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Archiv "Neue Optionen für die Adipositas-Therapie" (17.12.1999)

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A-3240

M E D I Z I N EDITORIAL

(32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 50, 17. Dezember 1999

ie bisherigen Ergebnisse der konserva- tiven Behandlung der Adipositas sind nicht zufriedenstellend. Vermutlich hat noch nicht einmal jeder zehnte Versuch der Gewichtsreduktion dauerhaften Erfolg. In- folgedessen ist eine nihilistische Einstellung ge- genüber der Adipositas-Therapie unter Ärzten weit verbreitet, und nur allzu bereitwillig hat man sich in früheren Jahren diese undankbare Aufga- be aus der Hand nehmen lassen. Zahlreiche An- bieter haben sich daher am Markt etabliert und versuchen auf mehr oder weniger qualifizierte, aber zumeist lukrative Weise, adipöse Menschen bei der Gewichtsreduktion zu unterstützen. Die Einstufung der Adipositas als chronische Erkran- kung und der Adipositas-Therapie als primär ärztliche Aufgabe findet jedoch zunehmend Ver- breitung. Die steigende Zahl von Medizinern, die sich mit der Adipositas-Therapie beschäftigen, trifft, Zufall oder nicht, mit der Zulassung zweier neuer Medikamente zur Behandlung der Adipo- sitas zusammen. Die Übersicht von Adam in die- ser Ausgabe befaßt sich unter anderem mit den pharmakologischen Grundlagen einer medika- mentösen Gewichtsreduktion (1).

Durch die Einnahme von Orlistat (Xenical) läßt sich die Resorption von etwa 30 Prozent des in der Nahrung enthaltenen Fetts verhindern.

Damit geht bei gleichzeitiger hypokalorischer Ernährung ein zusätzlicher Gewichtsverlust von zirka 4 kg (3, 11) einher. Sibutramin (Reductil) hingegen führt über ein verstärktes Sättigungs- gefühl zu einer verminderten Nahrungsaufnah- me und daneben auch zu einer Steigerung des Energieverbrauchs, was mit einem dosisabhän- gigen Gewichtsverlust von zirka 4 bis 6 kg (8, 12) einhergeht. Beide Substanzen haben einen gün- stigen Effekt auf mit Adipositas assoziierte Risi-

koparameter. Sie führen zu einer deutlichen Verminderung von Hypertriglyzeridämie und Hyperinsulinämie, einer leichten Absenkung von erhöhten Cholesterin- und Blutzuckerwer- ten und im Falle von Orlistat auch zu einer leich- ten Blutdrucksenkung. Das Ausmaß dieser the- rapeutischen Effekte korreliert mit der Höhe der erreichten Gewichtsabnahme. Nach einigen Monaten Therapie mit Orlistat oder Sibutramin kommt es meist zu keiner weiteren Gewichtsab- nahme. Nach Absetzen des jeweiligen Präparats ist in der Regel sogar ein erneuter Anstieg des Körpergewichts zu verzeichnen, wenn nicht an- dere Maßnahmen, zum Beispiel Bewegungsthe- rapie, erfolgreich eingesetzt werden. Diese Be- obachtung sollte uns nicht überraschen. Ebenso- wenig würde ein medikamentös erfolgreich ab- gesenkter Blutdruck nach Absetzen des Antihy- pertensivums von alleine auf dem erniedrigten Niveau verbleiben, sofern keine gleichzeitige nichtmedikamentöse Behandlung erfolgreich angewandt wird. Obwohl Adipositas zumeist ein jahrzehntelanges Problem darstellt, ist jedoch anders als bei der Hypertonie eine medika- mentöse Dauertherapie gegenwärtig keine Al- ternative. Ohne Änderung der Lebensgewohn- heiten ist die Einnahme von Orlistat oder Sibu- tramin daher nicht sinnvoll.

Prädisposition und

Lebensstil ausschlaggebend

Genetik und Lebensstil bestimmen gemein- sam das Körpergewicht beziehungsweise den

„Body Mass Index“ (BMI). Erbanlagen, die sich während der vergangenen Jahrtausende mit limitierten Nahrungsressourcen als vorteil-

Neue Optionen für die

Adipositas-Therapie

Andreas Hamann Heiner Greten

D

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haft für das Überleben erwiesen und damit in der Evolution durchgesetzt haben, treffen nun auf die verkehrten Umweltbedingungen der heutigen Zeit (4). Infolge dieser Konstellation ist fast die Hälfte der erwachsenen deutschen Bevölkerung übergewichtig (BMI > 25 kg/m²) und fast jeder sechste adipös (BMI >30 kg/m²) (5, 6).

Übergewicht und Adipositas lediglich als kosmetische Probleme anzusehen, hieße die Bedeutung ihrer epidemischen Prävalenz für den Gesundheitsstatus unserer Bevölkerung grob zu unterschätzen. Multifaktoriell bedingte Gesundheitsprobleme können nur durch multi- faktorielle und interdisziplinäre Therapiekon- zepte erfolgreich behandelt werden: energie- und fettreduzierte Ernährung, Steigerung der körperlichen Bewegung und Vermittlung lang- fristiger Verhaltensmodifikation (2, 7, 10). Wird mit einer solchen Basistherapie kein ausrei- chender Erfolg erzielt, definiert durch eine Ge- wichtsabnahme von mehr als 5 kg in drei Mona- ten, kann der zusätzliche Einsatz eines Medika- ments erwogen werden.

Zwar wird auch mit Orlistat oder Sibutra- min bis auf wenige Ausnahmen keine Normali- sierung des Körpergewichts gelingen, aber das Erreichen der für die Mehrzahl der Patienten gültigen Therapieziele wird deutlich erleichtert:

die dauerhafte Abnahme von zehn Prozent des Körpergewichts und die damit einhergehende Verbesserung des Risikofaktorenprofils. Jetzt muß eine zügige Initiierung plazebokontrollier- ter Studien gefordert werden, die einen mögli- chen Effekt von Orlistat und Sibutramin auf harte Endpunkte, wie etwa kardiovaskuläre Er- eignisse, zum Gegenstand haben. Solange wei- terhin nur Surrogatparameter untersucht wer- den, fällt es schwer, vom langfristigen Nutzen einer medikamentösen Adipositas-Therapie überzeugt zu sein. Auch muß der Beweis lang- fristiger Unschädlichkeit baldmöglichst er- bracht werden.

Die Einschätzung, daß man zwar mit den unterschiedlichsten Strategien einen Gewichts- verlust erreichen kann, Adipositas aber letzt- lich kaum heilbar ist, behält auch nach Ein- führung von Orlistat und Sibutramin Gültig- keit. Ist der Aufwand, den wir heute in interdis- ziplinären, strukturierten Therapieprogram- men zur dauerhaften Abnahme von zehn Pro- zent des Körpergewichts betreiben, daher über- haupt gerechtfertigt, oder vergeuden wir wert- volle Ressourcen? Leider gibt es bis heute keine befriedigend genaue Analyse der in

Deutschland mit Übergewicht und Adipositas assoziierten Kosten. Der kalkulierte Anteil von drei bis sieben Prozent an den im Gesundheits- wesen anfallenden Gesamtkosten ist wahr- scheinlich deutlich zu konservativ angesetzt (7).

Angesichts der Schwierigkeiten bei der Berech- nung der wahren Kosten von Adipositas und dem Fehlen von Interventionsstudien ist es na- turgemäß auch sehr schwer, das potentielle Einsparpotential durch eine effektive Therapie einzuschätzen. Ob ein Verlust von zehn Pro- zent des Körpergewichts mit einer Kostenein- sparung einhergeht, die einen signifikanten Teil der Behandlungskosten aufwiegt, werden wir also für viele weitere Jahre nicht erfahren.

Erhöhtes Risiko bei abdominaler Adipositas

Was sollen wir einstweilen tun? Wir sollten unsere übergewichtigen und adipösen Patien- ten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen für eine strukturierte Therapie überprüfen, wobei Fähigkeit und Bereitschaft zur Kooperation die entscheidenden Voraussetzungen sind. Die größten Anstrengungen müssen wir auf die Adipösen mit ausgeprägtem kardiovaskulären Risikoprofil konzentrieren. Gestörte Glukose- homöostase, Dyslipidämie und Hypertonie fin- den sich überproportional häufig bei Frauen mit mehr als 88 cm beziehungsweise Männern mit mehr als 102 cm Taillenumfang (9). Die Diagnose einer abdominalen Adipositas mit, gemäß internationalen Leitlinien, deutlich er- höhtem Risiko durch simples Anlegen eines Maßbands ist neben der Frage nach einer fami- liären Belastung für Gefäßkomplikationen eine wichtige Entscheidungshilfe bezüglich des Auf- wands, mit dem eine Gewichtsreduktion ver- sucht werden sollte.

Die Patienten mit abdominaler Adipositas werden von einer Intervention vermutlich am meisten profitieren, wobei die Datenlage im Hinblick auf eine mögliche Abnahme des Mor- talitätsrisikos durch Gewichtsreduktion unbe- friedigend ist und dringend verbessert werden sollte. Ebenso muß die Qualität strukturierter Adipositas-Behandlung untersucht werden, wobei für die Evaluierung von Langzeitergeb- nissen ein Zeitraum von drei Jahren zu fordern ist. Nur durch die an solchen Daten orientierte Optimierung von Therapieprogrammen läßt sich die Behandlung adipöser Menschen ver- bessern. Neue Medikamente mit unterschiedli-

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chen Wirkmechanismen, wie Orlistat und Sibu- tramin, erweitern die möglichen Optionen bei der Behandlung adipöser Patienten. Die Opti- mierung der Adipositas-Therapie in enger Ko- operation mit Ernährungsberatern, Bewe- gungs- und Verhaltenstherapeuten darf uns je- doch nicht von einem zentralen Problem ablen- ken: die steigende Prävalenz der Adipositas im Kindes- und Jugendalter ist alarmierend und die frühe Manifestation stellt eine sehr ungün- stige Voraussetzung für die Adipositas-Thera- pie dar (13). Die eigentliche Problemlösung führt also nicht über Medikamente oder Fettsi- mulatoren, sondern nur über die Prävention von Adipositas.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-3240–3242 [Heft 50]

Literatur

1. Adam O: Pharmakologische Grundlagen für die Anwen- dung von Fettsimulatoren, Hemmstoffen der Nährstoffre- sorption und Anorektika zur Therapie der Adipositas. Dt Ärztebl 1999; A-3243–3247.

2. Clinical guidelines on the identification, evaluation and treatment of overweight and obesity in adults - the evidence report. National Institutes of Health. Obes Res 1998; 6 (Sup- pl 2): 51–209.

3. Guerciolini R: Mode of action of orlistat. Int J Obes Relat Metab Disord 1997; 21 (Suppl 3): 12–23.

4. Hamann A: Genetik der Adipositas. Klinikarzt 1998; 27:

214–220.

5. Heseker H, Hartmann S, Kubler W, Schneider S: An epide- miologic study of food consumption habits in Germany. Me- tabolism 1995; 44 (Suppl 2): 10–13.

6. Hoffmeister H, Mensingk GBM, Stolzenberg H: National trends in risk factors for cardiovascular disease in Germany.

Prevent Med 1994; 23: 197–205.

7. Lauterbach K, Westenhöfer J, Wirth A, Hauner H: Evidenz- basierte Leitlinie zur Behandlung der Adipositas in Deutschland. 1998.

8. Lean ME: Sibutramine - a review of clinical efficacy. Int J Obes Relat Metab Disord 1997; 21 (Suppl 1): 30–36; discus- sion: 37–39.

9. Lean ME, Han TS, Morrison CE: Waist circumference as a measure for indicating need for weight management. Br Med J 1995; 311: 158–161.

10. Scottish Intercollegiate Guideline Network. Obesity in Scot- land. Integrating prevention with weight management. A na- tional clinical guideline for use in Scotland. Edinburgh:

SIGN, 1996.

11. Sjostrom L, Rissanen A, Andersen T et al.: Randomized pla- cebo-controlled trial of orlistat for weight loss and preven- tion of weight regain in obese patients. European Multi- centre Orlistat Study Group. Lancet 1998; 352: 167–172.

12. Stock MJ: Sibutramine: a review of the pharmacology of a novel anti-obesity agent. Int J Obes Relat Metab Disord 1997; 21 (Suppl 1): 25–29.

13. Wirth A: Adipositas. Berlin, Heidelberg: Springer, 1997.

Anschrift für die Verfasser

Dr. med. Andreas Hamann Abteilung Innere Medizin I

Medizinische Klinik und Poliklinik Universität Heidelberg

Bergheimer Straße 58 69115 Heidelberg

A-3242

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EDITORIAL/FÜR SIE REFERIERT

Körperliche Aktivität hält das Körpergewicht mehr oder weniger konstant; damit sinkt das Risiko, Gallensteine zu entwickeln. Die Autoren untersuch- ten die körperlichen Aktivitäten (Jogging, Langlauf, Radfahren) bei einer Gruppe von 60 290 Frauen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren und verglichen die er- hobenen Daten mit Personen, die ihre Freizeit vorwie- gend vor dem Fernseher verbrachten. Dabei ging es um die Häufigkeit von symptomatischen Gallenstei- nen als Teilauswertung der Nurses’ Health Study, ana- lysiert wurde ein Zeitraum von 1986 bis 1996. Bei den sportlich aktiven Frauen lag das Risiko eines Gallen- steinleidens um 30 Prozent niedriger. Frauen, die 41 bis 60 Stunden pro Woche mehr oder weniger sitzend verbrachten, wiesen ein Risiko von 1,42 für ein Gal- lensteinleiden auf. Dieses Risiko stieg auf 2,32 an, wenn 60 Stunden pro Woche und länger eine sitzende Tätigkeit ausgeübt wurde. Der protektive Effekt der sportlichen Aktivität war unabhängig von anderen be- kannten Risikofaktoren, wie Adipositas und rezenter

Gewichtsabnahme, zu finden. w

Leitzmann MF, Rimm EB, Willet WC et al.: Recreational physical activity and the risk of cholecystectomy in women.

N Engl J Med 1999; 341: 777–784.

Departments of Nutrition, Epidemiology and Biostatistics Harvard School of Public Health, 665 Huntington Avenue, Boston, MA 02115, USA.

Ungefähr 2,7 Millionen Menschen in den USA sind chronisch mit Hepatitis C infiziert. Dies haben Hochrechnungen aus der 3. Nationalen Gesundheits- und Ernährungsbefragung ergeben, die von 1988 bis 1994 von den Centers of Disease Control and Preventi- on in Atlanta durchgeführt wurde.

Blutproben von 21 241 Personen, die älter als sechs Jahre waren, wurden auf Antikörper gegen HCV untersucht. Anschließend wurde bei den Anti- HCV-positiven Proben ein Test auf HCV-RNA durchgeführt. Die Prävalenz betrug dabei 1,8 Pro- zent, von denen 74 Prozent auch positiv für HCV- RNA waren. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölke- rung liegen die Zahlen bei etwa 3,9 Millionen Men- schen, die einmal HCV-infiziert gewesen waren sowie 2,7 Millionen mit einer chronischen Infektion. Höch- ste Risikofaktoren, weil unabhängig assoziiert, waren dafür Gebrauch illegaler Drogen und riskantes Se- xualverhalten. Weiterhin schienen Menschen, die arm waren, weniger als zwölf Jahre Schulbildung absol- viert hatten und getrennt lebend oder geschieden wa- ren, ebenfalls stärker gefährdet zu sein, sich mit HCV

anzustecken. silk

Alter M et al.: The prevalence of hepatitis C virus infection in the United States 1988–1994. N Engl J Med 1999; 341: 556–562.

Dr. Alter at the Hepatitis Branch, Mailstop G 37, Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta, GA 30333, USA.

Sport schützt vor Gallensteinen

Hepatitis-C-Prävalenz in den USA

Referenzen

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