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Archiv "Interview zum Thema „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL) mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe: „Ärzte sind keine Kaufleute, und sie verkaufen keine Ware“" (18.01.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 318. Januar 2008 A67

P O L I T I K

Gleich zu Beginn ein konkreter Fall: Ein Bekannter – gesetzlich versichert – geht mit Kniebeschwerden zum Or- thopäden. Noch bevor dieser eine ein- gehende Untersuchung durchführt, äußert er die Verdachtsdiagnose Arth- rose und spricht eine Therapie an, de- ren Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen würden, sondern privat bezahlt werden müssten, und bemerkt abschließend: „Aber das sollte Ihnen Ihre Gesundheit wert sein.“ Ist das aus Ihrer Sicht ein Einzelfall?

Hoppe: Das ist nicht die Regel, aber sicher auch kein Einzelfall. So et- was kommt häufiger vor. Der richti- ge Weg wäre gewesen: eine sorg- fältige Anamnese, eine sorgfältige körperliche Untersuchung mit et- waigen anschließenden Zusatzunter- suchungen. Erst auf dieser Grund- lage kann über eine Therapie und Therapievarianten nachgedacht wer- den. Wenn ein Arzt meint, dass eine Therapie infrage kommt, die nicht zum GKV-Leistungskatalog gehört, muss er dies dem Patienten erläu- tern. Er muss ihm Bedenkzeit ge- ben, ob er diese individuelle Ge- sundheitsleistung (IGeL) in An- spruch nehmen will. Auch der Deut- sche Ärztetag hat sich 2006 dagegen ausgesprochen, dass IGeL-Angebo- te gleich im Erstkontaktgespräch auf den Tisch gelegt werden.

Können Sie Beispiele für inakzeptables ärztliches Verhalten nennen?

Hoppe: Ein Extremfall ist sicher gegeben, wenn die IGeL-Inan- spruchnahme zur Voraussetzung ge- macht wird dafür, dass der Arzt

überhaupt dazu bereit ist, mit dem Patienten einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Und es kann auch nicht sein, dass Geld ohne Quittung über den Tresen geht. Der Patient darf nicht das Gefühl haben, dass der Arzt das wie eine Art Trinkgeld in die Tasche steckt und das Finanz- amt nichts davon erfährt.

Wenn es sich um Eingriffe han- delt, die die Integrität des Körpers oder der Seele alterieren, muss eine Bedenkzeit eingeräumt werden – es sei denn, der Patient verzichtet aus- drücklich darauf. Es darf nicht den Hauch einer Drucksituation für den

Patienten geben. Je mehr man sich daran gewöhnt, so mit Patienten umzugehen, desto eher verschwin- det ja das Gespür dafür, dass etwas nicht korrekt ist.

Wie erhalten Sie bei der Ärztekammer von solchen Fällen Kenntnis?

Hoppe: Es gibt verschiedene Quel- len, aus denen wir es erfahren, wenn Ärzte sich nicht an das halten, was wir als empfehlenswertes Vorgehen erachten. Patienten wenden sich mit ihren Klagen direkt an die Ärzte- kammer, oder Krankenkassen wei- sen uns darauf hin, dass – anders als

INTERVIEW

zum Thema „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL)

mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe

„Ärzte sind keine Kaufleute, und sie verkaufen keine Ware“

Mit einer Broschüre will die Bundesärztekammer die Patienten in den Arztpraxen über den korrekten Umgang mit den individuellen Gesundheitsleistungen informieren.

Präsident Hoppe hält das Verhalten mancher Ärzte für nicht akzeptabel.

Fotos:Jardai/modusphoto

Engagement für den korrekten Umgang mit IGeL:

Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe

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in Einzelfällen von Ärzten gegen- über den Patienten behauptet – be- stimmte Therapien sehr wohl zum GKV-Leistungskatalog gehören.

Wie reagiert die Ärztekammer Nordrhein, deren Präsident Sie sind, auf solche Beschwerden?

Hoppe: Wenn es sich um eine re- gelrechte Beschwerde handelt, die berufsrechtlich relevant ist, wird ein Verfahren eingeleitet. Der Arzt wird dann um eine Stellungnahme gebeten. Wenn wir zu der Ansicht gelangen, dass an den Vorwürfen etwas dran ist, holen wir beim ers- ten Mal nicht gleich die große Keule heraus. Im Wiederholungs- fall, oder wenn wir der Ansicht sind, dass hier Patienten abgezockt wer- den, müssen wir allerdings ernst- hafter durchgreifen.

Wie reagieren die Ärzte auf Ihre Ermahnungen?

Hoppe: Das ist durchaus unter- schiedlich. Bei den berufsrechtli- chen Verfahren in Nordrhein haben diejenigen, die mit einer Rüge be- legt werden, das Recht, dagegen

beim Verwaltungsgericht zu klagen.

Das passiert aber fast nie.

Ich habe zudem in den vergange- nen Monaten zweimal – bei der Hauptversammlung des Hartmann- bundes und beim 1. Deutschen In- ternistentag – das Thema „IGeL“

und den Missbrauch von IGeL öf- fentlich angesprochen. Das hat mir zwar einige Vorwürfe eingebracht, auf die ich aber ganz individuell geantwortet habe.

Schärfere Maßnahmen als eine Rüge hat es bisher aber noch nicht gegeben?

Hoppe: Das weitere Vorgehen wäre das Einschalten des Berufsgerichts.

Dieses müsste dann nach Befassung mit der Angelegenheit die weiteren Sanktionen erlassen. So weit ist es bisher noch nicht gekommen. Wir haben ein abgestuftes Verfahren. Es beginnt mit einer berufsordnungs- rechtlichen Mahnung; diese ist den Ärzten sehr unangenehm, weil sie vorläufig in den Akten bleibt. Nach dem neuen Heilberufsgesetz hat die Ärztekammer Nordrhein auch die Möglichkeit, das Aussprechen einer Rüge mit einer Geldbuße zu verbin- den, was aber bisher noch nicht ge- schehen ist. Wovon wir allerdings schon Gebrauch gemacht haben, ist die Einstellung des Verfahrens ge- gen die Zahlung einer Geldbuße an eine gemeinnützige Einrichtung.

Wie beurteilen Sie grundsätzlich die individuellen Gesundheitsleistungen?

Hoppe: Die individuellen Gesund- heitsleistungen sind noch eine diffu- se Angelegenheit. Es gibt Ärzte, die solche Leistungen nicht erbringen, die das abstoßend finden und des- halb erst gar nicht damit anfangen.

Und es gibt solche, die davon heftig Gebrauch machen.

Die Bundesärztekammer hatte vor einiger Zeit eine Arbeitsgruppe ein- gesetzt und die Berufsverbände und die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften gebeten, typi- sche IGeL ihres Fachs darzustellen, um diese in einer Art Katalog zusam- menstellen zu können. Dies ist in zwei Anläufen nicht gelungen. Eini- ge Berufsverbände und medizini- schen Fachgesellschaften haben ge- antwortet, von den meisten haben wir die erbetenen Angaben allerdings

nicht bekommen. Die Bundesärzte- kammer ist aber der Ansicht, dass der Missbrauch der individuellen Ge- sundheitsleistungen Vertrauen zer- stören wird.

Reicht die Entschließung des 109.

Deutschen Ärztetages zum richtigen Umgang mit IGeL nicht aus?

Hoppe: Diese wird vielleicht von dem einen oder anderen zur Kennt- nis genommen, aber sie wird von den Berufsverbänden unzureichend aufgegriffen und den Mitgliedern nicht unbedingt als verbindliches Beschlussgut des Deutschen Ärzte- tages vor Augen gehalten. Individu- elle Gesundheitsleistungen sind ja an sich nichts Schlechtes, sie kön- nen durchaus sinnvoll sein. Aber die Erbringung dieser Leistung muss korrekt erfolgen, und deshalb soll- te die Entschließung des Magdebur- ger Ärztetages immer wieder zur Kenntnis gebracht werden.

Ein IGeL-Katalog ohne die Mitwirkung der Berufsverbände und medizinisch- wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist nicht möglich?

Hoppe: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, zusammen mit den Berufsverbänden und den wis- senschaftlichen Gesellschaften eine gemeinsame Ordnung zu schaffen.

Es ist eine gefährliche Entwicklung, wenn dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet bleibt. Ich appelliere daher an die Berufsverbände und die wis- senschaftlichen Gesellschaften, sich da kooperativer zu zeigen.

Auf der anderen Seite sollte man sich im Klaren darüber sein, dass der im Sozialgesetzbuch verwende- te Begriff einer „notwendigen Leis- tung“ sehr dehnbar ist. Die Bewer- tung dessen, was notwendig bei der Behandlung eines Patienten ist, führt sicherlich gelegentlich über den GKV-Leistungskatalog hinaus.

Unter der Prämisse der Beitrags- satzstabilität wird heute vieles als das Maß des Notwendigen über- schreitend eingestuft, was früher nicht so angesehen wurde. Wenn das nun als IGeL angeboten wird, dann kann das aus ärztlicher Sicht für den Patienten wichtig sein. Die- se Angebotsebene würde ich gerne gemeinsam mit den Fachgesell-

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Es darf nicht so weit gehen, dass der Arzt den eigenen Ruf oder den der Profession insgesamt schädigt.

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schaften und den Berufsverbänden darstellen, auch um die Qualitätsan- forderungen an diese individuellen Gesundheitsleistungen deutlich zu machen.

Viele Ärzte betonen mit Blick auf die schlechte Honorarsituation die Notwendigkeit, Einkünfte außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu erzielen.

Hoppe: Ich kann verstehen, wenn Ärzte dieses Argument mit in ihre Überlegungen einbringen. Dann müssen sie aber den Patienten ganz klar sagen, wo die Motivation liegt.

Denn Ärzte sind keine Kaufleute, und sie verkaufen keine Ware. So- fern dies geschieht, ist dies – noch bevor es berufsrechtlich relevant wird – aus ärztlicher Sicht bedenk- lich und schädlich für den Ruf – nicht nur für den des einzelnen Arz- tes, sondern schnell auch für den der ganzen Profession. Deshalb muss man klarstellen, dass es sich bei IGeL um Leistungen handelt, die vor allem für den Patienten wichtig sind und die nicht zuerst das Ge- schäft des Arztes fördern.

Ein Ausweg aus dem ganzen Dilemma wäre eine bessere Vergütung der kassenärztlichen Leistung.

Hoppe: Ja – rufen Sie zum Beispiel nachts parallel einen Notarzt und einen Schlüsseldienst. Der eine kommt im besten KV-Bezirk auf maximal 65 Euro, der Schlüssel- dienst verlangt mindestens 100 Eu- ro nur fürs Kommen und fängt dann an, seine Leistungen zusätzlich ab- zurechnen. Da stimmt etwas nicht.

Vor diesem Hintergrund ist der Wunsch, zusätzlich zu den Einnah- men aus der GKV noch andere Ein- kommensarten zu erschließen, natürlich verständlich. Wenn eine Praxis an die Existenzgrenze kommt, geht auch die Messlatte her- unter. Aber es darf nicht so weit ge- hen, dass der Arzt den eigenen Ruf oder den der Profession insgesamt schädigt.

Wie ist dem zu begegnen?

Hoppe: Ich bin sehr dafür, dass wir als Ärztekammern intensiv auch in der Öffentlichkeit aufklärend arbei- ten. Ich weiß, dass nicht alle Kolle-

gen das gerne mögen, aber wir ha- ben den Arztberuf in einem anstän- digen Zustand übernommen und müssen ihn als Vertreter der deut- schen Ärzteschaft auch in einem an- ständigen Zustand der nächsten Ge- neration weitergeben. Da müssen dann auch diejenigen, die als Ge- fährder auftreten, in die Schranken gewiesen werden.

Finden Sie da Unterstützung bei den anderen Kammerpräsidenten?

Hoppe: Die Entschließung zum Umgang mit IGeL wurde einstim- mig vom Vorstand der Bundes- ärztekammer in die Diskussion auf dem 109. Deutschen Ärztetag ein- gebracht. Trotz einiger verwässern- der Anträge von Delegierten ist die- se Entschließung weitgehend un- verändert angenommen worden.

Das ist weiterhin geltende Be- schlusslage. Wir müssen sie nun mehr in die Öffentlichkeit bringen.

Wir werden nicht alle erreichen.

Aber die Uneinsichtigen setzen sich dann der Gefahr einer berufsrechtli- chen Auseinandersetzung aus. Ich glaube schon, dass wir bei der großen Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte die Einsicht wecken können, dass mit dem Thema kein Schindlu- der getrieben werden darf.

Die Bundesärztekammer will nun einheitlich in allen Ärztekammern eine Patienteninformation zum Umgang mit IGeL herausbringen, die in den Arztpraxen ausgelegt werden soll.

Hoppe: Wir machen einen Flyer, der die Beschlusslage des Deut- schen Ärztetages – wie verhalte ich mich korrekt beim „Igeln“ – enthält.

Der ist für alle Ärztinnen und Ärzte gedacht, die IGeL anbieten. Wir ge- hen davon aus, dass diese bereit sind, sich an die Regeln zu halten.

Mit der Auslage in ihren Praxen do- kumentieren sie das darüber hinaus gegenüber ihren Patienten. Zugleich werden die Patienten darauf auf- merksam gemacht, dass sie Fragen stellen dürfen und wie diese lauten könnten. Das wird einen pädagogi- schen Effekt haben. Denn wenn in einer Arztpraxis ein solcher Flyer nicht zur Verfügung steht, dann wird es die Patienten stutzig machen. n Die Fragen stellten Heinz Stüwe

und Thomas Gerst.

Je mehr man sich daran gewöhnt, so mit Patienten umzugehen, verschwindet ja das Gespür dafür, dass etwas nicht korrekt ist.

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