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Archiv "Therapie der Hypertonie: Umdenken gefordert" (22.12.2008)

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A2770 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 51–52⏐⏐22. Dezember 2008

P H A R M A

W

er von den diesjährigen

„American Heart Associ- ation’s Scientific Sessions“ sensa- tionelle neue Daten erwartet hat, wird sicherlich enttäuscht aus New Orleans abgereist sein. Voll auf ihre Kosten gekommen sind dagegen wohl diejenigen unter den mehr als 22 000 Kardiologen aus aller Welt,

bei denen die Umsetzung von Stu- diendaten in den klinischen Alltag, die Konsolidierung innovativer The- rapietrends und der Erfahrungsaus- tausch im Vordergrund des Interes- ses gestanden hatten.

Optimierungbedarf besteht nach wie vor bei der Therapie der Hy- pertonie. „Trotz Behandlung liegt im Durchschnitt bei jedem zweiten bis dritten Patienten der Blutdruck oberhalb des Zielbereichs“, zitierte Prof. Dr. med. Joel Neutel (Irvine/

USA) das Ergebnis einer weltwei- ten Erhebung (1). Einer der wesent- lichen Gründe für diese unbefrie- digende Situation ist für ihn die

„clinical inertia“, die bei mehr als 80 Prozent seiner Kollegen hüben

und drüben des Atlantiks in breit angelegten Untersuchungen erfasst worden sei.

Wenn nur in der Hälfte der Fälle die „therapeutische Untätigkeit“ – so die wahrscheinlich treffendste Übersetzung – überwunden werden könnte (durch Erhöhung der Dosis, Wechsel des Medikaments oder

Kombination von zwei Wirkprinzi- pen), bestehe die Chance, innerhalb eines Jahres die Zahl der erfolg- reich behandelten Patienten um fast 50 Prozent zu erhöhen, so die Hoch- rechnung einer Arbeitsgruppe an der Universität in Charleston anhand der Behandlungsdaten von mehr als 7 200 Hypertoniepatienten (2).

Frühe Kombinationstherapie gewinnt an Bedeutung

Als Ausweg aus dieser Misere bietet Neutel ein zweistufiges Konzept an.

Seiner Überzeugung nach ist ein Punkt erreicht, wo jedem Hyper- toniepatienten ein Hemmer des Re- nin-Angiotensin-Systems (RAS) ver- ordnet werden sollte, sofern keine

Kontraindikationen bestehen. Dafür sprächen neben pathophysiologi- schen Überlegungen vor allem die langjährige klinische Erfahrung zum vorteilhaften Nutzen-Risiko-Profil von ACE-Hemmern und AT1-Ant- agonisten sowie die hohe wissen- schaftliche Evidenz zur signifikan- ten Reduktion von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität.

Die nicht erfolgreiche RAS-Mo- notherapie (Blutdruck nicht im in- dividuellen leitliniengemäßen Ziel- bereich) ist für Neutel das Signal zur Kombination. Partner der ersten Wahl sind für ihn ein Diuretikum wie Hydrochlorothiazid oder ein Kalziumantagonist wie Amlodipin.

Der Patient profitiere in der Regel doppelt, denn die Synergie der Wirkprinzipen schlage sich nicht nur in einer stärkeren antihyper- tensiven Wirksamkeit nieder, son- dern lasse auch – durch gegenseitige Kompensation der Nebenwirkun- gen – eine Verbesserung der Ver- träglichkeit erwarten.

In puncto Kombinationstherapie sind die europäischen Fachgesell- schaften den amerikanischen einen Schritt voraus. Während in den USA das „Joint National Commit- tee“ noch über den Stellenwert der Antihypertensiva-Kombinationen im gegenwärtig erarbeiteten „JCN- VIII-Report“ diskutiert, empfehlen die Europäischen Gesellschaften Kardiologie (ESC) und Hypertonie (ESH) bereits die frühzeitige – an- stelle maximaler Aufdosierung ei- ner Monotherapie – Zugabe einer zweiten Substanz. Dies gilt beson- ders für Hypertoniker mit mani- festem oder latentem Diabetes mel- litus.

Die Deutsche Hypertonie-Gesell- schaft/Deutsche Hochdruckliga geht in ihren 2008 aktualisierten Leit- linien noch einen Schritt weiter

THERAPIE DER HYPERTONIE

Umdenken gefordert

Noch immer erreicht ein großer Teil der Patienten nicht die angestrebten Zielwerte. Die Erfolgschancen steigen bei primärem Einsatz eines Inhibitors des Renin-Angiotensin-Systems – gegebenfalls in Kombinationsregimen.

Eine Vergleichs- untersuchung über die Vor- und Nachteile der bisher eingesetzten Anti- hypertensiva hat das Institut für Qua- lität und Wirtschaft- lichkeit im Gesund- heitswesen (IQWiG) im Oktober vorge- legt. Danach kön- nen Diuretika als Therapie der ersten Wahl angesehen werden.

Stiftung zur Prävention der Arteriosklerose

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 51–52⏐⏐22. Dezember 2008 A2771

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und befürwortet bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risi- ko, vor allem bei stark vom Ziel- blutdruck abweichenden Werten, sogar eine primäre Kombinations- therapie.

Man kann davon ausgehen, dass jeder vierte bis fünfte Hypertoniker auch Diabetiker ist – Tendenz stei- gend. Dazu kommt die unbekannte Zahl von Patienten mit einer Dia- betesprädisposition (Insulinresistenz und Glucoseintoleranz). Dieser Sach- verhalt sollte unbedingt in die Über- legungen zur Wahl des Antihyper- tensivums einfließen. Als günstig, weil sie seltener als andere Substan- zen mit der Manifestation eines Typ-II-Diabetes assoziiert sind, gel- ten die AT1-Blocker und ACE-Hem- mer, wie kürzlich in einer großen Metaanalyse aus 22 Studien mit fast 150 000 Hochdruckpatienten bestä- tigt wurde (3).

Der mit Abstand beliebteste Kom- binationspartner für einen RAS- Blocker ist das Hydrochlorothiazid (HCT). Nach Auffassung von Priv.- Doz. Dr. med. Carsten Tschöpe (Ber- lin) spricht bei vielen Patienten auch nichts dagegen. Anders verhalte es sich beim Diabetiker oder Prädiabe- tiker, für diese Patienten sei das Di- uretikum wegen seiner dysmetaboli- schen Eigenschaften keine gute Op- tion. Besser, weil stoffwechselneu- tral, passe ein Kalziumantagonist.

Vergleich von zwei Fixkombinationen

Dass sich ein solches Vorgehen für die Betroffenen auch prognostisch

„auszahlt“, lässt sich aus den ACCOMPLISH-Daten (Avoiding Cardiovascular Events in Combina- tion Therapy in Patients Living with Systolic Hypertension) ableiten (4).

Verglichen worden waren erstmals zwei Fixkombinationen – RAS- Blocker plus Kalziumantagonist (Be- nazepril/Amlodipin) versus RAS- Blocker plus Diuretikum (Benaze- pril/HCT) bei einer hypertensiven Population. Hierfür sollten 11 506 Patienten mit hohem Ausgangsrisi- ko untersucht werden: Eine kardio- vaskuläre Komplikation/Interventi- on oder einen Schlaganfall in der Anamnese wiesen 46 beziehungs- weise 13 Prozent auf, einen Typ-II-

Diabetes 60 Prozent und eine Adi- positas 50 Prozent.

Die Untersuchung wurde aus ethischen Gründen vorzeitig abge- brochen, weil sich nach einer mittle- ren Laufzeit von 3,8 Jahren (bei ver- gleichbarer Blutdrucksenkung) im Hinblick auf die kardiovaskuläre Morbidität/Mortalität ein signifikan- ter Vorteil für die diuretikafreie The- rapie ergeben hatte (p = 0,0002).

Für Diabetiker additiv einen Kalziumantagonisten

„ACCOMPLISH“ bedeutet für Tschöpe einen Anstoß zum Umden- ken in der Hypertonietherapie. Bei nicht ausreichender Blutdrucksen- kung mit der Monotherapie eines RAS-Blockers sollte nicht – wie bisher vielfach üblich – gewohn- heitsmäßig der ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist mit HTC kombi- niert werden, sondern genauer hin- geschaut werden. Bei einem Hyper- toniker mit manifestem Diabetes mellitus oder erhöhtem Diabetesri- siko (Familienanamnese, Adipositas oder Dyslipidämie) sei die Kombi- nation mit einem Kalziumantago- nisten die bessere Wahl.

Das Spektrum der RAS-Blocker ist im Herbst 2007 um eine Varian- te erweitert worden. Als direkter Renin-Inhibitor greift Aliskiren wesentlich früher als ACE-Hem- mer und AT1-Antagonisten – ge- wissermaßen am Ursprung – hem- mend ins Renin-Angiotensin-Sys- tem ein. Mit dem Studienprogramm

„ASPIRE-HIGHER“ wird Alis- kiren gegenwärtig bei mehr als 35 000 Patienten auf seinen Stel- lenwert für das Hypertoniemanage- ment geprüft.

Erstmals präsentiert wurden in New Orleans die Ergebnisse der zu diesem Programm gehörenden AGELESS-Studie (Aliskiren for Geriatric Lowering of Systolic Hy- pertension). Als Zielgruppe hatte man eine Population gewählt, bei der lange Zeit umstritten war, ob eine Blutdrucksenkung überhaupt sinnvoll ist – die alten Hypertoniker.

Diese Zweifel hält Dr. Daniel Du- prez (Minneapolis/USA) heute nicht mehr für gerechtfertigt. Als Belege führte er die Daten einer aktuellen Metaanalyse von 31 Studien mit

mehr als 94 000 Patienten im Alter über 65 Jahren (5) und die Ergebnis- se der erst kürzlich abgeschlossenen HYVET-Studie (Hypertension in the Very Elderly Trial) an (6).

Die für „AGELESS“ rekrutierten Patienten waren im Mittel 72 Jahre alt mit einem durchschnittlichen Blut- druck im Sitzen von 157/86 mmHg.

Randomisiert doppelblind vergli- chen wurde Aliskiren (n = 457) mit Ramipril (n = 444), der als der po- tenteste ACE-Hemmer gilt. Um den Blutdruck in den Zielbereich unter 140/90 mmHg zu senken, konnte nach vier Wochen die Dosis der Stu- dienmedikation verdoppelt und ab der zwölften Woche in vorgegebe- nen Abständen zunächst mit HCT und dann mit Amlodipin kombiniert werden.

Am Ende der Monotherapiephase hatte Aliskiren den systolischen und diastolischen Blutdruck im Grup- pendurchschnitt signifikant stärker gesenkt als Ramipril (p = 0,0241 be- ziehungsweise p = 0,0037). Zu al- len Kontrollzeitpunkten (nach der zwölften, 22. und 36. Woche) war im Aliskiren-Arm der Anteil der Responder (Blutdruckziel erreicht) signifikant höher als im Ramipril- Kollektiv, und es war signifikant seltener eine Kombination mit dem Diuretikum (p = 0,0048) und dem Kalziumantagonisten (p = 0,0481) erforderlich gewesen. Bei der Ver- träglichkeit gab es keine Unter- schiede zwischen den Gruppen – mit Ausnahme von Husten, der im ACE-Hemmer-Arm etwa dreimal häufiger war als im Renin-Inhibitor- Kollektiv (13 zu vier Prozent). n Gabriele Blaeser-Kiel

LITERATUR

1. Kearney PM et al.: J Hypertens 2004; 22:

11–9.

2. Okonofua EC et al.: Hypertension 2006; 47:

345–51.

3. Elliott WJ et al.: Lancet 2007; 369: 201–7.

4. Jamerson KA, Präsentation beim ACC- Meeting 2008.

5. Turnbull F et al.: BMJ 2008; 336; 1121–3.

6. Beckett NS et al.: N Engl J Med 2008; 358:

1887–98.

American Heart Association’s Scientific Sessions 2008 vom 8. bis 12. November 2008 in New Orleans/

USA (Vorträge beim Kongress sowie beim Satelliten- symposium/Pressekonferenz der Novartis AG)

Referenzen

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