Ein neuer gentechnisch hergestellter Faktor VIII soll im nächsten Jahr für die Be- handlung der Hämophilie A eingeführt werden und in ei- ner kurzen Übergangszeit den Vorgänger Kogenate®er- setzen. Der Nachfolger Koge- nate®SF (Saccharose Formu- lierung) wird kein menschli- ches Albumin mehr als Stabi- lisator enthalten: Das Blut- protein ersetzt eine Kombi- nation aus Saccharose, Ami- nosäuren und Salzen. Damit
soll möglichen Erregern im Plasma der Weg in das reine rekombinante Produkt ver- baut werden.
Verbesserte Sicherheit
Das Sicherheitsprogramm während der Herstellung mit über 600 Tests wurde weiter verbessert, wie die Leiterin der Qualitätskontrolle in Ber- keley, Dr. Debra Arnold, bei einem Symposium in Mainz betonte. In den USA erhalten zwei Drittel, in Deutschland etwa die Hälfte der Erkrank- ten den gentechnisch herge- stellten Faktor VIII. Aller- dings sind auch heute noch in den Schwellenländern 80 Pro-
zent der Hämophilen unver- sorgt. Allein aus Plasma läßt sich der Bedarf nicht decken.
Während das Problem der Infektionssicherheit als wei- testgehend gelöst betrachtet werden könne, muß in bis zu 30 Prozent der Hämophilie- Patienten mit der Bildung von Antikörpern gegen das therapeutisch verabreichte Blutgerinnungsfaktorenkon- zentrat gerechnet werden, sagte Prof. Rainer Zimmer- mann vom Hämophiliezen-
trum Heidelberg. Bei diesen Patienten mit Antikörpern gegen Faktor VIII könne der therapeutisch verabreich- te Blutgerinnungsfaktor im Blutkreislauf nicht wirksam werden. Er werde durch den Antikörper vollständig neu- tralisiert. Unter Behandlung mit dem gentechnisch herge- stellten Blutgerinnungsfakto- renkonzentrat Kogenate® zeigten 21 von 101 Patienten (20,8 Prozent) eine Antikör- perbildung gegen den substi- tuierten Blutgerinnungsfak- tor. Fünf von acht Patienten sprachen auf eine hochdosier- te Faktor-VIII-Therapie, die sogenannte Immuntoleranz- behandlung, an. Bei acht wei- teren Patienten bildete sich
der Antikörper ohne Thera- pie zurück.
Bei zwei Patienten blieb der Faktor-VIII-Antikörper niedrig. Vier Patienten konnte mit alternativen Blutgerin- nungskonzentraten geholfen werden. Es könne davon aus- gegangen werden, so Zimmer- mann, daß die Antikörper-Bil- dung auf gentechnisch herge- stellte Präparate nicht höher ist als bei den herkömmli- chen plasmatisch hergestell- ten Blutgerinnungsfaktoren.
Die Behandlung mit Fak- tor VIII ist teuer. Aus Sicht der Krankenkassen sind die
finanziellen Rahmenbedin- gungen in diesem Bereich aber gut. Im ambulanten Bereich ist die Behandlung nicht eingeschränkt, da bei angeborenem Mangel die Therapie zwingend geboten ist. Damit greift kein Re- gelwerk wie Budgets oder Richtgrößen in die Thera- piefreiheit des Arztes ein. In der stationären Versorgung sei die Situation komplizier- ter, denn hier verhandeln die Krankenhausgesellschaften mit den einzelnen Landesver- bänden der Krankenkassen.
Dr. med. Cornelia Herberhold
A-3008 (68) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 47, 20. November 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Neuer rekombinanter Faktor VIII
Stabilisierung ohne humanes Albumin
Mediumproben für den Faktor VIII werden unter höchsten Reinheitsbedingungen gezogen, überprüft und dokumentiert. Foto: Bayer AG
Mit dem ersten selektiven Noradrenalin-Wiederaufnah- mehemmer hat Pharmacia &
Upjohn eine neue Stoffklasse antidepressiv wirksamer Me- dikamente eingeführt. Edro- nax®mit dem Wirkstoff Re- boxetin beugt der zellulären Reabsorption von Norad- renalin vor und ist damit in der Lage, die Symptome In- teresselosigkeit, Demotivati- on und Energielosigkeit der betroffenen Menschen direkt zu behandeln. Beim 11. Kon- greß des Collegiums Interna- tionale Neuro-psychophar- macologicum (CINP) in Glas- gow wurde dieser neue The- rapieansatz lebhaft disku- tiert.
So wies Prof. Stuart Mont- gomery (London) auf die hohe Selektivität dieses er- sten Antidepressivums der neuen Klasse der selekti- ven Noradrenalin-Reuptake- Inhibitoren (NARI) hin. Weil Reboxetin nur eine geringe Affinität zu den übrigen Re- zeptoren und schwache an- ticholinerge Eigenschaften habe, blieben „unnötige Ef- fekte“ aus. Dazu gehöre auch die sonst häufige Nebenwir- kung einer Sedierung des Pa- tienten, so daß die Aufmerk- samkeit zum Beispiel beim Autofahren nicht beeinträch- tigt wird. Dabei sei der Wirk-
stoff gut verträglich und hoch wirksam.
Über das Noradrenalin- System lassen sich vor allem die sozialen Funktionen und Aktivitäten positiv beein- flussen. Dadurch rückt, wie Dr. David Healy (Bangor, Großbritannien) beschrieb, dieser Symptomenkreis als Kriterium für Diagnose und Behandlungserfolg in den Mittelpunkt des Interesses des behandelnden Arztes.
Healy hält dieses „Social Functioning“, das den Um- gang mit der unmittelbaren persönlichen Umgebung der Depressiven und ihre aktive Teilnahme am Leben be- trifft, für wesentlich bedeut- samer als die Kriterien streng psychiatrischer Dia- gnose-Skalen.
In kontrollierten klini- schen Studien mit mehr als 2 000 Patienten wurde ge- zeigt, daß Edronax® sowohl in der akuten Behandlung der Depression als auch in der Erhaltung eines initialen Be- handlungserfolges wirksam war. Die antidepressive Wir- kung setzt bereits zehn Tage nach Therapiebeginn ein. Im Vergleich zu dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmer (SSRI) Fluoxetin war Reboxetin bei schwerer Depression wirksamer. EB