Zur Fortbildung
DEUTSCHES ARZTEBLATT
i Aktuelle Medizin
KOMPENDIUM:
EKG-Repetitorium Indikation zur Nephropexie
bei der Wanderniere Schizophrene Psychosen:
Anlage und Umwelt
WISSENSCHAFT UND PRAXIS:
Backsteinblattern beim Menschen
TECHNIK
IN DER MEDIZIN Demand-Schrittmacher mit Meßmöglichkeit der R-Zacken-Amplitude Blutglukosebestimmung in 70 Sekunden
DIAGNOSTIK IN KÜRZE:
Aplastische und hypo- plastische Erkrankungen des Knochenmarks 1312-Malabsorption
THERAPIE IN KÜRZE:
Prophylaktische Glykosidgaben Das Aneurysma der Nierenarterie
Gisbert Kober, Hans-Jürgen Becker
So wichtig gerade in der EKG-Dia- gnostik, schon aus didaktischen Gründen, die Kenntnis bestimmter fester Regeln ist, so wichtig ist es auch zu wissen, daß es hier Abwei- chungen von ihnen gibt und daß bestimmte Grenzwerte nicht als ab- solut anzusehen sind.
EKG-Repetitorium
VI. EKG-Beispiele zur „Linkshypertrophie"*)
Ein Sokolow-Index von 4,5 mV und mehr ist zwar verdächtig auf eine
Von der Serie „EKG-Repetitorium" sind bisher erschienen: Teil I in Heft 11/
1974, Seite 767, Teil II in Heft 16/1974, Seite 1151, Teil III in Heft 18/1974, Sei- te 1305, Teil IV in Heft 20/1974, Seite 1463, Teil V in Heft 22/1974, Seite 1613.
Aus dem Zentrum der Inneren Medizin
Abteilung für Kardiologie (Leiter: Professor Dr. med. Martin Kaltenbach) Klinikum der Universität Frankfurt am Main
Bö. R. 33J.
aVL v1
V2
-aVR
II V4..
aVF
v5
- V5- -~III
lcm,1mV 0,5cm=1mV
Darstellung 11
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 13.Juni 1974 1757
Sch. E. ägeb. 1942
aVL V ' aVL
1
V2 -
VS
---'--
V3 --) -
vi
II
v4 V4-aVR
V5
, V 6 4.12. 7 2
III
v6-17.8.65 aVF
V3 Ri. F. 57J.
aVL V
,
ji, i rr
-aVR
V4 Ji
aVF V5
Darstellung 13 Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Darstellung 12
Linkshypertrophie, aber nicht be- weisend ohne Kenntnis des Patien- ten und seiner klinischen Befunde.
Je älter der Patient, um so zuver- lässiger ist der gegebene Grenz- wert. In jedem Fall sollte man bei Vorliegen von sogenannten Links- hypertrophiezeichen im EKG nach einer Erklärung hierfür suchen. Es
ist eine Erkrankung auszuschließen, die eine Linkshypertrophie hervor- ruft, bevor die Diagnose „konstitu- tionelle Hochvoltage" gestellt wird.
Beispiel 1 (Darstellung 11)
Bö. R. 33 Jahre, männlich. Be- schwerdefreier, klinisch unauffälli-
ger Mann. Astheniker (Größe 186 Zentimeter, Gewicht 70 Kilo- gramm). Befunderhebung im Zu- sammenhang mit einer Vorsorge- untersuchung.
• EKG-Befund: Steiltyp, hohe QRS-Amplituden in den Extremitä- ten- und Brustwandableitungen.
QRS-Ausschläge bei normaler Ei- chung des EKG-Schreibers (1 cm
= 1 mV) nur unvollkommen regi- striert (Mitte): Spitze von S fehlt in
V2, ebenso von R in V4 und V5.
Sokolow-Index von 7,8 mV (S in
V2 = 3,8 mV, R in V5 = 4 mV) erst auswertbar nach Umeichung auf geringere Empfindlichkeit (0,5 cm
= 1 mV) des EKG-Schreibers, wie in der Abbildung ganz rechts ein- schließlich der Eichzacken wieder- gegeben.
• EKG-Beurteilung: Steiltyp. Hone QRS-Amplituden nicht als Linkshy- pertrophiezeichen zu werten. Ursa- che im asthenischen Körperbau mit guter Leitfähigkeit der elektrischen Herzaktion zu sehen. Die verschie- denen Ursachen für die Entwick- lung einer Linkshypertrophie wur- den ausgeschlossen. Keine Ände- rung des Kurvenverlaufs innerhalb von drei Jahren (Kammerendteile ebenso zu erklären wie hohe QRS- Amplituden).
1758 Heft 24 vom 13. Juni 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
ZurFoHll" ·•ng Aktuelle i\ '"''uzin EKG-Repetitorium
Beispiel 2 {Darstellung 12)
Sch. E. 30 Jahre, männlich. Erst- untersuchung 1965 wegen eines zufällig festgestellten Herzgeräu- sches bei Beschwerdelosigkeit.
Diagnose einer Aortenstenose auf Grund typischer Geräuschlokalisa- tion und veränderter Karotispuls- kurve. 1972 erneute Vorstellung we- gen linksseitiger Schmerzen im Brustkorb unter Belastung.
..,. EKG-Befund: 1965 Linkstyp. So- kolow-lndex 3,5 mV. Kammerend- teile unauffällig. 1973 Linkstyp.
Hochvaltage in den Brustwandab- leitungen, Sokolew-Index 5,6 mV.
(Kammerendteile in aVL bis II und in V3 bis V6 diskordant negativ.
Splitterung des QRS-Komplexes in aVL bis 111.)
..,. EKG-Beurteilung: 1965: Nach dem Sokolew-Index und den übri- gen Kriterien keine Linkshypertro- phie. Verlaufskontrollen erforder- lich zur Beurteilung der Entwick- lung des Klappenfehlers. 1972: Ein- deutige Linkshypertrophie mit Stö- rung des Erregungsrückgangs (und der Erregungsausbreitung in den Kammern).
..,. Gesamtbeurteilung: Die Progre- dienz der Linkshypertrophie mit Ausbildung von Kammerendteilver- änderungen ist als Zeich~n der er- heblichen hämedynamischen Wirk- samkeit des Vitiums zu werten.
Beispiel 3 {Darstellung 13)
Ri. F. 57 Jah-re, männlich. Seit fünf Jahren Schmerzen in der linken Brustkorbhälfte nicht abhängig von körperlicher Belastung. 4/6 (Laut- stärkenskala 1 bis 6. 1/6-Geräusch
= eben hörbar, 6/6-Geräusch = sehr laut) lautes Systolikum mit Punctum maximum im fünften Inter- kostalraum zwischen Sternum und Herzspitze gelegen.
..,. EKG-Befund: Linkstyp. Hochvol- taga in den Brustwandableitungen mit einem Sokolow-lndex von 6,2 mV. Auffallend hohe R-Zacken in aVL und I. Stark ausgebildete prä-
terminal bis terminal negative T- Wellen in aVL, I, -aVR und V4 bis V6.
..,. EKG-Beurteilung: Linkstyp.
Linkshypertrophie mit auffälliger Störung des Erregungsrückgangs, die das übliche Maß der Kammer- endteilveränderungen bei schwerer Linkshypertrophie aus anderer Ur- sache übertrifft. Die tief negativen T-Wellen sollten bei vorhandenen Linkshypertrophiezeichen am QRS- Komplex und fehlendem Infarkter- eignis in der Anamnese sowie feh- lenden Infarktzeichen am QRS- Komplex des EKG an das Vorlie- gen einer idiopathischen hypertro- phen Subaortenstenose denken las- sen.
Die Diagnose der idiopathischen hypertrophen Subaortenstenose, bei der es sich um eine gar nicht so seltene umschriebene Hypertro- phie vorwiegend des Ventrikelsep- tums handelt, muß durch zusätz- liche Untersuchungen gesichert werden. Im vorliegenden Fall konn- te die Diagnose durch das laute Systolikum, eine Doppelgipfligkeit der Karotispulskurve und eine auf- fällige a-Welle in der Herzspitzen- stoßkurve sowie durch eine bei der Herzkatheteruntersuchung gemes- sene systolische intraventrikulä- re Druckdifferenz von 80 mm Hg bestätigt werden. Die intraventriku- läre Druckdifferenz kommt durch die mechanische Behinderung des Blutausstroms aus dem linken Ven- trikel zustande, die durch einen sich systolisch ausbildende Mus- kelwulst entsteht. Medikamentös läßt sich dieser Druckgradient häu- fig mit Beta-Rezeptorenblockern vermindern oder aufheben.
e
Wird fortgesetztAnschrift der Verfasser:
Dr. med. G. Kober Dr. med. H.-J. Becker 6 Frankfurt am Main 70 Theodor-Stern-Kai 7
1760 Heft24vom 13.Juni 1974 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT
IN KÜRZE
Diagnostik
Aplastische und hypoplastische Er- krankungen des Knochenmarks werden in der klinischen Praxis mit Hilfe morphologischer Methoden diagnostiziert. Das durch Knochen- markaspiration gewonnene Mate- rial kann mitunter so viele Plasma- zellen enthalten, daß fälschlicher- weise ein Plasmozytom angenom- men wird. Auch wenn genügend Knochenmark aspiriert wurde, ist stets mittels Stanzbiopsie Material aus dem Beckenkamm zu entneh- men, um die Diagnose histologisch sichern zu können. Bei Nichtein- halten dieser Regel besteht die Ge- fahr, daß akute Leuk;osen oder an- dere bösartige Knochenmarkleiden als Panmyelopathien gedeutet wer- den. Mit der Bartelheimer-Nadel oder einem Myelotomiegerät erhält man einen genügend großen Stanzzylinder. Damit kann eine si- chere Diagnose gestellt und der Grad der Aplasie abgeschätzt wer-
den. cb
(Heimpel, H.: Med. Klin. 69 [1974], 404-411)
Bu-Malabsorption nach Langzeit- therapie mit dem Biguanid Metfor- min hat das Department of Gastro- enterology der University of Cincin- nati bei 46 Prozent der Behandel- ten festgestellt. Der Schilling-Test dieser Patienten war abnorm. Der Mechanismus ist noch unklar, wird aber mit den Stoffwechselverände- rungen unter dem Einfluß des Bi- guanids, die ja auch zu einer - oft- mals erwünschten - Gewichtsre- duktion bei den Altersdiabetikern führen, in Zusammenhang ge- bracht. Die Autoren schlagen vor, daß alle Altersdiabetiker, die mit Biguaniden behandelt werden, ein- mal im Jahr mit Hilfe des Schilling- Tests auf ihre B12-Serumspiegel untersucht werden, damit notfalls eine Substitutionstherapie eingelei-
tet werden kann. HH
(Tomkin, G. F., British Med.ical Journal, 5882 [1973], 673)