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Archiv "Bildung zum Arzt" (25.10.1979)

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Bildung zum Arzt

Wir können mit A. von Orelli die Mo- tivationen bei der Wahl des Berufs als Arzt etwa wie folgend grup- pieren:

Boris Luban-Plozza

Q

das Interesse an naturwissen- schaftlichen Zusammenhängen Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Der Verfasser setzt sich für eine am Patienten orientierte, dessen menschliche Bedürfnisse einbeziehende Ausbildung der Medizinstu- denten ein. Seine Gedankengänge werden ausführlicher ausgebreitet in einem mit H. Mattem und W. Wesiack demnächst herausgegebenen Buch: „Psychosomatik für den niedergelassenen Arzt" (Berlin/Heidel- berg-New York, 1980)

Der Wunschkomplex, Arzt zu wer- den, ist (trotz Diskussionen über ei- nen Numerus clausus) besonders aktuell. Aber welches sind die Moti- ve für dieses noch immer wachsen- de Interesse? Eine Umfrage, die auf dem Medlarsschen Untersuchungs- system beruht, ergab, daß von den sehr vielen Artikeln, die dem Medi- zinstudium gewidmet waren, nur 1,8 Prozent auf die Frage bezogen wa- ren „warum Arzt werden", während sich alle anderen mit dem „wie" be- schäftigten.

Begründungen, die das „warum"

betreffen, wie „den Menschen ver- stehen" und „Leidenden zu helfen"

— vielleicht auch im Sinne des „Hel- fersyndroms" — treten so häufig auf wie die, welche der wissenschaftli- chen Forschung den Vorrang ge- ben. Diese Neigung zum Forschen hat die Anziehungskraft zum Heilen jedoch nicht verdrängt. Paradox er- scheint dabei, daß ein Beruf, bei welchem die Selektion so streng ge- schieht und bei welchem später ein ständiger Verantwortungsdruck be- steht, immer mehr junge Menschen zum Studium anzieht.

Vielleicht geht es bei einer Minder- zahl um eine ambitiöse Herausfor- derung gegenüber gesellschaftli- chen Mängeln, die einfach faszinie- rend wirkt.

Nach dem Giessen-Test*) fühlt sich der Medizinstudent anderen Men- schen nahe, und dem anderen Ge- schlecht gegenüber erlebt er kaum

Befangenheit. Aber — und das er- scheint nun gerade für einen künfti- gen Arzt erstaunlich — er neigt trotz seiner Kontaktsicherheit — wie er selbst sagt — nicht dazu, sich den anderen Menschen sehr aufzu- schließen. Im Gegenteil gibt er an, daß er den anderen eher mißtraue und ihnen auch nicht viel von sich zeige. Zusammenarbeit mit anderen falle ihm eher schwer, und er sorge sich auch nicht besonders um ande- re Personen. Letzteres läßt zumal deshalb aufhorchen, weil dieses Merkmal erst während des Studiums zustande kommt.

Der durchschnittliche zum Medizin- studium entschlossene Abiturient glaubt noch, daß er sich eher häufig Sorgen um andere Menschen ma- che. Darin übertrifft er die übrigen Abiturienten so deutlich, daß man annehmen kann, daß der Wunsch anderen Menschen helfen zu wollen, tatsächlich zu den wesentlichen Mo- tiven für den Entschluß zum Arztbe- ruf gehören dürfte. Aber während des Medizinstudiums verschwinden diese fürsorglichen Empfindungen mehr und mehr, und am Ende stellt sich der Mediziner als jemand dar, der sich so selten wie niemand sonst unter den Studentengruppen sor- genvolle Gedanken um andere Men- schen macht.

*) Zit.: Beckmann, D.; Moeller, M. L.; Richter, H. E., und Scheer, J. W.: Studenten. Urteile über sich selbst, über ihre Arbeit und über die Universität. Aspekte, Frankfurt a. M.

1972

C) das Bedürfnis „Macht" auszu- üben, im Sinne des Statussymbols Anerkennung zu finden. Finanzielle Momente spielen auch eine Rolle.

(Als Kapital dient zwar Ausbildung und Talent.)

C) die Freude an der Erforschung von seelischen Zusammenhängen und Gewinnung von Einsichten über deren Strukturen

C) das Mitgefühl mit dem Leiden- den (Helfersyndrom)

Wie aber sind die Wünsche der Pa- tienten, die sie an ihren Arzt stellen?

Ende 1977 wurden die Ergebnisse einer Untersuchung des Verbandes der Schweizer Medizinstudenten veröffentlicht. Im Bedürfniskatalog der Patienten figuriert zuerst der Wunsch nach einer „ganzheitlichen Medizin", also nach einer Betreuung durch den Arzt in körperlicher, seeli- scher und sozialer Hinsicht. In die- sem Zusammehhang wurde auch gesagt, es sei für den Patienten sehr wichtig, daß der Arzt ihn ernstneh- me, ihn sprechen lasse und verste- he. Ganz im Sinne der kommunikati- ven, nicht stummen Medizin: den Kranken also nicht untertänig und unmündig machen in „professionel- ler Distanz". Wir sollten diese Wün- sche berücksichtigen.

Die Patienten sind ja immer „unter uns": sie haben das letzte Wort. Auf- fallend ist aber, daß diese Wünsche der Patienten den Forderungen der Studenten nach einer Ausbildung zur patientenorientierten Medizin entsprechen.

Patient ein „belangloses Objekt"?

So mancher Patient fühlt sich im Krankenhaus als „belangloses Ob- jekt" wenn bei der Visite die Ärzte in

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2838 Heft 43 vom 25. Oktober 1979

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ihrem Fachjargon (!) über seine Krankheit reden, als wäre er gar

nicht vorhanden.

Sollte das Eingehen auf den Patien- ten als Person nicht eine ärztliche Selbstverständlichkeit sein? Wor- über Patienten am meisten klagen, besonders die psychosomatisch Kranken, ist, daß der Doktor ihnen oft gar nicht richtig zuhört, daß er nicht mit sich reden läßt, daß selbst der Hausarzt, zu dem der Kontakt immer noch am besten ist, vielfach schnell ein Rezept ausschreibt, statt auf die Probleme des Hilfesuchen- den einzugehen.

Es ist das Problem "Zeitnot". Dabei sollten wir die Medikation sorgfältig abwiegen - "peu de drogues et beaucoup de soins". (cave "Heilmit- telunheil"). Warum erscheint die Hu- manmedizin manchmal so .. inhu-

man"? Nicht zuletzt sind diese Män-

gel auf die ärztliche Ausbildung zu- rückzuführen. Auf dem Deutschen Kongreß für ärztliche Fortbildung in Berlin wurde 1978 berichtet: die Stu- denten und jungen Ärzte lernen kaum etwas über den Umgang mit den Patienten, über die Dynamik in den menschlichen Beziehungen.

Wir sollten viel mehr die Studenten über solche Zustände und über ihre Erwartungen vom Studium fragen!

Ich kann sagen, daß ich von meinen Studenten und Patienten immer wie- der lerne. Nicht von oben, durch Re- glemente, sondern "von unten", von den Studenten aus, kann sich man- ches klären und entwickeln.

Zum erstenmal - erst auf dem 27.

der Berliner Fortbildungskongresse kamen auch die betroffenen Medi- zinstudenten als Referenten zu Wort. Sie sparten eben nicht mit Kri- tik: Sie wünschen engeren Kontakt auch in Gruppen, mit Krankenpfle- gern und Sozialarbeitern, im Sinne des Teams.

Die rein naturwissenschaftliche Sichtweise, die die körperliche Seite von der Krankheit allein wichtig nimmt und die seelische und soziale Dimension vernachlässigt, scheint nicht selten die Medizin und auch

die medizinische Ausbildung zu be- einflussen. "Ich möchte die Bezie- hungslosigkeit von oft nur zu theo- retischen medizinpsychologischen Lerninhalten zu einer wirklich pa- tientenorientierten ärztlichen Praxis kritisieren", sagte der Freiburger Medizinstudent F. Behrmann. Es handelt sich hier nicht um intellektu- elles ("cognitives") Lernen, um das Speichern rein verstandesmäßig aufgenommenen Wissens, sondern um emotionales ("affektives") Ler- nen mit dem Ziel, die Fähigkeit des jungen Mediziners zum ärztlichen Gespräch, zum Eingehen auf den Patienten, zum Herausfinden seiner

wirklichen Nöte zu entwickeln, die

sich oft hinter vordergründigen kör- perlichen Beschwerden verbergen.

Am Anfang des Studiums besteht für

"Psychologisches" großes Interes-

se. Die Voraussetzungen für die Ent- wicklung der durchaus erlernbaren

"kommunikativen" ärztlichen Fähig-

keiten sind zu Beginn des Studiums gegeben. Das Interesse am Kranken selbst und nicht nur an der Krank- heit, der Sinn für die psychischen und sozialen Bedingungen des Krankseins steht bei den Studienan- fängern im Vordergrund. Im Laufe der Ausbildung geht es aber so weit zurück, daß (wie eine Befragung zeigte) im Beruf nur noch etwa fünf Prozent der Ärzte Freude an der Be- handlung von Patienten haben, die nicht rein organisch krank sind.

Sehrmann sprach von einer "früh- zeitigen Deformation des Arztes, nämlich nur fakten- und theorie- orientiert zu arbeiten". Ein anderer junger Mediziner, Ulrich Egle aus Marburg, zitierte gar das "böse"

Wort über den normalen Sozialisa- tionsprozeß während des Studiums:

vom Idealismus zum Zynismus.

Neue Wege

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den kranken Menschen wieder ins Zentrum der Medizin zu rücken, aus dem er fast völlig verdrängt worden ist. Zwei dieser Möglichkeiten wur- den auch während der Berliner Vor- trags- und Diskussionsveranstaltun- gen näher erörtert:

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Bildung zum Arzt

~ Der eine Weg führt über die so- genannten "Balint-Gruppen" für Ärzte und andere Mitglieder des the- rapeutischen Teams, auch Medizin- studenten;

~ der andere Weg über eine syste- matische Einbeziehung der prak-

tisch tätigen Ärzte in die Ausbildung.

Jedenfalls verlangen die Medizinstu- denten von ihren Fakultäten, der Be- reich des Gesprächs Arzt und Pa- tient müsse in der Ausbildung ver- mehrt berücksichtigt werden. Vor al- lem ältere Leute beklagen sich häu- fig: sie finden, die modernen Arzt- praxen seien wie Fabrikbetriebe, durch die man so rasch wie möglich hindurchgeschleust werde. Für ein Gespräch bleibe überhaupt keine Zeit. Mit dem guten alten Landarzt dagegen habe man noch fast belie- big lange plaudern können ...

Medizin ist nicht das ganze Arztsein.

Der Arzt wird immer "artiste et artisan" bleiben, aber techne (grie- chisch) bedeutet ebenso viel wie ars (lateinisch). Es geht um das Suchen

von "technischer Spontaneität"

auch in der Beziehung zum Pa- tienten.

Die Bildung zum Arzt soll das Kern- stück der Ausbildung des Medizin- studenten sein: "Ob und wie sich mir die "seelische Verfassung" ei- nes Patienten erschließt, wie meine

"eigene Situation" als Arzt, wie sich

mir die so spezifische Form des Kommunikativen zwischen Arzt und Patient gestaltet, das wird im End- effekt von dem Wesensbild des Ärzt- lichen her entschieden, auf das hin ich mich erzogen, gebildet habe.

Und wo am Ende von "Krankheit und Gesundheit" die Rede ist- und gar von der Bedeutung des Todes, da ist eine Ebene betreten, auf der die Frage nach der Bildung zum Arzt ganz bedrängend wird" (Hubertus Tellenbach).

Ein wichtiger Weg, den jungen Ärz- ten eine "menschlichere" Medizin zu vermitteln, führt durch die Praxen der Hausärzte, welche viel stärker, und zwar möglichst früh, in die me- dizinische Ausbildung einbezogen

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 43 vom 25. Oktober 1979 2839

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Bildung

zum Arzt

werden sollten. Erst hier und da nehmen erfahrene Allgemeinmedizi- ner schon Studienanfänger zu Haus- besuchen mit, damit sie den Patien- ten mitsamt seiner sozialen Umge- bung kennenlernen. Auf diese Weise wird einem frühzeitigen „Schmal- spur-Denken" des zukünftigen Arz- tes vorgebeugt, nämlich lediglich fakten- und theorienorientiert zu ar- beiten.

Ein Mensch wird zum „Patienten", wenn er zum Arzt geht. Wir verges- sen leicht, daß er einfach ein kranker Mensch ist und erst durch die ärztli- che Beziehung, spital- und arzt-

„bezogen”, zum „Patienten" um- strukturiert wird. „Ich sehe Bauern, aber ich sehe keine Menschen!!!"

(Hölderlin). Der Mensch, der in einer Fabrik arbeitet, wird zum Arbei- ter ... im Büro ist er der Angestellte oder der Chef — aber wo bleibt der Mensch? Teilfunktionen des Men- schen werden — nach E. Fromm — zum ganzen Menschen deklariert.

Pflegepraktikum

Der persönliche Kontakt mit dem Patienten selbst steht am Anfang der medizinischen Ausbildung nur im Hintergrund. Es ist auch deshalb wünschenswert, dem Studenten die Möglichkeit der Hilfs-Pflege zu bie- ten, um ihm zu einer direkten Bezie- hung mit dem Patienten zu verhel- fen. Es müßte sich allerdings keines- falls um ein Putz-(„Häfeli"-), son- dern um ein Pflegepraktikum han- deln! Neben dem körperlichen Kon- takt mit dem Kranken gibt ihm diese Erfahrung Gelegenheit, die Arbeit des Pflegepersonals und die Hal- tung der Ärzte kennenzulernen.

Aber wichtig ist auch, die eigene Angst zu erleben und mit den eige- nen Empfindungen in peinlichen Momenten zurechtzukommen. Be- stimmend in beruflicher und persön- licher Hinsicht sollte daher der erste Kontakt mit dem hilfsbedürftigen Menschen werden und nicht mit dessen leblosem Körper, mit der weißen, kalten Leiche.

Dieser leblose Kontakt ist nicht sel- ten eine kalte Dusche für die „kom-

munikative" Begabung des Studen- ten. Als Pfleger lernt er, sich mehr in den Kranken einzufühlen, was ihm später als Arzt sehr zugute käme.

Die Pflegezeit wäre eine echte Lehr- zeit für das Verstehen des Patienten, gerade weil sie Zeit in Anspruch nehmen könnte, ohne den Druck der späteren Einschränkung. Die Zeit des Arztes scheint zu „kostbar", als daß er sie ohne weiteres für das Ver- stehen des Patienten einsetzen könnte. Die Zeit des Studenten ko- stet aber noch nichts und stellt eine einzigartige Gelegenheit dar, sich intensiv mit dem einzelnen Patien- ten zu beschäftigen.

Was erlebt der Kranke beim Arzt?

Der Arzt soll vom Patienten ruhig annehmen, daß dieser ihm bei der Behandlung aktiv helfen möchte im Sinne einer Partnerschaft. Die Stu- denten können sich noch erlauben, Angst und Zweifel zu haben, was der Arzt gewöhnlich eher zu verdrängen sucht. Für den Arzt sollte die Ent- wicklung einer Beziehung zum Kranken bedeuten, daß er neben der Begutachtung des Körpers des Pa- tienten auch gleichzeitig von seinem eigenen Erleben her den Patienten versteht und erfaßt.

Wir dürfen nie vergessen, daß bei einer körperlichen Untersuchung Patient und Arzt völlig verschiedene Überlegungen anstellen. (Was steckt eigentlich wirklich hinter meinem Leberleiden?). Unsere Diagnose ist eine Aufgabe — eine andere ist es, zu fühlen, was der Kranke dabei erlebt, an Schmerzen, Stimmungen und Ängsten. Wir palpieren einen Bauch und versuchen durch die Haut, Le- ber, Milz, Kolon usw. zu erreichen.

Für den Patienten ist es aber wich- tig, daß wir „seinen" Bauch palpie- ren. Er erlebt den Körperkontakt mit Spannung und Phantasien. Der Arzt klopft, drückt, hört, um die Ursache des Symptoms zu verstehen. Für den Patienten aber ist häufig diese Untersuchung ein Zeichen, daß er schwer krank sein könnte, wenn der ganze Körper belastet wird. Der Pa- tient mißversteht leicht eine Routine

der Untersuchung, wünscht gleich- zeitig eine gründliche Untersu- chung, die ihn eventuell doch ängst- lich macht.

Wichtig ist, daß Student und Arzt lernen, den Wunsch nach Gründ- lichkeit nicht durch unnötige Unter- suchungen zu erfüllen, andererseits keine notwendigen Untersuchungen zu unterlassen, weil sie die Ängst- lichkeit des Patienten fühlen. Der Patient soll nicht nur bekommen, was er wünscht, sondern besonders was er braucht. Es ist auch wichtig zu bedenken, daß der Kranke — und nicht nur der Hypochonder — sich selbst ein Bild des Funktionierens seines Körpers macht (psychische Anatomie), was der Realität nicht entsprechen muß. Wir sollten uns vorstellen können, in welche Rich- tung die Phantasien dieses Patien- ten gehen. Was der Arzt sagt, ist wichtig, was der Patient mitteilen möchte, ist jedoch wesentlich! Es gibt auch eine „überredende" Kom- munikation, bei welcher der Thera- peut sein Wissen über den Patienten

„gießt", der wenig davon profitieren kann.

Beziehungsdiagnostik

Verständnis dieser Art erzielt man am besten in kleinen Gruppen. Die neuen Lehrmethoden der kleinen Gruppen haben sich als außeror- dentlich positiv herausgestellt. Sol- ches Vorgehen ermöglicht größeres Verständnis und eine Verbesserung der ärztlichen Berufsqualität. Auch für eine weitere Lehrplanentwick- lung bieten die Gruppen eine kon- krete Art der Fortbildung. Der enge Kontakt zwischen Studenten, Assi- stenzärzten und Ärzten mit prakti- scher Erfahrung, der sich im Rah- men der Balint-Fallseminare fin- det, will diese Bezugsprobleme Arzt—

Patient darstellen und scheint inter- essante Resultate zu erbringen.

Charakteristisch für die Studenten älteren Semesters, die noch frei von den Enttäuschungen der berufli- chen Routine sind, ist das erkennen- de Verständnis für die Bedeutung der Beziehung zum Patienten (Be- ziehungsdiagnostik).

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2840 Heft 43 vom 25. Oktober 1979

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Bildung zum Arzt

Angesichts der umfangreichen er- forderlichen Spezialkenntnisse fällt es dem jungen Mediziner schwer, sich zwischen Allgemeinpraxis und Spezialisierung zu entscheiden. Die- ser Entschluß kann nur dadurch er- leichtert werden, indem technische und psychologische Vorbereitungen in die Ausbildung integriert werden, ohne jedoch das Psychologische zu überbewerten.

Aus dieser Sicht lassen sich Lehr- plan- und Ausbildungsprobleme des Allgemeinmediziners durch frühzei- tige und intensive Beschäftigung mit einer verbesserten medizinischen Grundlage und einer durch die An- wesenheit von Praktikern aufgelok- kerten akademischen Spitzen-Spe- zialisation leichter lösen. Nur durch Einfügung erneuerter Lehrmetho- den wird man eine Aufwertung der praktischen Medizin erzielen.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Boris Luban-Plozza Piazza Fontana Pedrazzini CH 6600 Locarno

('SPRÜCHE

Lernwillig

„Demokratie heißt, von un- ten nach oben aufbauend Meinungsbildung zu betrei- ben. Dies ist, wenn man bei- spielsweise an ‚Bundesemp- fehlungen' denkt, wohl et- was, was auch unser Bun- desverband erst noch lernen muß. Wir werden ihm, und dafür sind wir bereit uns ein- zusetzen, dies noch lernen."

Aus dem Festvortrag des

„arbeitgeberseits Vorsitzen- den der Vertreterversamm- lung des Landesverbandes der Ortskrankenkassen in Bayern", Hans Dendl, anläß- lich einer Feierstunde der Allgemeinen Ortskranken- kasse Coburg zum 25jähri- gen Wiederbestehen der so- zialen Selbstverwaltung; ver- öffentlicht im „Mitteilungs- blatt des LdO in Bayern".

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Euphorische Betrachtung

Zunächst muß erwähnt werden, daß der Artikel von einer Euphorie strotzt, die den gegebenen Tatsa- chen in keiner Weise gerecht wird.

Das Problem ambulanter Operatio- nen stellt sich heute im Rahmen ko- stensparender Maßnahmen zweifel- los. Es befremdet mich jedoch zu- nächst, daß man in einem so sachli- chen Artikel über prinzipielle Dinge ambulanter Operationen mit Stein- zeitrezitaten beginnt. Nach meiner Kenntnis haben viele ambulant täti- ge Chirurgen in einem umfangrei- chen Maße ambulante chirurgische Eingriffe durchgeführt, die zum Teil durchaus über das Maß einer ambu- lanten Versorgung hinausgingen und die ein außerordentliches Enga- gement im Rahmen der nachopera- tiven Versorgung von dem jeweili- gen Kollegen verlangten.

Wir können unsere Situation in Deutschland keineswegs auf die Verhältnisse in den USA transponie- ren. Hier ist es seit langem bekannt, daß durch die schlechte Kranken- versorgung im Rahmen der Versi- cherungen der Patient bemüht ist, einen kurzen Krankenhausaufent- halt zu absolvieren, um den Kosten- aufwand in einem möglichst gerin- gen Maß zu halten.

Dies entspricht keineswegs den deutschen Verhältnissen. Hier wur- de über Jahre hinaus dem deut- schen Bürger ein Anspruchsdenken anerzogen, welches ihn in jeder Weise beeinflußt bei jeder relativ kleinen Erkrankung eine stationäre Behandlung wahrzunehmen. Wenn Kollege Hoehle anführt, daß operativ ambulant versorgte Patienten im Rahmen von Risikopatienten wie Diabetiker, Zustand nach Herzin- farkt, geriatrisch sklerotische Pa- tienten in den Bereich ambulant operativ zu versorgender Patienten-

FORUM

gruppen gehören, so muß man doch wohl hierzu kritische Gegenstel- lungnahme erwarten.

Die in diesem Bereich erwähnten Operationen ambulanter Kinder stel- len einen völlig anderen Bereich der chirurgischen Versorgung dar, denn dies ist wohl kaum ein neues Postu- lat, daß in einem großen Bereich der Kinderchirurgie eine ambulante Ver- sorgung möglich und durchführbar ist und wohl auch von den meisten Chirurgen praktiziert wird. Wenn Dr.

Hoehle Beispiele von Statistiken aus Kalifornien bringt, so sind diese für die deutschen Verhältnisse wohl kaum transponierbar. Daß nach am- bulanter Hernienversorgung in Deutschland ein Patient sofort wie- der arbeitsfähig wird, wäre wohl ei- ner Pressemitteilung in der „Bild- Zeitung" würdig, wenngleich ich dies von der prinzipiellen Situation nicht ausschließen möchte. Daß Kol- lege Lichtenstein in Los Angeles auch 96jährige Patienten mit Brü- chen oder Blinddarmentzündungen ambulant behandelt hat, mag eine bemerkenswerte Situation in der Chirurgie darstellen, sie dürfte wohl jedoch kaum auf eine prinzipielle ambulante Versorgung solcher Pa- tienten hinführen.

Wenn Dr. Hoehle ausführt, daß es amerikanischen Patienten darum geht, Ausfälle durch stationäre Be- handlung im Rahmen ihres Privat- einkommens zu vermeiden, falls sie durch operative Versorgung statio- niert werden müßten, so unterliegt er einem Trugschluß, daß es in Deutschland in ähnlicher Form ver- läuft.

Durch unsere Übersozialisierung ist wohl kaum ein deutscher Arbeitneh- mer im Rahmen einer stationären operativen Behandlung in die Verle- genheit gebracht, zunächst einmal seine Stelle zu verlieren oder sonsti-

Ambulante Operationen

Zu dem Beitrag von Dr. med. Kurt Hoehle in Heft 29/1979, Seite 1915 ff.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 25. Oktober 1979

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