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Archiv "Therapie mit Humaninsulin - tatsächlich ein Risiko für Patienten?" (13.10.1988)

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Therapie mit Humaninsulin tatsächlich ein

Risiko für Patienten?

In Heft 10 vom 10. März 1988 haben Wedemeyer und von Kriegstein auf eine geänderte Hypoglykämie-Symptomatik unter Humaninsulin hingewie- sen. Der zuständige Ausschuß der Deutschen Diabetes-Ge- sellschaft unter Vorsitz von Prof. Federlin ist dazu anderer Meinung. Wunschgemäß druk- ken wir die Kurzmitteilung der - Herren Prof Federlin, Prof.

Grünklee, Prof. Kerp und Prof. Sauer nachfolgend ab.

Diese kommen aufgrund eige- ner und Erfahrungen anderer Diabetologen nicht zu den gleichen Ergebnissen. Dieser Beitrag versucht auch, die Er- gebnisse der Kollegen Wede- meyer und von Kriegstein zu erklären. Bis zum Vorliegen langjähriger Erfahrungen, be- sonders aus kontrollierten Stu- dien, wird noch einige Zeit vergehen. Wichtig erschien uns, in dieser Frage beide Sei- ten zu Wort kommen zu lassen.

Rudolf Gross

V

erschiedene Verlautba- rungen zum Thema „Hy- poglykämie unter Hu- maninsulin" (einschließ- lich der im Vorspann erwähnten Pu- blikation veranlassen den Ausschuß Insulin der Deutschen Diabetes-Ge- sellschaft zu folgender Stellung- nahme.

O Die erwähnten Veröffentli- chungen auch der Autoren aus der Diabetesklinik in Bad Bevensen stellen Interpretationen von kasui- stischen Beobachtungen dar, die wissenschaftlich nicht gesichert sind.

Angaben lediglich über Diabetes- dauer, Art der benutzten Insuline, Anzahl der Symptomatik der Hypo- glykämien vor und nach Umstellung auf Humaninsulin sowie nach Rück- stellung auf tierisches Insulin ohne Demonstration von Blutzuckerwer- ten genügen nicht, um die veränder- te Hypoglykämie-Symptomatik als humaninsulinspezifisches Phänomen zu beweisen. Ferner widersprechen die in dem Artikel gemachten Zah- lenangaben (Zunahme der Hypo- glykämien mit Bewußtlosigkeit un- ter Humaninsulin von 0,0055/Jahr auf 1,7/Jahr, das heißt um das 300fa- che) den inzwischen weltweit vorlie- genden Erfahrungen.

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Auch in den 50er und 60er Jahren, also in der Vor-Humaninsu- lin-Ära, wurden bei der Umstellung von einem Insulin auf ein anderes Präparat, zum Beispiel auch mit Spezieswechsel, ähnliche Beobach- tungen gemacht, ohne daß daraus ei- ne derart weitgehende Schlußfolge- rung gezogen und ein bestimmtes In- sulin als für die seit Beginn der Insu- lintherapie bekannte und in jedem Lehrbuch beschriebene Form der unbemerkten Hypoglykämie mit Be- wußtlosigkeit verantwortlich ge- macht wurde.

O Im Hinblick auf die behaup- tete Änderung der vegetativen Sym-

ptome unter Humaninsulin sind die bisher durchgeführten Studien der hypophysären beziehungsweise ad- renalen Gegenregulation bei Hypo- glykämien unter Schweineinsulin im Vergleich zu Humaninsulin eben- falls von Bedeutung. Bei mehreren ausführlichen Untersuchungen erga- ben sich dabei im Gegensatz zu er- sten Pilotstudien später keine Unter- schiede mehr (1, 2).

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Gegen eine spezielle Hypo- glykämieform mit veränderter vege- tativer Symptomatik unter Human- insulin spricht vor allem die Tatsa- che, daß weltweit in den letzten Jah- ren Hunderttausende von Diabeti- kern von tierischem auf humanes In- sulin umgestellt wurden, ohne daß bisher so gravierende Beobachtun- gen wie die von Wedemeyer und v.

Kriegstein publiziert wurden. Ver- schiedene Studien mit großen Fall- zahlen, die in der Bundesrepublik, in Dänemark, in Kanada sowie in den USA im Zusammenhang mit ei- ner Umstellung von tierischem auf humanes Insulin erfolgten, ließen keine Unterschiede im Schweregrad und in der Häufigkeit der Hypoglyk- ämiesymptomatik zwischen den ver- schiedenen Insulinen erkennen (3, 4, 4 a). Lediglich die Autoren Ber- ger und Althaus sowie Teuscher und Berger haben ähnliche Beobachtun- gen wie die von Wedemeyer und v.

Kriegstein mitgeteilt sowie über eine Fragebogenaktion berichtet, die ein selteneres Auftreten insbesondere von Schwitzen und Hungergefühl im Sinne einer „hypoglycemia unawa- reness" unter Humaninsulin bei ei- nigen Patienten ergab (5, 6). Die von W. Berger inzwischen abge- schlossene Doppelblindstudie zum gleichen Thema ist bis jetzt noch nicht publiziert worden.

Ferner berichtete kürzlich Whitehouse aus der Erfahrung mit einer offensichtlich großen Zahl von Diabetikern von vier Patienten mit lediglich neuroglykopenischen Sym- ptomen nach dem Wechsel von tieri- schem auf Humaninsulin. In einer prospektiven Studie fand er unter 118 Patienten allerdings nur zwei (1,7 Prozent), die ein solches Phäno- men aufwiesen (6 a).

Eine derartig geringe Häufigkeit dürfte der Situation beim Insulin- A-2836 (60) Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988

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wechsel auch in der Vor-Human- insulin-Ära entsprechen.

(i)

Verschiedene Gründe spre- chen dafür, daß die Beobachtungen von Wedemeyer und v. Kriegstein sowie der anderen Autoren wie folgt erklärt werden können:

a) Zeitgleich mit dem Wechsel auf Humaninsulin ist heute meistens eine „schärfere" Einstellung des Diabetes verbunden, von der be- kannt ist, daß sie nicht nur zu ver- stärkter Hypoglykämieneigung, son- dern außerdem zu einer Verminde- rung bis zum Verschwinden der vegetativen Hypoglykämie-Sympto- matik führen kann (7). Zusätzlich kann die Toleranz gegen niedrige Blutzuckerwerte erhöht sein, so daß auch die neuroglykopenische Sym- ptomatik („unawareness") erst bei fortgeschrittener Hypoglykämie auf- tritt.

b) Bei schärferer Einstellung ist deshalb die objektive Beurteilung einer veränderten Symptomatik nur möglich, wenn nicht nur die Blut- zuckerwerte zum Zeitpunkt des Hypoglykämieereignisses , sondern auch der Blutzuckerverlauf mitge- teilt werden. Eine solche Dokumen- tation, die heute durch Selbstkon- trolle ohne weiteres möglich ist, wird in der Publikation von Wede- meyer und v. Kriegstein vermißt Auf einer Arbeitstagung, die der In- sulinausschuß der Deutschen Diabe- tes-Gesellschaft am 26. September 1987 in Bad Soden veranstaltete (siehe Diabetologie-Informationen 9,4, 1987), wurde das Ergebnis einer Umfrage bei 80 Kliniken der Bun- desrepublik mitgeteilt, das jedoch keine bindenden Schlüsse bezüglich der Existenz einer „humaninsulin- spezifischen" Hypoglykämie zuließ (8). Im Gegensatz zur Beobachtung von Wedemeyer und v. Kriegstein wurde dabei auch über Patienten be- richtet, welche die Hypoglykämie- symptomatik unter Humaninsulin besser bemerkten als unter tie- rischen Insulinen.

Es ist beim Wechsel eines In- sulinpräparates ärztliche Aufgabe, in der Umstellungsphase die Stoff- wechselkontrollen zu intensivieren und den Patienten mit Nachdruck auf eine möglicherweise veränderte Reaktionsweise des Organismus auf

das neue Präparat hinzuweisen.

Dennoch besteht kein Anlaß, beim gegenwärtigen Kenntnisstand von einer generellen Gefährdung der Diabetiker durch unbemerkte Hy- poglykämien bei der Anwendung von Humaninsulin zu sprechen. Ins- besondere darf eine bisher keines- wegs begründete Furcht vor verän- derter Hypoglykämiesymptomatik unter Humaninsulin nicht dazu füh- ren, daß die heutigen Möglichkeiten einer nahezu normoglykämischen Einstellung nicht realisiert werden.

Besteht tatsächlich bei einem Pa- tienten eine „unawareness" gegen- über Hypoglykämien, so ist dies bei der Festlegung des therapeutischen Zieles, das heißt der anzustrebenden Blutzucker- beziehungsweise HbA i

-Werte zu berücksichtigen. Nach dem bisherigen Kenntnisstand han- delt es sich dabei aber um eine so ge- ringe Zahl von Patienten, daß eine generelle Warnung vor der Benut- zung von Humaninsulin unberech- tigt ist.

Für den Ausschuß der Deutschen Diabetes-Gesellschaft: Prof. Dr.

med. K. Federlin, Gießen, Prof. Dr.

med. D. Grüneklee/Paderborn; Prof.

Dr. med. L. Kerp/Freiburg; Prof. Dr.

med. H. Sauer/Bad Oeynhausen

Literatur

1. Landgraf-Leurs, M. M. C.; Brügehnann, I.; Kammerer, S.; Lorenz, R.; Landgraf, R.: Counter regulatory hormone release after human and porcine insulin in heal- thy subjects and patients with pituitary disorders. Klin. Wschr. 62 (1986) 659-668 2. Müller-Esch, G.; Ball, P.; Bekemeyer, U.; Heidbüchel, K.; Krahs, E.; Wood, W. G.; Scriba, P. C.: Keine Wirkungsun- terschiede zwischen biosynthetischem Humaninsulin (BHI) und Schweineinsu- lin (PI) im GCIIS-gesteuerten Insulinhy- poglykämietest (IHT) Wien. Med.

Wschr. 133 (Suppl. 76) 17

3. Mühlhauser, I.; Berger, M.; Sonnenberg, G. E.; Koch, J.; Jörgens, V.; Scherntha- ner, G.; Scholz, V.: Incidence and ma- nagement of severe hypoglycemia in 434 adults with insulin-dependent diabetes mellitus. Diabetes Care 8 (1985) 268-273 4. Berger, M.: Human insulin: Much ado about hypoglycemia (un)awareness. Dia- betologia 30 (1987) 829-833

4. a) Gardiner, R.; Hanna, A.; Hunt, J.; Ross, S.; Tan, M.: A multicenter open and Double-blind Study of Semi-synthetic Human insulin in IDDM patients pre-

Die bedauerlicherweise durch den „Spiegel" und auch in Massen- medien verbreitete Verunsicherung der Diabetiker bezüglich einer Be- handlung mit Humaninsulin ist in keiner Weise gerechtfertigt. Vor al- lem die dort erwähnten Schätzungen ( „rund 10 Prozent aller Umsteller nehmen die Hypoglykämie nicht mehr richtig wahr") sind in dieser Verallgemeinerung völlig unzutref- fend.

$ Unter dem Eindruck der in- zwischen weltweit praktizierten Um- stellungen auf Humaninsulin hält der Insulinausschuß den 1983 in den Diabetologie-Informationen publi- zierten Hinweis auf eine unter Um- ständen auftretende geringer ausge- prägte Warnsymptomatik einer Hy- poglykämie als spezifisches Human- insulinphänomen nicht mehr auf- recht, sondern sieht in ihm ein un- spezifisches Umstellungsphänomen, das seitens der Patienten und der Ärzte bei jeglichem Präparatewech- sel zu beachten ist.

viously maintained an Beet-pork insulin — the Canadian Experience. Diabetes 37, Suppl. 1 (1988) 138 a

5. Berger, W. G.; Althaus, B. U.: Reduced Awareness of Hypoglycemia After Changing From Porcine to Human Insulin in IDDM. Diabetes Care 10 (1987) 260-261

6. Teuscher, A.; Berger, W. G: Hypoglyce- mia unawareness in diabetics transfered from beef/porcine to human insulin. Lan- cet II (1987) 382-385

6. a) Whitehouse, F.: No waming with hypo- glycemia (H) in patients using human In- sulins (HI): A clinical note. Diabetes 37, Suppl. 1 (1988) 137 a

7. Amiel, S. A.; Tamborlane, W. V.; Si- monson, D. C.; Sherwine, R. S.: Defecti- ve glucose counter regulation after strict glycemic control of insulin dependent dia- betes mellitus. N. Engl. J. Med. 316 (1987) 1376-1383

8. Diabetologie-Informationen, Heft 4 (1987) 4-8

9. Diabetologie-Informationen, Heft 3 (1983) 12-16

Korrespondenzanschrift:

Prof. Dr. med. Konrad Federlin Leiter der Medizinischen

Klinik III und Poliklinik

Klinikum der

Justus-Liebig-Universität Gießen Rodthohl 6 - 6300 Gießen Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988 (63) A-2837

Referenzen

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