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Archiv "Kochsalzkonsum und arterielle Hypertonie" (17.04.1992)

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AKTUELLE MEDIZIN

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kochsalzkonsum

und arterielle Hypertonie

Friedrich C. Luft, Manfred Weber und Johannes Mann

E

in denkbarer Zusam-

menhang zwischen di- ätetischer Salzzufuhr und Blutdruck ist seit mehr als 5000 Jahren bekannt. In der ältesten erhaltenen medizinischen Schrift wird Nei Ching, der „Gelbe Kaiser", folgen- dermaßen zitiert: „Wenn zu viel Salz in der Nahrung ist, wird der Puls hart, die Gesichtsfarbe verändert sich, und es treten Tränen auf." Zur gleichen Zeit stellte Hiob fest: „Ißt man denn Fades ohne es zu salzen?

Meine Seele sträubt sich, es anzu- rühren." In Mythologie und Brauch- tum gibt es unzählige Sagen und Sprichwörter über das Salz, zum Bei- spiel die Verwandlung von Lots Weib zur Salzsäule oder die Erzäh- lung über die mystische Stadt Tagha- za in der Sahara, die aus Salzziegeln bestanden haben soll. Die Geschich- te des Salzes, seine Bedeutung als Konservierungsmittel und sein Stel- lenwert in der kardiovaskulären Re- gulation weist eine Vielzahl interes- santer Aspekte auf.

In dieser Übersichtsarbeit sollen die Daten, die einen Zusammenhang zwischen Kochsalzzufuhr und Blut- druck unterstützen oder widerle- gen, kritisch analysiert werden. Da- bei werden epidemiologische, patho- physilogische und therapeutische Aspekte diskutiert.

Epidemiologische Aspekte

Hinweise auf einen Zusammen- hang zwischen Zufuhr von Kochsalz

Frühere epidemiologische Beob- achtungen, daß der Blutdruck in der Bevölkerung mit dem Koch- salzgenuß korreliert, ließen sich in neueren Arbeiten nicht bestäti- gen. Dies beruht wohl darauf, daß nur bei einem Teil der Bevölke- rung der Blutdruck „salzsensitiv"

ist. Trotz dieser Daten ist es sinn- voll, bei Hypertonie eine Reduk- tion der Salzzufuhr zu verordnen.

Damit werden die Wirkungen der Antihypertensiva verstärkt und die Gefahr einer Hypokaliämie durch Diuretika vermindert. Eine bevöl- kerungsweite Reduktion des Salz- verbrauches hat wahrscheinlich einen wesentlich geringeren Ef- fekt auf das kardiovaskuläre Risi- ko als zum Beispiel der Verzicht auf Nikotin und eine Nonnalisie- rung des Körpergewichtes.

und Blutdruckverhalten stammen aus epidemiologischen Untersuchun- gen, Tierexperimenten, Studien über Mechanismen der Kreislaufregulati- on beim Tier, aus zellbiologischen Untersuchungen und aus diäteti- schen Interventionsstudien. Die Be- lege für die „Salz-Hypothese" der Hypertonie-Pathogenese sind zwar nicht beweisend, aber doch beein- druckend. So gibt es epidemiologi- sche Belege, daß die Einschränkung der diätetischen Salzzufuhr den Blutdruck senken beziehungsweise das Auftreten einer Hypertonie ver- hindern kann. Bei Naturvölkern mit sehr geringem Kochsalzkonsum gibt es praktisch keine Hypertonie, und auch der altersbedingte Blutdruck- Medizinische Klinik IV mit Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med.

R. Bernd Sterzel), Friedrich-Alexander- Universität Erlangen

anstieg ist weniger ausgeprägt. Die häufig zitierte epidemiologische Stu- die von Dahl (1) aus dem Jahre 1960 enthielt eine graphische Darstellung, in der anhand sehr weniger Daten ei- ne fast perfekte lineare Beziehung zwischen der Hypertonie-Prävalenz und der Salzzufuhr bei fünf unter- schiedlichen Populationen in ver- schiedenen Weltregionen aufgezeigt wurde. Allerdings waren die Mes- sungen der Salzzufuhr in den ver- schiedenen Regionen nicht ver- gleichbar, die Verfahren der Blut- druckmessung wurden nicht be- schrieben, und die Alters- und Ge- schlechtsverteilung war in jeder Po- pulation anders. Die Gruppe der Es- kimos umfaßte nur 20 Probanden, und die Angaben zur Salzzufuhr und zur Prävalenz der Hypertonie in Ja- pan waren sehr viel höher als in spä- ten Veröffentlichungen.

Eine vor kurzem abgeschlossene internationale epidemiologische Stu- die namens „Intersalt" trug entschei- dend zur Klärung der „Salzhypothe- se" bei (2). An dieser Studie nahmen 52 Zentren mit je 200 Probanden aus 32 Ländern teil. Bei 10 079 Proban- den wurden Blutdruckmessungen mit dem Zufalls-Null-Sphygmoma- nometer nach Hawksley durchge- führt und der Urin über exakte 24-h- Perioden gesammelt. Die Natrium- ausscheidung (UNaV) lag zwischen 0,2 und 242 mmol/Tag. In 48 Zen- tren, also bei der überwiegenden Mehrzahl der Probanden, betrug der Bereich lediglich 100 bis 242 mmol/

Tag. UNaV wies zwar im Einzelfall ei- ne positive Korrelation mit dem Blutdruck auf. Diese Beziehung be- stand aber nicht in allen Fällen.

Nach Ausschluß der Daten aus den Zentren mit den niedrigsten Zufuhr- werten war keine Korrelation zwi- schen Salzzufuhr und Blutdruck mehr feststellbar.

Innerhalb der Zentren wurde ei- ne Beziehung zwischen der Varia- A1 -1430 (42) Dt. Arztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992

(2)

RR (mmHg) 126 124 122 120 118 116 94 92 90 88 86 79 77 75 73 71

Männer Frauen RR (mmHg)

116 114 112

86 84 82

70 68 66 Alter 20's 30's 40's 50's 20's 30's 40's 50's

0-0 Diastolisch DD Mittlerer 0-0 Systolisch

Abbildung 1: Systolischer, diastolischer und mittlerer Blutdruck (X) in Abhängigkeit von Alter (10-Jahre-Altersgruppen) der Männer und Frauen der drei deutschsprachigen Inter- salt-Zentren

blen „Alter" (Blutdruckanstieg mit zunehmendem Alter!) und der Na- triumexkretion im Median gefunden.

Ein Zusammenhang zwischen UNaV und dem Medianwert des Blutdrucks oder der Hypertonie-Prävalenz, wie er von Dahl postuliert wurde, be- stand – nach Korrektur für den al- tersbedingten Druckanstieg – jedoch nicht. Der Einschluß der Kaliumaus- scheidung in die Analyse machte die Beziehungen nicht klarer. Körper- massenindex und Alkoholkonsum hatten starke, unabhängige Einflüsse auf die Hypertonieprävalenz. „Inter- salt" zeigte, daß die Beziehungen zwischen Blutdruck, Hypertonie- Prävalenz und diätetischer Salzzu- fuhr nicht so eindeutig sind, wie Dahl annahm.

Die Daten zeigen außerdem deutlich, daß eine erhöhte Kochsalz- zufuhr sicher nicht bei jedem Men- schen oder bevölkerungsweit zu ei- nem wesentlichen Anstieg des Blut- druckes führt.

Die deutschen Ergebnisse der In- tersalt-Studie sind bereits veröffent- licht worden (3). Sechshundert Pro- banden in drei deutschen Zentren (Bernried, Cottbus und Heidelberg) nahmen daran teil. Blutdruck und Körpermassenindex (Kg/m 2; BMI) nahmen mit zunehmendem Alter zu (siehe Abbildungen 1 und 2). Die Mit- telwerte der Natriumausscheidung (UNaV) lagen bei 144 mmol/Tag in Cottbus, 150 mmol/d in Bernried und 167 mmol/d in Heidelberg (Vertei- lung in Abbildung 3). Der Mittelwert der Zentren (etwa 150 mmol/Tag) entspricht etwa 4 g Natrium oder 8 g/

Tag Kochsalz. Dieser Wert liegt tiefer als in früheren Veröffentlichungen, da der Salzkonsum in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zurückgegan- gen ist. Auch die Kaliumausschei- dungswerte sind in Abbildung 3 ge- zeigt. Die Kaliumzufuhr wie auch die Natriumzufuhr entspricht in Deutschland dem Mittel der westli- chen Industrienationen.

Es fand sich zudem eine hohe Korrelation zwischen Natrium- und Chloridausscheidung (r = 0,95). In der Probandengruppe Cottbus war die Chloridausscheidung sogar höher (p < 0,05) als die Natriumausschei- dung. Dies ist insofern von Bedeu- tung, als seit 1929 bekannt ist, daß

nur Natrium als Natriumchlorid ei- nen signifikanten Einfluß auf den Blutdruck hat. An Probanden (mit normaler oder sogar mit einge- schränkter Nierenfunktion) konnte gezeigt werden, daß Natriumzitrat, Natriumbikarbonat und Natrium- phosphat nicht zu einer signifikanten Erhöhung des Blutdruckes führen (4). Dennoch scheint das Argument für deutsche Bürger von geringer Relevanz zu sein, da die Natriumzu- fuhr überwiegend (95 Prozent) aus Natriumchlorid besteht.

Pathophysiologische Aspekte

Durch tierexperimentelle Studi- en konnte die Beziehung zwischen Salzzufuhr und Blutdruck nur teil- weise geklärt werden (siehe 5). Die von Dahl gezüchteten salzempfindli- chen beziehungsweise salzresisten- ten Rattenstämme zeigen den Ein- fluß genetischer Prädisposition auf die Salzempfindlichkeit des Blut- drucks beim Tier. Die Ergebnis- Dt. Ärztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992 (45) A1-1433

(3)

2 Männer Frauen

20's 30's 40's 50's 20's 30's 40's 50's

Alter (Decaden)

BMI (kg 27 26 25 24 23 22 -

21- 20

Abbildung 2: Relatives Körpergewicht (X ± SD) in Abhängigkeit vom Alter (10-Jahre-Al- tersgruppen) der Männer und Frauen der drei deutschsprachigen Intersalt-Zentren

se mit Nierentransplantationen der Dahl-Ratten lassen darauf schlie- ßen, daß die Niere auf nicht bekann- te Weise für die blutdrucksteigern- de Wirkung von Kochsalz bei die- sem Modell verantwortlich ist. Die DOCA-Salz-Ratte wurde als weite- res salzempfindliches Modell entwik- kelt, bei dem durch Verabreichung von Mineralkortikoiden eine Hyper- tonie induziert wird. Bei diesem Mo- dell tragen offensichtlich Volumen und neurale Mechanismen zum Auf- treten des erhöhten Blutdrucks bei.

Andere Ratten-Modelle der Hy- pertonie weisen unterschiedliche Schweregrade der Salzempfindlich- keit auf. Der Okamoto-Stamm der spontan hypertensiven Ratte — ein Tiermodell mit genetischer (essenti- eller) Hypertonie — ist gegenüber den blutdrucksteigernden Wirkun- gen von Salz weitgehend resistent.

Im Gegensatz dazu wird bei anderen Modellen, zum Beispiel der 1-Clip-2- Nieren-renovaskulären Hypertonie (hypertensive Goldblatt-Ratte), und manchmal auch bei der ansonsten gesunden Sprague-Dawley-Ratte nach einer Steigerung der diäteti- schen Salzzufuhr sogar ein Abfall des Blutdrucks beobachtet.

Untersuchungen auf Zellebene lassen vermuten, daß Probleme des Natriumtransports an der Entste- hung der Hypertonie beteiligt sein könnten (siehe 6). Eine erhöhte in-

trazelluläre Natriumkonzentration könnte infolge des damit gesteiger- ten Natrium-Kalzium-Austausches eine erhöhte intrazelluläre Kalzium- konzentration initiieren. Dies könnte dann zu einer verstärkten Kontrakti- on der glatten Muskulatur von zum Beispiel arteriolären Widerstands- gefäßen führen. DeWardener und MacGregor, Blaustein und auch Haddy stellten ähnliche Konzepte der salzempfindlichen Hypertonie zur Diskussion (siehe 6). Nach An- sicht dieser Autoren begünstigt ein renaler Defekt bei der Natriumaus- scheidung die Freisetzung (wahr- scheinlich im Gehirn) eines Hem- mers der Natrium-Kalium-ATPase.

Ein derartiger Stoff würde über tu- buläre Angriffspunkte die Natriure- se erleichtern, aber auch den peri- pheren Gefäßwiderstand durch eine Zunahme des intrazellulären Kalzi-

umspiegels nach den oben beschrie- benen Mechanismen steigern. Die- ser Hemmer würde außerdem durch Steigerung der Freisetzung und Hemmung der neuronalen Wieder- aufnahme von Noradrenalin die Ak- tivität des sympathischen Nervensy- stems erhöhen.

Therapeutische Aspekte Interventionsstudien mit redu- zierter Salzzufuhr zur Behandlung

der Hypertonie wurden zahlreich und mit unterschiedlichen Ergebnis- sen beim Menschen durchgeführt.

Grobbee und Hofman (7) sichteten vor kurzem die Ergebnisse von 13 methodisch gut aufgebauten, pro- spektiven, randomisierten und kon- trollierten klinischen Prüfungen mit diätetischer Salzrestriktion bei Hy- pertonie-Patienten. Die Salzzufuhr der Interventionsgruppen lag in die- sen Studien meist im Bereich von 80 mmol Na/Tag (entsprechend 2 g Na oder 5 g NaC1). Nur bei drei von 13 Prüfungen wurde die Salzzufuhr stärker reduziert. Die erreichte Blut- drucksenkung war im Mittel mäßig- gradig; nur in drei Studien war ein si- gnifikanter Abfall des Blutdruckes (zirka 8 mmHg) nachzuweisen.

Grobbee und Hofman stellten außerdem einen Zusammenhang zwischen Blutdrucksenkung und der anfänglichen Blutdruckhöhe sowie eine Beziehung zwischen dem Le- bensalter und der Blutdruckvermin- derung fest. Bei älteren Menschen und bei ausgeprägter Hypertonie war unter diätetischer Salzrestrik- tion eher eine Blutdrucksenkung zu erwarten Ähnliche Zusammenhän- ge zwischen initialen Blutdruckwer- ten und Ansprechen auf die Inter- vention stammen auch von Morgan und Nowson (8), die die Beziehung zwischen Blutdruck und dem Loga- rithmus der Natriumexkretion bei mehr als 40 Prüfungen mit diäte- tischer Salzrestriktion zusammen- faßten. Auch hier wirkte die Koch- salzrestriktion um so stärker blut- drucksenkend, je höher der Blut- druck vor der Behandlung war.

MacGregor et al. (9) schlossen vor kurzem eine Studie ab, bei der 20 Hypertonie-Patienten mit höherem Lebensalter drei unterschiedliche Natriummengen (200, 100 und 50 mmol/Tag) über vier Wochen erhiel- ten. Bei der mittleren und der niedri- gen Natriumzufuhr war im Vergleich zur hohen Zufuhr der Blutdruck si- gnifikant vermindert (systolisch 10, diastolisch 7 mmHg). Bei der bisher größten plazebokontrollierten Prü- fung, der Australian National Health and Medical Research Council Stu- dy, erbrachte die Natriumrestriktion (< 80 mmol/Tag) eine nur mäßig- N gradige initiale Blutdrucksenkung. V A1-1434 (46) Dt. Ärztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992

(4)

0 40 80 120 Anzahl Personen

160 200

Häufigkeitsverteilung von UNaV (Gesamt)

UNaV (mmo1/24hr) 0 - 49

50 - 99 100 - 149 150 - 199 200 - 249 250 - 299 300 - 349 350 - 399

0 40 80 120

Anzahl Personen

160 200

Häufigkeitsverteilung von UKV (Gesamt)

UKV (mmo1/24hr) 0- 19 20 - 39 40 - 59 60 - 79 80 - 99 100 -119 120 - 139 160 - 179

3

Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der 24-h-Natriumausscheidung (oben) und 24-h-Kalium- ausscheidung (unten) in den drei deutschsprachigen Intersalt-Zentren (Abbildungen 1 bis 3 aus: Die Intersalt-Forschungsgruppe aus BRD und DDR: Blutdruck, relatives Körpergewicht, Alkoholkonsum und Elektrolytausscheidung in der BRD und der DDR: Die Intersalt-Studie.) Klin. Wochenschr. 68 (1990) 658-663

Am Ende der achtwöchigen Studie fand sich jedoch kein Unterschied mehr zwischen der Gruppe mit diä- tetischer Natriumrestriktion und der Gruppe unter derselben Diät plus ei- ner (doppelt-blinden, placebokon- trollierten) Natriumsubstitution von 80 mmol/Tag (10).

Möglicherweise spielt auch die Art der Blutdruckmessungen für die Auswertung und Aussage der ge- nannten Studien eine Rolle. Moore und Mitarb. (11) stellten fest, daß

Messungen des Ruheblutdruckes nach Kochsalzrestriktion einen grö- ßeren Abfall des Blutdruckes zeigten als 24-h-Blutdruckmessungen.

Die Studien mit diätetischer Kochsalzrestriktion erbrachten also eher uneinheitliche Ergebnisse bei Hypertonikern. Ein Grund dafür könnte sein, daß ein Teil der Hyper- toniker empfindlich auf den blut- drucksteigernden Effekt von Salz reagiert, während bei den übrigen Probanden andere Mechanismen der

Hypertonie vorliegen. Weinberger et al. (12) formulierten eine Definition der Salzempfindlichkeit auf der Grundlage der Blutdruckreaktion auf eine akute (i. v.) Salzbelastung und Salzverarmung einerseits und den Auswirkungen einer diäteti- schen Intervention andererseits.

Nach dieser Definition war ein Drit- tel gesunder Probanden salzemp- findlich. Bei den Hypertonikern wa- ren ungefähr 50 Prozent salzemp- findlich. Bei älteren Menschen und bei Schwarzen wurde die Salzemp- findlichkeit häufiger beobachtet.

Diese Autoren stellten einen Einfluß genetischer Veränderungen auf die Salzempfindlichkeit des Blutdruckes fest, und sie postulierten einen gene- tischen Marker für diese Verände- rung..

Ähnlich uneinheitliche Ergeb- nisse wurden auch bei gesunden Pro- banden gefunden. Vor kurzem be- richteten Rocchini et al. (13) über ei- ne wichtige Wechselwirkung zwi- schen der Salzempfindlichkeit und der Gewichtsreduktion als einer an- deren, nicht medikamentösen Inter- ventionsmaßnahme. In ihrem Kollek- tiv von 36 adipösen Jugendlichen führte eine verminderte Kalorienzu- fuhr und ein verstärktes körperliches Training zu einer Abschwächung der Salzempfindlichkeit des Blutdruckes.

Da die durch Salzrestriktion hervorgerufenen Blutdruckreaktio- nen offenbar das Bild einer Gauß- schen Verteilung bieten, könnte die Salzrestriktion bei einigen Hyperto- nie-Patienten einen Blutdruckan- stieg zur Folge haben. Dies ist zwar unwahrscheinlich, sollte aber einge- hender untersucht werden. Untersu- chungen in vier unabhängigen Studi- en, bei denen die Salzzufuhr über ei- nen kurzen Zeitraum stark reduziert wurde, lassen auch auf einen leicht- gradigen, aber signifikanten Anstieg der Plasma-Lipide schließen (14).

Die Relevanz dieser Befunde ist noch unklar. In Einzelfällen wurde über ungünstige Wirkungen einer Diät mit vermindertem Gehalt an Salz (und Protein) auf andere Elek- trolyte im Plasma wie auch auf den Insulinspiegel berichtet (siehe 14).

Zusätzlich ist es möglich, daß eine niedrige Salzzufuhr zu einer höhe- ren Blutviskosität führt, wie auch zu A1-1436 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992

(5)

einer erhöhten Aggregation der Thrombozyten. Schließlich ist der tägliche Natrium-(beziehungsweise Chlorid-)Bedarf von älteren Men- schen nicht eindeutig bekannt Die Fähigkeit der Rückresorption, wie auch die der Ausscheidung, ist si- cherlich nicht mit der eines 20jähri- gen zu vergleichen.

Die Deutsche Liga zur Bekämp- fung des hohen Blutdruckes schlägt einen Kochsalzkonsum von etwa 5 g/

Tag vor, 2 bis 3 g niedriger als der heutige Konsum. Bei salzsensitiven Patienten läßt sich damit der Blut- druck um 5 bis 10 mmHg senken.

Darüber hinaus verstärkt diese Maß- nahme die Wirkung fast aller Anti- hypertensiva und vermindert die not- wendige Dosis und die Hypokali- ämiegefahr durch Diuretika.

Der Vorschlag einer Kochsalzre- striktion ist nur ein Teil der insge- samt vorgeschlagenen nichtpharma- kologischen Maßnahmen zur Hyper- toniebehandlung. Diejenigen Patien- ten, die solche Maßnahmen ernst-

haft in Betracht ziehen, benötigen keine weiteren komplizierten Labor- untersuchungen oder zusätzliche Metaanalysen von schon publizierten Daten. Sie sollten (1.) in ihre eige- nen Taschen fassen. Wenn sich darin Zigaretten befinden, ist die obige Diskussion ohne Relevanz. Das Risi- ko durch Rauchen ist weit größer als das der Elektrolytzufuhr in der Er- nährung. Sie sollten (2.) wöchentlich die leeren Flaschen zählen, die alko- holische Getränke enthielten und daraus ihre eigenen Schlußfolgerun- gen ziehen. Sie sollten sich (3.) wie- gen und ihren Bauchumfang kritisch betrachten und letztlich sollten Sie sich (4.) fragen, wann Sie sich das letzte Mal regelmäßig belastet ha- ben. Fünf bis sechs Stunden schnel- ler Spaziergang pro Woche, „Jog- ging", Schwimmen oder Radfahren können einen signifikanten Abfall des Blutdruckes bewirken mit zu- sätzlichen wünschenswerten Effek- ten auf HDL, Cholesterinspiegel und Streß.

Die Durchführung von nicht- pharmakologischen Maßnahmen sollte genauso unter ärztlicher Auf- sicht stattfinden, wie eine medika- mentöse Behandlung des Hochdruk- kes. Zusätzlich trägt eine regelmäßi- ge diätetische Beratung sehr zur Therapie-„Compliance" bei.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1-1430-1437 [Heft 16]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfassen

Prof. Dr. med. Friedrich C. Luft Medizinische

Klinik IV mit Poliklinik, Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12

W-8520 Erlangen

Fei SIE REFERIERT

Langzeit-Nachsorge nach Teil-Entnahme einer Solitärniere

Die Entnahme von mehr als ei- ner Niere führt bei Tieren zu Prote- inurie und progressivem Nierenver- sagen aufgrund fokaler Glomerulo- sklerose. Diese Schädigung ist ver- mutlich das Ergebnis einer chroni- schen glomerulären Hyperfiltration.

Ziel einer Untersuchung war die Feststellung, welche Auswirkungen eine Verringerung der Nierenmasse um mehr als 50 Prozent auf die ver- bleibende Nierenfunktion und die Nierenmorphologie beim Menschen hat.

Bei 14 Patienten mit einer Soli- tärniere wurde langfristig die Nie- renfunktion nach partieller Neph- rektomie aufgrund eines Nierenzel- lenkarzinoms oder eines Transitio-

nal-Zell-Karzinoms ausgewertet. Bei zwölf Patienten war die erste Niere zwei Monate bis 21 Jahre vorher we- gen des gleichen Karzinoms entfernt worden; bei zwei Patienten war die zweite Niere von Geburt an atro- phisch. Vor der Operation konnten bei keinem Patienten klinische oder histopathologische Anzeichen einer primären Nierenerkrankung nachge- wiesen werden. Alle 14 Patienten unterzogen sich einer partiellen Nephrektomie zur Entfernung eines lokalisierten Tumors, wobei 25 bis 75 Prozent der nur einseitig vorhande- nen Niere entfernt wurden. Sie wur- den fünf bis 17 Jahre (im Mittel 7,7) nach der Operation nachuntersucht.

Bei zwölf Patienten war die Nie- renfunktion postoperativ stabil; bei zwei Patienten entwickelte sich ein terminales Nierenversagen. Wäh- rend des gesamten Nachuntersu- chungszeitraumes gab es bei keinem Patienten Veränderungen des Blut- drucks. Neun Patienten hatten eine Proteinurie, die in vier Fällen leicht verlief (0,15 bis 0,8 g Urinprotein/

Tag) und bei fünf Patienten einen mittleren bis schweren Verlauf nahm

(0,9 bis 6,7 g/Tag). Das Ausmaß der Proteinurie stand in einer umgekehr- ten Korrelation zum verbleibenden Nierengewebe und in direkter Kor- relation zu der Dauer der Nachsor- geuntersuchungen. Bei vier Patien- ten mit mittlerer bis schwerer Prote- inurie wurde eine Biopsie der Nieren vorgenommen. Diese zeigte bei drei Patienten eine fokal-segmentale Glomerusklerose und bei einem Pa- tienten eine globale Glomeruskle- rose.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß bei den meisten Patien- ten mit einem um mehr als 50 Pro- zent reduzierten Nierengewebe die Nierenfunktion langfristig stabil bleibt. Diese Patienten sind jedoch einem erhöhten Risiko für Proteinu- nie, Glomerulopathie und progressi- ves Nierenversagen ausgesetzt. jhn

Novick, A. et al.: Long-Term Follow-up After Partial Removal of a Solitary Kidney.

N. Engl. Journ. Med. 325 (1991) 1058-1072.

Dr. Novick, Department of Urology, Cleve- land Clinic Foundation, 1 Clinic Center Drive, Cleveland, OH 44195, USA.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 16, 17. April 1992 (51) A1-1437

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