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Kolloidale Dispersionen in nematischen Flüssigkristallen

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Kolloidale Dispersionen in

nematischen Fl¨ ussigkristallen

Diplomarbeit vorgelegt von

Matthias Huber

LS Maret Fachbereich Physik

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion Universit¨at Konstanz

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Kolloidale Dispersionen in

nematischen Fl¨ ussigkristallen

Diplomarbeit vorgelegt von

Matthias Huber

LS Maret Fachbereich Physik

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion Universit¨at Konstanz

Hauptberichter: PD Dr. Holger Stark Mitberichter: Prof. Dr. Rudolf Klein

November 2003

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Inhaltsverzeichnis

1 Einf¨uhrung 3

2 Grundlagen 6

2.1 Fl¨ussigkristalle . . . 6

2.2 Der nematisch-isotrope Ordnungsparameter . . . 8

2.2.1 Mikroskopischer Zugang: der Maier-Saupe-Ordnungsparameter . . . 9

2.2.2 Makroskopischer Zugang: der tensorielle Ordnungsparameter . . . 10

2.2.3 Das Maß f¨ur die Biaxialit¨at . . . 12

2.3 Topologische Defekte in nematischen Fl¨ussigkristallen . . . 13

2.3.1 Ordnungsparameterraum . . . 14

2.3.2 Homotopiegruppen . . . 14

2.3.3 Liniendefekte in uniaxialen Nematen . . . 15

2.3.4 Punktdefekte in uniaxialen Nematen . . . 15

2.3.5 Defekte in biaxialen Nematen . . . 17

2.4 Der nematisch-isotrope Phasen¨ubergang . . . 18

2.4.1 Landau-Theorie . . . 18

2.4.2 Die freie Energie nach der Landau-de Gennes-Theorie . . . 19

2.5 Verzerrungen im Fl¨ussigkristall . . . 20

2.5.1 Elastische Freie Energie im Direktorbild . . . 21

2.5.2 Elastische Freie Energie im Tensorbild . . . 23

2.6 Oberfl¨achenenergie . . . 24

2.7 Skalierung der freien Energie . . . 25

2.8 Euler-Lagrange Gleichungen . . . 27

2.8.1 Euler-Lagrange-Gleichungen in kartesischen Koordinaten . . . 27

2.8.2 Euler-Lagrange-Gleichungen in sph¨arischen Koordinaten . . . 28

2.9 Oberfl¨acheninduzierte Ordnung oberhalbTc . . . 30

2.9.1 Benetzung und Benetzungs¨uberg¨ange . . . 31

2.9.2 Benetzungs¨uberg¨ange bei hom¨ootroper Verankerung . . . 31

2.9.3 Benetzungs¨uberg¨ange bei planarer Verankerung . . . 34

(4)

3 Numerische Methoden 37

3.1 Problemstellung . . . 37

3.2 Bildung der numerischen Ableitungen . . . 38

3.3 Newton-Gauß-Seidel-Verfahren . . . 40

3.4 Koordinaten-Gitter . . . 41

3.5 Adaptives Gitter . . . 42

3.6 Behandlung derz-Achse bei sph¨arischen Euler-Lagrange-Gleichungen . . . 45

4 Durchf¨uhrung und Ergebnisse 49 4.1 Benetzung ebener Oberfl¨achen . . . 50

4.1.1 Benetzung bei hom¨ootroper Verankerung . . . 50

4.1.2 Benetzung bei planarer Verankerung . . . 53

Minimierung nach den Parametern p und η gem¨aß Sluckin und Po- niewierski . . . 53

L¨osung der allgemeinen Euler-Lagrange-Gleichungen mit vereinfach- tem Oberfl¨achenpotential . . . 56

L¨osung der Euler-Lagrange-Gleichungen mit allgemeinem Oberfl¨achen- potential . . . 59

4.2 Planare Verankerung auf sph¨arischen Kolloidoberfl¨achen . . . 63

4.2.1 Boojum-Defektkonfiguration . . . 63

4.2.2 Tetraeder-Defektkonfiguration . . . 68

4.2.3 Stabilit¨atsuntersuchung . . . 74

5 Zusammenfassung und Ausblick 76 6 Anhang 79 6.1 Herleitung des Gradienten eines Tensors in krummlinigen Koordinaten. . . 79

6.2 Numerische Ableitungen f¨ur verschiedene benachbarte Schrittweiten . . . . 81

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Kapitel 1 Einf¨ uhrung

Das Gebiet der Fl¨ussigkristalle ist ein Beispiel daf¨ur, dass physikalische Grundlagenfor- schung wegweisend f¨ur die Entwicklung weit verbreiteter technologischer Anwendungen sein kann. 1888 entdeckte F. Reinitzer, dass manche organische Molek¨ule einen Aggre- gatszustand einnehmen k¨onnen, der sich zwischen dem fl¨ussigen und dem kristallin-festen Zustand befindet. Die Stoffe besitzen einerseits eine ¨ahnliche Viskosit¨at wie Fl¨ussigkeiten, weisen aber andererseits aufgrund einer weitreichenden Orientierungsordnung der langge- streckten Molek¨ule auch anisotrope dielektrische, magnetische und optische Eigenschaften auf. Die einfachste Orientierungsordnung liegt in der nematischen Phase vor, in der sich st¨abchenf¨ormige Molek¨ule entlang einer gemeinsamen mittleren Vorzugsrichtung ausrich- ten. Diese wird von einem Vektor, genannt Direktor, angezeigt. Die Erforschung fl¨ussigkri- stalliner Phasen gipfelte fast ein Jahrhundert nach ihrer Entdeckung in der Entwicklung der Schadt-Helfrich-Zelle [26]. Ihr Prinzip beruht auf der Erkenntnis, dass sich eine globale Orientierungsordnung der Molek¨ule durch ¨außere Felder oder begrenzende Oberfl¨achen ma- nipulieren l¨asst. Seither sind Fl¨ussigkristallanzeigen (

”Liquid Crystal Displays“) aufgrund ihres geringen Spannungs- und Leistungsbedarfs in der Mikroelektronik weit verbreitet.

Neue interessante Perspektiven zur Grundlagenforschung bieten kolloidale Dispersio- nen in nematischen Fl¨ussigkristallen. 1996 gelang es Philippe Poulin, Wassertr¨opfchen in einem Fl¨ussigkristall zu dispergieren und weitreichende Wechselwirkungen zwischen den Tr¨opfchen zu beobachten. Diese r¨uhren daher, dass die Tr¨opfchen die globale Orientie- rungsordnung der Molek¨ule st¨oren und Deformationen in der Vorzugsrichtung vorliegen.

Die Kolloide werden durch ¨Uberlappung der radialen Direktorfelder um ihre Oberfl¨achen dazu veranlasst, sich in einer kettenartigen Stuktur anzuordnen. Diese Wechselwirkungen zwischen dispergierten Kolloiden in Fl¨ussigkristallen wurden in der Theorie von H. Stark, T.C. Lubensky, D. Pettey und N. Currier u.a.m. [1, 3, 15, 30, 31] untersucht.

Unter den Arbeiten, die ideengebend f¨ur die vorliegende Arbeit waren, nimmt die Ver¨offentlichung von D. Nelson [18] eine zentrale Stellung ein. Diese befasst sich mit ei- ner Ummantelung von Kolloidoberfl¨achen mit anisotropen Molek¨ulen wie halbleitenden Nanost¨abchen oder Molek¨ulen einer nematischen fl¨ussig-kristallinen Phase. Dabei wird die Entstehung von zwei oder vier topologischen Defekten, d.h. Singularit¨aten im Direktor- feld, auf der Kolloidoberfl¨ache vorausgesagt. Im energetischen Grundzustand liegen diese

(6)

Abbildung 1.1: Die durch ein Direktorfeld beschriebene Orientierungsordnung auf ei- nem sph¨arischen Teilchen. (a): Auf dem Nord- und S¨udpol befinden sich Defekte mit der topologischen Ladung +1. (b): Zwei Ansichten einer Konfiguration , bei der vier Defekte der Ladung 1/2 auf den Eckpunkten eines Tetraeders liegen. Aus [18].

entweder diametral auf der Kolloidoberfl¨ache (

”Boojum“-Konfiguration, s. Abbildung 1.1 oben) oder im Fall von vier Defekten auf den Eckpunkten eines Tetraeders, der von der Kolloidsp¨are umschlossen wird (s. Abbildung 1.1 unten). Durch eine Aufspaltung der De- fekte kann ein ¨Ubergang der

”Boojum“-Konfiguration in die Tetraeder-Konfiguration erfol- gen. Letztere er¨offnet die Aussicht auf kolloidale Bindungen, die vergleichbar sind mit der Bindung sp3-hybridisierter Atome wie Kohlenstoff, Germanium oder Silizium. In [18] wird dazu beispielsweise die Verwendung von DNA-Molek¨ulen vorgeschlagen, die sich an den De- fektkernen verschiedener Kolloide verankern. Mittels einer solchen Vierfachbindung w¨are es m¨oglich, kolloidale Kristalle mit einer sehr großen photonischen Bandl¨ucke zu bilden.

Tetravalente Kolloide k¨onnten außerdem als Modellsysteme f¨ur die Bildung organischer Molek¨ule dienen, mit deren Hilfe auch in der Biologie Erkenntnisse ¨uber Strukturbildun- gen als Voraussetzung zur Entstehung h¨oher organisierter Organismen und Lebewesen zu gewinnen w¨aren.

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob sich solche tetravalenten Strukturen auf Kolloidoberfl¨achen in einem Fl¨ussigkristall oberhalb des nematisch-isotropen Phasen¨uber- gangs im Rahmen nematischer Benetzungsschichten realisieren lassen. Im Gegensatz zu den Berechnungen der zweidimensionalen nematischen Ordnung auf der Oberfl¨ache in [18]

sind hierzu dreidimensionale Betrachtungen n¨otig. Die Landau-de Gennes-Theorie liefert die M¨oglichkeit, oberfl¨acheninduzierte Ordnung und Benetzungsph¨anomene thermodyna- misch zu beschreiben. Ihr liegt ein tensorieller Ordnungsparameter zu Grunde, dessen Ei- genwerte und Eigenvektoren die Orientierungsordnung eines Fl¨ussigkristalls angeben. Das Hauptproblem in dieser Arbeit besteht nun darin, ein Oberfl¨achenpotential zu finden, mit

(7)

dem in nematischen Benetzungsfilmen eine Vorzugsrichtung innerhalb der Oberfl¨ache reali- siert werden kann. Dieses Problem wird dadurch gel¨ost, dass eine planare Verankerung der Molek¨ule auf der Oberfl¨ache das Entstehen einer biaxialen Orientierungsordnung erlaubt.

Diese besitzt eine Vorzugsachse, die innerhalb der Kugeloberfl¨ache liegt und die Ausbildung topologischer Defekte erm¨oglicht.

Im zweiten Kapitel dieser Ausarbeitung wird das n¨otige Grundwissen ¨uber die Landau- de Gennes-Theorie, topologische Defekte und oberfl¨acheninduzierte Ordnung vermittelt.

Daraufhin werden in Kapitel 3 die numerischen Methoden erl¨autert, mit denen eine ther- modynamisch stabile Orientierungsordnung eines Fl¨ussigkristalls an einer Kolloidoberfl¨ache berechnet werden soll. In der Durchf¨uhrung in Kapitel 4 wird zuerst ausf¨uhrlich die Ent- stehung biaxialer Benetzungsfilme an ebenen Oberfl¨achen untersucht. Basierend auf den dadurch erzielten Ergebnissen zeigt sich, dass eine biaxiale Orientierungsordnung auch auf sph¨arischenOberfl¨achen m¨oglich ist. Diese erlaubt die Entstehung der gesuchten Tetraeder- Defektkonfiguration, die sich als thermodynamisch stabil erweist.

(8)

Kapitel 2 Grundlagen

In diesem Kapitel sollen folgende Inhalte vermittelt werden, die f¨ur das Verst¨andnis der durchgef¨uhrten Arbeit n¨otig sind:

• Der Begriff der nematischen Fl¨ussigkristalle wird erkl¨art.

• Um das Phasenverhalten der nematischen Fl¨ussigkristalle und ihre Orientierungsord- nung darzustellen, ist die Einf¨uhrung eines tensoriellen Ordnungsparameters erfor- derlich.

• Da sich diese Arbeit mit der Entstehung topologischer Defekte besch¨aftigt, werden die Grundlagen zu deren Klassifizierung bereitgestellt.

• Fl¨ussigkristalline Systeme werden thermodynamisch mit der Landau-de Gennes-The- orie beschrieben. Darin wird eine freie Energie f¨ur das fl¨ussigkristalline Volumen als Entwicklung des Ordnungsparameters eingef¨uhrt. Zus¨atzlich wird eine freie Ener- giedichte f¨ur Deformationen des Fl¨ussigkristalls und f¨ur die begrenzende Oberfl¨ache vorgestellt.

• Durch die Minimierung der freien Energie werden in Abschnitt 2.8 die Euler-Lagrange- Gleichungen hergeleitet. Sie werden in der vorliegenden Arbeit f¨ur den Fall einer ebe- nen Oberfl¨ache sowie f¨ur eine Verankerung der Fl¨ussigkristalle auf einer sph¨arischen Kolloidoberfl¨ache gel¨ost.

• Da die durch Kolloidoberfl¨achen induzierte Orientierungsordnung eines nematischen Fl¨ussigkristalls untersucht werden soll, werden grundlegende Begriffe zur Benetzung erl¨autert. Außerdem wird ein ¨Uberblick ¨uber vorangegangene Arbeiten zur ober- fl¨acheninduzierten Ordnung verschafft, an die die vorliegende Arbeit ankn¨upft.

2.1 Fl¨ ussigkristalle

In der Natur existieren Stoffe, vor allem organische Verbindungen, die zwischen dem kristallin-festen und dem isotrop-fl¨ussigen Aggregatzustand die Existenz einer Zwischen-

(9)

Abbildung 2.1: Nematogene: Oben: P-Azoxyanisol (PAA); Unten:N(-p- Methoxybenzyliden)-Butylanilin (MBBA). Aus [4]

phase aufweisen, die sowohl Eigenschaften einer Fl¨ussigkeit als auch die eines kristallinen Festk¨orpers besitzt. Diese Phasen werden mesomorphe Phasen oder kurz Mesophasen ge- nannt. Wie bei einer Fl¨ussigkeit befinden sich die Molek¨ule einer Mesophase in einem ungeordneten Zustand und erlauben keine statische Scherspannung. Die Mesophase unter- scheidet sich vom kristallinen Festk¨orper außerdem dadurch, dass im R¨ontgenbeugungsbild keine charakteristischen Bragg-Maxima auftreten.

Andererseits besitzen Stoffe in der Mesophase anisotrope Eigenschaften, die auf eine Orientierungsordnung der Molek¨ule schließen lassen. Diese Anisotropie spiegelt sich in den makroskopischen Tensoreigenschaften wie in der magnetischen Suszeptibilit¨at und im di- elektrischen Tensor wider. Da diese Eigenschaften f¨ur einen Kristall typisch sind, bei dem durch die regelm¨aßige Anordnung der Bausteine bestimmte Raumpunkte und Richtungen bevorzugt sind, bezeichnet man die mesomorphen Phasen auch als Fl¨ussigkristalle.

Um eine mesomorphe Phase einnehmen zu k¨onnen, m¨ussen die Molek¨ule hochgradig anisotrop sein, normalerweise besitzen sie eine langgestreckte Form.

Mesomorphe Phasen k¨onnen in drei verschiedene Typen unterteilt werden: dienemati- sche, die cholesterische und diesmektische Phase.

• Nematische Fl¨ussigkristalle (von gr.:νηµατ os=Faden) weisen folgende Eigenschaften auf:

1. Die Massenschwerpunkte der Molek¨ule zeigen keine weitreichende Translations- ordnung. Im R¨ontgenbeugungsbild treten daher auch keine Bragg-Maxima auf.

Die Korrelationen der Schwerpunkte der benachbarten Molek¨ule sind denen der konventionellen Fl¨ussigkeiten ¨ahnlich.

2. Die langgestreckten Molek¨ule (vgl. Abbildung 2.1) besitzen eine weitreichende Orientierungsordnung. Sie richten sich vorzugsweise entlang einer gemeinsamen

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Achse aus, die ¨uber einen Einheitsvektor n, Direktor genannt, festgelegt wird.

Diese Achse spiegelt sich in den makroskopischen Tensoreigenschaften wider.

Z.B. ist ein nematischer Fl¨ussigkristall ein optisch uniaxiales Medium, dessen optische Achse entlang des Direktors zeigt.

3. Es liegt Rotationssymmetrie um die von Direktor vorgegebene Achse vor. Der Direktornkann im Prinzip jede Raumrichtung einnehmen. Er wird jedoch durch

¨außere Felder oder begrenzende Fl¨achen in seiner Richtung festgelegt.

4. Die Symmetrieigenschaften der nematischen Phase werden durch die Zugeh¨orig- keit zur Symmetriegruppe Dh in der Sch¨onflies Notation zusammengefasst.

Diese Symmetriegruppe besteht aus allen Rotationen um eine feste Achse so- wie Spiegelungen an Ebenen, die diese Achse enthalten und einer Spiegelebene senkrecht zur Achse.

5. Nematische Phasen k¨onnen nur bei Molek¨ulen auftreten, in denen keine Links- oder Rechtsh¨andigkeit vorliegt. D.h., die Molek¨ule m¨ussen entweder mit ihrem Spiegelbild identisch sein oder aus gleichen Anteilen von links- und rechtsh¨andi- gen Komponenten bestehen.

6. Die Ausrichtungenn und -n des Direktors sind ununterscheidbar, da die in der Regel polaren Molek¨ule keine dipolare Ordnung zeigen.

• Cholesterische Fl¨ussigkristalle bestehen aus chiralen Molek¨ulen, die ¨ahnlich einer Schraube eine H¨andigkeit besitzen. Sie k¨onnen nicht mit ihrem Spiegelbild in Deckung gebracht werden und besitzen damit keine Spiegelebenen als Symmetrieelemente. Zur Veranschaulichung fasst man den aus chiralen Molek¨ulen gebildeten Fl¨ussigkristall als geschichtete Struktur auf. Innerhalb einer solchen Schicht zeigen die Molek¨ule die normale Ausrichtung der nematischen Phase. Von Schicht zu Schicht ist aber die Vorzugsrichtung der Molek¨ule im gleichen Drehsinn um einen bestimmten Winkel gedreht, so dass ¨uber einen gr¨oßeren Raumbereich eine schraubenf¨ormige Anordnung besteht.

• Beismektischen Fl¨ussigkristallen ordnen sich die Molek¨ule in Schichten an. Sie besit- zen daher eine weitreichende eindimensionale Positionsordnung der Molek¨ulschwer- punkte.

2.2 Der nematisch-isotrope Ordnungsparameter

Ein nematischer Fl¨ussigkristall ist bei hohen Temperaturen eine isotrope Fl¨ussigkeit, in der keine Orientierungsordnung vorliegt. Bei der Kl¨artemperatur1 Tc erfolgt ein Phasen¨uber- gang in die nematische Phase, der in Abbildung 2.2 veranschaulicht wird. Bei diesem

1Die Bezeichnung als Kl¨artemperatur r¨uhrt von der Tatsache her, dass Fluktuationen in der vorhande- nen Orientierungsordnung unterhalb vonTc zu einer Lichtstreuung in einem kleinen Winkelbereich Anlass geben, der Zustand erscheint tr¨ube. Beim ¨Ubergang in die isotrope Fl¨ussigkeit wird die Phase klar, da die Ordnungsph¨anomene und damit die Lichtstreuung verloren gehen.

(11)

Tc T

Abbildung 2.2: links: nematische Phase; rechts: isotrope Phase oberhalb der Kl¨artem- peratur Tc. Die nematischen Molek¨ule sind durch St¨abchen dargestellt. Der Pfeil gibt in der nematischen Phase die Vorzugsrichtung an.

Phasen¨ubergang findet Symmetriebrechung statt: Die isotrope Phase ist invariant unter beliebigen Spiegelungen und Rotationen und wird durch die Symmetriegruppe O(3) cha- rakterisiert. In der nematischen Phase wird die Symmetrie auf die Punktgruppe Dh ein- geschr¨ankt.

Um diese qualitativ beschriebenen Eigenschaften quantitativ zu erfassen, ist die Defi- nition eines Ordnungsparameters erforderlich. Ist man nur am Grad der Ausrichtung der Molek¨ule interessiert, reicht ein skalarer Ordnungsparameter aus. Von diesem erwartet man, dass er in der isotropen Phase verschwindet und in der nematischen Phase einen endlichen Wert besitzt. Sollen zus¨atzlich auch Deformationen in der nematischen Achse beschrieben werden, ist eine tensorielle Gr¨oße einzuf¨uhren.

2.2.1 Mikroskopischer Zugang:

der Maier-Saupe-Ordnungsparameter

Gem¨aß [4] betrachten wir einen aus starren st¨abchenf¨ormigen Molek¨ulen bestehenden Fl¨ussigkristall. Der Einheitsvektor a lege die Orientierung der L¨angsachse der einzelnen Molek¨ule fest, die vollst¨andige Rotationssymmetrie um a besitzen. Die Richtung der ne- matischen Achsen, die sich dann als gemittelte Ausrichtung aller Molek¨ule ergibt, w¨ahlen wir entlang der z-Achse. Die Komponenten von a werden durch die Polarwinkel θ und φ festgelegt, wobei

ax= sinθcosφ ay = sinθsinφ

az = cosθ.

Die Orientierungsordnung wird durch eine Verteilungsfunktion f(θ, φ)dΩ charakterisiert, die die Wahrscheinlichkeit angibt, ein St¨abchen in einem bestimmten Winkelintervall dΩ = sinθdθdφ um die Richtung (θ, φ) zu finden. Aus der im vorigen Abschnitt beschriebenen

(12)

Rotationssymmetrie und der ¨Aquivalenz der Richtungen n und −n folgt f¨ur die Vertei- lungsfunktion

1. f(θ, φ)ist unabh¨angig von φ 2. f(θ) =f(θ−π)

Als geeigneter Parameter, der den Grad der Ausrichtung der nematischen Phase beschrei- ben soll, b¨ote sich zun¨achst das Mittel

hcosθi=ha·ni= Z

f(θ) cosθdΩ (2.1)

an, das aber aufgrund von Eigenschaft (2) verschwindet. Wir sind daher gezwungen, auf h¨ohere Multipolordnungen auszuweichen. Der erste infrage kommende Multipol ist das Quadrupolmoment, das definiert ist als

S= 1

2h(3 cos2θ−1)i= Z

f(θ)1

2(3 cos2θ−1)dΩ, (2.2) es entspricht dem Entwicklungskoeffizienten zu l = 2, wenn man die Orientierungsver- teilungsfunktion nach Legendre-Polynomen Pl(cosθ) entwickelt. Dieser skalare Ordnungs- parameter wird eins, falls f(θ) um θ = 0 und θ = π ausschl¨agt. F¨ur eine vollst¨andig ungeordnete Phase erh¨alt man hcos2θi = 13 und daher S = 0. Die Anforderungen an den Ordnungsparameter sind somit erf¨ullt.

2.2.2 Makroskopischer Zugang:

der tensorielle Ordnungsparameter

Eine M¨oglichkeit, die Eigenschaften der isotropen und der nematischen Phase quantita- tiv zu unterscheiden, findet sich in der Messung makroskopischer Tensorgr¨oßen. Hierf¨ur ist z.B. die magnetische Suszeptibilit¨at χαβ geeignet, die den Zusammenhang zwischen MagnetisierungM und magnetischem Feld H herstellt:

MααβHβ, (2.3)

wobei α, β = x, y, z . Bei statischem Feld H wird der Tensor χαβ symmetrisch. In einer isotropen Fl¨ussigkeit gilt

χαβ =χδαβ,

w¨ahrend die Suszeptibilit¨at in der uniaxialen Phase die Form χαβ =

χ 0 0 0 χ 0 0 0 χk

annimmt, wobei die z-Achse parallel zur nematischen Achse gew¨ahlt wird. Die Kompo- nenten χ und χk sind die Suszeptibilit¨aten f¨ur Magnetfelder, die senkrecht oder parallel

(13)

zur nematischen Achse angelegt werden. Um der Anforderung gerecht zu werden, dass der Ordnungsparameter in der isotropen Phase verschwindet, wird der anisotrope Anteil Qαβ

der magnetischen Suszeptibilit¨at extrahiert:

Qαβ =G Ã

χαβ− 1 3δαβ

X

γ

χγγ

!

. (2.4)

G ist hierbei eine Normierungskonstante. Sie wird z. B. in [31] als 2spχ9 gew¨ahlt. Qαβ wird als Ordnungsparameter-Tensor bezeichnet. Er ist symmetrisch, spurfrei und seine Eintr¨age sind reell.

Zur beschriebenen Definition des Ordnungsparameters sind folgende Bemerkungen zu machen:

1. Die Wahl der magnetischen Suszeptibilit¨at ist pure Konvention. Genausogut h¨atten andere statische Funktionen wie die elektrische Polarisierbarkeit oder der dielektische Tensor ²αβ gew¨ahlt werden k¨onnen. Die magnetische Suszeptibilit¨at wird jedoch be- vorzugt, weil der Zusammenhang zwischen χαβ und den molekularen Eigenschaften besser verstanden ist, als es beim dielektrischen Tensor ²αβ der Fall ist.

2. Die gew¨ahlte Darstellung des Ordnungsparameters beschreibt unterschiedliche Ar- ten nematischer fl¨ussigkristalliner Phasen ¨uber seine Eigenvektoren und die dazu- geh¨origen Eigenwerte. Aufgrund der Symmetrie des Tensors sind die Eigenvektoren orthogonal. Man unterscheidet

• die uniaxiale Phase, bei der zwei Eigenwerte gleich sind,

• die biaxiale Phase, bei der alle Eigenwerte verschieden sind.

Im allgemeinen beschreibt der Ordnungsparameter-TensorQeine biaxiale fl¨ussigkri- stalline Ordnung. Im Hauptachsensystem lautet die allgemeine Form des biaxialen Ordnungsparameter-Tensors (vgl. [29])

Qαβ =

12S+P 0 0 0 −12S−P 0

0 0 S

. (2.5)

In der uniaxialen Phase, die z.B. durch P = 0 gebildet werden kann, reduziert sich die Form des Ordnungsparameter-Tensors im Hauptachsensystem auf

Qαβ =G

1

3−χk) 0 0

0 13−χk) 0

0 0 23k−χ)

.

In basisunabh¨angiger Schreibweise erh¨alt man die allgemeine uniaxiale Form Q= 3

2S µ

n⊗n− 1 31

(2.6)

(14)

mit der makroskopischen Definition des Maier-Saupe-Parameters S = 3¡

χk−χ¢ 2χk .

Der Maier-Saupe-Parameter (oder skalare Ordnungsparameter)S gibt den Grad der nematischen Ordnung durch die magnetische Anisotropie 4χ = χ−χk an. S = 0 entspricht der isotropen Phase, in der nematischen Phase nimmt S einen endlichen Wert an. Das Vorzeichen von S entscheidet im uniaxialen Fall dar¨uber, welche Ori- entierungsordnung durch den Ordnungsparameter-Tensor wiedergegeben wird:

• F¨urS > 0 liegt eine prolate Orientierungsordnung vor, bei der die Vorzugsrich- tung der Molek¨ule auf der vom Direktor vorgegebenen Achse liegt.

• F¨urS < 0 beschreibt der Ordnungsparameter-Tensor eine oblate Orientierungs- ordnung, in der die Molek¨ule bevorzugt senkrecht zum Direktor liegen.

2.2.3 Das Maß f¨ ur die Biaxialit¨ at

Da in dieser Arbeit ¨Uberg¨ange von der uniaxialen in die biaxiale Phase untersucht werden, ist es notwendig, ein Maß f¨ur die Biaxialit¨at des Ordnungsparameters einzuf¨uhren. Anhand der Form (2.5) stellt man fest, dass der Ordnungsparameter dann uniaxial ist, wenn eine der folgenden Bedingungen erf¨ullt ist:

• P = 0

• S =−12S+P →P = 32S

• S =−12S−P →P =−32S.

Diese drei Bedingungen werden zusammengefasst durch [25]

6¡ sp¡

Q3¢¢2

=¡ sp¡

Q2¢¢3

. (2.7)

Das Biaxialit¨atsmaß, das die Abweichung von der Uniaxialit¨at angibt, wird in [25] damit als

Mbiax= 1−6

¡sp¡ Q3¢¢2

¡sp¡

Q2¢¢3 (2.8)

konstruiert. Die Abh¨angigkeit des Biaxialit¨atsmaßes von den Parametern S und P wird durch Abbildung 2.3 veranschaulicht. Wie erwartet verschwindet die Biaxialit¨at in den Bereichen, die die obigen Bedingungen f¨ur die Uniaxialit¨at erf¨ullen, in den Bereichen da- zwischen nimmt sie Werte zwischen null und eins an.

(15)

S P

Mbiax

−1

−0.5 0 0.5 1

−1

−0.5 0

0.5 1 0

0.2 0.4 0.6 0.8 1

Abbildung 2.3: Das Biaxialit¨atsmaß in Abh¨angigkeit von den Parametern S und P

2.3 Topologische Defekte in nematischen Fl¨ ussigkri- stallen

Die verschiedenen Arten fl¨ussigkristalliner Orientierungsordnung, die im vorigen Abschnitt im Zusammenhang mit dem tensoriellen Ordnungsparameter eingef¨uhrt wurden, legen fest, welche Arten von topologischen Defekten sich in einem nematischen Fl¨ussigkristall aus- bilden k¨onnen. Topologische Defekte sind Orte, an denen der Ordnungsparameter nicht definiert ist. Die Regionen der Singularit¨at k¨onnen aus Punkten, Linien oder W¨anden bestehen. Wenn sich diese Singularit¨at nicht durch eine kontinuierliche Deformation des Ordnungsparameterfeldes beseitigen l¨asst, spricht man von einem stabilen Defekt.

Die Homotopietheorie liefert die M¨oglichkeit, verschiedene Defekte zu klassifizieren. Die wesentlichen Schritte hierzu sind folgende: Wenn der Ordnungsparameter des betrachteten Systems bekannt ist, muss der Ordnungsparameterraum R bestimmt werden, der von den m¨oglichen Werten des Ordnungsparameters gebildet wird. Zur Klassifizierung der Defekte ist man nun an den Abbildungen i-dimensionaler Sph¨aren, die den Defekt im realen Raum umschließen, in den Ordnungsparameterraum interessiert. Die aus diesen Abbildungen re- sultierenden geschlossenen Konturen im Ordnungsparameterraum werden in Homotopie- klassen unterteilt. Die Elemente einer Klasse sind durch kontinuierliche Deformationen ineinander ¨uberf¨uhrbar. Die Klassen wiederum sind die Elemente einer Homotopiegruppe πi(R). Um die Defekte der Dimensiont0 in einemt-dimensionalen System zu klassifizieren, muss die Homotopiegruppeπi(R) miti=t−t0−1 ermittelt werden. Jedes Element der Ho-

(16)

motopiegruppe entspricht einer Klasse topologisch stabiler Defekte. Sie sind topologische Invarianten, die mit sogenannten topologischen Ladungen identifiziert werden.

Diese Schritte werden nun im einzelnen genauer erl¨autert. Die folgenden Abschnitte haben zusammenfassenden Charakter und orientieren sich an den Ausf¨uhrungen in [17, 9, 13], auf die zum ausf¨uhrlicheren Studium verwiesen sei.

2.3.1 Ordnungsparameterraum

Die gebr¨auchlichen Ordnungsparameter werden mit einer Gruppe von Transformationen, genannt G, in Verbindung gebracht. Die Elemente dieser Gruppe lassen das thermodyna- mische Potential unver¨andert, bilden aber einen Wert des Ordnungsparameters auf den anderen ab. In dieser Gruppe gibt es auch Transformationen, die den Ordnungsparame- ter unver¨andert lassen. Dies ist die Isotropiegruppe, eine Untergruppe von G, die mit H bezeichnet wird. Der Ordnungsparameterraum R ergibt sich damit als der Raum der Ne- benklassen von H inG, was durch die Formel

R =G/H (2.9)

ausgedr¨uckt wird.

Im Falle eines nematischen Fl¨ussigkristalls ist G identisch mit O(3), also der Gruppe, die alle Rotationen und Spiegelungen enth¨alt. Die Isotropiegruppe istDh, die in Abschnitt 2.1 eingef¨uhrt wurde. Unter ihrer Wirkung ist die nematische Ordnung lokal invariant. Der Ordnungsparameterraum ergibt sich damit zu O(3)/Dh, was der Projektiven Ebene P2 = S2/Z2 entspricht, also der Zwei-Sph¨are S2, deren diametrale Punkte identifiziert werden. F¨ur cholesterische Fl¨ussigkristalle sind Spiegelungen als Symmetrieelemente her- auszunehmen. Damit ist G = SO(3) und H = D, woraus sich wiederum die projektive EbeneP2 =SO(3)/D als Ordnungsparameterraum ergibt.

Bei der biaxialen Phase ist die Isotropiegruppe durch drei zueinander senkrecht ste- hende, zweiz¨ahlige Rotationsachsen gegeben, sie wird mit dem SymbolD2 abgek¨urzt. Der Ordnungsparameterraum ist damit SO(3)/D2.

2.3.2 Homotopiegruppen

Die Topologie der Ordnungsparameterr¨aume wird durch die Homotopiegruppen beschrie- ben. Dazu stelle man sich den Ordnungsparameterraum R als eine zusammenh¨angende Oberfl¨ache vor. Auf dieser Oberfl¨ache w¨ahle man einen Punkt M, von dem man aus ge- schlossene Konturen ziehe, d.h., die von M ausgehen und wieder zu M zur¨uckgef¨uhrt werden. Diejenigen Konturen, die kontinuierlich ineinander ¨uberf¨uhrbar sind, repr¨asentie- ren dieselbe Homotopieklasse. Die Menge der Homotopieklassen in R bilden eine Gruppe, genannt die erste Homotopiegruppe oder Fundamentalgruppe von R am Basispunkt M, kurz: π1(R, M). Wenn R zusammenh¨angend ist, spielt die Wahl des Basispunktes keine Rolle mehr und die Fundamentalgruppe wird nur noch mit π1(R) bezeichnet.

(17)

Abbildung 2.4: Kontinuierliche Deformation einer Disklination mit k= 12 in eine Dis- klination mit k =−12. Oben sind die Direktorkonfigurationen im realen Raum durch St¨abchen dargestellt, unten die Abbildungen der Konturen, die den Defekt im realen Raum umschließen, im OrdnungsparameterraumS/Z2. Aus [9].

2.3.3 Liniendefekte in uniaxialen Nematen

Wenn der Ordnungsparameter auf einer Linie im realen Raum nicht definiert ist, spricht man von einem Liniendefekt oder einer Disklination. Diese Defekte werden von der ersten Homotopiegruppe klassifiziert. Hierzu betrachtet man die Abbildung von geschlossenen Li- nien, die den Liniendefekt im realen Raum umschließen, in den Ordnungsparameterraum.

Die so entstehenden Konturen im Ordnungsparameterraum, die kontinuierlich ineinander

¨uberf¨uhrbar sind, bilden ein Element der ersten Homotopiegruppe. Die erste Homotopie- gruppe der projektiven Ebene ist die aus zwei Elementen bestehende Gruppe

π1(S2/Z2) =Z2. (2.10)

Ein Element der Homotopiegruppe besteht aus denjenigen Konturen, die von einem Punkt ausgehen und im selben Punkt wieder enden. Sie k¨onnen kontinuierlich auf einen Punkt zusammengezogen werden und enthalten damit nur topologisch instabile Defekte. Die zwei- te Klasse von Konturen besteht aus denjenigen, die an einem Punkt starten und auf dem diametralen Punkt der Zwei-Sph¨are enden. Diese sind nicht in einen Punkt ¨uberf¨uhrbar, da die diametralen Punkten als Anfangs- und Endpunkte immer erhalten bleiben. Diese Konturen entsprechen einer halben Windungszahl k=±12, die eine Drehung des Direktors um ±π bezeichnet. Die Konturen, die von einer halbzahligen Windungszahl repr¨asentiert werden, sind ineinander ¨uberf¨uhrbar, wie Abbildung 2.4 zeigt.

2.3.4 Punktdefekte in uniaxialen Nematen

Punktdefekte in dreidimensionalen nematischen Phasen werden durch die Elemente der zweiten Homotopiegruppe bestimmt. Um die Stabilit¨at eines solchen Punktdefektes zu

(18)

¨uberpr¨ufen, wird dieser im realen Raum von einer Oberfl¨ache umschlossen, die zun¨achst auf eine Fl¨ache im Ordnungsparameterraum eines Vektor-Ordnungsparameters abgebildet wird. Wenn diese zun¨achst resultierende Fl¨ache, die mit Σ bezeichnet sei, zu einem Punkt zusammengezogen werden kann, ist der Punktdefekt topologisch instabil. Wenn die Fl¨ache Σ dagegen N 6= 0 mal um die Sph¨are S2 gewickelt ist, ist der Punktdefekt stabil und besitzt die topologische Ladung N 6= 0. Betrachten wir z.B. einen radialen Punktdefekt wie in Abbildung 2.5. Die Fl¨ache Σ umschließt die Sph¨areS2 einmal. Er besitzt die Ladung

Abbildung 2.5: radialer Punktdefekt, die Orienterung des Direktors ist durch Linien dargestellt.

eins und geh¨ort derselben Klasse an wie der in Abbildung 2.6 dargestellte hyperbolische Punktdefekt. Wie Abbildung 2.6 zeigt, k¨onnen diese beiden Arten kontinuierlich ineinander transformiert werden.

Die Klassen aller Abbildungen Σ bilden die zweite Homotopiegruppe: π2(S2) = Z, wobei Z die Gruppe der ganzen Zahlen bezeichnet. Da die Direktoren n und −n in der nematischen Phase jedoch denselben Zustand beschreiben, kann dem Punktdefekt gleicher- maßen die LadungN oder −N zugewiesen werden. Alle Punktdefekte in der nematischen Phase werden damit durch positive ganze Zahlen ausreichend klassifiziert.

Abbildung 2.6: Ein radialer Punktdefekt, der kontinuierlich in einen hyperbolischen Defekt ¨uberf¨uhrt wird. Aus [31].

(19)

2.3.5 Defekte in biaxialen Nematen

Zur Klassifizierung von Liniendefekten in der biaxialen Phase muss die erste Homotopie- gruppe bestimmt werden (s. [33, 17, 9]).

Wie bereits erw¨ahnt wurde, ist der Ordnungsparameterraum der biaxialen Phase gege- ben durch

R=SO(3)/D2, (2.11)

wobei die Diedergruppe D2 durch drei zueinander senkrecht stehende zweiz¨ahlige Rota- tionsachsen gegeben ist. Um die Fundamentalgruppe zu ermitteln, muss die Transforma- tionsgruppe G = SO(3) auf eine einfach zusammenh¨angende Gruppe G

”hochgehoben“

werden. Einfach zusammenh¨angend bedeutet, dass in G keine Singularit¨aten auftreten und alle Konturen ineinander ¨uberf¨uhrbar sind, woraus π1(G) = 0 folgt. F¨ur G =SO(3) istGdie Drei-Sph¨are S3. Diese

”Hochhebung“ besitzt die Eigenschaft, dass die Menge der NebenklassenG/H =G/H und damit auch die Fundamentalgruppe π1(G/H) =π1(G/H) erhalten bleiben. H ist dabei die entsprechend hochgehobene Isotropiegruppe. Es kann au- ßerdem gezeigt werden, dassπ1(G/H) =H, wennGeinfach zusammenh¨angend ist. Damit ergibt sich die Fundamentalgruppe aus der Hochhebung der Isotropiegruppe der biaxialen Nematen D2 in die Drei-Sph¨are S3. Die Diedergruppe D2 ist eine abelsche Untergruppe der SO(3) mit den Elementen I, i, j, p mit den Relationen i2 = I, ij = ji =p. I ist dabei die Identit¨at und i, j, psind die zweiz¨ahligen Drehungen. Die Hochhebung der Symmetrie- gruppe D2 in die Dreisph¨areS3 ist eine Gruppe mit acht Elementen, genannt die Gruppe der Quaternionen. Zu den ElementenI, i, j, p von D2 kommen die Elemente J,−i,−j,−p hinzu. Sie bezeichnen ebenfalls die die Drehung umπ um eine Achse und die Inversen von i, j, p. Die Multiplikationsregeln der Quaternionengruppe lauten

ij =−ji=p, jp=−pj =i, pi=−ip=j (2.12) JJ =i, ii=jj=pp=J, ijp=J. (2.13) Die unterschiedlichen Defekte eines biaxialen Nematen sind nun durch die f¨unf Konju- gationsklassen der Quaternionengruppe bestimmt [9, 33]: C0 = {I}, C0 = {J}, Cx = {i,−i}, Cy ={j,−j}, Cz ={p,−p}.

Abbildung 2.7: Topologisch stabile Disklinationen in einem biaxialen Nematen. Links:

Disklination mit k = 12, die der Klasse Cz angeh¨ort. Rechts: Disklination mit k = 1, Klasse C0. Die langen und kurzen St¨abchen stellen zwei der drei Direktoren dar, die zusammen ein Vektordreibein bilden, das die biaxiale Phase charakterisiert. Aus [9].

(20)

Die KlassenCx, Cy undCz entsprechen einer halbzahligen, die KlasseC0einer ganzzah- ligen Windungszahl k. Die Windungszahlen geben im biaxialen Fall eine Rotation zweier Direktoren2 des Direktordreibeins um den Defektkern um den Winkel 2πkan. Verschiedene Defekte werden in Abbildung 2.7 gezeigt.

2.4 Der nematisch-isotrope Phasen¨ ubergang

Wenn die Temperatur eines fl¨ussigkristallinen Systems ¨uber die Temperatur des nematisch isotropen Phasen¨ubergangs Tc ansteigt, verschwindet die weitreichende Orientierungsord- nung der Molek¨ule abrupt und der Ordnungsparameter-Tensor Qαβ wird Null.

Der Konstruktion einer freien Energie, die diesen ¨Ubergang beschreibt, liegt die Landau- Theorie der Phasen¨uberg¨ange zu Grunde, die im folgenden Unterabschnitt kurz beschrieben und in der Landau-de Gennes-Theorie auf tensorielle Ordnungsparameter erweitert wird.

2.4.1 Landau-Theorie

Die Landau-Theorie wurde erst f¨ur symmetriebrechende Phasen¨uberg¨ange zweiter Ordnung entwickelt, danach auf Phasen¨uberg¨ange erster Ordnung erweitert (vgl. [14]). Dabei sei zur allgemeinen Darstellung η ein Skalar, das in der symmetrischen Phase den Wert Null, in der weniger symmetrischen Phase einen von Null verschiedenen Wert besitzt. Bei einem Phasen¨ubergang zweiter Ordnung, der auch kontinuierlich genannt wird, verh¨alt sich der Zustand bzw. der Ordnungsparameter stetig. Landau nahm deshalb an, dass sich die freie Energie in der Umgebung des ¨Ubergangspunktes in Potenzen von η entwickeln l¨asst:

f =f0+αη+Aη2+Bη3+Cη4. (2.14) Da die freie Energie in der Hochtemperaturphase beiη = 0 ein Minimum besitzen soll, muss der lineare Term verschwinden, also α = 0 sein. Zus¨atzlich muss der Koeffizient C einen positiven Wert annehmen, damit das Minimum von f bei endlichem η liegt. Ein Phasen¨ubergang zweiter Ordnung liegt dann vor, wenn z.B. aus Symmetriegr¨unden der Term dritter Ordnung verschwindet (B = 0). Dann besitzt die freie Energie f¨ur A > 0 ein absolutes Minimum bei η = 0, aus dem sich f¨ur A < 0 zwei ¨aquivalente Minima bei η = p

|A|/C kontinuierlich herausentwickeln. Damit erfolgt ein Phasen¨ubergang zweiter Ordnung beiA = 0. Bezeichnet man die ¨Ubergangstemperatur mit Tc und entwickeltA(T) in der N¨ahe von Tc nachT −Tc, ergibt sich die Landausche freie Energie als

f =f0+a0(T −Tc2+Cη4, (2.15) wobei a0 und C temperaturunabh¨angige positive Konstanten sind.

Beim nematisch-isotropen Phasen¨ubergang handelt es sich um einen Phasen¨ubergang erster Ordnung. Er ist durch eine Unstetigkeit in mindestens einer der ersten Ableitungen

2mit Direktoren sind hier die Achsen gemeint, die durch die Eigenvektoren des biaxialen Ordnungsparameter-Tensors festgelegt werden

(21)

des betrachteten thermodynamischen Potentials oder durch eine Unstetigkeit im Ordnungs- parameter charakterisiert. Diese Unstetigkeit wird durch den Term dritter Ordnung mit einem temperaturunabh¨angigen Koeffizienten B erzeugt. Man entwickelt wiederum den Koeffizienten A in der N¨ahe des Phasen¨ubergangs nach der Temperatur: A=a0(T −T).

Es zeigt sich nun, dass der Phasen¨ubergang bei Tc > T stattfindet, wie in der folgenden Abschnitt erl¨autert wird.

2.4.2 Die freie Energie nach der Landau-de Gennes-Theorie

Ausgehend von der Landau-Theorie der Phasen¨uberg¨ange f¨uhrte de Gennes eine freie Ener- gie f¨ur einen Fl¨ussigkristall ein, die er mit dem Ordnungsparametertensor Qkonstruierte.

Da die freie Energie bez¨uglich der Operationen der Gruppe SO(3), der Symmetriegrup- pe der isotropen Fl¨ussigkeit, invariant sein soll, l¨asst sie sich als Potenzreihenentwicklung in spQ, spQ2und spQ3 darstellen. Im Gegensatz zur Entwicklung nach einem vektoriel- len Ordnungsparameter kommen beim tensoriellen Ordnungsparameter Terme ungerader Ordnung vor. Aufgrund der Spurfreiheit des Tensors tritt kein Term erster Ordnung auf.

Der Ansatz lautet somit Fbulk =F0+ 1

V Z

dV

· 1

2A(T)QαβQβα

− βQαβQβγQγα+γ(QαβQβα)2

¸

. (2.16)

Hierbei wird die Summation ¨uber doppelt vorkommende Indizes impliziert.F0 ist die freie Energie der isotropen Phase. Die Koeffizientenβ und γ werden als temperaturunabh¨angig angesehen. Der Term dritter Ordnung f¨uhrt dazu, dass ein Phasen¨ubergang erster Ordnung stattfindet. Das Vorzeichen seines Koeffizienten β bestimmt das Vorzeichen des Maier- Saupe-Parameters S. Ist β positiv, ist S > 0 und die Orientierungsordnung prolat. Ein negativer Koeffizient β f¨uhrt dagegen zu S <0 und somit zu einer oblaten Orientierungs- ordnung.

Anhand des Ausdrucks (2.16) sollen nun die Temperaturbereiche ermittelt werden, in denen die nematische bzw. die isotrope Phase absolut stabil, metastabil oder insta- bil ist. Dazu nutzen wir die in [25, 31] getroffene Feststellung aus, dass ein uniaxialer Ordnungsparameter-Tensor Qij = 32S(ninj13δij) den Ausdruck (2.16) minimiert. Durch Einsetzen des uniaxialen Tensors Qij = 32S(ninj13δij) in die freie Energie (2.16) erh¨alt man somit einen von S abh¨angigen Ausdruck, dessen Minima Aufschluss ¨uber die Stabi- lit¨at der Phasen liefern. Hierzu wird schon an dieser Stelle die Skalierung, die in Abschnitt 2.7 eingef¨uhrt wird und in Tabelle 2.1 zusammengefasst ist, verwendet. Man erh¨alt als freie Energiedichte

bulk(S) = 3

8τ S2− 3 4

√6S3+ 9

4S4. (2.17)

Die Diskussion dieses Ausdrucks ergibt folgendes Bild (s. Abbildung 2.8): F¨ur Temperatu- ren τ > 9/8 ist die isotrope Phase allein stabil, da es in diesem Bereich nur ein Minimum

(22)

-0.1 -0.05 0 0.05 0.1

-0.4 -0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

fbulk(S)

S

τ=1,6 τ=9/8 τ=1,0 τ=0

Abbildung 2.8: Skalierte freie Energiedichte in Abh¨angigkeit vom skalaren Ordnungs- parameter S des uniaxialen Ordnungsparameter-Tensors f¨ur verschiedenen Tempera- turen.τ = 1 entspricht der Phasen¨ubergangstemperatur, unterhalb der die nematische Phase stabil ist. τ = 0 entspricht der Unterk¨uhlungstemperatur, unterhalb der die nematische Phase die allein stabile ist. Oberhalb τ = 9/8 ist die nematische Phase instabil.

beiS = 0 gibt. Bei der Temperaturτ = 9/8 entsteht ein zweites Minimum bei einem Wert von S > 0 und somit eine metastabile nematische Phase. Das zweite Minimum liegt mit Unterschreiten der Temperaturτ = 1 tiefer als das erste. Damit wird die nematische Phase absolut stabil - der nematisch-isotrope Phasen¨ubergang findet statt. Die Temperaturτ = 1 entspricht somit der Kl¨artemperaturTc. Die isotrope Phase verliert ihre Metastabilit¨at bei der Temperatur τ = 0. Ab dieser Temperatur ist die nematische Phase die allein stabile.

Sie entspricht der Unterk¨uhlungstemperatur T.

2.5 Verzerrungen im Fl¨ ussigkristall

Unter realistischen Bedingungen ist der durch den uniaxialen Ordnungsparameter-Tensor beschriebene Grundzustand, in dem die Molek¨ule im Mittel entlang einer globalen Richtung

±n ausgerichtet sind, nicht mit den Zwangsbedingungen zu vereinbaren, die dem System durch Grenzfl¨achen auferlegt werden. In der Ausrichtung der Molek¨ule treten Deforma- tionen auf, der Ordnungsparameter-Tensor wird ortsabh¨anging. Da die typische L¨angens- kala dieser Deformationen weit ¨uber den molekularen Ausdehnungen liegt, k¨onnen diese im Rahmen einer Kontinuumtheorie beschrieben werden, die die detaillierte molekulare Struktur außer Acht l¨asst. Zu der in Gl.(2.16) vorgenommenen Entwicklung nach Poten- zen des Ordnungsparameter-Tensors werden Terme hinzuaddiert, die die Gradienten von Qαβ enthalten. Mit Hilfe dieses Zugangs k¨onnen ortsabh¨angige Eigenschaften des nema-

(23)

tischen Fl¨ussigkristalls oberhalb des nematisch-isotropen Phasen¨ubergangs beispielsweise unter Anwesenheit von ordnungsinduzierenden Substraten untersucht werden.

Gem¨aß [4] werden im folgenden Abschnitt Ausdr¨ucke f¨ur die verschiedenen Terme der elastischen Energie erst im Direktorbild eingef¨uhrt. Anschließend wird ein tensorieller Aus- druck f¨ur die elastische freie Energie vorgestellt.

2.5.1 Elastische Freie Energie im Direktorbild

Deformationen in einem Nematen werden in f¨uhrender Ordnung durch den Gradienten des Direktors,∇n, gekennzeichnet. Vom verzerrten System macht man die Annahme, dass die Variationen von nklein sind auf molekularer Skala a:

a∇n¿1.

Der unverzerrte Zustand mit∇n= 0 entspricht dem Grundzustand, bei dem die elastische freie Energie verschwindet. Die Dichte der elastischen freien Energie wird damit als Po- tenzreihe von∇n bis zu zweiter Ordnung angesetzt. Von den Termen wird gefordert, dass sie invariant unter Transformationen der SymmetriegruppeDh sein m¨ussen. Die einzigen linearen Terme in ∇n, die diese Anforderung erf¨ullen, sind div n und n·rot n (s. [4]).

Diese k¨onnen jedoch zur elastischen freien Energiedichte aus folgenden Gr¨unden keinen Beitrag liefern:

• beim Term div n ist die ¨Aquivalenz der Zust¨ande n,−nverletzt.

• der Term n·rot n ¨andert unter der Transformation x → −x,y → −y,z → −z das Vorzeichen und scheidet somit bei unchiralen Molek¨ulen aus (bei chiralen Molek¨ulen tritt er jedoch hinzu und erzeugt eine Direktorhelix als Grundzustand).

Somit setzt sich die Dichte der elastischen freien Energie nur aus Beitr¨agen der Ordnung (∇n)2 zusammen, die unter Transformationen der Symmetriegruppe Dh unver¨andert bleiben. Diese bilden die Oseen-Z¨ocher-Franksche freie Energiedichte:

fel = 1

2K1(div n)2+1

2K2(n·rot n)2+1

2K3(n×rot n)2. (2.18) Die KonstantenK1,K2 undK3, genannt die Frankschen Konstanten, werden mit den drei grundlegenden Arten von Verzerrungen assoziiert, die in Abbildung 2.9 gezeigt sind:

1. K1: Spreizung mit div n6= 0 2. K2: Verdrillung mitn·rot n6= 0 3. K3: Verbiegung mitn×rot n6= 0.

Da jede angegebene Art von Deformationen in reiner Form erzeugt werden kann, m¨ussen alle Konstanten Ki positiv sein, da andernfalls der unverzerrte nematische Zustand nicht dem energetischen Minimum entspr¨ache.

(24)

Abbildung 2.9: Die drei Arten von Deformationen, die in nematischen Fl¨ussigkeiten auftreten k¨onnen. Wie die Abbildung zeigt, k¨onnen alle drei Arten durch gegeneinan- der verschobene Glasplatten realisiert werden, zwischen denen sich der Fl¨ussigkristall befindet. Aus [4].

Da fel eine Energie pro cm3 darstellt und der Vektor n dimensionslos ist, besitzen die elastischen Konstanten Ki die Dimension einer Energie pro cm oder dyn. Wenn U eine typische Wechselwirkungsenergie zwischen den Molek¨ulen und a deren Gr¨oße beschreibt, erwartet man, dass die Ki in der Gr¨oßenordnung von U/a liegen. Die gemessenen Werte stimmen tats¨achlich mit dieser Annahme ¨uberein und betragen bei 5CB

K1 = 0.42×106dyn K2 = 0.23×106dyn K3 = 0.53×106dyn.

(2.19) Die Konstanten nehmen mit steigender Temperaturen ab und verhalten sich proportional zuS2, ihr Verh¨altnis ist aber im wesentlichen temperaturunabh¨angig.

Zu den bisher eingef¨uhrten elastischen Termen gesellt sich ein weiterer: der sogenannte Sattelspreizungsterm (Saddle-Splay-Term, s. [31])

f24=−K24

2 div (ndiv n+n×rot n). (2.20)

(25)

Er ist ein reiner Divergenzterm und kann daher in ein Integral ¨uber die begrenzenden Oberfl¨achen des Systems umgewandelt werden,

f24 =−K24

2 Z

dS(ndiv n+n×rot n), (2.21) an denen er zu einer bevorzugten sattelf¨ormigen Konfiguration f¨uhrt.

2.5.2 Elastische Freie Energie im Tensorbild

Da wir an der Bestimmung des Ordnungsparameter-TensorsQαβ interessiert sind, m¨ussen zu den bisher eingef¨uhrten elastischen Termen, die von Verzerrungen des Direktors n herr¨uhren, analoge Ausdr¨ucke im Tensorbild gefunden werden. Der Weg hierzu wird in [20] aufgezeigt. Zu der Entwicklung nach Potenzen desQ-Tensors werden elastische Terme der Form

fel(Q) = 1

2(c1Q2ij,k+c2Qij,jQik,k) (2.22) hinzugef¨ugt. Das tiefgestellte Komma bezeichnet die partielle Ableitung bez¨uglich der dar- auffolgenden r¨aumlichen Koordinate. Setzt man in den Ausdruck f¨ur die elastische freie Energie den uniaxialen Tensor Qij = 32

ninj13δij¢

ein, erh¨alt man die elastische Ener- giedichte im Direktorbild

fel = 3

8c1[n· ∇S]2 +3

2c2S[∇ ·n] [n· ∇S]

+ 3

4c2S[n× ∇ ×n]· ∇S + 9

4S2

·

¡c1+1 2c2

¢[∇ ·n]2+c1[n· ∇ ×n]2 + ¡

c1+1 2c2

¢[n× ∇ ×n]2

¸

. (2.23)

Dieser Ausdruck zeigt, dass die Abh¨angigkeit der elastischen freien Energiedichte vom Direktornum die Abh¨angigkeit vom skalaren OrdnungsparameterS erweitert wurde. Um den Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten c1 und c2 und den Frankschen Konstanten K1, K2 und K3 herzustellen, wird S als r¨aumlich konstant angenommen. Ein Koeffizientenvergleich zeigt dann:

K1 = 9 2S2¡

c1+ 1 2c2

¢ (2.24)

K2 = 9

2S2c1 (2.25)

K3 = 9 2S2¡

c1+ 1 2c2

¢. (2.26)

(26)

Die Proportionalit¨at zuS2 entspricht der experimentellen Beobachtung. Es zeigt sich, dass die Konstante c1 allein ¨uber den Verdrillungsanteil der elastischen Energie bestimmt ist.

Im Zusammenhang mit der elastischen Konstantenc1steht die nematische Koh¨arenzl¨ange ξN. Sie gibt an, auf welcher L¨ange eine induzierte nematische Ordnung an oder oberhalb der Phasen¨ubergangstemperatur abf¨allt. Hierzu betrachten wir einen nematischen Fl¨ussig- kristall, der bei z = 0 eine Orientierungsordnung mit S(z = 0) =S0 besitzt. Der Direktor n stehe in z-Richtung, es gelte also ∇n = 0. Durch Minimierung der freien Energie, die sich aus Gl. (2.23) und dem harmonischen Term von Gl.(2.16) zusammensetzt,

F = Z

£3

8c1[n· ∇S]2+3

8a0(T −Tc)S2¤

d3x, (2.27)

erh¨alt man die lineare Differentialgleichung

−a0(T −Tc)S+c1

2S

∂z2 = 0. (2.28)

Sie wird gel¨ost von

S =S0ez/ξN (2.29)

mit ξN = q c

1

a0(TTc). Der Parameter S f¨allt somit entlang der z-Achse auf einer von ξN

bestimmten L¨angenskala exponentiell ab. Der Wert von ξN an der nematisch-isotropen Phasen¨ubergangstemperatur wird im folgenden mit ξr bezeichnet. Er liegt in der Gr¨oßen- ordnung von 10 nm.

2.6 Oberfl¨ achenenergie

Zur Beschreibung der freien Energie, die die Verankerung des nematischen Fl¨ussigkristalls an einer Oberfl¨ache wiedergibt, wird in [19] eine Form im Direktorbild und daraufhin eine verallgemeinerte tensorielle Form eingef¨uhrt. Beim Rapini-Papoular-Potential ist die Abweichung des Direktors n von einer Vorzugsrichtung, die durch den Einheitsvektor νˆ beschrieben wird, mit einem Energieaufwand verbunden:

fs = W 2

£1−(nˆν)2¤

. (2.30)

In der Rapini-Papoular-Form wird der Maier-Saupe-Parameter als konstant angenommen und gleich dem Wert Sb im Volumen gesetzt. Um eine Verallgemeinerung des Rapini- Papoular-Potentials zu finden, das Variationen sowohl vonS als auch vonnber¨ucksichtigt, stellten Nobili und Durand [19] ein Modell auf, in dem die bevorzugte Orientierungsordnung an der Oberfl¨ache durch einen VorzugstensorQ0ij = 32S(n0in0j−δij/3) bestimmt wird. Die offensichtliche Verallgemeinerung der Rapini-Papoular-Form lautet damit

fs = W

2 sp (Q−Q0)2. (2.31)

(27)

Setzt man den uniaxialen Ordnungsparameter-Tensor in diesen Ausdruck ein, erh¨alt man eine um den skalaren Ordnungsparameter S erweiterte Form des urspr¨unglichen Rapini- Papoular-Potentials

fs = 9 8W

·2

3(S2+S02)−2SS0

µ

(n·ν)ˆ 2− 1 3

¶¸

(2.32) oder

fs= 9 8W

·2

3S2+2

3S02−2SS0

µ

cos2θ−1 3

¶¸

. (2.33)

Mitθist hierbei der Winkel zwischen dem Direktornan der Oberfl¨ache und dem Vorzugs- direktor νˆ bezeichnet. Dieser Ausdruck entspricht dem Rapini-Papoular-Potential, falls S konstant ist.

Die Wahl des Vorzugstensors legt die Art der Randbedingungen an der Oberfl¨ache fest, die man wie folgt einteilt (s. [28, 27]):

• Falls diese Vorzugsachse senkrecht zur Grenzfl¨ache steht, spricht man von hom¨ootro- pen Randbedingungen.

• Von tangentialen oder planaren Randbedingungen spricht man, falls ein entarteter Satz von Vorzugsachsen in der Oberfl¨achenebene liegt. Im Fall vonhomogenen Rand- bedingungen wird eine dieser Richtungen bevorzugt.

In der Praxis werden diese Randbedingungen durch unterschiedliche Substrate realisert.

Hom¨ootrope Randbedingungen beispielsweise entstehen bei starken chemischen Wechsel- wirkungen zwischen den Enden der Fl¨ussigkristallmolek¨ule und dem Substrat.

2.7 Skalierung der freien Energie

Der Ausdruck f¨ur die gesamte freie Energie lautet nun

F = Z

dV£

fbulk(Q) +fel(Q)¤ +

Z

dSfs(Q)

= Z

dV£1

2a0(T −T) spQ2−βspQ3+γ¡

spQ2¢2

+1

2c1(∇iQjk)2+ 1

2c2(∇iQij)2¤ +

Z

dA£W

2 sp (Q−Q0)2¤

. (2.34)

Er soll so skaliert werden, dass sich die Zahl der voneinander unabh¨angigen Parameter auf ein Minimum beschr¨ankt und dass die L¨angen auf Gr¨oßen reduziert werden, die f¨ur das System charakteristisch sind. Dazu werden die in Tabelle 2.1 angegebenen Ersetzungen vorgenommen.

(28)

urspr¨ungliche Gr¨oße Ersetzung durch

Q β

Q˜ =sQ˜ S βS˜=sS˜ a0(T −T) 12γβ2 τ

c1 12γβ2 ξr2

r a˜r

∇ a∂˜r =a∇˜ fbb36γβ43 = ˜fb4f

W β2a

Tabelle 2.1: Skalierungen

Bei der Ersetzung von c1 wurde von dem Zusammenhang der elastischen Konstanten mit der nematischen Koh¨arenzl¨ange am nematisch-isotropen Phasen¨ubergang Gebrauch gemacht, die in Abschnitt 2.5.2 eingef¨uhrt wurde. Alle L¨angen werden auf eine charakteri- stische L¨ange a des Systems reduziert. Falls eine Verankerung des nematischen Fl¨ussigkri- stalls auf Kolloidoberfl¨achen betrachtet wird, kann f¨urader Teilchenradius gew¨ahlt werden.

Mit ˜r = ar wird der Gradient entsprechend als ˜∇ = ∂˜r skaliert. Ebenso skalieren wir die begrenzende Oberfl¨acheR

dA˜=R

dA/a2. Die skalierte Oberfl¨achenverankerungsst¨arke er- gibt sich aus der Bedingung, dass die gesamte skalierte freie Energie nun aus den skalierten Anteilen

bulk+ ˜Fs = Fb

4f + Fs

4f = Z

d3r˜f˜b + Z

d ˜Af˜s (2.35) mit

s = Z

d ˜Af˜s= Z

d ˜AW˜

2 sp( ˜Q−Q˜0)2 (2.36) bestehen soll. Dies f¨uhrt unter Einbeziehung des skalierten Oberfl¨achenintegrals und des skalierten ˜Q-Tensors auf die angegebene Form von ˜W.

(29)

Die gesamte skalierte freie Energie ergibt sich damit zu F˜( ˜Q) =

Z d3

·1

4τsp ˜Q2−√

6sp ˜Q3

sp ˜Q2´2

+1 4

µξr

a

2µ

³∇˜lij

´2

+c1

c2

³∇˜iij

´2¶ ¸

+ Z

d ˜A£W˜ 2 sp³

Q˜ −Q˜0´2

¤. (2.37)

In den folgenden Kapiteln wird mit den skalierten Gr¨oßen gearbeitet, der Einfachheit halber werden die Tilden weggelassen.

2.8 Euler-Lagrange Gleichungen

Thermodynamisch stabile Verteilungen der Orientierungsordnung in einem nematischen Fl¨ussigkristall werden von den Euler-Lagrange-Gleichungen beschrieben, die durch die Minimierung der freien Energie nach Q gebildet werden. In dieser Arbeit werden die Euler-Lagrange-Gleichungen f¨ur unterschiedliche F¨alle gel¨ost, die sich in der Wahl des Koordinatensystems unterscheiden. Um Phasen¨uberg¨ange und Benetzung an einer ebenen Oberfl¨ache studieren zu k¨onnen, wird ein kartesisches Koordinatensystem gew¨ahlt, dessen x-y-Ebene der betrachteten Grenzfl¨ache entspricht. Danach werden die Euler-Lagrange- Gleichungen auf einer sph¨arischen Kolloidoberfl¨ache gebildet, wozu die Verwendung sph¨ari- scher Koordinaten vorteilhaft ist.

2.8.1 Euler-Lagrange-Gleichungen in kartesischen Koordinaten

Die Bedingung daf¨ur, dass die aus einem Volumenanteil und einem Oberfl¨achenanteil be- stehende freie Energie ein Minimum annimmt, wird durch die Forderung ausgedr¨uckt, dass die Variation der freien Energie verschwindet:

δF = 0. (2.38)

Als Ordnungsparameter-Tensor wird ein symmetrischer, spurfreier Tensor in den kartesi- schen Basisvektoren ex,ey und ez angesetzt:

Q=

Qxx Qxy Qxz

Qxy Qyy Qyz Qxz Qyz −Qxx−Qyy

.

Die Minimierung der freien Energie des Fl¨ussigkristalls mit einer in derx-y-Ebene liegenden Grenzfl¨ache nach den f¨unf unabh¨angigen Komponenten des Ordnungsparameter-Tensors Qxx, Qxy, Qxz, Qyy, Qyz f¨uhrt auf

(30)

Z

V

dxdydz µ ∂f

∂Qjk

δQjk + ∂f

∂∇iQjk

δ∇iQjk

¶ +

Z

S

dxdy ∂fs

∂Qjk

δQjk = 0. (2.39) Nun wird der zweite Term in Gl.(2.39) unter Verwendung der Produktregel umformuliert:

Z

V

dxdydz µ ∂f

∂Qjk

δQjk+∇i³ ∂f

∂∇iQjk

δQjk

´− ∇i³ ∂f

∂∇iQjk

´δQij

+ Z

S

dxdy ∂fs

∂QjkδQjk = 0. (2.40) Die Anwendung des Gaußschen Satzes liefert schließlich

Z

V

dxdydz µ ∂f

∂Qjk − ∇i ∂f

∂∇iQjk

¶ δQjk

+ Z

S

dxdy µ ∂fs

∂Qjk + ˆνi

∂f

∂∇iQjk

δQjk = 0. (2.41)

Hierbei ist ˆνidiei-te Komponente des Oberfl¨achennormalenvektors. Es ist darauf zu achten, dass der Vektor gem¨aß dem Gaußschen Satz aus dem Integrationsvolumen hinauszeigt.

Falls das Integrationsvolumen wie in diesem Fall der Halbraum f¨ur positivesz ist, zeigt der Normalenvektor νˆ in negativez-Richtung.

Da die Variation von δQjk frei w¨ahlbar ist, m¨ussen die Integranden des Oberfl¨achen- und des Volumenintegrals verschwinden:

∂f

∂Qjk − ∇i ∂f

∂∇iQjk

= 0 (2.42)

∂fs

∂Qjk − ∂f

∂∇zQjk

= 0. (2.43)

Gl. (2.42) ist die Volumengleichung, Gl. (2.43) die Oberfl¨achengleichung f¨ur die Kompo- nenten des Ordnungsparameter-Tensors.

Die explizite Angabe der Euler-Lagrange-Gleichungen ist im kartesischen Fall wesent- lich einfacher als im sph¨arischen Fall, da die Komponenten des Tensorgradienten ∇iQjk

einfach aus der jeweiligen r¨aumlichen Ableitung der entsprechenden Komponente des Ord- nungsparameters gebildet werden. An dieser Stelle sei erw¨ahnt, dass der Gradient die Stufe eines Tensors um eins erh¨oht, wir erhalten damit durch Anwendung des Gradienten auf den Tensor 2. Stufe einen 3×3×3 Tensor.

2.8.2 Euler-Lagrange-Gleichungen in sph¨ arischen Koordinaten

Die im vorigen Abschnitt hergeleiteten Gleichungen sind f¨ur den Fall der sph¨arischen Ober- fl¨ache leicht modifiziert. Der Q-Tensor wird in der Basis der sph¨arischen Einheitsvektoren er,eθ,eφ angesetzt. Er hat wegen seiner Symmetrie und Spurfreiheit die Gestalt

(31)

Q=

Qrr Q Q Q Qθθ Qθφ

Q Qθφ −Qrr−Qθθ

 (2.44)

Die gesamte freie Energie setzt sich nun aus dem Integral der Oberfl¨achenenergiedichte ¨uber die Kolloidoberfl¨ache (r = a) und dem Integral der Volumenenergie und der elastischen Energie ¨uber das gesamte Volumen (r > a) zusammen. Sie wird widerum als Funktional der f¨unf unabh¨angigen Komponenten des Ordnungsparameter-Tensors in der Darstellung (2.44) betrachtet. Die Variation wird nun nach den Komponenten Qrr,Q, Q, Qθθ und Qθφ analog zu Gl.(2.39) durchgef¨uhrt:

Z

V

r2drsinθdθdφ µ ∂f

∂Qjk

δQjk + ∂f

∂∇iQjk

δ∇iQjk

+ Z

S

r2sinθdθdφ ∂fs

∂Qjk

δQjk = 0.

(2.45) Hieraus ergibt sich analog zu Gl.(2.40) durch Umformung des zweiten Terms nach der Produktregel

Z

V

drdθdφ µ ∂f

∂Qjk

δQjkr2sinθ+∇i

µ ∂f

∂∇iQjk

δQjkr2sinθ

− ∇i

µ ∂f

∂∇iQjk

r2sinθ

¶ δQjk

+ Z

S

r2sinθdθ ∂fs

∂Qjk

δQjk = 0.

(2.46) Wiederum f¨uhrt die Anwendung des Gaußschen Satzes zu

Z

V

drdθdφ µ ∂f

∂Qjk

r2sinθ− ∇i

µ ∂f

∂∇iQjk

δQjkr2sinθ

¶¶

+ Z

S

r2sinθdθdφ µ ∂fs

∂Qjk −νˆi

∂f

∂∇iQjk

δQjk = 0. (2.47)

Da ¨uber das Volumen außerhalb des Kugelvolumens integriert wird, zeigt der Normalenvek- tor νˆin das Kolloid hinein, also in negative r-Richtung. Mit derselben Begr¨undung wie im kartesischen Fall m¨ussen beide Integranden verschwinden. Die Euler-Lagrange-Gleichungen im sph¨arischen Fall ergeben sich damit zu

∂f

∂Qjk

r2sinθ− ∇i

µ ∂f

∂∇iQjk

r2sinθ

= 0 (2.48)

∂fs

∂Qjk − ∂f

∂∇rQjk

= 0. (2.49)

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