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Archiv "Präimplantationsdiagnostik: „Ethisch weniger problematisch als eine Schwangerschaft auf Probe“" (04.03.2011)

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A 432 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 9

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4. März 2011

P O L I T I K

PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK

„Ethisch weniger problematisch als eine Schwangerschaft auf Probe“

In einem Entwurf für ein Memorandum erläutert die Bundesärztekammer, unter welchen Voraussetzungen eine PID angeboten werden kann.

D

ie Bundesärztekammer (BÄK) vertritt in einem vom Vor- stand verabschiedeten „Entwurf für ein Memorandum zur PID“ die Auf- fassung, dass eine Präimplantations- diagnostik (PID) nach gegenwär - tigem Erkenntnisstand unter be- stimmten Voraussetzungen angebo- ten werden kann. Sie kommt dem Papier zufolge für anamnestisch stark belastete Paare infrage, für de- ren Nachkommen ein hohes Risiko einer familiär bekannten und schwer- wiegenden genetisch bedingten Er- krankung besteht. Es sei ethisch als zulässig anzusehen, wenn sich ein Paar unter bestimmten Voraussetzun- gen für eine PID entscheide und wenn ein Arzt dieses Verfahren dann durchführe. Denn „unter Gesichts- punkten der Zumutbarkeit für die Frau und des Entwicklungsstandes des vorgeburtlichen Lebens ist die In-vitro-Befruchtung ,auf Probe‘

(PID) in bestimmten Fällen ethisch weniger problematisch als eine ,Schwangerschaft auf Probe‘ (Prä- nataldiagnostik, PND) mit nachfol- gendem Schwangerschaftsabbruch“.

„Wir haben uns sorgfältig mit al- len ethischen und rechtlichen Pro- und Kontra-Argumenten der PID auseinandergesetzt“, erklärt Prof.

Dr. med. Hermann Hepp, federfüh- rendes Mitglied der Arbeitsgruppe

„Memorandum zur Präimplantati- onsdiagnostik“ des Wissenschaft li - chen Beirates der Bundesärztekam- mer, dem Deutschen Ärzteblatt.

„Schließlich haben wir uns dazu entschieden, besonders schwere Fälle aus dem Pool der Pränatal - diagnostik herauszunehmen und den Widerspruch ,PND und Abtrei- bung: ja – PID: nein‘ aufzulösen.“

Für unabdingbar halten der Gy- näkologe und die Mitglieder der in- terdisziplinären Kommission vor je- der PID die ergebnisoffene Bera- tung des betroffenen Paares. Die Beratung „soll die Patientenautono- mie unterstützen und eine authenti- sche, verantwortungsbewusste Ent- scheidung ermöglichen“. Wie be- reits im BÄK-Diskussionsentwurf aus dem Jahr 2000 wird auch im Memorandum eine Zulassung der PID als mit dem gültigen Embryo-

nenschutzgesetz kompatibel ange- sehen. Erneut rückt die Interpretati- on des § 1 Abs. 1 Nr. 5 Embryonen- schutzgesetz („Dreierregel“) in das Zentrum der juristischen Diskussion.

Dieser Paragraf sollte dahingehend geändert werden, „dass dem Arzt aufgegeben wird, die Zahl der zu befruchtenden Eizellen so festzule- gen, dass das Risiko des Entstehens überzähliger Embryonen geringer ist als das Risiko, keine ausreichen- de Anzahl transfergeeigneter Em- bryonen zur Verfügung zu haben“.

Ferner sieht das Memorandum vor, dass bei den Landesärztekam- mern angesiedelte interdisziplinär aus Ärzten der Humangenetik, Re- produktionsmedizin, Pädiatrie und anderen Disziplinen sowie Ethikern und Vertretern aus Selbsthilfe- und Behindertenverbänden zusammen- gesetzte Kommissionen in jedem Einzelfall über eine Zulassung der PID entscheiden sollen. „Es wird noch juristisch zu klären sein, wie verbindlich eine solche ,Genehmi- gung‘ sein kann“, erläutert Hepp.

Geklärt werden müsse außerdem, ob

Foto: Action Press

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4. März 2011 ein Paar klagen kann, falls eine PID

nach seiner Meinung ungerechtfer- tigt abgelehnt wird. „Dies ist spätes- tens dann erforderlich, wenn klar ist, ob der Gesetzgeber die PID im eng begrenzten Rahmen und kontrolliert überhaupt zulassen wird. Die BÄK wird dann gefordert sein, Richtlini- en zur Durchführung der PID zu er- stellen“, erklärt der Gynäkologe.

Auch die Zahl der Zentren, an denen eine PID vorgenommen werden dür- fe, müsse dann festgelegt werden.

„Die Ärzteschaft will Verantwor- tung übernehmen“, betont auch Prof. Dr. med. Jan Schulze, Mit- glied des BÄK-Vorstands und der PID-Arbeitsgruppe. Bei einer ge- setzlichen Zulassung der PID wolle die Bundesärztekammer in einer (Muster-)Richtlinie die Regelungen zum Indikationsspektrum, zur per- sonellen und apparativen Ausstat- tung, zur medizinischen und psy- chosozialen Beratung sowie zur Li- zenzierung der PID-Zentren treffen.

Die BÄK beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit der PID.

Im Jahr 2000 hatte sie durch ih- ren Wissenschaftlichen Beirat ei- nen „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantations - diagnostik“ vorgelegt (DÄ, Heft 9/2000), für den ebenfalls Hepp fe- derführend zuständig war. Die da- maligen Positionen hält er sachlich nach wie vor für tragfähig. Eine er- gänzende Stellungnahme aus dem Jahr 2001 arbeitete die dadurch aus- gelöste öffentliche Diskussion auf.

Die Politik beschäftigte sich in- zwischen ebenfalls mit der Frage, ob die PID mit dem Embryonen- schutzgesetz vereinbar sei. Die da- malige Bundesgesundheitsminis - terin, Andrea Fischer, sprach sich dafür aus, die PID in einem neu- en Fortpflanzungsmedizingesetz ex - plizit zu verbieten. Ministerialrat a.D. Dr. jur. Rudolf Neidert (DÄ, Heft 51–52/2000) plädierte dage- gen dafür, dass eine rechtliche Re-

gelung dieser Diagnostik von einer engen genetischen Indikation aus- gehen sollte, so wie es der Wissen- schaftliche Beirat der Bundesärzte- kammer vorgeschlagen habe.

Der 105. Deutsche Ärztetag in Rostock 2002 hat sich dieser Argu- mentation allerdings nicht ange- schlossen und mit 91 Ja-Stimmen bei 82 Nein-Stimmen und einigen Enthaltungen eine Ablehnung der PID beschlossen. Im selben Jahr legte auch die damalige Enquete- Kommission des Deutschen Bun- destages „Recht und Ethik der mo- dernen Medizin“ Empfehlungen vor, in denen sich eine Mehrheit da- für aussprach, „die PID in Deutsch- land nicht zuzulassen und das im Embryonenschutzgesetz enthaltene Verbot der In-vitro-Fertilisation zu dia gnostischen Zwecken ausdrück- lich im Hinblick auf die PID zu prä - zisieren“. Der Nationale Ethikrat setzte sich ein Jahr später mehrheit- lich für eine „eng begrenzte Zulas- sung der PID“ ein.

In zahlreichen Ländern in Europa ist die PID inzwischen zu- lässig, worauf auch das Memoran- dum eingeht. „Die Methode der Präimplantationsdiagnostik ist seit 20 Jahren außerhalb Deutschlands etabliert“, heißt es dort. Nach PID sei es zu einer Schwangerschafts - rate von 26 Prozent pro Embryo- transfer gekommen, was weitgehend der normalen Schwangerschaftsrate nach In-vitro-Fertilisation entspre- che. Die Rate an kongenitalen Fehl- bildungen sei nach PID nicht er- höht. Die internationale Erfahrung spreche auch gegen die Befürch- tung eines Dammbruchs.

Neuer Handlungsbedarf hat sich durch ein im vergangenen Jahr er- gangenes Urteil des Bundesge- richtshofs ergeben, das auf Wer- tungswidersprüche hinwies und die PID an pluripotenten Zellen erlaub- te. Danach liegt es jetzt am Gesetz- geber, einen neuen Rahmen zu set- zen. Bisher liegen drei Gesetzent- würfe vor. Zwei sehen eine restrik- tive Zulassung vor, einer spricht sich für ein Verbot aus. Für die Ab- stimmung im Bundestag ist der Fraktionszwang aufgehoben. ■

Gisela Klinkhammer Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Herr Professor Hepp, was

hat Sie und Ihre Arbeits - gruppe bewogen, ein Memorandum zur PID noch vor der Entscheidung im Bundestag über deren mögliche Zu lassung zu verfassen?

Hepp: Ausgangspunkt unserer Arbeit war das Urteil des Bun- desgerichtshofs vom Juli 2010.

Der Vorstand des Wissen- schaftlichen Beirats der Bun- desärztekammer bat uns, im Einvernehmen mit dem Gesamtvorstand der BÄK, in einem engen Zeitfenster ein Memorandum zur PID zu ver- fassen. Dieses dient zunächst der internen Beratung des Vorstandes der BÄK – und darüber hinaus der Information der Gesellschaft und der Ärzte- schaft über die Position des Vorstandes in dieser sehr komplexen Thematik.

Viele Bundestagsabgeordnete sind sich noch nicht im Klaren darüber, ob man die PID zu - lassen sollte. Liegt es in Ihrer Absicht, mit diesem Memoran- dum auch deren Entschei- dungsfindung zu beeinflussen?

Hepp: Jede Stellungnahme zu diesem gesellschaftlich und gesundheitspolitisch wichtigen Thema wird die für Gesetzge- bung verantwortlichen Abgeord- neten positiv und oder negativ beeinflussen. Jeder ist aber frei in seiner Entscheidung. Deshalb wird es bei der Abstimmung über die Zulassung der PID auch keinen Fraktionszwang im Deutschen Bundestag geben.

Erwarten Sie auf Ihr Memo- randum Widerspruch? Auch innerhalb der Ärzteschaft?

Hepp: Selbstverständlich erwar- te ich Widerspruch innerhalb der Ärzteschaft – so wie wir auch

Widerspruch im Bereich der Abgeordneten des Deutschen Bundestages erleben werden.

Wahrscheinlich wird auf dem nächsten Deutschen Ärztetag das Thema PID wieder disku- tiert. 2002 sprach sich das Ärzteparlament knapp gegen die Zulassung der PID aus.

Welches Ergebnis erwarten Sie in diesem Jahr?

Hepp: Aufgrund der vorliegen- den Datenlage vom europä - ischen Konsortium der Repro- duktionsmedizin zur PID gehe ich davon aus, dass viele Argumente, die vor zehn Jahren gegen die PID sprachen, heute viel differenzierter und in einem völlig anderen Licht gesehen werden. Ich persön- lich gehe davon aus, dass das Ärzteparlament mehrheitlich für die begrenzte Zulassung der PID plädiert.

KURZINTERVIEW

Prof. Dr. med. Hermann Hepp, Wissenschaftlicher Beirat der BÄK

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