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Archiv "Das Gespräch mit Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer „Medizin und Musik haben eines gemeinsam: die therapeutische Wirkung“" (22.10.2010)

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A 2028 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 42

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22. Oktober 2010

W

o könnte man besser Prof.

Dr. med. Jörg-Dietrich Hop- pe über sich selbst sprechen lassen als hier, mit Blick auf den Kölner Dom? Die letzten Strahlen der Ok- tobersonne wärmen Touristen und Einheimische auf dem Roncalliplatz.

Zu dieser Stadt hat Hoppe eine besondere Bindung, nicht nur qua Amt als Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Hierher, ins Kölner Zentrum, hat er im Frühsommer den Vorstand der Bundesärztekam- mer (BÄK) zur jährlichen Klausur- tagung eingeladen – zu drei Tagen Arbeit einschließlich Dombesichti- gung und Kölsch in der Altstadt.

Umso überraschender sein Ge- ständnis, ein Kölner sei er nicht, schlimmer noch: nicht mal ein Rheinländer, vielmehr ein „einge- kölschter Mischling“. „Zu drei Vier- teln bin ich Westfale und zu einem Viertel Westpreuße“, sagt Hoppe lä- chelnd und meint die Herkunft der

Großeltern. Nach Westpreußen war der Großvater väterlicherseits als Lehrer versetzt worden, zur Aushil- fe. Er fand sein privates Glück und blieb. So wurde Hoppe 1940 in Thorn an der Weichsel geboren, wo sein Vater seine erste Stelle als Gym- nasiallehrer hatte.

In Köln zu Hause

Im Januar 1945 musste die Familie fliehen – nach Hamburg, dann wei- ter nach Recklinghausen. Beim Um- zug nach Bad Münstereifel 1948 sah Hoppe Köln zum ersten Mal. Das Bild von der im Rhein liegenden zerstörten Hohenzollernbrücke hat er noch genau vor Augen. „Wir mussten mit der Fähre von Deutz nach Köln übersetzen, der Lastwa- gen mit den Möbeln fuhr über eine behelfsmäßige Pontonbrücke.“ An- fang der Fünfzigerjahre kam der Va- ter an ein Kölner Gymnasium, die Familie zog erneut um, und Jörg-

Dietrich Hoppe verbrachte den Rest seiner Gymnasialzeit in der Dom- stadt, danach auch seine Studienzeit.

„Ich fühle mich deshalb als Kölner – und hier möchte ich auch begraben werden.“ Seiner Heimatstadt ver- dankt Hoppe, der in einer musikali- schen Familie aufwuchs und selbst sehr gut Violine spielt, auch sein ers- tes Konzerterlebnis: Er hörte die Berliner Philharmoniker unter Wil- helm Furtwängler. Tatsächlich war die Musik für den Studenten eine berufliche Option: „Angefangen ha- be ich mit Musikwissenschaft, Juris- terei und Medizin, auch in Philoso- phie habe ich mal hineingeschnup- pert.“ Die Medizin siegte schließ- lich, „aber die Musik kommt nur wenige Millimeter dahinter“. Eine Gemeinsamkeit zwischen beiden:

„Die Musik hat einen therapeuti- schen Effekt“. Und die Rechtswis- senschaft? „Die Gedankenwelt der Juristen ist mir immer fremder ge-

DAS GESPRÄCH

mit Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer

„Medizin und Musik haben eines

gemeinsam: die therapeutische Wirkung“

Zum 70. Geburtstag: Persönliches und Politisches nach vier Jahrzehnten Engagement für die Ärzteschaft. Auf welche Erfolge ist Jörg-Dietrich Hoppe stolz? Was bereitet ihm Sorgen?

Fotos: Lajos Jardai

P O L I T I K

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worden“. Eine grundlegende Verän- derung in der Ärzteschaft habe schon vor mehr als 20 Jahren begonnen:

„Die Daseinsvorsorge des Staates ist Krankenkassen und sogenannten Leistungserbringern im Rahmen ei- nes ruinösen Preiswettbewerbs über- lassen worden. Nun bedrohen Kom- merzialisierung und Renditedenken die Freiberuflichkeit. Wir dürfen aber unser ärztliches Ethos nicht ver- raten.“ Der Präsident der Bundesärz- tekammer hat sich in diesem Zusam- menhang mehrfach zum Umgang mit den individuellen Gesundheits- leistungen (IGel) geäußert, die von den Kassen nicht bezahlt werden.

„Ärzte sind keine Kaufleute“

Seine Mahnungen, die Empfehlun- gen der BÄK zum Umgang mit IGel einzuhalten, haben ihm auch Wider- spruch eingetragen, Hoppe tritt für eine Differenzierung ein. Leistun- gen, die aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche- rung herausgenommen worden sei- en, könnten sinnvoll und für den Pa- tienten wichtig sein, zum Beispiel das Messen des Augeninnendrucks. Schäd- lich für den Ruf der ganzen Profession sei es dagegen, wenn Leistungen vor allem deshalb angeboten würden, um das eigene Honorar zu steigern. „Ärzte sind keine Kaufleute, und sie verkau- fen keine Ware.“ Hoppe verweist auf die Vorschlä- ge, die Gewerbesteuer für die freien Berufe einzufüh- ren. „Wenn wir nicht höl- lisch aufpassen, wird der Arztberuf wieder zu einem

Gewerbe, wie in preußischer und wilhelminischer Zeit. Die Ärzte- schaft hat lange gekämpft, um den Status zu verlassen.“ Im Interesse eines vertrauensvollen Arzt-Patien- ten-Verhältnisses und der Therapie- freiheit müsse es dabei bleiben.

40 Jahre liegt es zurück, dass der junge Assistenzarzt Jörg-Dietrich Hoppe in Solingen von sich reden machte, weil er auf lokaler Ebene den sogenannten Bleistiftstreik des Marburger Bundes organisierte.

„Wir haben einen Demonstrations- zug in Wuppertal gemacht und dem

Oberbürgermeister eine Denkschrift übergeben.“ Der hieß damals Johan- nes Rau und konnte sich Jahrzehnte später, als Bundespräsident, noch an die Ärzte-Demo erinnern. War es in den politisierten Nachachtund- sechzigerjahren leichter, Ärzte für ein ehrenamtliches Engagement zu motivieren? Hoppe verneint ent- schieden und verweist auf die vielen jungen Ärztinnen und Ärzte, die heute im Marburger Bund aktiv sind, wo auch er selbst seine Karrie- re begonnen hat. Auf mehr als 40 Jahre Engagement in und für die Ärzteschaft blickt er seither zurück.

Gibt es einen Erfolg, auf den Hoppe besonders stolz ist? Ohne Zögern nennt er die Zusammenführung der Weiterbildungsordnungen von Ost und West auf dem Deutschen Ärzte- tag 1992, als Hoppe Vizepräsident der BÄK war. „Wir haben das sehr sorgfältig vorbereitet, und der Ärz- tetag hat fast allem zugestimmt.“

Im Fall eines Scheiterns wäre eine Migration von Ärzten in andere Bundesländer nicht möglich gewe-

sen. Gerade die Weiterbildung, vor allem das Hin und Her in der All - gemeinmedizin, sehen Kritiker als Beleg, dass der Föderalismus der Kammern nicht mehr zeitgemäß sei.

Hoppe ist anderer Ansicht. „Bei der Weiterbildung in der Allgemeinme- dizin mussten wir alle Optionen durchspielen, um jetzt eine gute Lösung zu haben. Ich hoffe, dass nun alle Kammern mitziehen.“ In der Vergangenheit war gerade das zuweilen nicht der Fall. Sollte sich der Präsident manchmal gewünscht haben, Abweichler zur Räson brin-

gen zu können, lässt er es sich nicht anmerken. „Solange sich die Kam- mern im Wesentlichen an die ver- einbarte Linie halten, muss man ei- nige Abweichungen tolerieren.“

Integrationsfigur der Ärzte Bald zwölf Jahre steht Hoppe an der Spitze der Bundesärztekammer.

Mit welchem Musikstück würde er diese Zeit vergleichen? Ohne Zö- gern kommt die Antwort. „Mit Ar- thur Honeggers Pacific 231, einer musikalischen Zugfahrt quer durch Kanada.“ Da gehe es gelegentlich holprig zu, dann wiederum komme man gut voran. „Wunderschön ist der Anfang, wenn die Dampflok sich in Bewegung setzt.“ Die Bun- desärztekammer als Dampflok also.

Ist sie denn vorangekommen in den vergangenen Jahren? Die Bedeu- tung der Ärztekammern sei ge- wachsen, versichert Hoppe. Sie sei- en auch nicht gefährdet. „Sicher gibt es Ärzte, die über die Kam- mern stöhnen. Wenn man die dann aber fragt: Soll ein Ministerium die Aufgaben übernehmen, zu- cken sie zurück.“

Hoppe gilt als die Integrati- onsfigur der deutschen Ärz- teschaft. Aber ist sie denn noch einig? Die zentrifu - galen Kräfte entstünden nur durch die Mittelknappheit, lautet Hoppes Antwort.

„Wenn man den Grundton des Arztseins anschlägt, sind alle einig.“ Hoppe meint da- mit auch zentrale ethische Fragen. Er macht eine Ein- schränkung: „Die Zahl der Ärzte, die bereit wären, ak - tive Sterbehilfe zu leisten, ist mir zu hoch.“ Ärztliche Aufgabe sei es, Leben zu verlängern oder es län- ger lebenswert zu erhalten.

Am 24. Oktober vollendet Hoppe sein 70. Lebensjahr. Ihm zu Ehren gibt es Ende Oktober ein Konzert in der Kammer Nordrhein, und die Bundesärztekammer lädt im No- vember zu einem Orgelkonzert in den Berliner Dom ein. Den Ge- burtstag selbst feiert der Jubilar mit seiner Frau Erika, den drei erwach- senen Kindern und sieben Enkeln –

mitten in Köln. ■

Heinz Stüwe Wenn er mal richtig sauer sei, höre er ein Mozart-Kla-

vierkonzert, erzählt Jörg-Dietrich Hoppe. „Das stimmt mich wieder um.“ Seit 1999 steht er an der Spitze der Bundesärztekammer. Schon seit 1975 gehört er dem Vorstand an, davon acht Jahre als Vizepräsident. Von 1979 bis 1989 war er 1. Vorsitzender des Marburger Bundes. Der Pathologe und Allgemeinmediziner war von 1982 bis 2006 Chefarzt der Pathologie des Kran- kenhauses Düren. Seither arbeitet er als niedergelas- sener Pathologe im selben Institut und in der Praxisge- meinschaft für Pathologie des Krankenhauses.

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