DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Harnblasentumoren
tion. Bei den seltenen, gut diffe- renzierten Tumoren kann der Ver- such einer transurethralen Tu- morresektion alternativ diskutiert werden. Der Wert einer postope- rativen Strahlentherapie bezie- hungsweise prä- oder postopera- tiven systemischen Chemothera- pie ist bislang nicht gesichert.
3.3 Extravesikal wachsende Tu- moren, Lymphknoten oder Fern- metastasen (T3b-4, N3-4, M1) Basistherapie ist die palliative transurethrale Tumorresektion, die palliative einfache Zystekto- mie oder die lokale Hochvoltstrah- lentherapie. Alle Maßnahmen wer- den bei konservativ nicht zu be- herrschender Symptomatik einge- setzt. Gute Ergebnisse bei der Be- handlung lokal inoperablen Tu- morwachstums und symptoma- tischer Metastasen wurden durch eine systemische Chemotherapie (Cisplatin [z. B. Cismaplat®, Pla- tiblastin®], Methotrexat) in Kombi- nation mit einer lokalen Hochvolt- strahlentherapie erzielt. Daneben stehen die Halbkörperbestrah- lung und die hyperfraktionierte Strahlenbehandlung zur Verfü- gung.
4 Festlegung der pTNMG-Formel
und Nachuntersuchungen Die Festlegung der pTNMG-For- mel erfolgt unter Berücksichti- gung aller klinischen, intraopera- tiven, postoperativen und histo- pathologischen Befunde nach Durchführung beziehungsweise Einleitung der definitiven Thera- pie.
4.1 Nachsorgeprogramm
Es umfaßt bei Patienten mit su- perfizialen und durch Resektion
behandelten Harnblasentumoren (Ta, T1) folgende Untersuchungen zu den angegebenen Terminen (Tabelle 1):
In Abhängigkeit von der Behand- lung werden bei Patienten mit in- filtrierenden Tumoren (T2-T4) fol- gende zusätzliche Untersuchun- gen durchgeführt (Tabelle 2):
Diese Untersuchungen erschei- nen angezeigt, da bei superfizia- len Tumoren mehr als 70 Prozent mit intravesikalen Rezidiven zu rechnen ist, in etwa 5 Prozent mit Rezidiven in den oberen ableiten- den Harnwegen. Bei muskelinva- siven Tumoren muß mit einer Me- tastasierung in Leber, Lunge oder Skelett in etwa 20 Prozent gerech- net werden.
5 Prognose
Die Fünfjahresüberlebenszeit be- trägt nach Durchführung der an- gegebenen therapeutischen Mög- lichkeiten für:
• superfiziale Tumoren (Ta-1, NX, MO) 60-90 Prozent,
• muskelinvasive Tumoren (T2-3a, NX, MO) 40-60 Prozent,
• extravesikal wachsende Tumoren
(T3b-4, N1-4, M1) < 20 Prozent.
Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Wolfgang Lutzeyer Abteilung Urologie der RWTH Aachen Pauwelsstraße 5100 Aachen
Prostata-Karzinom
Herbert Klosterhalfen, Georg Dhom
und Herbert Franke
Aus der Urologischen Universitätsklinik und -Poliklinik
und dem Strahleninstitut der Radiologischen Universitätsklinik
der Universität Hamburg sowie dem Institut
für Pathologie der Universität des Saarlandes
1 Diagnostik
1.1 Anamnese und allgemeine körperliche Untersuchung
1.2 Rektale Palpation der Pro- stata
1.3 Biopsieverfahren
• Stanzbiopsie (Histologie) oder
• Aspirationsbiopsie (Zytologie) 1.4 Sonographie oder CT 1.5 Laboruntersuchungen
• Routine-Diagnostik
• Saure und alkalische Phospha- tase
• Radioimmunassay für Prostata- phosphatase
1.6 Röntgen-Untersuchungen
• i. v. Urographie mit Leerauf- nahme
• Lendenwirbelsäule (2 Ebenen)
• gegebenenfalls Tomographie 1.7 Skelettszintigraphie
556 (68) Heft 9 vom 26. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A
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Prostata-Karzinom
2 Pathologisch-anatomische Untersuchungen
2.1 Prätherapeutisch:
a) Histologische Sicherung der Malignititätsdiagnose durch Stanzbiopsie aus beiden Lappen oder zytologische Untersuchung nach Feinnadelbiopsie (Beachte:
ausreichendes Zeltmaterial).
b) Aufarbeitung der bei trans- urethraler Resektion gewonnenen Gewebespäne oder des Opera- tionsmaterials nach Enukleation wegen benigner nodulärer Hyper- plasie: Zufallsbefund Prostatakar- zinom, sogenanntes inzidentelles
Karzinom. Feststellung der Aus- dehnung und des Malignitätsgra- des des Karzinoms.
c) Staging-Lymphadenektomie:
Aufarbeitung der Lymphknoten zur Metastasensuche.
2.2 Postoperativ:
Nach radikaler Prostatektomie vollständige Erfassung der loka- len Tumorausdehnung (pT) und des Malignitätsgrades.
2.2.1 Histopathologische oder zy- topathologische Verlaufskontrolle des Therapieerfolges nach exter- ner Hochvoltbestrahlung und/
oder Hormontherapie: Möglich- keit der Graduierung der morpho- logisch faßbaren Regression.
3 Therapeutische Empfehlungen Stadium 0
= Inzidentelles Karzinom
= Tumor nicht palpabel
a) Einheitlich hochdifferenziertes Karzinom: Bei Patienten unter 70 Jahren im Regelfall keine Thera-
pie, aber Aufklärung über Befund und günstige Prognose. Kontrolle in halbjährlichen Abständen.
Wenn trotz dieser Hinweise eine
Behandlung gewünscht wird, Empfehlung zur Radiotherapie.
Für Patienten, die älter als 70 Jah- re sind, keine Therapie, nur Kon- trolle in halbjährlichen Abstän- den.
b) Alle anderen Differenzierungs- muster: Für Patienten unter 70 Jahren radikale Prostatektomie, sofern keine Kontraindikation be- steht. Patienten über 70 Jahre werden wie Stadium C behandelt.
Stadium A
= TO bis T 1 NO MO
= kleiner Knoten
Empfehlung: Radikale Prostatek- tomie. Bei Ablehnung oder Kon- traindikation: Radiotherapie.
Stadium B
= T2 NO MO
= Tumor ohne Überschreitung der Organgrenze
Empfehlung: Radikale Prostatek- tomie. Bei Ablehnung oder Kon- traindikation: Radiotherapie. Pa- tienten über 70 Jahre werden wie Stadium C behandelt.
Stadium C
= T 3 NO MO
= Tumor mit Überschreitung der Organgrenze
a) Einheitlich hochdifferenzierte Karzinome: Orchiektomie plus Radiotherapie.
b) Alle anderen Differenzierungs- muster: Orchiektomie plus Ra- diotherapie plus Cyproteronace- tat (Androcur®).
Stadium D
= T 4 N + und/oder M+
= Metastasen
Empfehlung: Orchiektomie plus Cyproteronacetat (Androcur®).
Metastasierte Karzinome haben so gut wie immer ein niedrig diffe-
renziertes Gewebsmuster. Des- halb reicht die alleinige Orchiek- tomie nicht aus.
Bei Therapieresistenz mit zuneh- menden, meist ossär bedingten Metastasenschmerzen ist die Ver- abreichung von Estramustinphos- phat (Estracyt®) zu empfehlen.
Versagt auch diese Therapie, dann ist der Einsatz zytostatischer Substanzen (Endoxan® und 5- Fluorouracil [Fluorouracil „Ro- che"]) zu empfehlen. Man er- reicht damit eine Reduktion der Metastasenschmerzen um etwa 50 Prozent. Der Therapieeffekt ist jedoch meist vorübergehend und nur selten mit einer objektiven Tu- morremission verbunden. Bei the- rapieresistenten Knochen- und Weichteilmetastasen ist die per- kutane oder systematische Strah- lentherapie indiziert.
In ausgewählten Fällen mit jahre- langem Ansprechen auf den Ent- zug der körpereigenen Androge- ne ist die Indikation zu einer mi- krochirurgischen Hypophysekto- mie zu diskutieren.
Behandlungsmethoden, die sich in der klinischen Erprobungspha- se befinden, sind noch nicht in die therapeutischen Empfehlungen aufgenommen worden. Dazu ge- hören: Die wiederholte Kryothera- pie des Primärtumors, die Verab- reichung von Antiprolaktinen, von LH-RH-Substanzen (Carcinil, Su- prefact), von Flutamid (Fugerel), die interstitielle Strahlentherapie (Stadium A und B) und die Strah- lentherapie mit schnellen Neutro- nen (Stadium C).
Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Herbert Klosterhalfen
Urologische Universitätsklinik und -Poliklinik
Martinistraße 52 2000 Hamburg 20
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 9 vom 26. Februar 1986 (69) 557