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Archiv "Das politische Pokerspiel um die Beitragsmilliarden geht weiter" (03.02.1977)

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Karikatur aus der Sonderbeilage von „medizin heute", Heft 2/77:

„Bonner Rententrick.

Wir sollen

die Zeche zahlen.

Patient und Arzt müssen sich wehren."

Zeichnung: Otto Schwalge

Redaktion:

Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41 (Lindenthai) Telefon: (02 21) 40 04-1

Fernschreiber: 8 882 308 daeb d Verlag und Anzeigenabteilung:

Dieselstraße 2, Postfach 40 04 40 5000 Köln 40 (Lövenich) Telefon: (0 22 34) 70 11-1 Fernschreiber: 8 89 168 daev d

DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Das politische

Pokerspiel um die Beitragsmilliarden geht weiter

Folgenschwere Belastung der Krankenversicherung

Das politische Pokerspiel um die Sanierung der Rentenversicherung geht weiter: Welche Gruppen der Gesellschaft das 80-Milliarden- DM-Defizit der nächsten Jahre bezahlen müssen, soll zum 1. Juli 1977 feststehen. Für diesen Tag kündigte Bundesarbeitsminister Dr.

Herbert Ehrenberg das Inkrafttreten des Gesetzeswerkes an, das — seinem Terminplan zufolge — bereits am 16. Februar im Bundeskabi- nett verabschiedet und danach dem Bundesrat zugeleitet werden soll. Eine Stellungnahme der Opposition zu Einzelfragen der geplan- ten Eingriffe in die Renten- und in die Krankenversicherung wird voraussichtlich, so kündigte Ministerpräsident Dr. Gerhard Stolten- berg an, erst in der Plenarsitzung des Bundesrates am 4. März bei der Beratung der Regierungsvorlage abgegeben werden.

Insofern hatte die Fortsetzung der Aussprache des Deutschen Bun- destages am 20. Januar über den sozial- und gesundheitspolitischen Teil der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976, also in erster Linie über die Sanierung der Rentenversicherung und die dabei vorgesehene Belastung der Krankenversicherung, weithin nur den Charakter eines „Zwischenbescheides". In der Tat wurden auch bereits wenige Tage nach der Bundestagsdebatte neue Absichten in der Rentenversicherung bekannt, die bis dahin von der Koalition nicht genannt worden waren und daher auch nicht in die Parla- mentsdiskussion einbezogen werden konnten. So wird auch in Sa- chen Krankenversicherung das allerletzte Wort noch längst nicht gesprochen sein.

Bis jetzt gilt allerdings das Wort des neuen Bundesarbeitsministers, der im Rahmen der Bundestagssitzung des 20. Januar unter ande- rem große Teile des Krankenversicherungsprogramms der Koalition umriß und erläuterte, wie es bereits der Parlamentarische Staatsse- kretär seines Ministeriums, Buschfort, am 17. Dezember 1976 in einem Schreiben an die SPD-Bundestagsfraktion vorgetragen hatte (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 1/1977, Seite 2 f.).

Heft 5 vom 3. Februar 1977 273

(2)

Folgenschwere Belastung der Krankenversicherung

Geplant: Tiefgreifende Strukturveränderungen

Auf 32 Milliarden DM bis zum Jahre 1980 bezifferte Dr. Ehrenberg jetzt die Einsparungen in der Rentenver- sicherung „durch Begrenzung der Zahlungen an die Krankenversiche- rung der Rentner auf 11 Prozent der Rentenausgaben" (gegenüber der- zeit rund 18 Prozent) — ein enormer Fehlbetrag für die Krankenversiche- rung, deren zunehmende Konsoli- dierung dadurch völlig in Frage ge- stellt ist. Dr. Ehrenberg erkannte zwar ausdrücklich an, „daß es im letzten Jahr durch gemeinsame An- strengungen aller Beteiligten und der Bundesregierung gelungen ist, den Kostenzuwachs zu dämpfen.

Aber das allein reicht nicht aus." In Wirklichkeit hätten die Bemühungen der Selbstverwaltung mit Gewißheit eine anhaftende Stabilität gesichert, wenn nicht die Finanzmisere der ge- setzlichen Rentenversicherung jetzt ganz wesentlich auch auf die soziale Krankenversicherung verlagert wür- de. So aber wird die Selbstverwal- tung der Krankenkassen zu Beitrags- erhöhungen gezwungen sein, wel- che die Regierungskoalition ihrer- seits durch ein gesetzliches Einspa- rungsprogramm (mit Effekten, von denen noch die Rede sein wird) dämpfen möchte.

Wenn auch dieser Sachzusammen- hang in der Argumentation von Sprechern der Koalitionsparteien wenig anklingt, sondern eher eine

„Gleichzeitigkeit" der Regierungs- bemühungen um Konsolidierung der Rentenversicherung und um Ko- stendämpfung im Gesundheitswe- sen herausgestellt wird, so ist doch nicht zu verkennen, daß die Finan- zierungsfehler in der Rentenpolitik ganz eindeutig zu Lasten des Ge- sundheitswesens korrigiert werden sollen, dessen eben gedämpfte Ko- stenexpansion jetzt noch zur Be- gründung nicht nur einschneiden- der finanzieller Maßnahmen, son- dern auch tiefgreifender strukturel- ler Veränderungen herhalten muß.

So Minister Ehrenberg: „Zu einem Teil haben die steigenden Kosten des Gesundheitswesens ihre Ursa-

che in den Leistungsverbesserun- gen der letzten Jahre, Leistungsver- besserungen, die gesundheitspoli- tisch richtig, gewollt und notwendig waren. Sie haben ihre Ursache aber auch in unzweckmäßigen und un- wirtschaftlichen Strukturen. Diese Strukturen haben die Kosten des Gesundheitswesens über das öko- nomisch vertretbare Maß hinaus steigen lassen."

Und so der SPD-Abgeordnete Olaf Sund: „Die starke Kostenexpansion im Gesundheitsbereich geht vor al- lem auf dessen strukturelle Proble- me zurück."

Eine „Beweisführung" wurde in der Bundestagsdebatte nicht vorgetra- gen, allerdings auch nicht abver- langt. Auch wenn zugestanden sei, daß es sich bei solchen Äußerungen nicht um eine ideologisch-strate- gisch vorgefaßte Meinung handeln muß, sondern durchaus um eine le- diglich situationspolitisch-taktisch gegebene Begründung handeln mag, bleibt die Konsequenz die glei- che: die Regierungsvorhaben laufen auf umfassende Strukturverände- rung, auf Systemveränderung hin- aus. Die rechnerische Begründung des ursprünglichen Sparplans wurde jetzt gar nicht mehr vorge- bracht.

Was soll wo und wie eingespart werden?

Zur Erinnerung: Aus den Koalitions- gesprächen war bekanntgeworden, daß durch das Regierungspro- gramm rund 5,5 Milliarden DM jähr- liche Einsparungen in der Kranken- versicherung erwartet werden:

a) Einsparungen von rund 2 Milliar- den DM durch Begrenzung des Zu- wachses der Vergütungen an Ärzte und Zahnärzte.

Dazu jetzt Ehrenberg: „Der Zuwachs an Ärzteeinkommen soll stärker an der allgemeinen Einkommensent- wicklung orientiert werden."

b) Einsparungen von rund 1,5 Mil- liarden DM durch die vertragliche Vereinbarung der Krankenhauspfle-

gesätze zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen.

Dazu jetzt Ehrenberg: „Die Kranken- kassen können dann mehr als bisher dazu beitragen, den Anstieg der Pflegekosten zu begrenzen. Der Stärkung der Verhandlungspositio- nen der Krankenkassen messe ich eine ganz entscheidende Bedeutung zu." In diesem Zusammenhang kün- digte Ehrenberg lapidar an: „Die Krankenhäuser erhalten das Recht zur vor- und nachstationären Be- handlung." Von der Einschränkung im Buschfort-Papier, „... soweit dies die ärztliche Betreuung verbes- sert", und von der Ankündigung, daß die Krankenhausärzte künftig auch „kassenärztlich" ambulant be- handeln sollten, war im Bundestag keine Rede.

c) Einsparungen von rund 1 Milliar- de DM durch die Einbeziehung der Kassenausgaben für Arzneimittel in die Verträge über die kassenärzt- liche Gesamtvergütung, wobei Überschreitungen von vereinbarten Arzneimittel-Höchstbeträgen zu La- sten der Gesamtvergütung gehen sollen.

Ehrenberg jetzt dazu: „Die Arznei- mittelversorgung (soll) kostengün- stiger gestaltet werden. Die Bundes- regierung wird eine Kommission un- abhängiger Sachverständiger beru- fen, die Transparenzlisten über Preise und Wirksamkeit vergleich- barer Medikamente erstellt. Außer- dem soll die Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes über den Arz- neimittelmarkt verstärkt werden, um überhöhten Preisen entgegenzu- wirken."

d) Einsparungen von 1 Milliarde DM durch „weitere kleinere" Maßnah- men: Begrenzung des Zuschusses von Zahnersatz auf 80 Prozent (Eh- renberg: jedoch höchstens 500,—

DM); Kuren nur nach Überprüfung durch den Vertrauensarzt (Ehren- berg: und nur noch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland); keine Vergütung für Haushaltshilfe durch Verwandte (Ehrenberg: nicht mehr uneingeschränkt finanzieren). Von einer Herabsetzung des vergüteten

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung

Politiker pokern um die Beitragsmilliarden DÄ-Karikatur: Otto Schwalge

Krankenhausaufenthalts bei Entbin- dung von bis 10 Tage auf bis 6 Tage war in Ehrenbergs Stellungnahme vor dem Bundestag nichts mehr zu hören, wohl aber von der Erhöhung des Höchstbetrages für die Rezept- blattgebühr von 2,50 DM auf 3,50 DM, auch für die Rentner. Ehren- berg: „Die Rezeptblattgebü.hr ent- fällt jedoch bei chronischen Krank- heiten und bei Wiederholungsre- zepten."

e) Mehreinnahmen von rund 2,5 Milliarden DM hatte die Koalition von der Erhöhung der Beitragsbe- messungsgrenze der Krankenversi- cherung von 75 Prozent auf 100 Pro- zent der Rentenversicherungsgren-

ze erwartet — ein Betrag, der nun bei weitem nicht erreicht wird, nachdem diese Grenze laut Ehrenbergs Aus- führungen vor dem Bundestag jetzt doch nur auf 85 Prozent erhöht wer- den soll (das wären ab 1. Juli 1977 2890 DM im Monat statt gegenwärtig 2550 DM).

Bleibt aus Minister Ehrenbergs pro- grammatischen Ausführungen noch zu erwähnen, daß — wie bereits be- kannt — die Krankenhausträger „in angemessenem Rahmen" an den In- vestitionen bei der Neuerrichtung von Krankenhäusern beteiligt und daß die bei den einzelnen Kassen und Kassenarten unterschiedlichen Belastungen aus der Krankenversi-

cherung der Rentner gleichmäßig unter den Kässen (nach der Grund- lohnsumme) verteilt werden sollen.

Vor allem:

„Stärkere Position"

der Krankenkassen

In der Sache nicht viel Neues also;

um so bemerkenswerter indes der mehrfache Hinweis darauf, daß der Selbstverwaltung der Krankenversi- cherung die Hauptverantwortung für die Ausfüllung und Ausführung der solcherart gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen auferlegt werden soll. Dafür drei Beispiele aus der Bundestagsdebatte:

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5 vom 3. Februar 1977

275

(4)

Krankenversicherung

So sagte Ehrenberg wörtlich: "Der Handlungsspielraum der Selbstver- waltungskörperschaften der Kran- kenkassen und der Ärzte soll we- sentlich erweitert und dabei die Po- sition der Krankenversicherung ge- stärkt werden." Wer unter "Kran- kenversicherung" zu verstehen ist, ergibt sich aus seinem im Zusam- menhang mit dem Thema Kranken- hausversorgung formulierten Satz:

~ "Der Stärkung der Verhand- lungspositionen der Krankenkassen messe ich eine ganz entscheidende Bedeutung zu."

Verbesserte Instrumente

"nur für die Kassen"

Der SPD-Abgeordnete Sund sagte es noch deutlicher: "Die Bemühun- gen der Bundesregierung sind ... in erster Linie auf eine Stärkung der Selbstverwaltung der Krankenversi- cherung gerichtet. Den Kassen sol- len verbesserte Instrumente an die Hand gegeben werden, die ihnen, ihrer Selbstverwaltung einen größe- ren Einfluß auf die Kostenentwick- lung ermöglichen. Dieses Ziel der Bundesregierung wird von uns So- zialdemokraten nachhaltig unter- stützt.

Durch den erheblichen Ausbau der Position der Selbstverwaltung der Krankenkassen, durch ihre Mitwir- kungs- und Mitentscheidungsrechte bei der Krankenhausplanung, bei der Festregung der Pflegesätze, bei den Vereinbarungen über die Arz- neimittelversorgung und die Verbes- serung ihrer Basis bei den Honorar- verhandlungen wird eine alte Forde- rung von Sozialdemokraten und auch eine alte gewerkschaftliche Forderung erfüllt."

Der FDP-Abgeordnete Hansheinrich Schmidt (Kempten) sah dies bei der Bundestagsdebatte so: "Sie sollten den auf Grund der Vereinbarungen in aller Kürze zu erwartenden Regie- rungsentwurf ... aufmerksam lesen.

Dann werden Sie zur Kenntnis neh- men, daß die notwendigen Kosten- einsparungen im Gesundheitswesen nicht dirigistisch, nicht durch Staats-

Hans J. Sewering:

Gegen den Abbau der ärztlichen Versorgung

Wenige Stunden nach Schluß der Bundestagsdebatte nahm der Prä- sident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages am 20. Januar bei einem Pressege- spräch in München zu den Regie- rungsabsichten erneut Stellung: Er kritisierte die geplante Anbin- dung der Kassenausgaben für ärzt- liche Leistungen an Faktoren, die allein aus der Volkswirtschaft ab- geleitet sind und überhaupt nicht die Auswirkungen des medizini- schen Fortschritts berücksichti- gen. Auch die Gebührenordnung darf nicht derart technikfeindlich werden, daß sie jeden Fortschritt in der ärztlichen Versorgung der Pa- tienten unterbindet. Vergleiche der kassenärztlichen Vergütung mit Arbeitnehmereinkommen wies Prof. Sewering als völlig irrefüh- rend zurück. Honorare sind kei- neswegs identisch mit persönli- chem Einkommen; sie schließen die Kosten für die Praxen, Materia-

lien, Investitionen und nicht zuletzt

die Personalkosten für rund 150 000 Arbeitnehmer in den Arzt- praxen ein! Die Pauschalierung der Kassenausgaben für Arznei- mittel und ihre politisch zynische Koppelung an die kassenärztliche Gesamtvergütung sowie die ge- plante amtliche "Transparenzliste"

wertete er als Schritte zu einer Bil- lig-Medizin, letztlich zu einer

"Zweiklassenmedizin" zumindest

auf dem Arzneimittelsektor. Dem Plan, der teuersten Institution des Gesundheitswesens, nämlich dem Krankenhaus, das Recht zur vor- und nachstationären Behandlung einzuräumen, ist überhaupt keine Spartendenz zuzubilligen. Versu- che dieser Art sind doch erwiese- nermaßen völlig mißlungen.

Vor einer einseitigen Stärkung der Position der Krankenkassen ge- genüber der Kassenärzteschaft wie gegenüber den Krankenhäusern kann nur gewarnt werden, die seit 1955 bestehende Parität zwischen Krankenkassen und Kassenärztli- cher Vereinigung hatte den sozia- len Frieden in der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert.

Hans W. Muschallik:

Völlig unannehmbare trickreiche "Lösung"

Der Erste Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung faßte seine Kritik an den Koali- tionsvorhaben, soweit sie bis zum 20. Januar bekanntgeworden wa- ren, in kürzestmöglicher Form im nachfolgend wiedergegebenen Statement für die Sendung "Bi- lanz" des Zweiten Deutschen Fern- sehens zusammen:

"Die Kassenärzte haben 1976/77

bewiesen, daß sie freiwillig zur Sta- bilisierung der Kosten beitragen. Damit wird man auch in Zukunft rechnen können.

Nimmt man jedoch der Kranken- versicherung das Geld weg, um die Löcher in der Rentenversicherung zu stopfen, halten wir dies für den falschen Weg.

Entweder müssen dann in der Krankenversicherung Leistungen abgebaut werden oder die Beiträ- ge beachtlich steigen. Beides er- scheint uns unvertretbar.

Völlig unannehmbar ist die trick~

reiche Lösung, die notwendigen Mittel für die Rentenversicherung aus dem Arbeitsergebnis derjeni- gen zu schöpfen, die in der Kran- kenversorgung tätig sind, vor- nehmlich der Ärzte.

Wenn damit obendrein Struktur- veränderungen mit der Vernich- tung des freien Arztes einherge-

hen, wird und muß sich die gesam-

te Ärzteschaft erbittert zur Wehr setzen."

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Erste ausführliche Stellungnah- men zu den Regierungsvorhaben in der Krankenversicherung, so- weit sie bis Mitte Januar bekannt- geworden waren, sind bereits in Heft 4 des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATIES vom 27. Januar 1977, Seite 195 ff., veröffentlicht worden:

ein Schreiben Dr. Muschalliks an den Bundeskanzler, eine Erklä- rung des Vorstands der Bundes- ärztekammer sowie eine Stellung- nahme der ärztlichen Organisa- tionen.

(5)

Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

eingriffe, sondern unter voller Re- spektierung des gegliederten Sy- stems unserer Krankenversiche- rung, unter Ausgestaltung, Stärkung des Selbstverwaltungsprinzips ver- wirklicht ... werden."

Diese Sätze haben durchaus ver- schiedene Tendenz; welche aber realisiert werden soll, wird sich ein- deutig erst aus dem Text des Ge- setzentwurfs ablesen lassen.

Es ist nicht abzusehen, ob die Rechnung aufgeht

„Ob der wesentlich verstärkte Ein- fluß der Krankenkassen auf die Ko- stenentwicklung im Gesundheitswe- sen zusammen mit den Einnahmeer- höhungen und Ausgabenverminde- rungen ausreichen wird, um schon bald die Mehraufwendungen aus der Rentner-Krankenversicherung aus- zugleichen, das läßt sich nicht ge- nau quantifizieren", gab der SPD- Abgeordnete Sund in der Bundes- tagsdebatte zu. Jedenfalls erstrebe die Bundesregierung eine Art „Ver- teilungsgerechtigkeit". Sund: „Die nicht zu vermeidenden Lasten wer- den gerecht auf Rentner, auf Arbeit- nehmer, auf Arbeitgeber und auf die Anbieter von Gesundheitsleistungen verteilt. Allerdings wird nach Ver- wirklichung des Programms jeder Bürger feststellen können, daß sein schon erreichter Einkommensstan- dard gewährleistet bleibt. Hier geht es um das Ausmaß künftiger Steige- rungen."

Sund verteidigte damit die folgen- schwere Belastung der Krankenver- sicherung wenige Minuten, nach- dem der CDU-Abgeordnete Hans Katzer, der im übrigen eine kon- struktive Mitarbeit der Opposition in Aussicht stellte, sich aber in keinem einzigen Detail festlegte, die provo- kative Frage gestellt hatte: „Glaubt die Bundesregierung wirklich ernst- haft, mit der Verschiebung von 30 Milliarden DM von der Ren- tenversicherung auf die Kranken- versicherung eine dauerhafte Lö- sung des Problems erreichen zu können?" DÄ

Bundestagsausschüsse neu konstituiert

Am 20. Januar konstituierten sich die 19 ständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages, nachdem die Fraktionen die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter für die einzelnen Gremien benannt und die Mitglieder vorgeschlagen hatten. Entspre- chend einer interfraktionellen Ver- einbarung stellt die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion bei 10 Ausschüssen die Vorsitzenden und bei acht die Stellvertreter. Die SPD hat in acht Ausschüssen den Vorsitz und stellt in neun die Stellvertreter, die FDP- Fraktion hat in einem Ausschuß den Vorsitz inne (Finanzen) und in zwei den Stellvertreter-Posten.

Neuer Vorsitzender des Bundes- tagsausschusses für Arbeit und So- zialordnung wurde der SPD-Abge- ordnete Hermann Rappe (Hildes- heim), der die Nachfolge des aus Altersgründen aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Pro- fessors Dr. Ernst Schellenberg (69) antrat. Stellvertretender Vorsitzen- der dieses Ausschusses ist — wie auch in der siebten Legislaturperi- ode — der CDU-Abgeordnete Adolf Müller (Remscheid). Als weitere CDU-Abgeordnete gehören dem Ausschuß unter anderem der neu in den Bundestag gewählte Dr. med.

Karl Becker, Frankfurt, und Frau Dr.

med. dent. Hanna Neumeister, Krei- ensen, an. Die SPD ist unter ande- rem durch Eugen Glombig, Vorsit- zender des Arbeitskreises für Sozial- und Gesellschaftspolitik der SPD- Bundestagsfraktion, vertreten. Spre- cher der FDP in diesem Ausschuß ist deren langjähriger Sozialexperte Hansheinrich Schmidt (Kempten).

Rudolf Hauck, SPD, wurde als bishe- riger Vorsitzender des Bundestags- ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit in seinem Amt er- neut bestätigt. Stellvertretende Vor- sitzende wurde die CSU-Abgeordne- te Ursula Schleicher, die den CDU- Abgeordneten Botho Prinz zu Sayn- Wittgenstein-Hohenstein ablöste, der Mitglied des Haushaltsaus- schusses wurde.

Der dem Bundestagsausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ebenfalls angehörende Gesund- heitspolitiker Kurt Spitzmüller, FDP, erhielt zusätzlich die politisch ein- flußreiche Position eines Parlamen- tarischen Geschäftsführers der FDP- Bundestagsfraktion.

Vorsitzender des Bundestagsaus- schusses für Bildung und Wissen- schaft wurde der Hamburger Arzt Dr.

med. Rolf Meinecke (SPD); Stellver- treter ist Dr. Günther Müller, Mün- chen, CDU/CSU-Fraktion. Den Vor- sitz des Ausschusses für Forschung und Technologie hat Dr. Albert Probst (CDU/CSU) inne; Stellvertre- ter ist Professor Dr. Karl Hans Laer- mann (FDP). PM/DÄ

„Patient muß

Individuum bleiben"

Vor einer „Entindividualisierung"

der Medizin, die den Patienten zur Nummer degradiert und den Arzt zum Gesundheitsingenieur stem- pelt, hat der Präsident der Ärztekam- mer Nordrhein, Dr. Friedrich-Wil- helm Koch, Essen, gewarnt. Der stei- gende Kostendruck im Gesundheits- wesen diene offenbar immer häufi- ger Politikern als Vorwand für eine weitere Technokratisierung und Bü- rokratisierung dieses Bereiches.

„Dem Kranken von morgen könnte eine Behandlung drohen, gegen die die frühere Musterung von Rekruten noch ein Akt individueller ärztlicher Zuwendung war."

Symptome einer aufkeimenden In- humanität im Gesundheitswesen sieht der Präsident zum Beispiel in der Feststellung eines von den ge- setzlichen Krankenkassen bestellten Gutachtens, in der die Halbierung der täglichen durchschnittlichen Behandlungszeit pro Patient auf 12 Minuten angeraten wird. Dr. Koch dazu: „Das sind doch Rationalisie- rungsmaßstäbe, die zu Recht schon bei Legehennen-Batterien verurteilt werden."

Scharfe Kritik übte der Präsident auch am bürokratischen Gigantis-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5

vom 3. Februar 1977

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