Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Chromosomale Anomalien
der forensischen Einordnung die- ser Patientengruppe, bei denen alle Probanden ein leichtes psy- choorganisches. Syndrom sowie eine lntelligenzstrukur im Grenzbe- reich zur Debilität aufwiesen.
Karyotyp 47 XYY
Die Kombination Karyotyp 47 XYY und Kriminalität führte zur Speku- lation, bestimmte Chromosomen- konstellationen könnten für Ag- gressivitäts- oder Gewalthandlun- gen allein verantwortlich sein. So wurde etwa die Forderung erho- ben, daß solche Probanden el{kul- . piert werden müßten. Es wurde auch die Ansicht vertreten, daß der Karyotyp 47 XYY unter hochwüch- sigen, geistig subnormalen Män- nern mit Verhaltensstö'rungen, die zu Straftaten führten, häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung vorkommen würde.
Unseres Erachtens bedingt die Chromosomenaberration aber nicht selbstverständlich ein disso- ziales oder kriminelles Verhalten.
Die abnorme Persönlichkeitsstruk- tur darf deshalb nicht nach der Er- hebung eines zytogenetischen Be- fundes allein, gleichsam als unab- weich I iche Sei bstverständ I ich keit, postuliert werden. Entscheidend für die forensisch-psychiatrische Beurteilung ist sowohl beim Kline- felter-Syndrom als auch beim XYY- Befund, dessl'ln determinierende Bedeutung bei gesicherter Einwir- kung auch anderer prägender Fak- toren zumindest strittig ist, nur das jeweilige psychiatrisch-psychologi- sche Untersuchungsergebnis.
Literatur beim Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. H. Rarbauer 6 Frankfurt am Main
Deutschordenstraße 50
FÜR SIE GELESEN
Zur Röntgendiagnose des Karzinoids
Die meisten Karzinoide, die als bla- stornatäse Entfaltungen des zelli- gen Bestands der peripheren endo- krinen Drüsen, der sogenannten
"gelben Zellen" beziehungsweise der "basalgranulierten" Zellen der Lieberkühnsehen Drüsen in den zy- linderepitheltragenden Schleim- häuten gewertet werden, zeichnen sich durch hohe Gewebsreife, langsame Wachstumstendenz und relativ späte Metastasierung aus.
Etwa bei jedem hundertsten Karzi- noidträger kommt es zur Metasta- sierung; in fünf Prozent entwickelt sich ein Karzinoidsyndrom. Dies setzt, außer bei Primärtumoren der Gonaden, Metastasen, insbesonde- re der Leber voraus. '90 Prozent al- ler Karzinoide liegen in Dünndarm und Appendix wo sie früh zur Ap- pendizitis führen.
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Bei einem 61jährigen Patienten mit Karzinoidsyndrom wurden angle- graphisch multilokuläre lleumkarzi- noide mit mesenterialen und nodu- lären Lebermetastasen nachgewie- sen, ohne daß sich bei vorausge- gangenen Magen-Darm-Passagen ein eindeutiger Hinweis auf einen Dünndarmtumor ergab. Bei einem 65jährigen Kranken wies man prä- operativ mittels Kontrasteinlauf eine hochgradige Rektumstenose und einen fraglichen Tumor in der lleo- zökalgegend nach. Bei der abdo- minalen Aortagraphie tauchte der Verdacht auf eine ausgedehnte re- troperitoneale Tumorausbreitunq und bei der Kavographie auf Wir- belkörpermetastasen auf. Ebenso wie bei einem dritten Patiemten war erst durch Sektion der Primärtu- mor festzustellen.
Bei Einsetzen klinischer Symptome sind die meisten Dünndarmkarzi- noide bereits in die Umgebung ln- filtriert oder metastasiert. Die Infil- tration ins Mesenterium und die Metastasierung in die regionären Lymphknoten führen auf Grund der exzessiven Fibrosierungstendenz des Tumorgewebes zur Verdickunq und Retraktion des Mesenteriums
1206 Heft 17 vom 24. April1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT
in Richtung der Mesenterialwurzel mit Abknickung der Dünndarm- schlingen. Anglegraphisch finden sich eine sternförmige Anordnung der Vasa recta und der terminalen Arkaden sowie Stenosen der Mes- enterialarterien als direkte Zeichen des in die Umgebung infiltrieren- den Tumors und dessen Fibrosie- rungstendenz. Die Lebermetasta- sen haben entweder einen zentra- len Kern und eine aufgelockerte Randzone, wahrscheinlich als Hin- weis auf die endokrine Aktivität dieses Gewebes, oder eine star- ke Kontrastrhittelakkumulation, was allerdings nur unter Vorbehalt Rückschlüsse auf den Primärtumor zuläßt. Die konventionelle rapiolo- gische Untersuchung des Magen- Darm-Traktes erbringt meist nur un- spezifische Befunde, da die Karzl- noide meist submukös wachsen und oft sehr klein sind. Pz Hermanutz, K. D., BOcheler, E. u. Bier- . sack, H. J.:
Zur Röntgendiagnose des Karzinoids f;ortschr. Röntgenstr. 121 (1974) 186-196 Dr. med. K. D. Hermanutz, Prof. Dr. E. BO- cheler, Radiologische Klinik der Universität Bonn, 53 Bann/Venusberg
Adipositas
Zu: "Die Adipositas und die Mei- nung des Patienten" von Prof.
Dr. med. Viktor Tobiasch in Heft 9/1975, Seite 572 ff.
"Dicke gelten in breiten Be- völkerungskreisen immer noch als ,gesund und stark'.
Trotz des Dauerfeuerwerks der Warnungen und Episteln gegen die Fettsucht kommen die Ärzte im Kampf gegen den Wohlstandsspeck nicht so recht vorwärts. Das liegt, wie soeben Professor Dr.
med. Viktor Tobiasch im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT enthüllt, eller an den fal- schen Ansichten der Patien- ten über das Dicksein und weniger an mangelnder Be-
reitschaft zu Abmagerungs- kuren." {Hans Wüllenweber in Kölnische Rundschau)