Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 107|
Heft 21|
28. Mai 2010 A 1049 GESUNDHEITSPOLITIKBayerische Perspektive
Mehr regionale Zuständigkeiten bei der Gesundheitsversorgung fordert der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder.
A
uf das Thema Priorisierung angesprochen, winkt Markus Söder gleich ab. „Das geht mit mir nicht“, erklärt der bayerische Staatsminister für Umwelt und Ge- sundheit auf der Bayerischen Ge- sundheitskonferenz Ende April in Nürnberg, die von der RS Medical Consult und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft veranstaltetwurde. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) biete wenig Spielraum, und schnell sei man dann bei der Frage, ab welcher Altersgrenze bestimmte Leistungen nicht mehr übernom- men würden. Bei ethischen Grund- satzfragen sollten Wirtschaftlich- keitserwägungen hintangestellt wer- den. So rechne sich etwa Palliativ- medizin ökonomisch ganz und gar nicht, aber die Art und Weise, „wie wir Menschen auf den letz- ten Metern behandeln, sagt etwas über unseren zivilisatorischen Stand aus“.
So ist sich Söder darüber im Kla- ren, dass die medizinische Versor- gung der Zukunft auf keinen Fall billiger, sondern eher teurer werden
wird. Er verweist auf das enor- me Potenzial der Gesundheitswirt- schaft insbesondere auch in Bayern;
gleichwohl müsse man sich jetzt konkret mit der Frage beschäftigen, wie die zu erwartenden großen De- fizite in der GKV – „aber auch die private Krankenversicherung steht vor großen Problemen“ – bewältigt werden könnten. Dass dies nur mit
einer Ablösung der GKV-Einnah- men von den Arbeitskosten möglich sein werde, darüber bestehe Kon- sens in der schwarz-gelben Regie- rungskoalition, sagt Söder. Ent- schieden wehrt er sich allerdings gegen die Einführung einer Ge- sundheitsprämie oder Kopfpau- schale; da hierzulande der Grund- gedanke der Solidarität in der Be- völkerung tief verankert sei, sei ein Sozialausgleich aus Steuermitteln notwendig. „Aber das kann keiner bezahlen.“
Wenig präzise zeigt sich Söder bei den Überlegungen, wie sonst das Defizit in den Griff zu bekom- men ist. Er verweist auf mögliche Einsparungen in Höhe von circa 20 Milliarden Euro durch weniger
Bürokratie. Im Arzneimittelbereich will der bayerische Gesundheitsmi- nister seinem Kollegen auf Bundes- ebene, Philipp Rösler (FDP), beim Preismoratorium bis 2013 schon nicht mehr so recht folgen. Die Frist scheint ihm zu lang, „denn wir brauchen die Forschung“.
Söder fordert hingegen mehr Au- tonomie der Krankenkassen mit der Möglichkeit, mehr Geld in der Re- gion zu halten. Aus bayerischer Per- spektive sieht er vor allem die nega- tiven Folgen eines zentral gesteuer- ten GKV-Systems: Der Gesund- heitsfonds sei „eine Umverteilungs- maschinerie, die zu zwei Dritteln von Bayern getragen wird“. Die auf Bundesebene erörterten Zuschläge für Arztniederlassungen in unter- versorgten Regionen brächten für den Süden des Landes gar nichts,
„weil selbst die bayerischen Gebie- te mit den wenigsten Ärzten natio- nal noch nicht als unterversorgt gel- ten“. Aber auch hier komme es ge- rade jetzt darauf an, angesichts des bevorstehenden Ärztemangels die medizinische Versorgung der Be- völkerung in der Fläche sicherzu- stellen. Hierzu sei künftig eine Be- darfsplanung auf regionaler Ebene notwendig. Söder: „Es kann doch nicht sein, dass das in Berlin ge- schieht. Die Reißbrettsicht ist anders als die Realität.“ Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung funktio- niere künftig zudem nur, wenn man über die Sektorengrenzen hinweg zu einem besseren Zusammenwirken von Krankenhäusern und niederge- lassenen Ärzten komme.
Für ein „Kappen der Sektoren- grenzen ohne Wenn und Aber“
spricht sich in der Diskussion der Vorstandsvorsitzende der Sana-Kli- niken, Dr. Michael Philippi, aus.
„Wir müssen die Versorgungssekto- ren zusammenbringen. Das Aus- maß der Versorgung, das wir gegen- wärtig haben, wird sich auf Dauer nicht halten lassen.“ Da die flä- chendeckende ländliche Versor- gung teurer sei, müsse die Vergü- tung dementsprechend angepasst werden. Philippi regt darüber hi- naus ein gemeinsames Budget für den ambulanten und stationären Be-
reich an. ■
Thomas Gerst
„ Ich stehe zum Koalitionsvertrag, denn ich habe ihn im Wesentlichen mit formuliert. “
Markus SöderFoto: ddp