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Archiv "Metastasierendes Mammakarzinom: Chimären-Antikörper ermöglicht Remissionen" (21.12.1998)

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ie Hoffnung, Krebs durch Impfungen zu behandeln, ist fast so alt wie die Idee der Vakzinierung selbst. Nach zahlreichen Fehlschlägen zeichnen sich nun erste klinische Erfolge für die Idee ab. En- de September hat die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA den Anti- körper „Trastuzumab“ (Herceptin®, Genentech, San Fancisco, USA) zur Therapie von Frauen mit metastasie- rendem Mammakarzinom nach er- folgloser Chemotherapie zugelassen.

Diese neue Therapieoption hat sich – vor allem für Frauen mit sehr schlechter Prognose – nach Berichten in der Laienpresse auch unter deut- schen Patientinnen herumgespro- chen. Obwohl der Antikörper hierzu- lande noch nicht zugelassen ist und nur über Auslandsapotheken aus den USA importiert werden kann, erhal- ten die zahlreichen an der Erprobung beteiligten Kliniken – wie die Frau- enklinik des Klinikums Benjamin Franklin in Berlin – fast täglich Nach- fragen von Ärzten und Patientinnen.

Tatsächlich zeigen die bisherigen Studien, daß die Therapie mit dem Antikörper sinnvoll sein kann, wenn sie an strenge Bedingungen geknüpft wird. Der Antikörper bindet an den HER2-Rezeptor. Dieses 1981 ent- deckte Protein ist in der Regel vor al- lem auf der Oberfläche embryonaler Zellen vorhanden. Der Rezeptor überträgt die Signale epidermaler Wachstumsfaktoren in das Innere der Zelle und regt sie so zur Teilung und Vermehrung an.

Dieselbe Funktion hat der Re- zeptor auch auf Tumorzellen: Ein Teil der Mamma-, Ovarial-, Endometri-

um- und nichtkleinzelligen Lungen- karzinome besitzt diesen Rezeptor.

Bei einigen Karzinomen ist zudem die Zahl der Kopien des Rezeptor-Gens vervielfältigt, so daß die Zahl der Re- zeptoren auf der Zelloberfläche ver-

dreifacht sein kann. Etwa jedes vierte (25 bis 30 Prozent) Mammakarzinom weist eine solche HER2-Überexpres- sion auf. Der Befund kennzeichnet besonders aggressiv wachsende Tu- moren und bedeutet eine schlechte Prognose.

Doch seine Anwesenheit auf den Tumorzellen machte den HER2-Re- zeptor zu einem attraktiven Ziel für

eine Immuntherapie: Ein spezifischer Antikörper gegen HER2 könnte ge- zielt die Aufmerksamkeit des Immun- systems auf die Tumorzellen lenken.

Tatsächlich zeigen die Erprobungen von Trastuzumab, daß diese Idee auf- zugehen scheint.

Die US-Zulassung des Antikör- pers basiert im wesentlichen auf zwei internationalen Studien an fast 700 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom, die den Antikör- per allein und in Kombination mit ei- ner Chemotherapie erhalten haben.

Alle Tumoren zeigten eine HER2- Überexpression. Zunächst wurde die Wirksamkeit an 222 austherapierten Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom erprobt, allerdings ohne Einbeziehung einer Kontroll- gruppe. Die Gesamtremissionsrate lag bei 16 Prozent, vier Prozent der Patientinnen erreichten eine komplette Remission. Die durch- schnittliche Remissionsdauer betrug 9,1 Monate.

Eine zweite doppelblind-rando- misierte Studie an 469 Patientinnen lieferte dann kontrollierte Ergebnis- se. Die eine Hälfte der Patientinnen erhielt eine übliche palliative Chemo- therapie, die andere zusätzlich zur Chemotherapie auch den Antikörper.

Die Patientinnen wurden mit einer Kombination aus den Anthrazyklinen Epirubicin/Doxorubicin und Cyclo- phosphamid behandelt, wenn sie vor- her noch keine anthrazyklinhaltige Chemotherapie erhalten hatten, an- dernfalls mit Paclitaxel. Insgesamt war die Kombination Chemotherapie und Antikörper durchgehend wirksa- mer als die alleinige Chemotherapie (siehe Tabelle).

Die Ansprechrate lag in der Gruppe, die mit Anthrazyklinen plus Antikörper behandelt worden war, mit etwa 50 Prozent am höchsten.

Berücksichtigt man aber auch die Dauer der Remission und die Rate der gravierenden Nebenwirkungen, so zeigte die Kombination Paclitaxel plus Antikörper die beste Therapiebi- lanz: Die Ansprechrate lag bei 42 Pro- zent und die mediane Zeit bis zur er- neuten Progression bei fast sieben Monaten, im Vergleich zu etwa drei Monaten nur unter Chemotherapie.

Dem entspricht eine Steigerung der Ansprechrate um 163 Prozent für die A-3275

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 51–52, 21. Dezember 1998 (31)

Metastasierendes Mammakarzinom

Chimären-Antikörper

ermöglicht Remissionen

Ein Drittel der Brustkrebsfälle zeichnet sich durch eine Überexpression des HER2-Rezeptorproteins aus, was mit einer schlechten Prognose einhergeht.

Hier setzen Chimären-Antikörper wie Trastuzumab an.

D

Immunhistochemischer Nachweis (rot) der Überex- pression von HER2 bei duktalem Mammakarzinom (APAAP-Methode, 200fache Vergrößerung)Foto: Schaller

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Kombination Paclitaxel und Antikör- per gegenüber der alleinigen Gabe von Paclitaxel. Bei der Ansprechdau- er zeigte sich eine Steigerung um 150 Prozent. Der Nutzen der Antikörper- therapie ist jedoch gegen die mögli- chen Risiken abzuwägen.

Während die Infusionen selbst vergleichsweise arm an Nebenwir- kungen sind – die erste Infusion löst gelegentlich Schüttelfrost und Fieber aus –, kann die mehrwöchige Antikör- pertherapie bei einigen Patientinnen kardiale Schäden bis hin zu bedrohli- chen Arrhythmien und Herzinsuffizi- enz hervorrufen. Der Grund liegt of- fenbar darin, daß der HER2-Rezep- tor bei bestimmten Herzerkrankun- gen auch von Herzmuskelzellen her- gestellt wird, die dann ebenfalls zu den Angriffszielen des Antikörpers gehören.

Nach den Studien erhöhen vor- bestehende Herzerkrankungen und ein Alter über 60 Jahre das Risiko der Kardiotoxizität. Auch eine Vorbe- handlung mit Anthrazyklinen erhöht die Anfälligkeit des Herzens für eine Schädigung durch den Antikörper. Ei- ne Patientin war nach der Antikör- pertherapie an einer nicht zu beherr- schenden Kammerarrhythmie ver- storben.

Grundsätzlich gilt die Vorbe- handlung mit Anthrazyklinen nicht als Kontraindikation, die Therapie sollte dann jedoch nur nach einer gründlichen kardiologischen Diagno- stik indiziert werden. Gewarnt wer- den muß vor der Kombination des Antikörpers mit Anthrazyklinen: Bei mehr als einem Viertel (27 Prozent) der so behandelten Patientinnen tra-

ten unter dieser Kombinationsthera- pie Herzfunktionsstörungen auf. In der Kombination mit Paclitaxel waren dagegen nur elf Prozent der Patientin- nen betroffen.

Anwendung auf richtige Indikation beschränken

Trotz der genannten Einschrän- kungen für die Antikörpertherapie offenbart dieser Chimärenantikörper, welches Potential in der Immunthera- pie von Tumoren steckt; mit großer Spannung darf erwartet werden, was die Gabe des Antikörpers in der adju- vanten Situation bei der Behandlung des Mammakarzinoms und bei ande- ren HER2-positiven Tumoren wie dem Ovarialkarzinom in Zukunft er- gibt. Auch wenn bei manchen Patien- tinnen die Remissionen wirklich be- eindruckend waren, muß man beto- nen, daß die Therapie mit dem Anti- körper bislang keine Heilung, wohl aber einen Zeitgewinn verspricht.

Welchen Wert solche neuen The- rapien haben, wird aber entscheidend davon abhängen, ob es gelingen wird, die Anwendung auf die richtigen Indi- kationen zu beschränken: Bei nur ge- ringer HER2-Expression bringt zum Beispiel Trastuzumab keinen Nutzen, droht aber ernsthaft zu schaden. Wird es hingegen den richtigen Frauen ge- geben, kann es nach den bisherigen Daten den Tumor zumindest eine Zeit- lang zurückdrängen und das Überle- ben verlängern, ohne die Lebensqua- lität wesentlich zu beeinträchtigen.

Entscheidendes Therapiekriteri- um ist also die Stärke der Überexpres-

sion des HER2-Rezeptors: In der Stu- die fielen die Remissionen um so ein- drücklicher aus, je höher die HER2- Expression vor Therapiebeginn war.

Die Analysen zeigten umgekehrt aber auch, daß der Antikörper praktisch wirkungslos war, wenn ein Tumor kei- ne deutlich erhöhte HER2-Expressi- on aufwies.

Offenbar können nur solche Pati- entinnen profitieren, bei deren Tumo- ren immunhistologisch und/oder mo- lekulargenetisch (durch Fluoreszenz- in-situ-Hybridisierung, FISH) eine Überexpression nachgewiesen ist.

Auch die monatlichen Therapieko- sten von über 5 000 DM alleine für den Antikörper machen eine exakte Diagnostik zur Grundbedingung für die Therapie. Außer Trastuzumab sind weitere chimäre Antikörper in der experimentellen und klinischen Erprobung.

Klaus Koch Prof. Dr. med. Gerhard Schaller

Wetterumschwung erhöht Infarktrisiko

Für Patienten mit koronarer Herzkrankheit lohnt es sich, regel- mäßig den Wetterbericht zu verfol- gen. Denn ein plötzlicher Temperatur- abfall um 10 Grad Celsius erhöht das Risiko für den ersten Myokardinfarkt um 13 Prozent und für einen Rein- farkt um 38 Prozent. Ähnlich wirken sich Luftdruckschwankungen aus. Ein Anstieg oder Abfall um zehn mbar über oder unter den Normalwert auf Meeresspiegelhöhe (1 016 mbar) ist assoziiert mit einer elf- beziehungs- weise zwölfprozentigen Zunahme von Erstinfarkten und 30prozentigen Zunahme von Reinfarkten.

Diese Wettereinflüsse wurden in der französischen Stadt Lille im Rah- men des MONICA-Projekts (Moni- toring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease) der WHO registriert und in Relation zur Ereig- nisrate gesetzt. Die zugrundeliegende Dokumentation umfaßt die medizini- schen Daten von 250 000 Männern aus den Jahren 1985 bis 1995. 3 314 Myokardinfarkte waren in dieser Zeit bei 2 524 Personen aufgetreten, davon 1 281 mit letalem Ausgang. bl-ki A-3276

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(32) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 51–52, 21. Dezember 1998 Tabelle

Therapieergebnisse mit Herceptin

Chemotherapie Chemotherapie plus Herceptin alleine

235 Patientinnen 234 Patientinnen Zeit bis zur Progression* 7,2 Monate 4,5 Monate

Remissionsrate 45 Prozent 29 Prozent

Dauer der Remission* 8,3 Monate 5,8 Monate

Überlebende nach einem Jahr 79 Prozent 68 Prozent

* median; Quelle: US-Fachinformation

Referenzen

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