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Archiv "Mit deutschen Ärzten auf Erkundungskurs: Fernost Notizen von einer Studienreise der Hans-Neuffer-Stiftung nach Japan, Hongkong und Thailand - Vierte Fortsetzung" (30.10.1975)

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Academic year: 2022

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Knapp zweieinhalb Stunden nach dem Start vom Hongkonger Flug- hafen Kai Tak, dessen langer Be- tonpistendamm sich aus der berge- flankierten Bucht wie ein Riesenfin- ger weit in das Meer tastet, hatte die Düsenmaschine Bangkok er- reicht: Krung Thep — „Stadt der Engel" — ist in der blumigen Lan- dessprache der Name (dem auch, freilich oft mit eigener Sinnunterle- gung, von vielen Fremden der Vor- zug gegeben wird seit Beginn jener

„Etappenjahre", als immer mehr US-Soldaten, eingeflogen von den damaligen Kriegsschauplätzen des nahen Südvietnam, hier jeweils ei- nige hektische Tage dollarintensi- ver Ausspannung vor dem erneu- ten Fronteinsatz verbringen durf- ten). Die — mittlerweile abklingen- de — „Amerikaner-Ära" und der rasch weiter wachsende Zustrom erlebnishungriger Touristik-Invaso-

ren insbesondere aus Europa ha- ben das Gesicht der modernen Tei- le Bangkoks wesentlich geprägt, sie mit einer Vielzahl von Hotelpa- lästen, Renommierläden, Vergnü- gungsetablissements, Bank- und Handelsniederlassungen deutlich

„verwestlicht". Doch das Leben in der verkehrsreichen Hauptstadt, die etwa drei Millionen Einwohner zählt, spiegelt nur wenig von dem Heute in den übrigen Bereichen dieses tropischen Entwicklungslan- des unter konstitutioneller Monar- chie wider, das mit 514 000 Qua-

dratkilometer Fläche gut doppelt so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland und sich stolz „Muang Thai" nennt, Land der Freien').

III. Thailand

Hat hier beispielsweise der Aufbau des Gesundheitswesens, gemessen an dem anderer Staaten Südostasi- ens, auch schon einen beachtli- chen Stand erreicht — seine be- drückende Schwäche, den noch katastrophalen Ärztemangel, ma- chen diese Zahlen deutlich: Mit ei- ner geschätzten Gesamtbevölke- rung von rund 38,5 Millionen Men- schen verfügte Thailand nach einer amtlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1973 über kaum mehr als 5500 wissenschaftlich aus- gebildete Ärzte. Das Umrech- nungsergebnis — ein Arzt je etwa 7000 Einwohner — würde jedoch das Bild der Wirklichkeit grob ver- zerren. Denn 2900 der Ärzte waren allein in Bangkok und dem benach- barten Thon Buri tätig. Den verblei- benden rund 2600 Ärzten war somit

— zumindest theoretisch — aufer- legt, die gesamte ländliche Bevöl- kerung, die immerhin etwa 80 Pro- zent ausmacht, sowie die Bewoh- ner der kleineren Städte in allen übrigen Regionen Thailands ge- sundheitlich zu versorgen. Dort lag die Relation Ärzte/Einwohner zum Zeitpunkt der Erhebungen bei Wer- ten, die teils bis zu 1 zu 19 000

An einen Elefantenkopf, dessen Rüs- sel gen Malaysia ragt, erinnert der Um- riß des thailändischen Festlandes, das in Nord-Süd-Richtung rund 1650 km, von West nach Ost etwa 800 km mißt ...

Kernstück ist die bis vor Bangkok rei- chende, nahezu 30 000 qkm große au- ßerordentlich fruchtbare Ebene beider- seits des in den Golf von Siam mün- denden langen Menam-Stroms. Sie ist die „Reisschale" der nahezu 40 Millio- nen Bewohner, zum weit überwiegen- den Teil Buddhisten; eine kleinere Be- völkerungsgruppe stellen die Moslems und, in geringerer Zahl, Christen, die zumeist protestantischen Sekten ange- hören Karte: Michael Rolland

reichten! Welch ein gigantisches, absolut unausfüllbares Tätigkeits- feld, selbst wenn man die Unter- stützung durch sehr zahlreich ein- gesetzte, allerdings meist nur spär- lich ausgebildete, Sanitätshelfer in Rechnung stellt und einräumt, daß gerade in manchen ländlichen so- wie insbesondere in entlegenen Gebirgsgegenden immer noch ein gewisser Teil der Bevölkerung oh-

1) Thailand — früher Siam genannt — ist in seiner Geschichte niemals von einer Kolonialmacht besetzt gewesen. Auch die Amerikaner haben sich die Errich- tung einiger Flugstützpunkte (die jetzt bald zur Räumung anstehen) nur auf der Basis langwierig ausgehandelter Verträge sichern können.

Mit deutschen Ärzten

auf Erkundungskurs Fernost

Notizen von einer Studienreise der Hans-Neuffer-Stiftung nach Japan, Hongkong und Thailand

Hans Reimar Stelter

Vierte Fortsetzung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 30. Oktober 1975 3063

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Fernost-Studienreise

nehin lieber wie eh und je zu- nächst Rat bei einem der „weisen Naturheiler" sucht, die — ähnlich wie beispielsweise in Hongkong — bisher von den Mittlern der moder- nen westlichen Medizin keines- wegs verdrängt werden konnten.

So sehen sich die Koalitionsregie- rung Seiner Majestät König Bhumi- phol Adulyadej in Bangkok, nach Ablösung langer Herrschaft der Mi- litärs derzeit von dem zu demokra- tischen Formen strebenden Mini- sterpräsidenten Seni Pramoi (70) geführt, ebenso wie die nachfol- genden Kabinette in den entschei- denden Bereichen des öffentlichen Gesundheitswesens beklemmend großen Aufgaben gegenüber.

Arztdichte-Ziel: 1 zu 3500

Wenn das gegenwärtige Wachstum der Bevölkerung unverändert an- halte, werde Thailand in etwa 20 Jahren rund 70 Millionen Bewohner haben, prognostizierte das zustän- dige Ministerium 2) schon vor zwei Jahren; ihnen würden, erhöhe man die Kapazität der medizinischen Ausbildungsstätten — seinerzeit 300 Ärzte jährlich — nicht zügig weiter, dann nur 11 000 appro- bierte Doktoren gegenüberste- hen. Zur Sicherung einer befriedi- genden ärztlichen Versorgung wer- de man aber mindestens 20 000 be- nötigen (Arztdichte: 1 zu 3500). Es sei darum ein zwingendes Gebot, die Heranbildung von Medizinern ebenso wie die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes stetig dem steigenden Bedarf der rasch wach- senden Bevölkerung anzupassen, Quantität ebenso wie Qualität zu erhöhen mit dem Ziel einer

„gleichmäßig guten gesundheitli- chen Betreuung der Bewohner im ganzen Land" (von der man gegen- wärtig eingestandenermaßen noch sehr, sehr weit entfernt ist).

Nach Meinung des zitierten Mini- steriums dürfte es bei schrittweiser Ankurbelung der Medizinerausbil- dung in naher Zukunft gelingen, bis zu 500 Studenten jährlich zur Ap-

probation zu führen. Eine weitere Erhöhung dieser Zahl wird nach der Errichtung einiger in den länd- lichen Provinzen geplanten Hoch- schulen erwartet, die — wie die Prince of Songkhla University in Songkhla und die Khon Kaen Uni- versity (siehe Karte auf Seite 3063)

— die vier medizinischen Uni- versitäten des Landes entlasten sollen. Das nächstgrößte Problem freilich, trotz des mächtigen Sogs des Ballungsgebiets Bangkok ei- nen weit größeren Teil der verfüg- baren Ärzte als bisher zur ständi- gen Tätigkeit auf dem Land zu be- wegen (die einzige größere Stadt außer der Metropole ist Chiang Mai im Norden mit allerdings nur etwa 80 000 Einwohnern bei einem Ge- samteinzugsgebiet dieser Provinz von mehr als einer Million Men- schen), will die Regierung noch ra- scher angehen. Hier sind finanziel- le Anreize und zinsgünstige Kredite zur Förderung der Niederlassung in freier Praxis, aber auch Vergün- stigungen bei der Aufnahme einer Tätigkeit in den Hospitälern im Ge- spräch.

Die Unterstellung indes, dem noch so außerordentlich großen Ärzte- mangel in Thailand werde mögli- cherweise mit gewissen Konzessio- nen in der Ausbildungsqualität Rechnung getragen, wäre völlig falsch. Die knappe Zahl der verfüg- baren Studienplätze bereits zwingt zu einem strengen Auswahlverfah- ren. Von den etwa 40 000 Studien- bewerbern für alle Fakultäten der Universitäten des Landes werden alljährlich nur knapp 15 000 aufge- nommen, davon derzeit rund 400 für das Fach Medizin. Hier ist eine verhältnismäßig schwierige Auf- nahmeprüfung abzulegen, die au- ßer Biologie, Chemie, Physik, Ma- thematik auch Englisch umfaßt.

Gelingt es dem Bewerber, durch diese — dem Numerus clausus ähnliche — enge Zulassungstür zu schlüpfen, so stehen ihm während der zwei ersten, naturwissenschaft- lich ausgerichteten Studienjahre zwei Zwischenexamina bevor;

strenge Wissens- und Leistungs- kontrollen dieser Art begleiten ihn auch in den folgenden zwei Jahren

der klinischen Ausbildung, an die sich dann das schriftliche Staats- examen anschließt: Der junge

„Doctor of Medicine" — er führt die Titelabkürzung, meist ein

„M. D.", wie in den englischspre- chenden Ländern üblich, hinter seinem Namen — muß danach noch ein „Internship training" ab- solvieren, das mit der Medizinalas- sistentenzeit vergleichbar ist, ein Jahr dauert und ihm, allerdings ohne erneute Prüfung, die Appro- bation bringt. Will er sich speziali- sieren, hat er eine dreijährige Wei- terbildungszeit mit Schlußexamen vor einer staatlichen Prüfungskom- mission vor sich.

Der frisch approbierte Arzt, so er- fuhren die Teilnehmer der deut- schen Studiendelegation bei ihren Gesprächen mit thailändischen Kollegen in Bangkok und in Chiang Mai, sei im Regelfall verpflichtet, zunächst drei Jahre lang im Staats- dienst tätig zu werden. Diese Ein- engung, meist verbunden mit ge- nauer Ortszuweisung, wird vor dem Hintergrund der krassen ärztlichen Unterversorgung der Bevölkerung in weiten Teilen des Landes und auch angesichts der Tatsache ver- ständlicher, daß etwa die Hälfte der Medizinstudenten ihre Ausbil- dung aus gezielt aufgebrachten privaten Unterstützungsgeldern oder teils auch aus regional ausge- setzten behördlichen Förderungs- mitteln finanzieren.

Niedrige Gehälter, aber rege Nebentätigkeit

Das Gehaltsniveau ist zweifellos kaum eine Lockung, die Dauer- existenz in den Einrichtungen des Gesundheitsdienstes zu suchen.

Ein Assistenzarzt an einem staatli- chen Krankenhaus darf zum Bei- spiel nur mit etwa 4000 Baht (etwa 570 DM) monatlich rechnen, wovon gegebenenfalls noch Anteile für Verpflegung und Unterbringung ab- gezogen werden (eine voll ausge- bildete Krankenschwester bringt es

2) „Public Health in Thailand", 1973, Mi- nisterium für das öffentliche Gesund- heitswesen, Bangkok.

3066 Heft 44 vom 30. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

1967 Bevölkerungs-

zahl (geschätzt), jeweils

zur Jahresmitte

(in Millionen) 31,157 Rate der Le-

bendgeburten je

1000 Einwohner 35,8 37,3 Sterberate je

1000 Einwohner 7,4 7,3 Jährlicher

Bevölkerungs- zuwachs in Pro- zent

Säuglingssterb- lichkeit je 1000 Lebendgebore- ne 3)

Müttersterblich- keit je 1000 Ge- burten

Erfaßte Totge- burten je 1000 Geburten

34,3 33,7 34,5

27,9

2,8

1,7 2,8

26,5

2,7

1,6 3,0

26,2

2,6

1,6 2,7 7,4

25,5

2,3

1,5 2,7 6,6

22,5

2,1

1,3 2,8 6,4 1968

31,839

1969

33,021

1970

34,004

1971

35,361 Tabelle 6: Angaben aus der Bevölkerungsstatistik Thailands für die Jahre 1967 bis 1971

Quelle: „Public Health in Thailand", 1973, Ministerium für das öffentliche Ge- sundheitswesen, Bangkok.

3) Auf die weitgehende Unverwertbarkeit dieser außerordentlich lückenhaften Angaben im internationalen Vergleich wird auf Seite 3068 eingehend erläuternd hingewiesen.

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Fernost-Studienreise

auf 300 DM, eine Schwesternhelfe- rin auf 200 DM); allerdings hat er ebenso wie seine vorgesetzten Kol- legen mit entsprechend bescheide- nen Gehältern - quasi im Beam- tenstatus - später ein gewisses Altersruhegeld zu erwarten, eine Seltenheit in diesem Land, das bis- her weder eine gesetzliche Renten- versicherung, noch eine obligatori- sche Krankenversicherung kennt.

Den Ärzten im Staatsdienst ist es außerdem gestattet, ihr Einkom- men durch ärztliche Nebentätigkeit außerhalb des Hospitals aufzubes- sern, wovon offenbar rege Ge- brauch gemacht wird. Und auch bei privat vorgenommenen Untersu- chungen und Behandlungen jen- seits der jeweiligen Dienstzeit in der Klinik drücken die Verwaltun- gen, wie den deutschen Besuchern versichert wurde, meist beide Au- gen zu. Machen sie Privatpraxis, so vereinbaren die Ärzte - eine ver- bindliche Gebührenordnung gibt es nicht - das Honorar mit ihren Pa- tienten im voraus und orientieren sich dabei an deren sozialer Stel- lung oder Einkommenslage.

Freie Heilfürsorge,

keine gesetzliche Alterssicherung In den staatlichen Krankenhäusern, die zusammen mit zahlreichen klei- neren, weit über das Land verteil- ten „Gesundheitsstationen" die ambulante und stationäre ärztliche Versorgung der Bewohner so weit wie derzeit eben möglich zu ge- währleisten versuchen, gilt für die Patienten das Prinzip der kostenlo- sen Heilfürsorge; auch hier ver- schriebene Medikamente aller Art werden gebührenfrei abgegeben.

Die verhältnismäßig wenigen Pri- vatkliniken, die - vom „reicheren"

Bangkok abgesehen - in Thailand unterhalten und im wesentlichen von wohlhabenden Bürgern sowie von gutsituierten Ausländern in An- spruch genommen werden, erhe- ben dagegen im Regelfall Behand- lungsgebühren und Pflegesätze, die sich naturgemäß am Prinzip der Kostendeckung orientieren müssen. Aus dem für viele soziale Großaufgaben ohnehin überbean-

spruchten Staatssäckel werden hier keine Zuschüsse geleistet;

mitunter ermöglichen größere Fir- men jedoch Arbeitnehmern in be- stimmten dringenden Fällen die stationäre Behandlung in solchen privaten Kliniken durch Zahlung von Beihilfen.

Ein Beispiel mag in diesem Zusam- menhang andeuten, wie in etwa die soziale Situation derjenigen - noch relativ gut verdienenden - thailändischen Bürger einzuschät- zen ist, die in soliden mittleren In- dustriebetrieben arbeiten. Der Sprecher eines Bangkoker Zweig- werkes der pharmazeutischen In- dustrie, das von der deutschen Ärztedelegation besichtigt werden konnte, bezifferte den dortigen Mindestlohn eines Arbeiters bei 40 Wochenstunden auf etwa 1000 Baht

(knapp 150 DM) monatlich, wozu gegebenenfalls Zuschläge für Überstunden (50 Prozent) und für Feiertagsarbeit (100 Prozent) kom- men. Da der Staat den Arbeitneh- mern nur außerordentlich minimale Sozialleistungen gewährt, wenn sie aus Gesundheits- oder Altersgrün- den aus dem Erwerbsleben aus- scheiden, hat diese Firma einen Fonds eingerichtet, in den für je- den Beschäftigten je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit jährlich fünf bis sieben Prozent eines Jah- reseinkommens fließen. Dieses Guthaben, das auch beleihbar ist, wird bei Pensionierung (oder auch bei Kündigung) des Arbeitnehmers als Abfindung fällig. Mag solcherlei freiwillige betriebliche Versor- gungshilfe insbesondere für den Lebensabend auch bescheiden an- muten - in Thailand bedeutet sie

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 30. Oktober 1975 3067

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Fernost-Studienreise

sehr viel. Aber nur etwa fünf Pro- zent sämtlicher hier tätigen Indu- strieunternehmen unterhalten ein ähnliches „Provident Fund"-System.

Angesichts des Fehlens jeder nen- nenswerten finanziellen Altersabsi- cherung vor allem für die Bewoh- ner der weiten ländlichen Gebiete ist der Wunsch dieser Menschen nur zu verständlich, in jungen Jah- ren möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, die später die Ver- sorgung ihrer Eltern übernehmen können. Warnungen der Regierung im fernen Bangkok vor einer in ab- sehbarer Zeit drohenden Überbe- völkerung, mit der die Sozialmaß- nahmen nicht annähernd Schritt halten könnten, Appelle zur Fami- lienplanung mit verstärkten Aufklä- rungsfeldzügen richten da nur ver- hältnismäßig wenig aus: Die Durchschnittsfamilie hat hier fünf oder mehr Kinder. Nur sehr lang- sam zeitigt die Propagierung des Gebrauchs von oralen Kontrazepti- va, von Intrauterinpessaren oder Kondomen geringe Erfolge, zwei- fellos zusätzlich stark behindert durch den noch sehr weit verbrei- teten Analphabetismus (obwohl Kinder im Alter von sieben bis 14 Jahren „dem Gesetz nach" der all- gemeinen Schulpflicht unterliegen, können groben Schätzungen zufol- ge nur etwa 30 Prozent der Bevöl- kerung lesen).

Das ebenfalls behördlich emp- fohlene Mittel der Vasektomie wird von den Männern kaum in An- spruch genommen; der Schwan- gerschaftsabbruch ist in Thailand ohnehin nicht zugelassen. So be- trägt der jährliche Zuwachs der Bevölkerungszahl seit Jahren etwa 2,7 bis 2,8 Prozent bei einer Gebur- tenrate (erfaßte Lebendgeburten), die um Werte von etwa 34 je tau- send Einwohner pendelt (Tabelle 6). 45 Prozent der Bewohner sind gegenwärtig jünger als 14 Jahre.

Sehr hohe Säuglingssterblichkeit Die statistischen Angaben zur Säug- lingssterblichkeit — für das Jahr 1971 beispielsweise wurde diese Rate auf 22,5 je tausend Lebendge-

borene beziffert — müssen freilich als absolut unzuverlässig und als nicht vergleichbar mit den bei- spielsweise für europäische Länder ermittelten Zahlen (Bundesrepublik Deutschland 1971: 23,1) bezeichnet werden: Kinder, die bereits am er- sten Tag nach der Geburt sterben, werden bei den statistischen Erhe- bungen in Thailand nicht als Le- bendgeborene gezählt; zudem müssen Geburten dort überhaupt erst im Verlauf der ersten 15 Le- benstage des Kindes gemeldet werden. Diese Eintragung in das Register unterbleibt naturgemäß sehr oft dann, wenn das Neugebo- rene die Zeit bis zum Meldetermin nicht überlebt hat; auch ein gewis- ser Teil der späteren Todesfälle während des ersten Lebensjahres, vor allem in manchen entlegenen Gebirgsflecken oder Waldsiedlun- gen, wird zweifellos — trotz Melde- pflicht — von der Statistik nicht er- faßt.

Die tatsächliche Höhe der Säug- lingssterblichkeit läßt sich aus diesen Gründen auch kaum schät- zen. Etwa drei Viertel aller Gebur- ten, so hieß es in Gesprächen mit thailändischen Ärzten erläuternd, seien noch Hausentbindungen, bei denen Mindestanforderungen der Hygiene — weil weitgehend unbe- kannt oder auch bei schlechten Wohnverhältnissen nicht realisier- bar — größtenteils außer acht ge- lassen werden, und bei denen im Regelfall einer der in der betreffen- den Region tätigen überlasteten Ärzte nicht zugegen sein kann.

Hier leisten erfahrene Frauen aus der Sippe meist Hilfe, häufig außer- dem Midwives („Hebammen") mit freilich vorwiegend geringem fach- lichen Wissen. Die Rate der Müt- tersterblichkeit soll — rückläufig — dennoch bei lediglich etwa 2,1 je tausend Geburten (1971) liegen, die der Totgeburten bei rund 1,3.

• Wird fortgesetzt.

Anschrift des Verfassers:

Hans Reimar Stelter 5 Köln 40 (Lövenich) Dieselstraße 2

AUS ALLER WELT

WHO

Indien pockenfrei?

Mit überschwenglichen Worten fei- erte der Generaldirektor der Welt- gesundheitsorganisation, Dr. Half- dan Mahler, in einer Pressekonfe- renz Mitte August in Neu Delhi die Tatsache, daß bereits elf Wochen vergangen seien, ohne daß noch ein Pockenfall in Indien festgestellt worden sei. Damit könne man Indi- en als „pockenfrei" ansehen, wenn auch von einer „Ausrottung" der Pocken erst die Rede sein dürfe, wenn der Zustand der „Pockenfrei- heit" mindestens zwei Jahre unun- terbrochen anhalte. Die Tatsache, daß so viele Wochen ohne das Auf- finden eines Pockenfalles vergan- gen sind, gibt allerdings zu gewis- sem Optimismus Anlaß: Immerhin hat das indische Gesundheitsmini- sterium einen Preis von 1000 Rupi- en ausgesetzt für jeden, der einen Pockenfall auffindet. Täglich gehen über tausend Meldungen von Ver- dachtsfällen ein, die auch sofort nachgeprüft werden — bisher war keiner davon als Pocken zu dia- gnostizieren.

Andererseits: Indien ist nach wie vor gefährdet, weil das benachbar- te Bangla Desh noch als pocken- verseucht zu gelten hat. 131 Dörfer in Bangla Desh mit Pockenfällen sind bekannt; in einem Fall liegt eine solche Gemeinde wenige hun- dert Meter von der indischen Gren- ze entfernt. Die Grenzübergänge von Bangla Desh, das Grenzgebiet selbst, aber auch die in Frage kom- menden Eisenbahnstationen, Flug- häfen und Pilgerstätten werden, wie in der gleichen Pressekonfe- renz der Staatssekretär .im Ge- sundheitsministerium, Kartar Singh, betonte, überprüft.

Falls es, wie die WHO hofft, in Ban- gla Desh bis zum Herbst dieses Jahres gelingt, auch dort die Pok- ken zu beseitigen, könnten sie im Herbst 1977 für ganz Asien als aus- gerottet erklärt werden. Als einzi- ges Land außerhalb Asiens, in dem noch Pocken endemisch sind, ist zur Zeit Äthiopien bekannt. WHO/bt

3068 Heft 44 vom 30. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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