Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
„Blasentraining" bei Querschnittslähmung
Konsequentes Training der reflek- torischen Kontraktion des Detrusor vesicae stellt nach traumatischer Querschnittslähmung eine kontrol- lierte Blasenentleerung (zum Bei- spiel bei Beklopfen der Bauchhaut) bei ausreichender Kontinenz wie- der her (Dr. Britten, Urologische Abteilung, Städtisches Kranken- haus, Solingen): Vor jeder intermit- tierenden Katheterisierung (die heute statt Dauerkatheter üblich ist) wird der vesikale Spinalreflex durch Klopfen der suprapubischen Bauchhaut geübt. Eine optimal trai- nierte Blase reagiert auf Klopfen erst von einer bestimmten Füllung an. Wenn sich beim Querschnittsge- lähmten die Blase dennoch nicht entleert, weil der Tonus des Sphincter externus spastisch er- höht ist, wird eventuell Sphinktero- tomie notwendig oder Einüben des Credäschen Handgriffs. Bei den meisten traumatischen Blasenläh- mungen kann so die kontrollierte Miktion konditioniert werden.
(Internationales Symposium „Elektrostimu- lation der Blase", März 1976, Frankfurt am Main)
Intensivpflege für Neugeborene
Nicht alle Neugeborenen brauchen Intensivpflege, sondern nur die durch Risikoschwangerschaft be- ziehungsweise perinatale Störun- gen besonders gefährdeten. Diese Intensivtherapie muß nach pädiatri- schen Gesichtspunkten mit dem gleichen personellen und apparati- ven Aufwand erfolgen wie bei- spielsweise bei schwerstverletzten Erwachsenen (Professor Dr. H.
Ewerbeck, Kinderkrankenhaus der Stadt Köln, Amsterdamer Straße), Konzentration dieser Intensivpfle- gebereiche in großen Kinderkran- kenhäusern ist deshalb unerläßlich.
Enge Kooperation zwischen Ge- burtshelfer und Pädiater sowie op- timale Transportbedingungen sind lösbare organisatorische Aufga-
ben, wie Ewerbeck in Köln schon seit zwei Jahren demonstriert. Die dadurch erzielten guten Resultate (geringere Neugeborenenmortali- tät, viel weniger Hirnschäden, schlagen allerdings erst dann ge- sundheitspolitisch zu Buche, wenn man sich überall zu dieser Ko- operation bequemt.
(Fortbildungstagung über Prävention und Therapie kindlicher Schädigungen, März 1976, Hamburg)
Pathologische Befunde jenseits der Achtzig
Über schwerwiegende pathologi- sche Veränderungen bei Menschen im höchsten Lebensalter ist noch nicht viel bekannt. Wenn man die Sektionsprotokolle derjenigen Ver- storbenen durchsieht, die zwischen achtzigstem und hundertzweitem Lebensjahr eines natürlichen To- des gestorben sind, kann man zwei neue und eine bekannte Feststel- lung treffen (Prof. Dr. med. H. Nol- tenius, Pathologisches Institut des Allgemeinen Krankenhauses St.
Georg in Hamburg):
o Ausgedehnte Koronarsklerosen findet man zwar bei jedem zweiten Verstorbenen in diesen Altersgrup- pen, aber die Zeichen von akuten Herzinfarkten nur bei durchschnitt- lich 4 bis 9 Prozent dieser Männer und Frauen. Jenseits des 96. Le- bensjahres scheint es überhaupt nicht mehr zu Infarkten zu kom- men. Koronarsklerose und Infarkte korrelieren also nicht.
(9 Fast jeder zweite der zwischen 80. und 102. Lebensjahr Verstorbe- nen hatte ein Karzinom im Magen- Darmkanal (präzise: 40 Prozent).
Mammakarzinome bei Frauen fan- den sich bei 11 Prozent, Prostata- krebs bei Männern etwa in 25 Pro- zent.
In mehr als 50 Prozent aller Fäl- le werden drei oder vier schwer- wiegende pathologische Verände- rungen bei den Verstorbenen in diesem hohen Alter gefunden.
(82. Tagung der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin, April 1976, Wiesbaden)
Transplantierte Immunität
Torpide Wundflächen, die nach ei- ner oder wiederholter Operation von lokalen Karzinomrezidiven zu-
rückbleiben, können mit einem Au- totransplantat vom Omentum ge- deckt und auf diese Weise schnell geschlossen werden (Professor Dr.
med. 0. Westphal, Max-Planck-In- stitut für Immunbiologie, Freiburg).
Mit dem Netztransplantat werden die in diesem Organ besonders massenhaft vorhandenen Immun- zellen auf die torpide Stelle über- tragen (Mastzellen, aktivierte Ma- krophagen, B- bzw. T-Lymphozy- ten). Damit werden nicht nur Hei- lungsvorgänge ausgelöst, sondern auch Krebsrezidive hintangehalten:
Ein guter Beweis für die Bedeutung der unspezifischen Immunstimulie- rung.
(Parlamentarisches Gespräch der Max- Planck-Gesellschaft, März 1976, Bonn)
Psychische Störungen bei Wöchnerinnen
Echte Wochenbettpsychosen sind seltene Vorkommnisse. Jedenfalls gehören die durchschnittlichen psychischen Störungen im Wo- chenbett nicht in diese Gruppe. Sie sind viel eher als „eine Art kurzes, passageres ,postpartales` Klimak- terium" zu werten (Professor Dr.
J.
Zander, I. Universitäts-Frauenklinik München); denn der Abfall der Hor- monkonzentrationen, die zur Schwangerschaft gehören, ist in den ersten postpartalen Tagen ganz gewaltig. Wahrscheinlich ge- hen auch die zwei bis vier postpar- talen „Heultage" zu Lasten des stei- len Östrogenabfalls beziehungs- weise der Kortisonmetaboliten (Professor Dr. D. von Zerssen,
MPI
für Psychiatrie München). Das ist aber keinesfalls eine Indikation für Hormontherapie. Man muß nur auf- passen, daß sich kein depressives Reaktionsbild (Suizidgefahr!) ent- wickelt. WP(6. Fortbildungskurs „Gynäkologie und Ge- burtshilfe", März 1976, München)
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