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Archiv "Zuzahlungen: Vieles wird teurer (Folge 9)" (24.10.2003)

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eben und Nehmen: Künftig wer- den die Patienten an ihren Krank- heitskosten stärker beteiligt, im Gegenzug sollen die Beiträge der ge- setzlichen Krankenkassen gesenkt wer- den. So steht es in den ab 2004 gelten- den Zuzahlungsregeln, die im Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) enthal- ten sind.

Richtig, urteilt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), denn um das System künftig finanzierbar zu ma- chen, hätten alle Beteiligten einen Bei- trag zu leisten. Zudem müsse die Voll- kaskomentalität ein Ende haben. Pure

„Abzockerei der Patienten“, befinden dagegen viele Sozial- und Patienten- verbände, denn einzig die Versicherten zahlten drauf, Krankenhäuser, Phar- maindustrie und Ärzte kämen unge- schoren davon.

Welche Belastungen tatsächlich auf die Versicherten zukommen – die neu- en Zuzahlungsregelungen: Zuzahlun- gen fallen grundsätzlich nur bis zur Be- lastungsgrenze an. Diese liegt bei zwei

Prozent der jährlichen Bruttoeinnah- men, bei einem Prozent bei chronisch Kranken. Chronisch krank sind per Definition des Gemeinsamen Bundes- ausschusses alle Personen, die wegen ei- ner schwerwiegenden Krankheit dauer- haft in Behandlung sind. Der Nachweis über die Krankheit ist gegenüber der Krankenkasse künftig nicht mehr nur alle zwei Jahre, sondern jedes Jahr zu er- bringen. Bei Familien werden bei der Einkommenshöhe des Familienhaus-

haltes Freibeträge berücksichtigt. Kin- der und Jugendliche unter 18 Jahren bleiben von den Zuzahlungen befreit.

Für jede Zuzahlung, die der Patient lei- stet, bekommt er von Ärzten und Apo- thekern eine Quittung.

Bei dem Kauf von Medikamenten und Verbandsmitteln liegt die Zuzah- lung künftig bei zehn Prozent des Prei- ses; dabei muss der Patient jedoch min- destens fünf Euro und höchstens zehn Euro zuzahlen, auf keinen Fall mehr als die Kosten des Mittels. Beispiel: Ein Medikament kostet 75 Euro. Die Zu- zahlung beträgt zehn Prozent vom Preis, also 7,50 Euro. Kostet das Medi- kament 120 Euro, ist die Zuzahlung auf zehn Euro begrenzt.

Auch bei Hilfsmitteln wie Einlagen, Hörgeräten oder Rollstühlen liegt die Zuzahlung künftig für jedes Hilfsmittel bei zehn Prozent, mindestens müssen fünf Euro, höchstens zehn zugezahlt werden. Sind die Hilfsmittel jedoch zum Verbrauch bestimmt, wie zum Beispiel Windeln bei Inkontinenz, beträgt die Zuzahlung zehn Prozent je Packung, höchstens jedoch zehn Euro für den Monatsbedarf je Indikation.

Bei Heilmitteln wie Krankengymna- stik oder Massagen wird künftig eine Zuzahlung von zehn Prozent der Ko- sten des Heilmittels und zehn Euro je Verordnung fällig. Beispiel: Auf ei- nem Rezept wird zehnmal Kranken- gymnastik verordnet. Der Patient zahlt zehn Euro für die Verordnung und zusätzlich zehn Prozent der Kosten pro Krankengymnastikanwendung. Ur- sprünglich sollten die Versicherten eine zehnprozentige Zuzahlung je Anwen- dung zahlen, wobei die Zuzahlung min- destens fünf, höchstens zehn Euro be- tragen hätte. Wegen der vehementen Kritik vieler Heilmittelverbände, die eine 100- bis 200-prozentige Erhöhung der Kosten prophezeiten, hat die Re- gierung von dieser Regelung Abstand genommen. Nach Angaben der KBV wird die künftige Zuzahlungshöhe etwa drei Prozent über der bisherigen Zu- zahlungsgrenze von 15 Prozent je Ver- ordnung liegen.

Das gleiche wie für den Heilmittel- bereich gilt auch für die häusliche Kran- kenpflege, also auch hier müssen zehn Prozent der Kosten der Pflege sowie zehn Euro je Verordnung zugezahlt P O L I T I K

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A2762 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003

Die am 1. Januar in Kraft tretende Gesund- heitsreform sieht insbesondere für Versicherte, aber auch für Ärzte erhebliche Neuregelungen vor. Das Deutsche Ärzteblatt stellt ausgewähl- te Schwerpunkte des Reformwerks vor und be- leuchtet deren Bedeutung für die Patientenver- sorgung.

Zu den wesentlichen Neuerungen zählen auch folgende Zuzahlungsregelungen:

G Die neuen Zuzahlungsregeln für Medika- mente, Krankenhausaufenthalt, Heilmittel und häusliche Krankenpflege enthält § 61 SGB V. Satz 1 besagt, dass die Zuzahlung grundsätzlich zehn Prozent, jedoch minde- stens fünf Euro und höchstens zehn Euro betragen muss. Satz 2 schreibt die Zuzah- lung zu stationären Maßnahmen auf 10 Eu-

ro je Kalendertag fest. Nach Satz 3 müssen zu Heilmitteln und häuslicher Krankenpfle- ge zehn Prozent der Kosten sowie zehn Eu- ro je Verordnung zugezahlt werden.

G § 33 SGB V enthält die neuen Zuzahlungsre- geln für Heilmittel. Satz 4 zufolge liegen diese bei zehn Prozent der Kosten, wobei die Zuzahlung mindestens fünf, höchstens zehn Euro betragen darf. Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt die Zuzah- lung zehn Prozent je Packung, höchstens je- doch zehn Euro für den Monatsbedarf je In- dikation.

G Dass Versicherte die Zuzahlungen nur bis zur Belastungsgrenze zu zahlen haben, ist in § 62 SGB V geregelt. Diese liegt bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, bei Chronikern bei ei- nem Prozent.

Was bringt die Reform?

Zuzahlungen

Vieles wird teurer

Ab 2004 gilt für die Patienten eine Vielzahl neuer Zuzahlungs- Regelungen – manche bisherigen Leistungen fallen weg.

Folge 9

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P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003 AA2763

werden. Die Zuzahlung wird auf die er- sten 28 Tage der Inanspruchnahme pro Kalenderjahr begrenzt.

Ebenfalls begrenzt auf 28 Tage sind die Zuzahlungen im Krankenhaus. Hier fallen gegenüber der bisherigen Rege- lung, nach der für die Dauer von 14 Ta- gen neun Euro gezahlt werden mussten, zehn Euro pro Tag an. Dieselbe Rege- lung gilt für die stationäre Vorsorge so- wie für Rehabilitationsmaßnahmen.

Weitere Einschnitte in die Leistun- gen der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) kommen in folgenden Bereichen auf die Versicherten zu:

Fahrten zu einer ambulanten Behand- lung werden künftig nur noch in Ausnahmefällen nach vorheriger Ge- nehmigung von der Krankenkasse übernommen. Selbst dann hat der Ver- sicherte jedoch mindestens fünf Euro, höchstens zehn Euro zu den Fahrtko- sten zuzuzahlen. Einen Zuschuss für Brillen gibt es nur noch für Personen unter 18 Jahren und für Schwersehbe- hinderte. Bei künstlichen Befruchtun- gen werden künftig nur noch drei Versuche von der Kasse übernommen, wobei Frauen nicht jünger als 25 und älter als 40 Jahre und Männer nicht jünger als 25 und älter als 50 Jahre alt sein dürfen. Der Eigenanteil be- trägt fünfzig Prozent. Sterilisationen werden nur noch dann bezahlt, wenn sie medizinisch notwendig sind, also zum Beispiel dann, wenn eine Schwan- gerschaft die Gesundheit der Frau ge- fährden würde.

Aus dem Leistungskatalog der GKV ganz gestrichen werden Zuzahlungen der Krankenkassen zum Sterbegeld und zum Zahnersatz ab 2005. Der Zahnersatz bleibt jedoch eine Pflicht- versicherung, die sowohl bei einer ge- setzlichen Krankenkasse als auch bei ei- ner privaten Kasse abgeschlossen wer- den kann.

Zum Schluss ein Bonbon für die Versicherten: Krankenkassen können ihren Mitgliedern künftig „Boni für gesundheitsbewusstes Verhalten“ ein- räumen. Nehmen Versicherte zum Bei- spiel an einer hausarztzentrierten Ver- sorgung oder an einem strukturier- ten Behandlungsprogramm bei chroni- schen Krankheiten teil, können die Kassen für die Dauer der Teilnahme Zuzahlungen ermäßigen. Martina Merten

KOMMENTAR

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ie Behandlung von Patienten, die an Schizophrenie und an psych- iatrischen Auffälligkeiten er- krankt sind, ist kostenträchtig, ver- ursacht hohe soziale (volkswirtschaft- liche) Kosten. Das Krankheitsbild Schizophrenie verdeutlicht exempla- risch, dass die sektorale Budgetierung und zu gering bemessene finanzielle wie personelle Ressourcen sowie die nur zögerliche Implementation phar- makologischer Therapiefortschritte in den Pflichtleistungskatalog der Ge- setzlichen Krankenversicherung zur Blockade werden. Ein Gutachten der

Versorgungsforschung unter der Ägide von Prof. Dr. med. Eckart Rüther, Direktor der Klinik und Poli- klinik für Psychiatrie an der Uni- versität Göttingen, unterstreicht, dass das für das deutsche Gesundheitswe- sen kennzeichnende hohe Maß an sektoraler Segmentierung und Proble- me des Schnittstellenmanagements die Patientenversorgung beeinträch- tigen. Zudem: Die weitgehende Tren- nung zwischen Akutmedizin, ambu- lanter, stationärer und rehabilitativer Versorgung auch über die gesetzliche enge Abgrenzung zwischen Kranken- behandlung und Rehabilitation er- schweren eine optimale akutmedizini- sche Leistungserbringung auch über die Sektorengrenzen hinweg und einer Versorgung im Verbund. Die sektorale Segmentierung und die Tatsache, dass das Geld nicht der Leistung folgt, tragen wesentlich zur Unter- und Fehlversorgung, zu unzureichender Versorgung von chronisch Kranken und relativ teuren Krankheitsbildern bei, teilweise auch zu mangelnder Qualität und einem Missverhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis, wie der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion mit Recht feststellte.

Die Schizophrenie, von der rund ein Prozent der Erwachsenenbevölke- rung betroffen ist, erfordert wie kein anderes Krankheitsbild, dass die jeweils indizierten und dem Fort- schritt der Erkrankung notwendigen Therapeuten und Einrichtungen ein- geschaltet werden müssen. Diese dür- fen nicht isoliert und ohne Rückkop- pelung der damit verbundenen Thera- pieeinrichtungen in den therapeuti- schen Prozess eingeschaltet werden.

Vielmehr ist es notwendig, dass die Patienten sowohl ambulant durch Fachärzte, semi-stationär, stationär, in

Institutsambulanzen, in Pflege- und Wohnheimen sowie im „betreuten Wohnen“ versorgt werden. Oftmals ist eine frühzeitige therapeutische Inter- vention und eine bereits nach drei Tagen einsetzende Frührehabilitation entscheidend für den weiteren Krank- heitsverlauf, die Langzeitprognose und die Kostendimension eines „Fal- les“. Nach akuter Episode ist eine kontinuierliche Medikation, vor allem der Einsatz von innovativen, daher kostenträchtigen Medikamenten der neuesten Generation erforderlich.

Zwar ist in Deutschland eine flächen- deckende psychiatrische Versorgung gewährleistet, und auch die Akutinter- vention in Notfallambulanzen funk- tioniert. Doch sind finanzielle Gren- zen rasch erreicht. So wird das Arznei- mittelbudget des Psychiaters bereits durch zwei an Schizophrenie er- krankten Patienten ausgeschöpft. Die Folge: Für die Psychiatrie typische Drehtür-Effekte, fachärztliche Ring- überweisungen oder die vorschnelle Einweisung in die stationäre Behand- lung. Hinzu kommt: ein völlig unüber- sichtlicher, intransparenter Medika- mentenmarkt mit riesigen Preisunter- schieden, die vom Ein- bis Dreizehn- fachen reichen. Dr. rer. pol. Harald Clade

Gesundheitsversorgung

Sektorenblockade

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