A 1098 Deutsches Ärzteblatt
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Heft 21|
25. Mai 2012JÖRG-DIETRICH HOPPE †
Verbindende Kraft
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ls Prof. Dr. med. Dr. h. c.Jörg-Dietrich Hoppe im No- vember 2011 starb, war die Anteil- nahme überwältigend. Dabei war es gerade Hoppe, der in den vergan - genen Jahren Ärzte, Politiker und die gesamte Öffentlichkeit immer wieder mit unbequemen Wahrhei- ten konfrontierte. Wichtige Debat- ten gehen auf ihn zurück, wie etwa die über die Ökonomisierung der Medizin und eine versteckte Ratio- nierung. Ein besonderes Anliegen waren ihm darüber hinaus ethische Fragestellungen und die Förderung der Palliativmedizin. Durch seinen Einsatz und seine Persönlichkeit er- warb er sich breite Anerkennung, so dass er oft als „Integrationsfigur“
der Ärzteschaft bezeichnet wurde.
Jörg-Dietrich Hoppe wurde am 24. Oktober 1940 in Thorn an der Weichsel als Sohn eines Studienrats geboren. Als Kind musste er mit seiner Familie fliehen. 1960 legte er in Köln die Abiturprüfung ab und schrieb sich dort für das Fach Hu- manmedizin ein. Nach dem Studi- um war er unter anderem am Städti- schen Krankenhaus Solingen tätig.
1975 erwarb er die Facharztbe- zeichnungen für Pathologie und Allgemeinmedizin, wechselte spä- ter in die Pathologie des Kranken- hauses Düren. Dort war er zunächst als Oberarzt tätig, dann von 1982 bis 2006 als Chefarzt. Die Univer - sität zu Köln ernannte ihn zum Honorarprofessor.
Schon als junger Arzt begann Hoppe sich für die Belange seiner Kollegen einzusetzen. Geprägt wur- de sein Engagement sicherlich durch seinen Doktorvater und Chef, Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow, ei- nen der Mitbegründer des Marbur- ger Bundes (MB). 1971 nahm Hop- pe zum ersten Mal an einer MB- Hauptversammlung teil. Schon im Jahr 1975 wurde er zweiter Vorsit- zender der Ärztegewerkschaft. Dar - über hinaus fungierte er viele Jahre als Vorsitzender des Landesverban- des Nordrhein-Westfalen/Rheinland- Pfalz. Von 1979 bis 1989 war er MB-Bundesvorsitzender.
Im Rahmen seines berufspolitischen Engagements übernahm Hoppe auch Aufgaben in der Kammerarbeit.
1975 wurde er zum Vizepräsidenten der Ärztekammer Nordrhein ge- wählt, 1993 zum Präsidenten. 1999 wurde er Präsident der Bundesärz- tekammer (BÄK). Dieses Amt hatte er bis 2011 inne, als er sich nicht mehr zur Wahl stellte.
In seiner Amtszeit als BÄK-Prä- sident hat Hoppe Außerordentliches geleistet. Mit seiner integren Art er- warb er sich den Respekt der Kolle- ginnen und Kollegen – über alle Fachgruppen und Verbände hin-
weg. Er stellte nie die eigene Person in den Vordergrund, sondern immer die Sache. Ein lautes Auftreten hat- te er nicht nötig, um sich Gehör zu verschaffen. Vielmehr überzeugte er mit Argumenten. Bei den großen Ärzteprotesten 2006 stellte er sich an die Spitze der Bewegung. Auch das auf dem Ärztetag 2008 be- schlossene Ulmer Papier trägt seine Handschrift. Hoppe hat immer wie- der die Probleme im Gesundheits- wesen beim Namen genannt. So wandte er sich gegen die Kosten- dämpfung, die die Rationierung im Endeffekt den Ärzten aufbürdet.
Stattdessen plädierte er für eine Priorisierung.
Das Bestreben nach Ausgleich innerhalb der Ärzteschaft hinderte ihn nicht daran, mahnend auf seine Kollegen einzuwirken.
„Ärzte sind keine Kaufleute, Pa- tienten sind keine Kunden“, war sein entscheidender Grundsatz.
Entsprechend warnte er ein- dringlich davor, mit indivi - duellen Gesundheitsleistungen Missbrauch zu treiben. Dadurch sah er das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient be- droht. Seine christlich-humanis- tische Überzeugung zeigte sich darin, dass er zu ethischen The- men Stellung bezog. Dazu zählt insbesondere seine Ablehnung der Sterbehilfe und des ärztlich assis- tierten Suizids. Über viele Jahre setzte er sich für eine Förderung der Palliativmedizin ein.
Glaubwürdig, den richtigen Ton treffend, ausgleichend und zugleich unbequem: So wird Jörg-Dietrich Hoppe von Weggefährten beschrie- ben – auch von denen, die nicht sei- ner Meinung waren. Die Sitzungen bei Deutschen Ärztetagen hat er immer souverän geleitet und durch seinen feinsinnigen Humor berei- chert. Er war ein umfassend interes- sierter Mensch. Zu erwähnen ist insbesondere seine Liebe zur Musik und zum Violinspiel.
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Prof. Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Diet - rich Hoppe (†) hat die Arbeit der Bundesärztekammer geprägt.
Er war eine herausragende Persönlichkeit – ausgleichend und zugleich unbequem.
Foto: Erdmenger/ÄkNo