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Archiv "Therapie der Adipositas" (07.03.1997)

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Der Übersichtsartikel des Kolle- gen Wechsler geht voll am Thema vorbei und ignoriert in geradezu fahr- lässiger Weise modernste Grundla- genforschung zum Thema Adipositas, -genese und -therapie. Es besteht also erheblichster Nachbesserungs- und Erklärungsbedarf! So hat die New Yorker Forschergruppe um Friedman in jüngster Zeit nachgewiesen, daß so- wohl Fettaufnahme als auch -speiche- rung, ähnlich anderen hormonellen Regelkreisen, einer Autoregulation mit Feed-back-Charakter unterliegen (2, 11). Im Mittelpunkt steht die zen- trale Steuereinheit: der Adipostat.

Seine peripheren Stellgrößen sind in den Adipozyten gebildete Hormon- äquivalente (3), die Leptine (von griech. leptos: schlank, mager). Gene- tisch fixiert ist dieser Mechanismus auf dem Chromosom Nr. 6, dem

„ob-Gen“ (von Obesitas) (26). Mitt- lerweile weiß man, daß etwa bei der Hälfte aller Fettsüchtigen ein de- fektes ob-Gen vorliegt (34). Hier wird schon in relativ jungen Jahren das Vollbild des metabolischen Syndroms aquiriert – entsprechend schwierig wird sich die Therapie gestalten. Für den übergewichtigen Rest hingegen gilt, daß es eben, um das Gewicht zu reduzieren, nicht zu einer Verknap- pung der Kalorienzufuhr via reduzier- ter Mischkost kommen darf, wie der Kollege Wechsler empfiehlt, denn da- durch kommt es stereotyp zum Auf- treten des sogenannten „Jo-Jo-Effek- tes“, das heißt bei eingeschränkter Nahrungszufuhr reagiert die Schild- drüse mit einer deutlichen Verminde- rung der T4/T3-Neogenese (metaboli- sche Hypothyreose) (10, 14, 17, 22).

Es wird eine Notfallkaskade in Gang gesetzt, die zur katecholamingestütz- ten aminoplastischen Glukoneogene- se führt; dabei füllt der Körper seine Energiedefizite durch Einschmelzung eigener Eiweißvorräte ([Herz-]Mus- kulatur) wieder auf. Die fatalen Kon- sequenzen sind: Osteoporose, anstei- gender Blutdruck, Muskelatrophien (7), Herzrhythmusstörungen und -in- farkte, steigende Blutzuckerspiegel

bei reaktiven Hyperinsulinämien.

Weiterhin: vaskuläre Purpura, erhöhte Thromboseneigung durch Senkung des Antithrombingehaltes des Blutes mit vermehrter Thrombozytoneoge- nese. Hemmung der Immunreaktion bei erhöhter Infektanfälligkeit (18, 32, 33)! Parallel dazu tritt eine Deregulati- on des Adipostaten mit Hypoleptin- ämien ein, die zu extremen Hunger- attacken führt, die solange anhalten, bis die Fettspeicher vollständig aufge- füllt sind und der Status ante quo wie-

derhergestellt ist (4, 5, 6). Nun ist es je- doch möglich, im Rahmen dieser phy- siologischen Vorgaben zu einer ge- sundheitlich unbedenklichen und an- haltend wirkenden deutlichen Ge- wichtsreduktion zu kommen. So konn- te ich im Rahmen einer an 100 Proban- den durchgeführten Studie zeigen, daß es durch die Gabe eines spezifisch-dy- namisch stark wirksamen Protein-En- zym-Gemisches auf natürlicher Basis zu einer hochsignifikanten T4/T3-Neo- genese kommt; durch gleichzeitiges Absenken des Insulinspiegels wird die vormals kompetitiv gehemmte Trigly- zeridlipase frei (sog. Randle-Mecha- nismus) (30). Die Folgen sind:

! völliges Vermeiden des fata- len Jo-Jo-Effektes

! massive Utilisation/Mobilisa- tion der Triglyzeride aus den Fettde- pots unter hochsignifikanter Redukti- on von Körpergewicht und Body- Mass-Index

! Umgehung respektive Ver- meidung der aminoplastischen Glu- koneogenese und deren Folgen und last, not least eine Tonisierung des Adipostaten.

Für Männer wie Frauen gilt, daß in Abhängigkeit von steigendem Kör- pergewicht das Risiko für eine Herz- kranzgefäßerkrankung oder einen Herzinfarkt deutlich ansteigt (12, 13).

Insbesondere für Frauen gilt, daß die- ses Risiko schon im oberen Normge- wichtsbereich, respektive bei einem moderaten Gewichtsanstieg ab dem Alter von 18 Jahren, deutlich erhöht ist (23). So ist die kardiovaskuläre Morta- lität bei Personen mit mindestens 20 Prozent Übergewicht (BMI > 30 kg/m2) im Vergleich zu Normalgewich- tigen über zehn Jahre hinweg um das Doppelte erhöht (29). Neueste Unter- suchungen zeigen eine noch alarmie- rendere Tendenz: so scheint schon ein moderater Anstieg des Körpergewich- tes über 10 Prozent (nach Broca-BMI ab 27) zu zeigen, daß das Sterberisiko deutlich ansteigt (21). Das bedeutet, daß jeder dritte (!) Bundesbürger ge- fährdet ist, wegen seines Übergewich- tes vorzeitig zu sterben (31). Allein diese neueren Ergebnisse sind so alar- mierend, daß eine Neubewertung des Gesundheitsrisikos des Übergewichtes und damit auch eine radikale Ände- rung der Gewichtsempfehlung (inklu- sive wirksamer und gesunder diäteti- scher Maßnahmen unter ärztlicher Aufsicht) dringend geboten erscheint!

Literatur beim Verfasser Dr. med. Dieter Markert Cronstettenstraße 74 60322 Frankfurt am Main

Konsensus bedeutet Einigkeit, Übereinstimmung. Der unbefangene Leser verbindet mit diesem Begriff das ausgewogene Ergebnis einer um- fassenden Auseinandersetzung mit einem Thema. Die aus einem Kon- sensus-Gespräch resultierende Über- sichtsarbeit zur Therapie der Adiposi- tas wird jedoch der Komplexität des Themas nicht gerecht.

Nach Ansicht der Autoren liegt Übergewicht ab einem BMI von 25 vor, das entspricht etwa 76,5 kg bei ei-

Therapie der Adipositas

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Johannes G.Wechsler, Prof. Dr. med.

Volker Schusdziarra,

Prof. Dr. med. Hans Hauner und Prof. Dr. med.

Friedrich A. Gries in Heft 36/1996

Thema verfehlt

Ansprüche nicht erfüllt

(2)

ner Größe von 175 cm. Bei dieser De- finition verwundert es nicht, wenn sie die Adipositas als zunehmendes ge- sundheitspolitisches Problem sehen.

Andere zeigen mehr Augenmaß, bei- spielsweise beginnt nach dem Natio- nal Center for Health Statistics (1, S: 646) der Übergewichtsbereich für Männer erst ab einem BMI von 27,8 entsprechend 85 kg bei 175 cm Größe.

Noch strittiger als die Festlegung des Normalbereichs für das Gewicht ist die Frage der Therapieindikation.

Schematische und sich nur an dem Ge- wicht oder BMI orientierende Thera- pieempfehlungen sind nicht zu recht- fertigen, vielmehr müssen weitere Faktoren wie Alter und Begleiter- krankungen berücksichtigt werden.

Übergewicht allein rechtfertigt keine Therapieempfehlung. „Leave obesity alone in healthy and happy patients“, ist das Fazit einer Expertendiskussion über die Behandlungsbedürftigkeit des Übergewichts (2). Von Extremfor- men abgesehen, ist Übergewicht kein wesentlicher Risikofaktor, weder be- züglich der Entwicklung einer ko- ronaren Herzerkrankung noch der Lebenserwartung. „ . . . the conclusion that obesity is dangerous represents a selective review of the data (3)“.

In ihrer Übersichtsarbeit zum Thema Übergewicht, Arteriosklerose und koronare Herzerkrankung kommt Barrett-Connor zu dem Schluß, daß trotz biologischer Plausi- bilität die vorhandenen Daten die These, daß Übergewicht zu Arterio- sklerose führt, nicht stützen (4).

Bei Einhaltung ihres Therapie- konzeptes versprechen die Autoren eine verbesserte Lebenserwartung und -qualität. Überzeugende Daten, die eine derart optimistische Betrach- tungsweise stützen würden, gibt es nicht. „Taken as a whole, the evidence . . . that weight loss in obese persons increases longevity is equivocal“, ist die Schlußfolgerung einer Übersichts- arbeit zum Thema Gewichtsredukti- on und verbesserte Lebenserwartung (1). Daten aus großen Untersuchun- gen lassen eher das Gegenteil be- fürchten: größere Gewichtsabnahme oder stärkere Gewichtsschwankun- gen waren mit einer erhöhten Morta- lität verbunden (1). Was die Lebens- qualität anbetrifft, sollte die Entschei- dung jedem selbst überlassen bleiben.

Ob lebenslanges Fasten sie verbes- sert, ist zu bezweifeln, zumal der Rückschlag im allgemeinen vorpro- grammiert ist.

Abschließend möchte ich noch auf die empfohlenen therapeutischen Maßnahmen eingehen. Sie sind weder neu noch besonders originell. Zumin- dest was Diät, Verhaltens- und Bewe- gungstherapie anbetrifft, ist die Wir- kungslosigkeit seit Jahren bekannt (3). Kurzfristig ist eine Gewichtsab- nahme mit den verschiedensten Ver- fahren und Diäten möglich, längerfri- stig nehmen jedoch die meisten wie- der zu, oft sogar über das Ausgangs- gewicht hinaus. Es ist zweifelhaft, ob damit ein Mehr an Gesundheit ge- schaffen werden kann. Zwar kommt es während der Gewichtsabnahme zu einer Verbesserung des Risikofakto- renprofils, die praktisch unvermeid- bare Gewichtszunahme bewirkt dann jedoch das Gegenteil. Ohne den wis- senschaftlichen Beweis eines Nutzens werden Therapiemaßnahmen emp- fohlen, deren Effektivität sich nur auf Vermutungen bezieht (3).

Ausführlich werden von den Au- toren alle möglichen Gesundheitsrisi- ken durch Übergewicht einschließlich einer Beeinträchtigung des Selbst- wertgefühls aufgezählt. Darauf de- tailliert einzugehen überschreitet den Rahmen. Es ist jedoch festzustellen, daß Übergewicht primär ein Risiko- faktor für das Auftreten weiterer Ri- sikofaktoren und keine Erkrankung ist. Es ist bezeichnend, daß auf die Ne- benwirkungen einer Gewichtsabnah- me wie Gallensteinbildung, Protein- katabolismus, Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt, Erhöhung der Harnsäure, Hypotension, Haar- ausfall und erhöhte Infektanfälligkeit nicht eingegangen wird. Radikal- diäten (unter 800 kal/d) können zu behandlungsresistenten Arrhythmien und Todesfällen führen.

Zunehmend bedeutsam wird das Problem der Induktion von Eßstörun- gen. Diese sind die Folgen eines über- triebenen Schlankheitsideals und der gesellschaftlichen Ächtung des Über- gewichts. Auch gesundheitsschädliche Praktiken zur Gewichtskontrolle wie die Einnahme von Medikamenten (Appetitzügler, Diuretika, Schilddrü- senhormone, Laxantien) oder einseiti- ge Diäten nehmen kontinuierlich zu

(1). Es ist unverständlich, daß diese wesentlichen Punkte in der Übersichts- arbeit nicht erwähnt werden.

Die Autoren schreiben auch, daß Adipositas zu schwerwiegenden psy- chosozialen Problemen führt. Richtig ist, daß Übergewichtige diskriminiert und sozial benachteiligt werden. Die- se Probleme sind jedoch nicht Folge des Übergewichts, vielmehr werden sie durch die Haltung der Gesellschaft zum Übergewichtigen verursacht, und diese Haltung wird von der Medi- zin wesentlich bestimmt. Permanente Gängelungen sowie unsinnige und spekulative Schätzungen über Be- handlungs- und Folgekosten der Adi- positas tragen sicher nicht zur He- bung des Selbstwertgefühls der Über- gewichtigen bei. Selbstverständlich können die Kosten unnötiger und in- suffizienter Therapiekonzepte nicht den Übergewichtigen angelastet wer- den. Statt 40 Prozent der Bevölke- rung als übergewichtig und damit chronisch krank zu bezeichnen, soll- ten wir unsere Therapiemaßnahmen auf diejenigen wenigen Patienten be- schränken, bei denen eine klare medi- zinische Indikation vorliegt; primär sind dies übergewichtige Diabetiker.

Literatur

1. Methods for voluntary weight loss and control. National Institutes of Health tech- nology assessment conference. Annals of Internal Medicine, 1993; 119 (Suppl 2) 641–770

2. Controversies in management. Should obe- sity be treated? BMJ 1994; 309: 654–656 3. Garner D, Wooley S: Confronting the fail-

ure of behavioral and dietary treatments for obesity. Clin Psych Rev 1991; 11: 729–780 4. Barrett-Connor E: Obesity, atherosclerosis

and coronary artery disease. Ann Int Med 1985; 103: 1010–1019

Dr. Thomas Martin

Rehabilitationsklinik Rudolf Wissell der LVA Berlin

Menzelstraße 19 97688 Bad Kissingen

Die Adipositas ist in der überwie- genden Mehrzahl der Fälle lediglich Teil eines metabolischen Syndroms (Insulinresistenz, Adipositas vom androiden Typ, Dyslipidämie, Hyper-

tonie). !

M E D I Z I N DISKUSSION

Ergänzung notwendig

(3)

In aller Regel ist es nur eine Fra- ge der Zeit, wann aus der Insulinresi- stenz ein manifester Typ-IIb-Diabe- tes wird, da das metabolische Syn- drom als prä-Typ-IIb-Diabetes be- zeichnet werden kann.

Daraus folgt: Bei Versagen der Bewegungs- und Ernährungstherapie – was eher die Regel als die Ausnah- me ist (die Gründe sollen hier nicht diskutiert werden) – sollte unverzüg- lich die medikamentöse Therapie mit nichtinsulinotropen Antidiabetika einsetzen – auch bei (noch) normalen Glukosewerten. Der damit erreichba- re Gewichtsverlust ist meines Erach- tens eine wichtige Maßnahme, um den Circulus vitiosus des metaboli- schen Syndroms zu unterbrechen. Sie dient in markanter Weise der Präven- tion von lebensbedrohenden Folge- krankheiten wie Niereninsuffizienz und koronaren Herzerkrankungen und steht damit im Einklang mit den WHO-Forderungen für die Diabe- testherapie.

Dr. med. Ulrich Krause Brennerstraße 9 31737 Rinteln

Die Stellungnahme der Experten der Deutschen Adipositasgesellschaft ist zu begrüßen. Im folgenden erlaube ich mir einige konstruktive Anmer- kungen.

! Die Definition geeigneter Ziele ist für eine Adipositasbehand- lung hilfreich. Ziele der Adiposi- tastherapie sind: die langsame, konti- nuierliche und dauerhafte Gewichts- abnahme, die Verminderung des mit der Adipositas verbundenen gesund- heitlichen Risikos, die Meidung von gesundheitlichen Schäden, die Verhü- tung von Eßschäden und ein Zuge- winn an Lebensqualität.

! Kontraindikationen schützen Patienten vor dem möglichen Scha- den einer Adipositastherapie. Kon- traindikationen sind beispielsweise für die Anwendung von Diäten mit extrem niedrigen Energiegehalt (so- genannter „Very low energy diets“):

Kinder und Jugendliche, Schwanger-

schaft und Stillperiode, Alter > 60 Jahre, vorbestehende Herzerkran- kungen, schwere und konsumierende Erkrankungen, Eßstörungen und Normalgewicht.

! Die Empfehlungen für eine sinnvolle Bewegungstherapie könn- ten möglicherweise konkretisiert wer- den. So empfiehlt die Europäische Arteriosklerose-Gesellschaft kon- kret: vier- bis fünfmal in der Woche aerobe Belastungen (zum Beispiel Radfahren, Joggen, Schwimmen) für 30 Minuten mit jeweils 10 Minuten für die Aufwärm- und Ausklangphase.

Die Belastung sollte an der Pulsfre- quenz orientiert sein. Die folgenden Belastungsfrequenzen sind bei gesun- den Personen angemessen: 20 bis 29 Jahre: 115 bis 145 Schläge/Minute; 30 bis 39 Jahre: 110 bis 140; 40 bis 49 Jah- re: 105 bis 130; 50 bis 59 Jahre: 100 bis 125 und 60 bis 69 Jahre: 95 bis 115.

! Eine allgemeine Empfehlung für eine medikamentöse Behandlung als additive Maßnahme im Rahmen einer Adipositastherapie bei Patien- ten mit einem BMI > 30 kg/m2 er- scheint mir nicht ausreichend. In pla- zebokontrollierten Studien fand sich in den medikamentös behandelten Gruppen keine wesentlich bessere Gewichtsabnahme (4). Nur eine kli- nisch nicht gut charakterisierte Un- tergruppe der medikamentös behan- delten Patienten erreichte eine län- gerdauernde Gewichtsreduktion. Da sich zum Beispiel Eßstörungen häufi- ger bei medikamentös behandelten Patienten finden (5) und ein gesund- heitliches Risiko bei unsachgemäßer Anwendung besteht (6), kann die Entscheidung nicht allein pragma- tisch vom Körpergewicht und den bis- herigen Erfolgen einer nichtmedika- mentösen Behandlung abhängig ge- macht werden. Die Experten sind auf- gefordert, in dieser Frage engere Kri- terien zu entwickeln.

! Die Indikation für eine chirur- gische Behandlung (das heißt Gastro- plastik) ist nicht allein vom Ausmaß der Adipositas, deren Dauer und der Erfolglosigkeit konservativer Maß- nahmen abhängig. Die individuelle Entscheidung sollte entsprechend den Empfehlungen der NIH-Konsensus- konferenz (7) durch ein multidiszi- plinäres Team (bestehend aus Interni- sten, Chirurgen, Psychiatern, Ernäh-

rungsmedizinern) getroffen werden.

Eine lebenslange medizinische Über- wachung muß sichergestellt sein. Die- ses gilt um so mehr, da die langfristi- gen gesundheitlichen Konsequenzen unklar und mögliche Schäden (zum Beispiel das Auftreten von Mangelzu- ständen oder Eßstörungen) berichtet worden sind (8). Es ist meine persönli- che Meinung, daß eine chirurgische Behandlung der Adipositas zur Zeit nur in Ausnahmefällen bei schweren Erkrankungen (zum Beispiel einem Schlaf-Apnoe-Syndrom) und im Rah- men kontrollierter Studien durchge- führt werden sollte.

! Die Empfehlungen zur Be- handlung der Adipositas erscheinen plausibel. In der Praxis sind sie aber meist im langfristigen Verlauf (das heißt über mehr als drei Jahre) un- wirksam. Im Vergleich kontrollierter Studien können allenfalls 20 Prozent der behandelten Patienten über einen mittleren Zeitraum von fünf Jahren ein vermindertes Körpergewicht hal- ten (9). Für die meisten Patienten ist die Adipositas ein chronisches Phäno- men, welches mit den genannten Me- thoden in ihrer gegenwärtigen Hand- habung nicht behandelbar ist. Dieses Wissen belastet Arzt und Patient. Es wäre vorsichtig zu fragen, inwieweit die dargestellten Strategien anderer- seits geeignet sein könnten, Adipösen den Einstieg in eine Diätkarriere zu eröffnen und die Manifestation von Eßstörungen zu begünstigen. Eine auf bisherige Erfahrungen beruhende Adipositastherapie setzt nicht so sehr auf Restriktionen und Diäten, son- dern versucht, durch Maßnahmen der Gesundheitsförderung Verant- wortung für die Gesundheit zu wecken. Da die Adipositas in unse- rem Land endemisch ist und sich ihre Prävalenz in den letzten 15 Jahren verdoppelt hat, wird die Notwendig- keit geeigneter Maßnahmen zu ihrer Prävention offensichtlich (10).

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. M. J. Müller Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Düsternbroocker Weg 17 24105 Kiel

Konstruktive

Anmerkungen

(4)

Zum Kommentar von Dr. Markert

Die Existenz einer Adipostat- Funktion ist bis heute hypothetisch.

Defekte des Leptin-Gens oder -Pro- teins konnten bisher bei Menschen im Gegensatz zu Tieren nicht bestätigt werden. Bei der menschlichen Adipo- sitas wird Leptin jedoch immer überexprimiert, so daß eine Leptin- Resistenz vorliegen könnte. Daher sind auch therapeutische Konsequen- zen aus der Identifizierung des Lep- tins derzeit nicht absehbar.

Die Einschränkung der Nah- rungszufuhr führt über verschiedene Mechanismen zu einer Reduktion des Grundumsatzes und der diätetisch in- duzierten Thermogenese. Diese Ver- änderungen sind nicht durch Gabe von Schilddrüsenhormonen oder Katecho- laminen auszugleichen. Einer Ein- schmelzung körpereigener Eiweißbe- stände muß bei stark hypokalorischen Diäten durch adäquate Proteinzufuhr weitestgehend vorgebeugt werden.

Gravierende Nebenwirkungen sind bei konsequenter Anwendung der Empfehlungen der Deutschen Adipo- sitas-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und Be- achtung der Kontraindikationen aus- geschlossen (1).

Bis heute ist in der wissenschaftli- chen Literatur kein Protein-Enzym- gemisch bekannt, das, wie in dem Bei- trag angesprochen, positive Effekte auf eine Gewichtsreduktion bei Adi- positas hätte.

Stellungnahme zum Beitrag von Dr. Martin

Nach langjährigen Diskussionen um Idealgewicht und Normalgewicht nach Broca hat sich der Body-Mass- Index als Meßgröße durchgesetzt.

Die vorgeschlagene Einteilung in ver- schiedene Schweregrade der Adiposi- tas wird inzwischen weltweit verwen- det und wurde auch von der WHO übernommen. Eine Therapieindikati- on besteht bei einem Body-Mass-In- dex unter 30 kg/(m)2nur bei gleichzei- tigem Vorliegen von Erkrankungen oder Risikofaktoren, die durch Ge-

wichtsreduktion verbessert werden können. Dies trifft für etwa 30 Pro- zent der Personen in diesem Ge- wichtsbereich zu. Dies gilt insbeson- dere für übergewichtige Diabetiker, die von einer Gewichtsreduktion um nur wenige Kilogramm außerordent- lich profitieren können.

Ein BMI von 30 kg/(m)2 und höher rechtfertigt für sich alleine eine Therapie. Es ist hinreichend gesichert, daß Übergewicht mit einem Body- Mass-Index von > 30 kg/(m)2auch oh- ne begleitende Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Hypertonie oder Hyperlipidämie zu einer erhöhten Morbidität und Letalität führt (2, 3).

Eine erfolgreiche Adipositas- Therapie verbessert die Lebensqua- lität, vermindert Beschwerden und ist in der Lage, sowohl eine Hypertonie als auch eine Hyperlipoproteinämie zu beseitigen sowie die Diabetesein- stellung zu verbessern beziehungs- weise zu normalisieren. Der Leidens- druck der meisten Übergewichtigen ist erheblich und wird vielfach unter- schätzt. Aus diesem Grund blüht das Geschäft mit zahllosen mehr oder we- niger seriösen Angeboten zur Ge- wichtsreduktion.

Studien, die eine Verlängerung des Lebens durch Gewichtsreduktion belegen, sind außerordentlich schwie- rig durchzuführen, da aus statisti- schen Gründen dafür konstante Ver- hältnisse über viele Jahre erforderlich sind. Es gibt daher nur wenige gute Publikationen zu diesem Thema, die klar die Vorteile einer langfristigen Gewichtsreduktion auf die Mortalität belegen (3, 4).

Die Wirksamkeit einer ausgewo- genen bilanzierten Diät in Verbin- dung mit Verhaltenstherapie und Be- wegungstherapie ist außerordentlich gut belegt (5). Nach breitem Exper- tenkonsens ist Adipositas eine chroni- sche Erkrankung, die einer Langzeit- behandlung und -betreuung bedarf.

Eine kurzzeitige und befristete The- rapie muß zu schlechten Langzeiter- gebnissen führen und entspricht nicht dem heutigen Kenntnisstand. Nie- mand käme auf die Idee, eine arteriel- le Hypertonie, einen Diabetes melli- tus oder eine Hyperlipidämie über ei- nen befristeten Zeitraum von vier oder acht Wochen zu behandeln.

Diese Krankheitsbilder jedoch sind in

den meisten Fällen Folge des Überge- wichts. Die Behandlung des metaboli- schen Syndroms darf sich daher nicht an den Folgen, sondern muß sich an der Ursache orientieren.

Durch fachkundige Behandlung sind Nebenwirkungen und Komplika- tionen einer Gewichtsreduktion zu vermeiden (6).

Die Empfehlungen der Deutschen Adipositas-Gesellschaft sind eindeutig formuliert und entsprechen einer Posi- tivliste.

Adipositas führt zu schwerwie- genden psychosozialen Problemen.

Dies erfolgt natürlich in Interaktion mit der Umwelt und ist häufig auch durch diese ausgelöst. Adipöse benötigen eine klare diagnostische Abklärung ihres Risikos und eine ein- fühlsame Therapie, die individuell zu besprechen und festzulegen ist. Der Typ-II-Diabetes mit Übergewicht stellt eine klare Indikation zur Ge- wichtsreduktion dar. Dies gilt jedoch auch für den übergewichtigen Hyper- toniker, für den übergewichtigen Hy- perlipidämiker, für den übergewichti- gen Patienten mit Gelenkbeschwer- den, für den übergewichtigen Patien- ten mit kardialer und pulmonaler In- suffizienz und anderen Beschwerden.

Stellungnahme zum Beitrag von Dr. Krause

Bei der beginnenden Adipositas spielen weder der Typ-II-Diabetes noch die Insulinresistenz noch die Hy- pertonie noch die Dyslipoproteinä- mie eine große Rolle. Nur bei manife- stem Typ-II-Diabetes und nach Aus- schöpfung der nicht medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten ist eine Normalisierung der Glukosewerte mit Antidiabetika anzustreben. Der Nutzen dieser Medikamente in der prädiabetischen Phase ist nicht be- legt, wird derzeit aber in mehreren Studien überprüft.

Zum Beitrag von Prof. Müller Den genannten Zielen der Adipo- sitastherapie ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Very low calorie diets (VLCD) sollten bei Kindern und Ju- gendlichen, in der Schwangerschaft und Stillperiode natürlich nicht ange- wandt werden. Auch in höherem Alter

M E D I Z I N DISKUSSION

Schlußwort

(5)

ist dies nicht sinnvoll. Gegen die An- wendung von Reduktionsdiäten auch als Formuladiäten, die dem Paragraph 14a beziehungsweise der EU-Richtli- nie entsprechen, bestehen jedoch kei- ne Bedenken. Bei Herzerkrankungen muß differenziert werden, ob eine koronare Herzerkrankung oder eine myokardiale Herzinsuffizienz vorliegt.

Auch hier ist von drastischen Ge- wichtsreduktionen mit möglicherweise nicht bilanzierten Diäten ausdrücklich abzuraten. Schwere und konsumieren- de Erkrankungen stellen eine Kontra- indikation für eine Gewichtsreduktion dar. Dies gilt auch für andere akute Er- krankungen.

Eine Steigerung der körperlichen Aktivität ist wünschenswert, hat je- doch für die Stabilisierung des Erfol- ges nach Gewichtsreduktion höhere

Bedeutung als für die Gewichtsreduk- tion an sich.

Eine Reihe neuerer Studien zeigt aber, daß mit den derzeit verfügbaren Substanzen zur medikamentösen Therapie der Adipositas eine zusätzli- che Gewichtsreduktion von etwa fünf Prozent des Übergewichts mit ent- sprechender Besserung von Begleit- störungen möglich ist (7, 8, 9).

Die Indikation für eine chirurgi- sche Behandlung der Adipositas soll- te interdisziplinär gestellt werden.

Schwerwiegende psychiatrische Er- krankungen müssen ausgeschlossen sein. Internist und Chirurg sollten sich über die präoperative Vorbereitungs- phase, die perioperative Führung, ins- besondere aber über die postoperati- ve Langzeitbetreuung einig sein und dem Patienten ein langfristiges The-

rapiekonzept anbieten. Wir stimmen zu, daß eine chirurgische Behandlung der Adipositas nicht die Regel sein kann, sondern in jedem Einzelfall gründlich abgewogen werden muß.

Die Behandlung sollte von einem in der Adipositaschirurgie erfahrenen Arzt vorgenommen werden.

Wir stimmen der Aussage zu, daß die Prävention der Adipositas erste Priorität haben sollte.

Literatur bei den Verfassern Prof. Dr. med.

Johannes Georg Wechsler Chefarzt der Inneren Abteilung Krankenhaus der

Barmherzigen Brüder Romanstraße 93 80693 München

Ausbrüche von Meningitis und Septikämie, die vom Meningokok- kus-Erreger verursacht wurden, rie- fen bisher meist Schlagzeilen hervor.

Zum einen mag das an den oft sehr jungen Kranken liegen, zum anderen weist die Infektion eine Sterblich- keitsrate von 10 bis 30 Prozent auf, die auch bei frühzeitiger Anwendung von Antibiotika und Behandlung auf speziellen Intensivstationen selten sinkt. Hauptsächliche Ursachen für den Tod sind hartnäckige myokardia- le Depressionen und Hypotonien so- wie akute Atemnotsyndrome.

A. Goldman und Mitarbeiter vom Great Ormond Street Hospital for sick Children in London beschrei- ben jetzt Erfahrungen mit einer Tech- nik, der sogenannten ECMO (extra- corporal membrane oxygenation), die Patienten retten kann, wenn alles an- dere bereits versagt hat. ECMO be- nutzt eine modifizierte Herz-/Lungen- maschine, die zeitweise die Herz-/Lun- genfunktion der Patienten übernimmt, um so Zeit für den Genesungsprozeß zu gewinnen. Die Forscher sammelten in Australien und Großbritannien die Daten von zwölf Patienten im Alter zwischen 4 Monaten und 18 Jahren, de- ren Herz-/Lungenversagen auf kon-

Die Zylinderzellmetaplasie der Speiseröhre (Barrett-Ösophagus) gilt heute als präkanzeröse Kondition für die Entwicklung eines Adenokarzi- noms. In der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle handelt es sich dabei um ein Ausheilungsstadium der Re- fluxösophagitis; wegen des erhöhten Karzinomrisikos werden endoskopi- sche Vorsorgeuntersuchungen in ein- bis zweijährigem Intervall empfohlen, um Epitheldysplasien rechtzeitig zu erfassen.

Die Autoren berichten über ihre Erfahrungen mit der photodynami- schen Therapie, wobei fünf Patienten 5-Aminolävulinsäure (60 mg/kg) zu trinken erhielten. Vier Stunden später erfolgte eine endoskopische Behand- lung mit einem 630 nm-Laser, wobei

das gesamte Zylinderzellsegment von vier bis acht Zentimeter Länge mit dem Farbstofflaser bestrichen wurde. In je- dem Fall kam es zu einer Reepitheliali- sierung mit Plattenepithel, das zum Teil über nicht dysplastisch verändertes Zy- linderepithel wuchs. Bei einer Nachbe- obachtungszeit von 26 bis 44 Monaten konnte kein Rezidiv der Dysplasie

nachgewiesen werden. w

Barr H, Shephard NA, Dix A, Roberts DJH, Tan WC, Krasner N: Eradication of high-grade dysplasia in columnar-lined (Barrett’s) oesophagus by photodynamic therapy with endogenously generated protoporphyrin IX. Lancet 1996; 348:

584-585

Gloucester gastroenterology group, Gloucestershire Royal and Cranfield University Institute of Medical Sciences, Gloucestershire Royal Hospital, GL1 3 NN Gloucester, Großbritannien.

Photodynamische Therapie des Barrett-Ösophagus

ventionelle Behandlungsmethoden nicht mehr ansprach. Acht der zwölf überlebten, sechs davon ohne Lang- zeitschäden. Die Frage ist nun, ob die vier verstorbenen Patienten überlebt hätten, wenn sie nicht mit ECMO be- handelt worden wären? Die Forscher verneinen dies, weil die maximale kon- ventionelle Therapie auf jeden Fall

den Tod nicht verhindert hätte. Sie sind der Meinung, daß ECMO große Wir- kung bei hartnäckigen kardiorespi- ratorischen Beschwerden zeigt, die vom Meningokokkus-Erreger verur-

sacht werden. pb

Goldman AP et al.: Extracorporal sup- port for intractable cardiorespiratory fai- lur due to meningococcal disease. Lancet 1997; 349: 466-469

Dr. Allen P Goldman, Cardiac intensive care unit, Great Ormond Street Hospital for sick children, London WC1N 3JH, Großbritannien

Endgültige Rettung für Patienten, die am

Meningokokkus-Erreger erkrankt sind?

Referenzen

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