien und fehlender Langzeitergeb- nisse leicht zu belegen ist, keine Rolle.

Auch „relativ fettreiche Diäten“ kön- nen zu arteriosklerotischen Komplika- A-483

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 9, 27. Februar 1998 (51) DISKUSSION

Wanderverein erfüllt auch den Zweck

Kalorienreduktion ohne Elektrolytmangel

Schlußwort

(2)

tionen führen, der Gewichtsverlust ist nicht höher als bei einer kalorienredu- zierten Mischkost. Herrn Kollegen Viertel stimme ich zu, daß es sinnvoll wäre, wenn alle Übergewichtigen ei- nem Wanderverein beitreten würden.

Grundsätzlich ist Bewegung jedoch auch ohne Verein möglich. Bei stärke- rem Übergewicht muß Bewegungsthe- rapie ärztlich kontrolliert und am be- sten durch Physiotherapeuten angelei- tet werden. Die Gefahr, daß bei Ein- halten dieser Empfehlungen Ärzte überflüssig werden, sehe ich derzeit nicht.

In zahlreichen Untersuchungen konnte der Eiweißbedarf des Men- schen unter Energierestriktion eindeu- tig ermittelt werden. Dem Beitrag ist zuzustimmen, daß das sogenannte

„Heilfasten“ problematisch ist. Durch Proteinsubstitution können diese Ne- benwirkungen und Nachteile vermie- den werden. Dazu bedarf es jedoch nicht einer Zufuhr von 1,2 g Ei- weiß/kg/die. Eine vorübergehend nega- tive Stickstoffbilanz ist bei Energie- restriktion auch durch höhere Eiweiß- substitution unvermeidlich. Nur bei isokalorischer Ernährung kann die Stickstoffbilanz ausgeglichen werden.

Diese führt allerdings nicht zu der ge- wünschten Gewichtsreduktion. Jede Energierestriktion führt zwangsläufig regulativ zu einem Abfall der T3- und T4-Konzentrationen. Es kommt zu ei- nem signifikanten Anstieg des biolo- gisch inaktiven reverse-T3. Dies sind Schutzmechanismen des Organismus bei fehlender Energiezufuhr, die zum Beispiel durch Schilddrüsenhormon- substitution nicht kompensiert werden können. Die Schilddrüsenhormonsub- stitution bei euthyreoter Adipositas ist kontraindiziert. Die Diäten mit extre- mer Nährstoffrelation haben erwiese- nermaßen eine schlechte Compliance.

Fettzufuhr führt in wesentlich geringe- rem Maße zu einer Sättigung als Koh- lenhydrate. In der diätetischen Thera- pie der Adipositas ist deshalb in erster Linie das Fett zu reduzieren. Kohlen- hydrate können in komplexer Form na- hezu unbegrenzt freigegeben werden.

Eine Steigerung der Thermogenese un- ter Energierestriktion ist in der Litera- tur nicht bekannt. Ein Abbau von 4 bis 5 kg Fett/Woche ist physiologisch nicht möglich. 5 kg menschliches Fettgewebe entsprechen zirka 35 000 kcal oder ei-

nem Energiedefizit von 5 000 kcal täg- lich. Dies ist selbst unter pathophysio- logischen Verhältnissen nicht möglich.

Einem interdisziplinären Konzept, das langfristig angelegt ist, kann ich nur zustimmen. Auf die Bedeutung des Hausarztes habe ich hingewiesen.

Das Opitfast-Programm wird der- zeit an 40 Zentren eingesetzt. Das Diätprodukt Optifast 800 ist als For- muladiät nicht erhältlich. Es ist integra- ler Bestandteil des interdisziplinären Therapiekonzeptes, das den Einsatz von Ärzten, Psychologen, Physiothera- peuten und Ernährungstherapeuten beinhaltet. Eine Formuladiät alleine, auch wenn sie den § 14a der Diätver- ordnung erfüllen sollte, führt ohne ärzt- liche und/oder psychologische Betreu- ung nicht zum Erfolg. Die in Droge- riemärkten sehr preisgünstig angebote- nen Diätprodukte sind ohne Gesamt- konzept sinnlos. Zum Optifast-Pro- gramm gibt es zwei publizierte Nachun- tersuchungen sowohl aus den USA als auch aus der Bundesrepublik. Die Un- tersuchungen weisen ein Follow up von 3,5 Jahren auf und durchschnittliche Langzeitergebnisse von 60 Prozent.

Dies stellt für eine chronische Lang- zeiterkrankung ein sicherlich akzepta- bles Langzeitergebnis dar. Im Optifast- Programm sind Ärzte, Psychologen, Ernährungstherapeuten und Physio- therapeuten tätig. Psychologiestuden- ten werden nicht eingesetzt. Das Pro- gramm orientiert sich klar an den Prinzipien der Verhaltenstherapie und hat ein langjährig erprobtes und be- währtes gruppentherapeutisches Kon- zept. Die bisherigen Erfahrungen mit dem sechs Monate dauernden Opti- fast-Programm und dem fakulativ an- gebotenen sechsmonatigen Folgepro- gramm haben zur Entwicklung eines zwölfmonatigen Kernprogramms ge- führt, das sicherlich zu einer nochmali- gen Verbesserung der Langzeitergeb- nisse führen kann. Der Anregung einer mindestens ein Jahr dauernden The- rapie ist aus medizinischer Sicht unein- geschränkt zuzustimmen. Persönlich glaube ich, daß eine erfolgreiche Adi- positastherapie eher drei Jahre, in vie- len Fällen noch länger dauern muß.

Selbstverständlich muß eine Ge- wichtsreduktion mit der kostengünsti- gen und nahezu nebenwirkungsfreien kalorienreduzierten Mischkost als er- stes versucht werden. Bei Erfolg sind

natürlich alle aufwendigen Programme überflüssig. Alle, die sich mit Adiposi- tastherapie beschäftigen, wissen, daß Adipositas Grad II und Grad III in fast allen Fällen mit Diät alleine ohne pro- fessionelle Betreuung nicht langfristig erfolgreich behandelt werden kann.

Die Einbindung des Hausarztes in je- des Gewichtsreduktionsprogramm er- scheint mir unverzichtbar. Hilfreich ist jedoch die fachliche Unterstützung durch Verhaltenspsychologen und Ernährungstherapeuten. Konzepte, die dies berücksichtigen, möchte ich uneingeschränkt unterstützen, sofern sie dem § 14a oder der Richtlinie der EU für die diätetischen Anforderun- gen entsprechen.

Der Anregung, Medikamente wie den Serotonin- und Noradrenalin-Re- uptake-Hemmer Sibutramin einzuset- zen, kann ich derzeit für die Praxis noch nicht zustimmen, da dieses Medika- ment noch keine Zulassung besitzt und weitere Untersuchungen zu Wirkung und Nebenwirkungen abgewartet wer- den müssen.

Dem Beitrag von Herrn Kollegen Kokott stimme ich zu, daß von Ärzten geleitete Therapiekonzepte in der Adipositastherapie sicherlich in der Zukunft Erfolg versprechen. Wie in meinem Beitrag ausgedrückt, sehe ich außerhalb des KV-Budgets an Praxen durchaus Möglichkeiten, zukunftsori- entierte Therapie- und Präventions- modelle zu schaffen. Ich würde mir wünschen, daß zahlreiche Hausärzte in Zukunft zu diesem Thema dann entsprechende Fachartikel verfassen können. Dies war bisher leider nicht möglich.

Herr Dr. Schroll hat recht, die Ma- gnesiumempfehlung der EU-Richtlinie erscheint auch mir zu niedrig. Leider sind auch Vorstöße der Deutschen Ge- sellschaft für Ernährung bei der Verab- schiedung dieser Empfehlung erfolglos geblieben. In der EU-Kommission hat- te Deutschland nur eine Stimme von vielen, und leider war weder die FDA- noch die DGE-Empfehlung mehrheits- fähig. Vielleicht läßt sich dies jedoch in einer Revision korrigieren.

Prof. Dr. med. J. G. Wechsler Innere Abteilung Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Romanstraße 93

80639 München A-484

M E D I Z I N

(52) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 9, 27. Februar 1998 DISKUSSION

Referenzen

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