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Archiv "Kostendämpfung im Krankenhaus durch den degressiven Pflegesatz?: II. Die Tugend der Sparsamkeit wiederentdecken!" (23.09.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Kostendämpfung im Krankenhaus

wäre, zum einen fachübergreifend die einzelnen medizinischen Diszi- plinen, zum anderen aber auch die Verwaltung in Analyse, Planung und Realisierung organisatorischer Verbesserungen zu unterstützen.

Die Deutsche Krankenhausgesell- schaft (DKG) hat diese Problematik schon seit langem erkannt und führt entsprechende Weiterbil- dungslehrgänge und Seminare für das leitende Krankenhauspersonal sowohl des ärztlichen als auch des verwaltungstechnischen und pflegerischen Bereiches durch.

Angesichts des gewaltigen Nach- holbedarfes entsprechen diese Maßnahmen lediglich dem berühm- ten Tropfen auf den heißen Stein.

Die Gesundheitspolitik jedweder Partei oder Standesorganisation darf sich nicht nur damit begnü- gen, neue Zielvorstellungen zu for- mulieren und vorzuschreiben, son- dern muß auch die Voraussetzungen schaffen, daß diese realisiert wer- den können. Dazu bedarf es aber der entsprechenden fachlichen Kompetenz, die es gilt systema- tisch in Forschung, Lehre und Dienstleistung aufzubauen.

Ohne diese Voraussetzung sollte man vermeiden, in die Aufgaben- stellung und Organisation unserer Krankenhäuser einzugreifen und statt dessen lieber die jährlichen Kostensteigerungen getrost hin- nehmen. Es käme billiger, selbst auf die Gefahr hin, daß die Kosten nicht mehr auf die Krankenkassen- beiträge umgelegt werden könn- ten. Die historisch und organisch gewachsenen, sicherlich vielfach unrationellen Abläufe und Struktu- ren unserer Krankenhäuser haben nämlich noch einen nicht zu unter- schätzenden Vorteil, sie funktionie- ren, wenngleich man sich manch- mal auch fragen muß, warum.

Die Krankenhäuser dürfen bei ih- ren praktischen organisatorischen Problemen nicht mehr alleingelas- sen werden. Eine ausschließlich po- litische Veränderung ihrer Ziel- und Aufgabenstellung würde die heute noch bestehende Funktions-

fähigkeit in Frage stellen und die Gefahr eines „kontrollierten Chaos" beeinhalten und damit ei- nes mit Sicherheit erreichen, näm- lich das, daß unsere Krankenhäu- ser nicht effektiver und damit billi- ger werden.

Ass. Prof. Dr. med. C. D. Kopetzky Fachgebiet

Medizinische Organisation der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes, Fachbereich 4

6650 Homburg/Saar

II. Die Tugend der Sparsamkeit wiederentdecken!

Schon vor der „Entdeckung" der Mengenlehre lernten wir, daß man nur Vergleichbares vergleichen kann. Wenn Kremer und Hess die durchschnittliche Verweildauer in den amerikanischen Krankenhäu- sern mit der in deutschen verglei- chen, dann mutet es an, als ver- gleiche man den Nahrungsbedarf von Löwen mit dem von Hauskat- zen! Während in Amerika das „Be- legarztsystem" vorherrscht, ist in Deutschland das Gegenteil der Fall. Dadurch ergibt sich in Ameri- ka eine Form „prästationärer Dia- gnostik", die es möglich macht, den fertig voruntersuchten Patien- ten vom gleichen Arzt kurzzeitig stationär behandeln zu lassen. Die Nachbehandlung verbleibt dabei in derselben sachkundigen Hand. Für deletäre Fälle werden staatliche und Organisationskrankenhäuser (Country-, Veterans-Hospitals usw.) mit „Chefarztsystem" vorgehalten.

Daß in Deutschland fast alle Pa- tienten ohne jede oder nur mit kümmerlichsten Befundmitgaben in die Krankenhäuser kommen, macht aufwendige (Doppel-)Untersuchun- gen erforderlich und kostet Geld und Zeit! Wenn dann auch noch Schwerkranke kardial und stoff- wechselmäßig stationär auf eine notwendige Operation vorbereitet werden müssen, dann kostet das Zeit, Geld und gegebenenfalls die Gesundheit des Patienten.

Daß die in den deutschen Kranken- häusern tätigen Kräfte jahrzehnte- lang nicht oder unterbezahlt wur- den, machte sie früher so „kosten- günstig".

Daß von medizinischen Fachver- bänden, der Laienpresse und den Gewerkschaften Subspezialitäten zur noch besseren Versorgung der Patienten und allgemein übliche Arbeitsbedingungen gefordert und durchgesetzt wurden, hat „die Krankenhäuser" so teuer gemacht.

Von dem kostenintensiven Wild- wuchs der Sanatorien, Kuren, den ständig steigenden Kosten für den meist (in Norddeutschland) beam- teten Krankentransport, den unkon- trollierten Verordnungen von ortho- pädischen Hilfsmitteln (Brillen, Prothesen usw.) und vielen ande- ren Mißständen wird nicht gespro- chen.

Praktische Schwierigkeiten

Eine „Kostendämpfung im Kran- kenhaus" durch den „degressiven Pflegesatz" erreichen zu wollen erscheint unärztlich und wirtschaft- lich nicht zu realisieren: Ein Re- infarkt am 20. Tag stationärer Be- handlung, der sogar Intensiv- pflege erforderlich macht", ei- ne OP- und Spüldrainagenbe- handlung einer Osteomyelitis — um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen — ist über Wochen und Monate so personal- und kosten- aufwendig, daß sich nach den Vor- schlägen von Kremer und Hess die

„wirtschaftlich" handelnden Kran- kenhäuser weigern werden, derarti- ge (und viele andere) Patienten lege artis zu behandeln. In Frage kommen kann nur zu prüfen, wel- che Krankenhäuser ihre Pflegesät- ze durch vor Erlaß des Kranken- hausfinanzierungsgesetzes (oder danach) hochschraubende Manipu- lationen in die Höhen weit dreistel- liger Summen getrieben haben, und man sollte diese Spitzen ab- brechen.

Was not tut, ist, zu den alten Tu- genden der Sparsamkeit, der Un-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 23. September 1976 2455

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Kostendämpfung im Krankenhaus

bestechlichkeit, der Ehrlichkeit all- gemein zurückzukehren und die Mentalität aller so zu verändern, daß „Gemeinnutz geht vor Eigen- nutz" wieder in Deutschland gilt ..

Dr. med. Martin Frankenberg Facharzt für Chirurgie Lange Straße 20a 4320 Hattingen 16

Schlußwort

Professor Kopetzky betont, daß nach Dr. W. Bauer 75 Prozent der laufenden (Selbst-)Kosten des Krankenhauses auf Personalkosten entfallen. Die von uns zitierte Stelle (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 26/1975, Seite 1914) bezieht sich auf Gesamtausgaben. Im folgenden stimmt Kopetzky der Auffassung zu, „daß eine wesentliche Kosten- einsparung im Zusammenhang mit der Verringerung der Verweildauer nur durch einen Kapazitätsabbau erreicht werden könnte".

Setzt man einen Anteil von 75 Pro- zent Personalkosten an den laufen- den Kosten voraus, so wissen wir nicht, wo man noch einsparen könnte, wenn ein Personalabbau von vornherein ausgeschlossen wird.

Mit dem degressiven Pflegesatz sind unserer Meinung nach in den bestehenden Krankenhäusern Ein- sparungen ohne Neuinvestition möglich, durch eine Verkürzung der Verweildauer, daran folgend ei- nem Kapazitätsabbau zum Teil auch des Personals. Nötig wäre dabei eine Leistungssteigerung des Personals, wobei die von Herrn Kopetzky angesprochenen „straf- fere Betriebsorganisation, die ra- tionelleren Arbeitsabläufe, die ver- besserte Kommunikation, Infor- mation und Dokumentation" Vor- aussetzung sind. Die Mehrleistung würde sich in Mehreinnahmen für den Krankenhausträger auswirken, ohne den Krankenkassen zur Last zu fallen. Durch eine Vermehrung der Einnahmen würden sich not- wendige Subventionen vermindern.

Dr. Martin Frankenberg lehnt es ab, die durchschnittliche Verweil- dauer in amerikanischen Kranken- häusern (überwiegend Belegarztsy- stem) mit der in deutschen Kran- kenhäusern (überwiegend Chef- arztsystem) zu vergleichen. Die überdurchschnittlich lange Ver- weildauer bei uns hat sicher meh- rere Gründe. Einer der Gründe er- scheint uns der finanzielle Anreiz für den Krankenhausträger, die ho- hen Kosten der ersten Behand- lungstage durch eine Verlängerung der Verweildauer bei dem linearen Verpflegsatz hereinzuholen.

Daher glauben wir, daß ein degres- siver Pflegesatz für den Kranken- hausträger Anreiz sein könnte, ei- nen zu langen Krankenhausaufent- halt zu vermeiden. Sollte es sich herausstellen, daß die wesentlich niedrigere Verweildauer in den USA Folge des dort weit verbreite- ten Belegarztsystems ist, so wäre das ein starkes Argument für des- sen weitere Verbreitung bei uns.

Im folgenden nennt Frankenberg den degressiven Pflegesatz unärzt- lich und wirtschaftlich nicht reali- sierbar, da z. B. ein Reinfarkt am 20. Tag der stationären Behand-

lung unter Umständen Intensivpfle- ge erforderlich macht. Dieses Pro- blem haben wir ausdrücklich ange- sprochen (DÄ Seite 739). Durch eine entsprechende Gestaltung der Pflegesätze glauben wir, daß dem Krankenhausträger daraus kein Schaden erwachsen muß. Selbst- verständlich soll und darf der de- gressive Pflegesatz nicht dazu füh- ren, daß die notwendige Behand- lung unterbleibt. Er soll ausschließ- lich dazu beitragen, daß der finan- zielle Anreiz des linearen Pflege- satzes entfällt, Patienten länger als nötig zu behandeln. Daß das letz- tere leider häufig der Fall ist, ha- ben wir betont.

Dr. med. Heinrich Kremer Professor Dr. med. Hans Hess Medizinische Poliklinik der Universität München Pettenkoferstraße 8a 8000 München 2

BRIEFE AN DIE REDAKTION

KOSTEN-STOPP

Der Kostenexpansion läßt sich nur durch viele Einzelmaßnahmen begeg- nen. Ein Beispiel:

Wiederverwendung von Hörgeräten organisieren!

Sehr häufig werden für recht alte Patienten, die erfahrungsgemäß oft nur noch wenige Jahre bzw. sogar nur Monate Lebenszeit vor sich ha- ben, Hörgeräte im Werte von durchschnittlich 1000 DM pro Fall verordnet und auf Kassenkosten abgegeben. Diesen Bedürftigen das Hörgerät — meist HdO — vor- zuenthalten — wenn sie es im Be- kanntenkreis in positivem Sinne er- lebt haben —, ist nicht möglich, da auch sie ja jahrzehntelang ihre Beiträge geleistet haben.

Nach dem oft relativ kurz nach kostspieliger Anpassung eingetre- tenen Tode dieser Patienten lan- det das teure — auf Kosten der Kasse angeschaffte — Gerät — auf dem Müll oder in sonstigen unren- tablen Kanälen, obwohl es meist noch technisch einwandfrei ist. Es könnte also ohne großen Aufwand wieder für ähnliche Patienten ver- wendet werden. Die Frage einer er- neuten Anpassung — es handelt sich ja nur um das Ohrpaßstück im Preis von rund 50 DM — wäre m. E. lediglich eine Frage der Or- ganisation, gegebenenfalls durch HNO-Fachärzte in freier Praxis, ge- gebenenfalls durch angestellte Hörgeräteakustiker der Kranken- kassen bzw. sonstiger unabhängi- ger Stellen.

M. E. könnte hierdurch den gesetz- lichen Krankenkassen in einem Jahre mehr erspart werden als durch das gesetzlich verordnete

„Schattenboxen" im Rahmen der sogenannten „Falldurchschnitts- überschreitung für Arzneimittel"

oder gar der Unsummen, die die freipraktizierenden Ärzte zur Erhal- tung des derzeitigen Zustandes — ich denke an Notfalldienste mit Funkstationen, Dienststellen zum Nachweis der Effektivität der KVD

2456 Heft 39 vom 23. September 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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