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Archiv "Krankenpflegekosten steigen um 30 Prozent" (02.05.1974)

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Die Information:

Bericht und Meinung DAMIT BEFASSTEN SICH DIE ZEITUNGEN

Meldepflicht —

Hilfe für Behinderte?

„Eine ärztliche Meldepflicht gegen- über den Gesundheitsämtern gibt es bislang nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen: bei Seuchenge- fahr und im Bereich der anstecken- den Geschlechtskrankheiten. Hier ist das geschützte Rechtsgut das Wohl der Allgemeinheit. Daneben besteht die humanitäre Tendenz, körperlich, geistig, seelisch behin- derten Menschen möglichst früh- zeitig zu helfen. Dies ist im Grunde nur möglich, wenn die Fälle auch bekannt sind. In diesem Sinne hat

Süddeutscheleitung in jüngster Zeit der ,Reichsbund der Kriegs- und Zivilgeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen' Äußerungen von Bundestagsabge- ordneten aller drei Fraktionen be- grüßt, die sich für die Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht für Behinderte aussprachen.

Wenn die ärztlichen Standesorga- nisationen gegen eine solche Mel- depflicht Bedenken äußern, so hat dies durchaus ehrenwerte Gründe.

Vor allem ältere Ärzte erinnern sich an das sogenannte Euthana- sieprogramm Hitlers. Der Massen- mord an Geisteskranken begann mit deren systematischer Erfas- sung, mit Meldelisten. Von daher rührt wohl die strikte Ablehnung von ,Krüppellisten` und ‚Gesund- heitskatastern'. Das generelle Miß- trauen der Ärzteschaft gegen eine drohende Aushöhlung der ärztli- chen Schweigepflicht verdient Ver- ständnis. Geht man jedoch davon aus, daß die Bundesrepublik der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist und daß vielen tausend vor allem junger Menschen rechtzeitig gehol- fen werden könnte, wenn insbeson- dere auch die Eltern nachdrücklich dazu angehalten würden, behinder- te Kinder einer frühzeitigen Be- handlung zuzuführen, so ist dies bei leidenschaftsloser Abwägung wohl ein Gesichtspunkt von bedeu- tendem Gewicht. Es tut not, hier ei-

nen Weg zu suchen, der — unter Achtung des verfassungsmäßigen Schutzes der Menschenwürde und der Persönlichkeit, unter Vermei- dung unnötiger Bloßstellung und unter menschenmöglicher Absiche- rung vor Mißbrauch — der Rehabi- litation dient, auch ihrer Planung und Finanzierung." M.-M. jr.

Unausgegoren

„... Wie viele Reformgesetzentwür- fe, so entwickelt auch dieser ein seltsames Eigenleben mit der ent- sprechenden negativen Dynamik.

Unabhängig von den präjudizieren- den Auswirkungen auf die noch nicht abgeschlossene Strafrechts- reform und die Änderung des Para- graphen 218 stülpt allein schon die einseitige Erweiterung des Kassen- arztrechts das ohnehin subtile Ge- bäude des Sozialversicherungsbe- reichs völlig um. Die zum Beispiel in der Reichsversicherungsord- nung vorangestellten Rechtsinstitu- te der Krankheit schlechthin wie auch des Verschuldenstatbestan- des müssen nämlich im kassen- rechtlichen Sinne durch eine Nega- tivdefinition erweitert, das heißt de facto außer Kraft gesetzt werden .. .

NEUE WESTFÄLISCHE Wie will man ausschließen, daß derart polare Definitionsänderun- gen im gesamten Versicherungsbe- reich Eingang finden?

Auf der anderen Seite beinhaltet das Sachleistungsprinzip im gülti- gen Kassenrecht eine absolut kostenlose Behandlungsverpflich- tung. Im Falle der Abtreibung aber entfällt diese Verpflichtung, da kein Krankenhaus, kein Arzt und auch kein Pflegepersonal zu einer sol- chen Handlung, auch wenn sie straffrei bleibt, verpflichtet werden kann. Der Widerspruch zwischen Leistungsverpflichtung und einge- räumter Leistungsablehnung ist das sicherste Indiz der Unausgego- renheit dieses speziellen Reform- werks..." Dr. Heinz Epping

Krankenpflegekosten steigen um 30 Prozent

Die Krankenhäuser ächzen unter der Kostenlast der Lohnsteigerung im Öffentlichen Dienst. Mehr noch ächzen die Haushalte der Länder, denen ein Teil der daraus resultie- renden Kosten angelastet wird.

Denn es wurde den Krankenkassen im Krankenhausfinanzierungsge- setz oberhalb einer zehnprozenti- gen Verteuerung der Pflegesätze vorerst eine Schonfrist eingeräumt.

So oder so aber droht die Kosten- flut alles an Reformen zu ersticken, was als Leistungsverbesserung ausgewiesen werden könnte: der Krankenhausbau kommt zum Erlie- gen, der Umbau alter Krankenhäu- ser unterbleibt zunächst, und auch dem Ausbau des Personalappara- tes sind entgegen allen geplan- ten Aufgabenvermehrungen enge Grenzen gesetzt. Erst angesichts dieser Situation wird so richtig klar, wie teuer die Krankenhausme- dizin ist und wie problematisch es daher sein muß, ausgerechnet mit Hilfe und über die Krankenhausbe- handlung die Reichweite der freien Praxen einzuschränken.

Für Krankenhausbehandlungen in Anstalten gaben die Krankenkas- sen im Jahre 1972 9,4 Milliarden DM aus und damit fast 2 Milliarden mehr als für die niedergelassenen Ärzte. In den sechziger Jahren ran- gierte dagegen die Gesamtausgabe für niedergelassene Ärzte noch bei weitem an der Spitze (wenn man einmal von den später auf die Ar- beitgeber abgewälzten Barleistun- gen im Krankheitsfall absieht).

Je Versicherten sind die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen in Anstalten 1971 um 24,1 Prozent ge- stiegen und 1972 um 19,5 Prozent.

Für das erste Halbjahr 1973 er- gibt sich eine Steigerung der Ge- samtausgaben für Krankenhausbe- handlung in Anstalten von 21,2 Pro- zent. Für 1974 ist nun, gemessen an dem bisher feststellbaren Anstieg der Pflegesätze, mit einer Verteue-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 18 vom 2. Mai 1974 1295

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Zum Wohle des Patienten?

Die kirchlichen Akademien haben die in das Blickfeld

geratene öffentliche Auseinan- dersetzung um die Gesund- heitspolitik als willkommenen Stoff für ihre Klausurtagungen entdeckt. Nicht verwundern konnte es daher, daß eine gut besetzte Expertentagung der Evangelischen Akademie Loc- cum erhebliches Interesse auch bei Presse und Rundfunk fand. Wer aber eine objektive und faire Berichterstattung darüber zum Beispiel im Deutschlandfunk erwartet hat- te, der sah sich leider ent- täuscht:

Für die halbstündige Sendung

„Zum Wohle des Patienten"

hatte die Regie auf Kosten der Körperschaft öffentlichen Rechts ausgerechnet den Dau- er-Kritiker unseres freiheitli- chen Gesundheitswesens, Jo- seph Scholmer, als Beobach- ter nach Loccum geschickt, und was dieser dann seinen Hörern vorsetzte, war statt ei- ner informierenden Sendung eine Mixtur aus dürrer Infor- mation und weitschweifigen Kommentierungen; in einer Weise, wie es Scholmer be-

reits zuvor über andere Sen- der (z. B. NDR und SFB) vor- exerziert hatte.

Ebenfalls kaum erstaunen konnte es dann da noch, daß der Autor die Thesen Friedel Läpples, des Vorsitzenden der Gesundheitspolitischen Kom- mission beim SPD-Parteivor- stand, uneingeschränkt lobte, während er dessen Widerpart in Loccum, Staatssekretär Prof. Dr. med. Fritz Beske

(Kiel), und dessen Ausführun- gen zur christdemokratischen Gesundheitspolitik durchweg als „ideologisch" und „konser- vativ" abqualifizierte Prof.

Beske forderte eine sachbezo- gene und begründete Reform, die aber auch den Mut haben sollte, Bewährtes und Erprob- tes zu erhalten und zu be- wahren.

Daraus las Linksaußen-Inter- pret Scholmer, ohne es näher zu begründen, daß sich der Staatssekretär ausdrücklich

„gegen die gesellschaftsbezo- gene Kritik am Gesundheits- wesen in der Bundesrepublik"

stelle. Sozialdemokrat Läpple sowie die einschlägigen ge- sundheitspolitischen Äußerun- gen auf SPD-Parteitagen und sozialdemokratischen Kon- gressen wurden hingegen in der Sendung als „fortschritt- lich" und wegbereitend für eine „klassenlose" Medizin ge- lobt. Im übrigen belastete sich Scholmer — wie bereits ge- sagt — nicht mit einer ausge- wogenen Berichterstattung, sondern schwang sich selbst zum Lehrmeister der Nation auf, indem er im Stile der Ju- sos postulierte: „Nur mit politi- schen Methoden, nur auf der politischen Ebene kann die Reform des Gesundheitswe- sens vorangetrieben und durchgesetzt werden. Politi- sche Ruhe um die Medizin da- gegen bedeutet das Stagnie- ren der Reform."

Bleibt die Frage an den Deutschlandfunk und auch an einige andere Rundfunk/Fern- sehanstalten: Wie lange will man es Hörern und Zuschau- ern eigentlich noch zumuten

„Zum Wohle des Patienten"

Sendungen wie diese über sich ergehen zu lassen, die so- viel Unsachlichkeiten und ein- seitige unnötige Polemik ent- halten? DÄ Die Information:

Bericht und Meinung

rung je Versicherten um annähernd 30 Prozent zu rechnen. Jedenfalls belief sich im Februar nach den Feststellungen eines großen priva- ten Krankenversicherungsunterneh- mens der gewogene Durchschnitt des allgemeinen Pflegesatzes in 101 Krankenhäusern mit 72 000 Betten auf 120,95 DM gegenüber 91,97 DM im Jahr 1973. Das bedeu- tet, daß der pauschalierte Pflege- satz, wie er mit Inkrafttreten der neuen Bundespflegesatzverord-

dpd

nung (aber noch vor der jüngsten Lohnsteigerung!) errechnet wird, durchschnittlich um etwa 32 Pro- zent über dem bisherigen Pflege- satz liegt. Auch wenn vorerst davon der größte Teil von den Länder- haushalten getragen werden muß, wird den Krankenkassen auf die Dauer nichts anderes übrigblei- ben, als diese Teuerung in erhöh- ten Beiträgen zu verkraften.

Bleiben bestimmte politische Kräf- te dieses Staates dabei, die Kran- kenhausmedizin auch insofern zu sozialisieren, als den Chefärzten das private Liquidationsrecht ge- nommen wird, dann müßten auch entsprechende Gehaltszahlungen an Chefärzte zusätzlich über die Pflegesätze erwirtschaftet werden.

Beispielrechnungen auf Grund von Angeboten, die in Hessen den Chefärzten gemacht worden sind, kommen zu dem Ergebnis, daß mehr als 1 Milliarde DM aufzuwen- den wäre, um den Wegfall privater Liquidation aufzufangen. Auf die- sem Weg umzukehren, ist es noch nicht zu spät. Denn noch haben die meisten Chefärzte ihre Verträge gegenüber dem Druck von Kran- kenhausverwaltungen und Länder- regierungen verteidigen können, so daß im allgemeinen der Privatpa- tient nach wie vor jene privatärztli- che Behandlung erhält, die er sich mit seinem Versicherungsschutz eingekauft hat.

Horst Menzel

HÖRFUNK UND FERNSEHEN ZEITUNGEN

1296 Heft 18 vom 2. Mai 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Referenzen

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