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Archiv "Arterielle Hypertonie: Höhere Flexibilität bei der Therapie, stärkere Einbindung der Patienten" (28.06.2013)

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A 1316 Deutsches Ärzteblatt

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28. Juni 2013

ARTERIELLE HYPERTONIE

Höhere Flexibilität bei der Therapie, stärkere Einbindung der Patienten

Die europäischen Gesellschaften für Hypertonie und Kardiologie haben gemeinsam neue Leitlinien für das Management der Hypertonie veröffentlicht.

M

it der Aktualisierung der Leitlinien aus dem Jahr 2007 haben die europäischen Gesell- schaften für Hypertonie (ESH) und Kardiologie (ESC) ein neues Kapi- tel für das Management der Blut- hochdruckkrankheit aufgeschlagen.

Die Ausgabe 2013, die von 40 euro- päischen Rezensenten in 18 Mona-

ten entwickelt worden ist, zeigt eine Abwendung von strikten Empfeh- lungen hin zu mehr Flexibilität bei der Betreuung der Patienten.

Koautor Prof. Giuseppe Mancia von der Universität Mailand sprach im Hinblick auf die medikamentöse Therapie von einer „Verschiebung zu mehr Konservatismus“. Die Ent- scheidung für oder gegen bestimm- te Behandlungsformen sollte mehr das gesamte kardiovaskuläre Risiko des Patienten berücksichtigen, als (nur) die Hypertonie fokussieren.

Die Leitlinien 2013 wurden auf dem Kongress der European Society of Hypertension in Mailand vorgestellt und zeitgleich online publiziert*.

Mit einer Prävalenz zwischen 30 und 45 Prozent ist die arterielle Hy- pertonie nach wie vor ein maßgeb- licher Risikofaktor für die kardio- vaskuläre Sterberate der europä - ischen Bevölkerung. Die Autoren der Leitlinien zeigten sich ent- täuscht, dass diese Zahlen seit zehn Jahren auf unverändert hohem Ni-

veau verweilen. „Wir müssen bei Ärzten und Patienten das Bewusst- sein erhöhen, wie wichtig eine frühzeitige und konsequente Blut- drucksenkung für die Gesundheit der Bevölkerung und des Individu- ums ist“, sagte Mancia.

Zwei Zielwerte sind nicht mehr gerechtfertigt

Zu den relevanten Neubewertungen respektive Änderungen gehört die Entscheidung, einen systolischen Blutdruck von 140 mmHg als Ziel für (fast) alle Patienten zu emp- fehlen. In der Version 2007 wurde 140/90 mmHg als Ziel für Patien- ten mit geringem und mo deratem kardiovaskulärem Risiko empfoh- len, für Hochrisikopatienten je- doch eine weitere Absenkung auf 130/80 mmHg. „Es gibt derzeit nicht

genügend wissenschaftliche Bewei- se, um zwei Zielwerte zu rechtferti- gen“, kommentierte Koautor Prof.

Robert Fagard, Leuven, Belgien.

Bei über 80-Jährigen kann bereits ein Zielblutdruck von systolisch un- ter 160 mmHg ausreichen.

Einen Einfluss auf diese Neube- wertung hatten die enttäuschenden Ergebnisse der ACCORD-Studie gehabt (NEJM 2010; 362: 1575–

85). Danach war die aggressive antihypertensive Therapie nicht in der Lage, Typ-2-Diabetiker deutli- cher vor Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen zu bewahren. Stattdessen ver- doppelte sich die Zahl der Patienten mit einem Abfall der glomerulä- ren Filtrationsrate auf unter 30 ml/

min/1,73 m2, was auf eine Nieren- schädigung hinweist.

Nach wie vor bilden Verände- rungen des Lebensstils die „Eck- pfeiler“ für die Prävention von Bluthochdruck und ihren Folgeer- krankungen. Dazu gehören die Res- triktion der täglichen Salzmenge auf fünf bis sechs Gramm, Kontrol- le des Körpergewichts, regelmäßige Bewegung und Nichtrauchen. Die- se Maßnahmen allein könnten auch bei Patienten mit moderatem Risi- ko einige Monate erprobt werden, erklärte Fagard in Mailand. Bleibt ein Erfolg jedoch aus, sei zügig eine medikamentöse Therapie ein- zuleiten.

Eine Hierarchie der zu bevorzu- genden Arzneimittel (also Wirkstof- fe erster, zweiter oder dritter Wahl) gibt es nicht mehr. „Klinische Stu- dien und Metaanalysen haben ge- zeigt, dass es für die Prognose der Patienten auf die Blutdrucksenkung per se ankommt, aber nicht darauf, auf welche Weise sie erreicht wird“, betonte Mancia. Die wichtigsten Medikamentenklassen hätten ähnli- Die renale Dener-

vierung wird zwar als „vielverspre- chend“ für die künftige Behand- lung der resistenten Hypertonie angese- hen, aber noch feh- len Langzeitstudien.

Abbildung: Medtroinic

*Eur Heart J 2013; DOI: 10.1093/eurheartj/

eht.151 und Journal of Hypertension, http://

journals.lww.com/jhypertension/Documents/

ESC%20ESH%20Guidelines%202013.pdf

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28. Juni 2013 A 1317 che Effekte auf die Verringerung

kardiovaskulärer Ereignisse: „Das bedeutet, dass ACE-Hemmer, Angio- tensinrezeptorblocker, Betablocker, Calciumantagonisten und Diuretika gleichberechtigt verschrieben wer- den können“, sagte Mancia. Le - diglich bei bestimmten Vorerkran- kungen/Situationen empfehlen die Leitlinien spezielle Medikamenten- klassen – ohne Priorisierung (siehe Tabelle).

Bestätigt wird die Bedeutung der Kombinationstherapie, zumal viele Patienten mehr als ein Medi- kament für ihre Blutdruckkontrolle benötigen. Bei Hypertonikern mit hohem kardiovaskulärem Risiko respektive initial deutlich erhöhten Blutdruckwerten sollte sogar pri- mär mit einer Kombinationsthera- pie gestartet werden, empfahl Man- cia. In diesen Fällen könne man nicht lange warten, ob der eine oder der andere Wirkstoff zum Ziel füh- re. Zum Schutz des Patienten müsse der Blutdruck innerhalb einer ange- messenen Zeit kontrolliert werden – und dafür seien Kombinationen eher geeignet als die Monotherapie.

Zu vermeiden sei allerdings die Kombination von ACE-Hemmern mit Angiotensinrezeptorblockern.

Im Hinblick auf Behandlung der resistenten Hypertonie wird die re- nale Denervierung zwar als „viel- versprechend“ bezeichnet, aber es fehlten Langzeitstudien zur Sicher- heit und Wirksamkeit im Vergleich zur bestmöglichen Medikamenten- einnahme. Darüber hinaus wisse man derzeit noch nicht, ob durch das technische Verfahren die kar- diovaskuläre Morbidität und Mor- talität tatsächlich reduziert würden.

Ein Aspekt, der neu in den Leitli- nien 2013 aufgenommen wurde, ist die stärkere Einbindung des Patien- ten in die Blutdruckkontrolle durch Selbstmessungen. „Natürlich stellen Praxismessungen immer noch den Goldstandard für die Diagnose dar“, sagte Fagard. Aussagekräftiger für Therapieentscheidungen oder -ände - rungen seien jedoch Selbstmessun- gen, die in vielen Situationen als Alternative zur 24-Stunden-Lang- zeitmessung anerkannt werde (Aus- nahme: Abklärung einer nächtlichen Hypertonie, Bestimmung des „Dip-

ping“-Status und der Blutdruckva- riabilität). Die bei der Selbstmessung erhobenen Werte seien im Mittel um fünf bis 15 mmHg für den systoli- schen und um fünf bis zehn mmHg für den diastolischen Blut druck niedriger, betonte Fagard: „Beide Methoden bieten verschiedene Infor- mationen und sollten als Ergänzung bei der Risikostratifizierung des Pa- tienten angesehen werden.“

Noch 2013 deutsches Update nach europäischem Vorbild

Wie Koautor Prof. Dr. med. Roland E. Schmieder, Universitätsklinikum Erlangen, gegenüber dem Deut- schen Ärzteblatt berichtet, wird es noch in diesem Jahr ein Update der deutschen Hypertonie-Leitlinien geben. Diese würden weitgehend den europäischen Vorgaben ent- sprechen. Schmieder begrüßt die darin beschriebene Flexibilität für

den behandelnden Arzt („Wir wol- len keine ,Kochrezepte‘ wie in Großbritannien.“) und die stärkere Einbindung der Patienten mit mehr Eigenverantwortlichkeit. Sorge be- reitet dem Erlanger Internisten al- lerdings die Umsetzung der aktuel- len Leitlinien in den Alltag. Hierzu- lande fehle eine politisch motivierte Strategie nach dem Vorbild des na - tionalen Krebsplans oder eines Dis - ease-Management-Programms. Ent- sprechende Aktionen in den USA, Kanada und Großbritannien, aber auch regional (Beispiel: Region Nürnberg) hätten bewiesen, dass die Rate von Patienten mit optima- ler Blutdruckkontrolle von 30 auf 50 Prozent gesteigert werden kann.

Frankreich und Italien gaben den Start solcher nationalen Hyperto- nie-Programme auf dem Kongress in Mailand bekannt.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

TABELLE

Arzneimittelempfehlungen für bestimmte Situationen

.

ACE = Angiotensin-converting-Enzym; ARB =Angiotensinrezeptorblocker;

Quelle: ESH/ESC-Leitlinine 2013, Seite 32, Tabelle 5 Asymptomatischer Organschaden

Linksventrikuläre Hypertrophie Atherosklerose

Mikroalbuminurie Niereninsuffizienz

Kardiovaskuläre Komplikation Z.n. Schlaganfall

Z.n. Myokardinfarkt Angina pectoris Herzinsuffizienz

Aortenaneurysma Vorhofflimmern (Prävention) Vorhofflimmern

(ventrikuläre HF-Kontrolle) Terminale Niereninsuffizienz/

Proteinurie

Periphere art. Verschlusskrankheit Andere

Isolierte syst. Hypertonie (Ältere) Metabolisches Syndrom Diabetes mellitus Schwangerschaft Afrikanische Abstammung

ACE-Hemmer, Calciumantagonist, ARB Calciumantagonist, ACE-Hemmer ACE-Hemmer, ARB

ACE-Hemmer, ARB

Jedes effektive Antihypertensivum Betablocker, ACE-Hemmer, ARB Betablocker, Calciumantagonist

Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer, ARB, Mineral okortikoidrezeptorantagonist Betablocker

Erwägen: ARB, ACE-Hemmer, Betablocker oder Mineralokortikoidrezeptorantagonist Betablocker,

Calciumantagonist (außer: Dihydropyridine!) ACE-Hemmer, ARB

ACE-Hemmer, Calciumantagonist

Diuretikum, Calciumantagonist ACE-Hemmer, ARB, Calciumantagonist ACE-Hemmer, ARB

Methyldopa, Betablocker, Calciumantagonist Diuretikum, Calciumantagonist

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