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Archiv "Gebührenordnung für Ärzte: Reform oder Systemveränderung?" (05.03.2004)

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P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 105. März 2004 AA615

D

as Richtige erkennen heißt nicht automatisch das Richtige tun:

Zwischen der politischen Er- kenntnis, dass die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) reformbedürftig ist, und den daraus zu ziehenden Konse- quenzen für eine längst überfällige GOÄ-Reform klafft eine große Lücke.

In der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der CDU/CSU- Fraktion (Bundestags-Drucksache A5/

1 266 vom 12. September 2003) wurde die Reformbedürftigkeit der GOÄ zwar eingeräumt, jedoch weder das in die Diskussion gebrachte Vorschlags- modell in die Tat umgesetzt, noch eine Initiative zur GOÄ-Weiterentwicklung in Gang gesetzt.

Geringer

politischer Stellenwert

Wegen der wachsenden Zahl an Aus- einandersetzungen zwischen Ärzten und privaten Krankenversicherungsge- sellschaften und einer steigenden Zahl von Rechtsstreiten liegt der Schluss nahe, dass die amtliche Gebührentaxe für ärztliche Leistungen politisch keine Priorität besitzt und deshalb ausgeblen- det wird, obwohl dieses Regelwerk für fast 16 Millionen Privatversicherte und demnächst für Versicherte der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) mit Kostenerstattungstarif gilt – keine zu vernachlässigende Größe (Grafik).

Kann es sein, dass die politisch Ver- antwortlichen das Problem aussitzen, auf Zeit spielen und warten, bis sich die Probleme so potenzieren, dass ein völli- ger Systemwechsel begründbar wird?

Oder wartet man ab, ob die Einführung einer Bürgerversicherung die private Krankenversicherung in ihrer derzeiti- gen Form und zugleich ihrem aktuellen Stellenwert im Versorgungssystem be- seitigt? Vieles deutet darauf hin, dass der Zug in diese Richtung fahren soll.

Stück für Stück wird die Attraktivität der Privatbehandlung beseitigt. Die Versicherungspflichtgrenze in der Ge- setzlichen Krankenversicherung wird kontinuierlich höher geschraubt, so- dass die PKV zunehmend vom Nach- wuchs abgeschnitten wird. Inzwischen liegt die Versicherungspflichtgrenze bei etwa 3 800 Euro Bruttomonatsver- dienst. Pläne der Regierung gehen da- hin, die Pflichtgrenze auf über 5 100 Euro anzuheben. Wer verfügt in einem Alter, in welchem die wichtige Ent- scheidung für eine private oder Gesetz- liche Krankenversicherung fällt, über ein Gehalt, das diese Grenze erreicht oder sogar übersteigt? Auch ohne die umfassende Bürgerversicherung wer- den damit die Versichertenströme in Richtung GKV gelenkt. Die privatärzt- liche Versorgung im Krankenhaus wird ebenfalls ihren Stellenwert verlieren, wenn politische Planungen aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) reali- siert werden. Diese sehen vor, das Pri- vatliquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen durch einen pauschalen

Zuschlag zur diagnosebezogenen Fall- pauschale (Diagnosis Related Groups;

DRGs) zu ersetzen. In der Ein- führungsphase für Fallpauschalen, spä- testens im Jahr 2007, steht diese Ent- scheidung an. Das aktualisierte Chef- arzt-Vertragsmuster der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. vom Frühjahr 2003 weist bereits in Richtung Pauschalvergütung. Der Chefarzt wird zum leitenden Angestellten ohne frei- berufliche Komponenten. Anstelle des Privatliquidationsrechtes wird ihm ei- ne so genannte Beteiligungsvergütung zugestanden. Diese wird sich nach dem betriebswirtschaftlichen Erfolg des Krankenhauses richten und wesentlich davon abhängen, ob – unter Mitwir- kung des Chefarztes – Einsparpoten- ziale realisiert werden.

Die Finanzminister der Länder versu- chen mit aller Macht, Einsparungen auf dem Rücken der Ärzte und zugleich der beihilfeberechtigten Beamten zu erzie- len. Die Initiativen der SPD-regierten Länder, die Privatgebühren der Ärzte und Zahnärzte abzusenken, gehen in die Richtung. Hierzu zählen aber auch die Pläne, die Beamten in die GKV zu über- führen, unter dem Motto „Abschaffung von Privilegien“, ohne Rücksicht auf die den Krankenkassen entstehenden zu- sätzlichen Ausgaben. Die Verquickung der Rolle des Staates, über die Beihilfe als Zahlungsschuldner und über die GOÄ zugleich als Verordnungsgeber Einfluss auszuüben, zeigt das enorme Risikopotenzial für die GOÄ.

Undenkbar wäre es, die Rechtsan- waltsgebührenordnung (BRAGO) in ihrem Vergütungsniveau ebenfalls zu senken, um Rechtsuchende, aber auch Rechtschutzversicherungen vor Er- höhungen zu schützen. Mit dem gerade verabschiedeten Kostenrechtsmoderni- sierungsgesetz werden die Rechtsan- waltsgebühren um mehr als 20 Prozent angehoben, um Rechtsanwälten einen wirtschaftlichen Ausgleich seit 1994 zu

Gebührenordnung für Ärzte

Reform oder Systemveränderung?

Bundesärztekammer legt Reformkonzept vor. Veraltete GOÄ begünstigt Konflikte.

Die Zahl der Versicherten der privaten Kran- kenversicherung erhöhte sich von 15 Millio- nen (2000) über 15,3 Millionen (2001) auf 15,6 Millionen in 2002.

Grafik

Versicherte Personen

Insgesamt in Millionen Versicherte 8,0

7,5

7,0

Zusatzversicherte Vollversicherte

rd. 7,5 rd. 7,494 rd. 7,6 rd. 7,7

rd. 7,710 rd. 7,931

rd. 15,0

rd. 15,3

rd. 15,6

2000 2001 2002

Quelle:Private Krankenversicherung,Rechenschaftsbericht 2001,Köln,Juni 2003

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verschaffen – und dies, obwohl Rechts- anwaltsgebühren durch ihre Bindung an Streitwerte ohnehin dynamisiert sind. Die Ärzteschaft wartet seit An- fang 1996 auf einen Ausgleich für die wirtschaftliche und Kostenentwicklung.

Hier geschieht nichts – im Gegenteil:

Das Vergütungsniveau soll weiter redu- ziert werden, wenn es nach der Beihilfe, aber auch der privaten Krankenversi- cherung ginge. Letztere klagt über wachsende Ausgabenbelastungen und sucht die Schuld hierfür ebenfalls aus- schließlich bei der ärztlichen Vergü- tung. Dabei übersieht die PKV jedoch ihre Probleme mit der Kapitalmarkt- entwicklung, mit der viel zu spät als not- wendig erkannten Anpassung der Ster- betafeln an die steigende Lebenserwar- tung ihrer Versicherten und mit einigen weiteren hausgemachten Problemen, wie die immer höheren Abschluss- und Verwaltungs- sowie Marketingkosten.

Von der Politik wird verkannt, wel- chen Wert das gegliederte Krankenver- sicherungssystem und der Wettbewerb zwischen PKV und GKV für die Inno- vationskraft des Gesundheitswesens, aber auch für Effizienz und Qualitäts- verbesserung hat, weil die PKV einen großen Beitrag zur Finanzierung des Gesundheitswesens leistet.

Die Eliminierung der Privatliquida- tion im Krankenhaus und ihr Ersatz durch pauschale Vergütungsformen wird die Attraktivität der wahlärztlichen Be- handlung im Krankenhaus beseitigen, weil Anreize für dieses Zusatzangebot entfallen. Der leitende Krankenhausarzt wird in völliger Abhängigkeit zum Kran- kenhausträger ein pauschales Zusatzent- gelt je nach Wirtschaftslage erhalten. Die übrigen beteiligten Ärzte erhalten einen Anteil aus dem Pool.

Die Initiativen der Finanzminister, Ausgaben der Beihilfe durch Senkung von amtlichen Gebührentaxen zu reali- sieren, verkennen die Funktion einer amtlichen Taxe, nämlich der Abbildung leistungsgerechter Vergütungen für das Gesamtspektrum ärztlicher Leistun- gen. Sie ignorieren aber auch, dass die GOÄ durch die unsystematische Wei- terentwicklung ein in sich widersprüch- liches Gebührenregelwerk mit erhebli- chen Bewertungsungleichgewichten ge- worden ist. Sie nehmen offensichtlich nicht zur Kenntnis, dass die Ärzteschaft

seit der Generalreform der GOÄ im Jahr 1982 nur zweimalige Punktwertan- hebungen – 1988 um zehn Prozent, 1996 um 3,6 Prozent – für den Zeitraum von mehr als 20 Jahren erhalten hat.

Diese Entwicklungen unterstreichen aber auch, dass erheblicher Handlungs- druck für eine Weiterentwicklung der GOÄ, insbesondere die Aktualisierung des Gebührenverzeichnisses, besteht, wenn die positiven Aspekte der Ge- bührentaxe erhalten bleiben sollen. Die GOÄ als Gebührenverzeichnis ärztli- cher Leistungen sichert Transparenz und schützt damit den Patienten vor Übervorteilung. Unter der Vorausset- zung, dass sie den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft widerspie- gelt, liefert sie einen verlässlichen Maß- stab zur Vergütung ärztlicher Leistun- gen und sichert eine leistungsgerechte Vergütung, sorgt für Kalkulationssicher- heit beim Arzt und Kostenträger und sichert die wirtschaftliche Grundlage für die Erbringung innovativer Leistun- gen auf hohem Qualitätsniveau. Um diese Vorteile zu erhalten, pocht die Bundesärztekammer auf eine Moder- nisierung der GOÄ. Auch die private Krankenversicherung sieht inzwischen die Notwendigkeit, die GOÄ zum Er- halt des eigenen Profils zu reformieren.

Zielvorgaben für eine GOÄ-Reform

Das Konzept der Bundesärztekammer ist inzwischen weiter ausgearbeitet worden. Es basiert auf den Eckpunkten für das Vorschlagsmodell. Das GOÄ- Konzept der Bundesärztekammer sieht – zunächst für die operativen Leistun- gen – eine ablaufbezogene Bündelung von Einzelleistungen zu Komplex- leistungen vor, in die alle methodisch notwendigen und häufig fakultativ zusätzlich erforderlichen Maßnahmen einbezogen werden. Zudem werden verwandte Leistungen vergleichbaren Aufwandes und Schwierigkeitsgrades derselben Gebührenposition zugeord- net. Eine solche Konzentration der Leistungspositionen vereinfacht die Abrechnung, verringert Auslegungs- probleme, insbesondere mit dem Ziel- leistungsprinzip (§ 4 Abs. 2 a GOÄ), und hat mengenbegrenzende Funktio-

nen. Die Abrechnung nach einem

„Baukasten“ wird beseitigt.

Neben einer solchen Komplexlei- stung sollen weitere Leistungen bei demselben Arzt-Patienten-Kontakt nur noch im Sinne spezifisch definierter Zu- schlagsleistungen möglich sein.Als Spe- zifikum der privatärztlichen Behand- lung und des individuellen Arzt-Patien- ten-Verhältnisses muss der Arztbezug der Leistung erhalten bleiben. Fach- übergreifende Fallpauschalen, wie in DRGs oder im DRG-EBM-Fallpau- schalenkonzept, sind als Abrechnungs- grundlage für das privatärztliche Be- handlungsverhältnis nicht geeignet.

Fachgebietsbezogene Komplexe si- chern die Zuordnung zu dem die Lei- stung durchführenden Arzt und schaf- fen klare Verantwortlichkeiten. Die Leistungspositionen des Gebührenver- zeichnisses werden auf der Grundlage eines international anerkannten Klassi- fikationssystems – dem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V (OPS-301) beziehungsweise der International Classification of Procedures in Medicine (ICPM) – definiert. Damit sind die Leistungsinhalte eindeutig fest- gelegt, was zu einer größeren Akzep- tanz der vorgeschlagenen Leistungsin- halte und Strukturierung beitragen soll.

Für die Bewertungsfindung von GOÄ- Positionen werden zur Orientierung Kalkulationen in erster Linie für die Höhe der jeweiligen Sachkosten einer Leistung herangezogen, allerdings mit – bezogen auf die privatärztliche Versor- gung – veränderten Kalkulationsprä- missen. Eine allein kostenorientierte Bewertung der Leistungen widerspricht dem Preischarakter einer Gebührenta- xe und ist deshalb ergänzungsbedürftig durch den Abgleich mit dem derzeiti- gen Liquidationsniveau ärztlicher Lei- stungen. Außerdem ist ein Horizontal- vergleich innerhalb der verschiedenen Fachgruppen notwendig. Auf der Grundlage dieser Eckpunkte wird die Bundesärztekammer die konzeptionel- len Vorbereitungen vorantreiben. Die damit erreichte Entlastung des Ver- ordnungsgebers soll dazu beitragen, die Eigenständigkeit und den Stellenwert der privatärztlichen Gebührentaxe und der privatärztlichen Versorgung zu

erhalten. Renate Hess

Bundesärztekammer, Köln P O L I T I K

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