THEMEN DER ZEIT
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Seit dem Jahr 1986 wird vom In- stitut für Gesundheits-System- Forschung Kiel, ein System zur intensivierten Risikobeobach- tung neuer Arzneimittel durch niedergelassene Ärzte entwik- kelt. Seine Aufgabe ist es, erst seit kurzem auf dem Markt be- findliche Arzneimittel systema- tisch zu dokumentieren und unerwünschte Arzneimittelwir- kungen (UAW) zu erfassen.
Hauptziele des Verfahrens sind die Quantifizierung und die Entdeckung bisher unbekann-
E
nde November vergangenen Jahres fand in Kiel eine Ta- gung zum Thema „Uner- wünschte Arzneimittelwir- kungen — Erfassungsmethoden und Bewertung" statt, die gemeinsam von dem Europäischen Büro der Weltge- sundheitsorganisation und dem In- stitut für Gesundheits-System-For- schung Kiel, durchgeführt wurde.Über diese Tagung ist bereits im DEUTSCHEN ARZTEBLATT be- richtet worden (1)*).
Diese viertägige Zusammen- kunft verdeutlichte, daß den größ- ten Anteil an der Erfassung un- erwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) in der niedergelassenen Pra- xis die ärztlichen Spontanberichte haben, die bei der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft (2), beim Bundesgesundheitsamt (BGA) und beim jeweiligen Herstel- ler zusammengeführt werden. Die Spontanerfassung kann aber nur als eine Komponente der Risikoüberwa- chung von Arzneimitteln angesehen werden. Sie ermöglicht zum Beispiel
Modellprojekt I
M. Hannig, R. Hanpft, F. Beske, E. Becker, A. Sauer
ter UAW. In dem nachfolgen- den Beitrag werden das Doku- mentations- und Bewertungs- verfahren sowie der Stand der Erhebungen dargestellt.
keine Angabe der Inzidenz oder des relativen Risikos einer bestimmten UAW. Es besteht außerdem die Ge- fahr, daß bestimmte UAW nicht er- kannt werden. Deshalb wurde die Forderung erhoben, neben der Spontanerfassung systematische Me- thoden zu entwickeln, um die Erfas- sung von UAW zu komplettieren.
• Besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich möglicher Arzneimittel- risiken erfordert die erste Phase nach der Zulassung eines neuen Wirkstoffes, da in diesem Zeitraum ein Arzneimittel erstmals bei einem großen Patientenkollektiv und unter den Bedingungen der niedergelasse- nen Praxis eingesetzt wird. Das Bun- desgesundheitsamt fördert daher ein Modellvorhaben, mit dem eine syste- matische Überwachung neuer Arznei- mittel in den ersten Jahren nach ih- rer Zulassung durch niedergelassene Ärzte entwickelt werden soll. In Zu-
sammenarbeit mit Ärzten in Schles-
*) Die in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf das Literaturverzeichnis beim Sonder- druck.
wig-Holstein und mit der Abteilung Pharmakologie der Universität Kiel wurde hierzu vom Institut für Ge- sundheits-System-Forschung, Kiel — im folgenden „Institut" genannt — ein System entwickelt, mit dem al- le mit ausgewählten Arzneimitteln durchgeführten Behandlungen und alle unerwünschten Ereignisse doku- mentiert werden.
• Sollte sich das Modell bewäh- ren, wäre dies eine sinnvolle Er- gänzung zur Spontanerfassung un- erwünschter Arzneimittelwirkungen durch die Arzneimittelkommission der Heilberufe, durch das BGA und durch die Arzneimittelhersteller.
Datenerhebung
Die Zahl der an dem For- schungsprojekt beteiligten niederge- lassenen Ärzte schwankte in den zu- rückliegenden vier Jahren zwischen 20 und 35. Die beteiligten Ärzte stel- len die erforderlichen Behandlungs- daten freiwillig und ohne finanzielle Vergütung zur Verfügung.
Ein Verfahren zur systemati- schen Überwachung ausgewählter Arzneimittel erfordert eine kontinu- ierliche Dokumentation der Behand- lungsverläufe eines definierten Pa- tientenkollektivs, damit die Häufig- keit unerwünschter Arzneimittelwir- kungen berechnet werden kann Aus diesem Grunde werden alle mit ei- ner überschaubaren Auswahl von Arzneimitteln durchgeführten Be- handlungen auf Formblättern erfaßt.
Für die Dokumentation der Behand- lungsverläufe stehen dem Arzt drei Formblätter zur Verfügung:
C) Bei Beginn der Behandlung wird ein Patientenblatt ausgefüllt.
Neben den Patientenmerkmalen Ge- burtsdatum, Geschlecht, Größe und Gewicht werden die Diagnose und Begleitdiagnosen angegeben. Ana- mnestische Besonderheiten können angekreuzt und erläutert werden.
Die medikamentöse Therapie wird mit Behandlungsbeginn und Dosie- rung erfaßt. Auch alle während der Beobachtungszeit zusätzlich verord- neten Arzneimittel müssen angege- ben werden.
0 Auf einem Therapiebogen werden Verlauf und Ende der Be-
Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen
in Praxen
niedergelassener Ärzte
A-1246 (26) Dt. Ärztebl. 88, Heft 15, 11. April 1991
handlung eingetragen. Dieses Form- blatt wird bei einer Langzeittherapie einmal pro Quartal ausgefüllt. Bei einer Kurzzeittherapie wird der The- rapiebogen nur einmal zur Anzeige des Behandlungsendes verwendet.
® Die während und nach einer Arzneimittelbehandlung auftreten- den Ereignisse werden auf einem Er- eignisblatt dokumentiert.
Der Ereignisbegriff ist bewußt weit gefaßt. Ereignisse sind alle Vor- kommnisse, die im Rahmen der Arz- neimitteltherapie auffallen, wie Ver- schlechterungen eines bestehen- den Krankheitsbildes, Krankenhaus- einweisungen, Unfälle oder neue Diagnosen. Dabei soll der Arzt zwi- schen dem beobachteten Ereignis und der Arzneimitteltherapie zu- nächst keinen Zusammenhang her- stellen.
Mit der Ereignisdokumentation sollen unbekannte, unerwartete und aus den Wirkeigenschaften nicht ab- leitbare unerwünschte Wirkungen entdeckt werden.
Ziel der vorläufigen Bewertung ist die Zuordnung der Ereignisse zu drei Klassen:
—Ereignisse mit Verdacht auf eine unerwünschte Arzneimittelwir- kung (Klasse 1)
—Ereignisse, die vermutlich auf das bereits bestehende Krankheits- bild zurückzuführen sind (Klasse 2)
—Sonstige Ereignisse mit ande- rer Ursache, die gegenwärtig nicht bewertbar sind (Klasse 3).
• Ergibt sich bei dieser Einzel- fallbewertung ein UAW-Verdacht, so wird dieser vom Institut auf dem BGA-Berichtsbogen an das BGA, Berlin, und an die Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft, Köln, weitergeleitet. Das Bundesge- sundheitsamt informiert dann den Hersteller. Jeder Verdachtsbericht enthält eine kurze Begründung, war- um das Ereignis als UAW-Verdacht eingestuft wurde.
• Die über das Bundesgesund- heitsamt informierten Hersteller können Rückfragen zu Berichten über unerwünschte Wirkungen stel- len.
Diese werden nicht direkt an den beobachtenden Arzt weitergelei- tet, sondern vom Institut mit Unter- stützung durch den jeweiligen Arzt
beantwortet, so daß dieser wenig be- lastet wird und außerdem anonym bleiben kann;
Arzneimittelauswahl Für die Anfangsphase des For- schungsvorhabens wurden Arznei- mittel aus drei verschiedenen Wirk- stoffgruppen ausgewählt:
— Die ACE-Hemmstoffe Cap- topril und Enalapril;
— die H2-Antihistaminika Cime- tidin, Ranitidin und Famotidin;
—die Gyrasehemmstoffe Nor- floxacin, Ofloxacin, Enoxacin und Ciprofloxacin.
Stand der Erhebungen Seit Herbst 1986 wurden 1061 Therapieverläufe dokumentiert. Die bisher berichteten 800 Ereignisse wurden in drei Gruppen eingeteilt.
Dabei ergibt sich folgende Vertei- lung:
> 165 Ereignisse, bei denen ein UAW-Verdacht besteht (Klasse 1);
> 323 Ereignisse, die vermut- lich krankheitsbedingt sind (Klasse 2);
I> 312 Ereignisse, die zum ge- genwärtigen Zeitpunkt nicht beur- teilt werden können (Klasse 3).
Ereignisprofil
der ACE-Hemmstoffe Werden die Ereignisse nach ei- nem Klassifikationsschema, bei- spielsweise der WHO-Terminologie für Nebenwirkungen (3), in Sym- ptomgruppen zusammengefaßt, so erhält man substanzspezifische oder wirkstoffgruppenspezifische Ereig- nisprofile.
Bei den ACE-Hemmstoffen ist der größte Anteil von kardiovasculä- ren Störungen als krankheitsbedingt eingestuft worden (Darstellung 1 auf der nachfolgenden Seite). Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Verstärkung einer bereits bestehen- den Angina pectoris oder um Blut- druckschwankungen. Auffällig ist
der relativ hohe Anteil der als Ver- dacht auf unerwünschte Arzneimit- telwirkung gewerteten Unverträg- lichkeiten im Bereich der Atemwege.
Das oftmals beschriebene Symptom des trockenen Reizhustens unter ACE-Hemmstoffen ist auch von den am Modellprojekt beteiligten Ärzten beobachtet worden (4, 5). Die mei- sten Ereignisse im Bereich der Atemwege sind Husten oder ver- stärkte Asthmaanfälle bei bereits be- stehendem Asthma bronchiale. Drei- zehn der insgesamt 40 Ereignisse wurden der Klasse 1 — also den Er- eignissen mit Verdacht auf uner- wünschte Arzneimittelwirkung — zu- geordnet. Ob ein Zusammenhang zwischen der Medikation und dieser Symptomatik besteht, wird kontro- vers diskutiert (6, 7).
Ereignisprofil
der H2-Antihistaminika Die häufigsten Ereignisse unter H2-Antihistaminika betreffen den Gastrointestinaltrakt (Darstellung 2). Es ist verständlicherweise schwie- rig, bei bereits vorhandenen Schleimhautschäden des Magen- Darm-Traktes zwischen krankheits- bedingten gastrointestinalen Störun- gen und arzneimittelbedingten Un- verträglichkeiten zu differenzieren.
Trotzdem wurden acht Ereignisse dieser Gruppe aufgrund ihres engen zeitlichen Zusammenhanges zwi- schen der Arzneimitteltherapie und der beobachteten Symptomatik als Verdacht auf eine unerwünschte Arzneimittelwirkung bewertet. Zur Symptomgruppe Nervensystem ge- hörende Beschwerden wie Unruhe- zustände, Schlafstörungen, Schwin- del oder Gleichgewichtsstörungen sind teilweise ebenfalls den Klasse 1-Ereignissen zugeordnet worden.
Es ist bemerkenswert, daß die zwei als Verdacht auf UAW einge- stuften Gynäkomastien (unter der Gruppe Hormone/Stoffwechsel) bei einer Therapie mit Cimetidin auftra- ten. Bei Ranitidin und Famotidin wurde diese Symptomatik nicht be- obachtet. Die bekannten Unterschie- de zwischen Cimetidin und den neueren H2-Antihistaminika konn- ten damit bestätigt werden (8). >
Dt. Ärztebl. 88, Heft 15, 11. April 1991 (29) A-1249
Darstellung 1:
Ereignisprofil ACE-Hemmstoffe
Haut
Muskulatur/Skelett
Nervensystem
Sinnesorgane
Psychiatr. Störungen
Gastraintesfinaltrakt
Stoffwechsel/Hormone
Herz-Kreislauf-System
Atemwege
Blutbild Harnwege/Geschlechtsorg.
Neoplasmen
nicht lokalis. Störungen
lokale Unverträglichkeit
Resistenzstörungen
nicht verschlüsselt
0 UAW-Verdacht
13
53
7
28
45
8
70
75
I 61
21
34
20
80
20 40 60
I I
vermutlich krank- sonstige heitsbedingt16
15
16
25
6
30
3
12
Darstellung 2:
Ereignisprofil H 2-Antagonisten
Haut
Muskulatur/Skelett
Nervensystem
Sinnesorgane
Psychiatr. Störungen
Gastrointestinattrakt
Stoffwechsel/Hormone
Herz-Kreislauf-System
Atemwege
Blutbild
Harnwege/Geschlechtsorg.
Neoplasmen
nicht lakalis. Störungen
lokale Unverträglichkeit
Resistenzstörungen
nicht verschlüsselt
0 10 20 30 40 50 60
1111
UAW-Verdacht vermutlich krank-heitsbedingt
I.1
sonstigeEreignisprofil
der Gyrasehemmstoffe Bei der Behandlung mit Gyrase- hemmstoffen sind im Vergleich zu den ACE-Hemmstoffen weniger Er- eignisse berichtet worden. Ein Grund dafür dürfte das niedrigere Durchschnittsalter dieser Patienten- gruppe mit geringerer Morbidität sein.
Die niedrigere Ereigniszahl hängt auch damit zusammen, daß die Behandlung mit den antibiotisch wirksamen Gyrasehemmern im Ge- gensatz zur antihypertensiven Thera- pie zeitlich limitiert ist.
Bei den unter der Gruppe Ner- vensystem zusammengefaßten Stö- rungen trat relativ häufig ein Ver- dacht auf eine unerwünschte Arznei- mittelwirkung auf (Darstellung 3 auf der nächsten Seite). Hierbei handelt
es sich nicht nur um zentralnervöse Symptome wie Unruhe, Erregungs- zustände oder Schlafstörungen, son- dern auch um Empfindungsstörun- gen (Kribbelparästhesien) in der Pe- ripherie. Hautreaktionen (Juckreiz, Rötung, Exantheme) und gastrointe- stinale Unverträglichkeiten wurden ebenfalls häufig als unerwünschte Wirkung verdächtigt.
Einfluß der Dosis
auf die Ereignishäufigkeit Im Rahmen der Dokumentation wird auch die Dosierung der beob- achteten Arzneimittel erfaßt. Es ist somit möglich, eine Dosisabhängig- keit von Ereignissen zu erkennen.
Hierzu wurde am Beispiel der ACE- Hemmstoffe die Abhängigkeit der Ereignishäufigkeit in bestimmten Sy-
stem-Organ-Klassen von der durch- schnittlichen Dosierung untersucht.
Für alle drei System-Organ-Klassen (Störungen im Respirationstrakt, ga- strointestinale Unverträglichkeiten, Hautreaktionen) kann eine eindeuti- ge, wenn auch nicht proportionale Zunahme der Ereignishäufigkeit mit zunehmender Dosis gefunden wer- den. Am eindrucksvollsten ist das Bild bei den Atemwegsstörungen.
Während sich bei einer durchschnitt- lichen Dosis von einer viertel bis ei- ner halben definierten Tagesdosis (DDD) nur bei rund vier Prozent al- ler Behandlungen Unverträglichkei- ten im Respirationstrakt zeigten, wurden bei einer Dosis von mehr als einer DDD pro Tag in mehr als 14 Prozent der Behandlungen Ereignis- se dieser Art beobachtet. Auch die- ser Befund ist physiologisch plausi- bel, wenn man in Betracht zieht, daß A-1252 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 15, 11. April 1991
Darstellung 3:
Tabelle: Vergleich der HäufigkeitenEreignisprofll Gyrasehemmstoffe
ausgewählter Gruppen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW)
Arzneimittel-
Haut
gruppe
Muskulatur/Skelen
Nervensystem
Sinnesorgane
Psychiatr. Störungen
ACE- Hemmstoffe
Gastrointestinaltrakt
Stoffwechsel/Hormone
21 (337 Behand-
Iungen)
Herz-Kreisla~.r,-System
Atemwege H2-Ant-
agonisten
Blutbild (475 Behand-
Iungen)
Harnwege/Geschlechtsorg.
Neoplasmen
nicht /akalis. Störungen
Gyrase- hemmstoffe
lokale Unverträglichkeit
(249 Behand- Iungen)
Resistenzstörungen
nicht verschlüsselt
0 10 15 20 25 30
D D
vermutlichkrank-o .UAW-Verdacht .. ·. h . b d. sonstrge e1ts e .ngt
Darstellungen und Tabelle: Institut für Gesundheits- System-Forschung
der Reizhusten unter Behandlung mit ACE-Hemmstoffen höchstwahr- scheinlich direkt mit dem Wirkungs- mechanismus dieser Substanzen zu- sammenhängt.
Literaturvergleich
Die Leistungsfähigkeit des Mo- dells kann durch einen Literaturver- gleich überprüft werden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die in der Literatur genannten Häufigkeits- angaben zu unerwünschten Arznei- mittelwirkungen oftmals sehr unter- schiedlich sind und daß auch für häufige unerwünschte Wirkungen keine exakten Werte angegeben wer- den können (9, 10, 11, 12). Für den Literaturvergleich wurden solche Sy- stem-Organ-Klassen gewählt, die ei- ne große Bedeutung haben und so-
mit schon bei geringen Behandlungs- zahlen eine relativ sichere Quantifi- zierung gestatten. Allerdings beru- hen die für bestimmte Symptom- gruppen berechneten prozentualen Häufigkeiten für die jeweilige Arz- neimittelgruppe nur auf wenigen hundert Behandlungen.
Bei den ACE-Hemmstoffen werden Hautreaktionen, gastrointe- stinale Unverträglichkeiten und Stö- rungen des Respirationstrakts mit- einander verglichen, bei den beiden anderen Stoffgruppen Hautreaktio- nen, gastrointestinale Unverträglich- keiten und zentralnervöse Symptome (Tabelle oben rechts).
Insgesamt stimmen die Relatio- nen der Häufigkeiten der vergliche- nen Gruppen unerwünschter Arznei- mittelwirkungen mit den Ergebnis- sen anderer Studien recht gut über- ein. Bei den Gyrasehemmstoffen
System-Organ- Häufigkeit der
Klasse UAWin%
Eigene Literatur Beob-
achtungen
Haut 3 4 -6,9
Gastrointestinale
Unverträglichkeit 0,9 0,7 Respirationstrakt 3 2,9
Haut 1,1 0,55
Gastrointestinale
Unverträglichkeit 1,7 2,7
ZNS 1,7 1
Haut 2,4 0,4-1,9
Gastrointestinale
Unverträglichkeit 4,4 2,1-8,1
ZNS 2,4 0,7-4,4
sind wegen der geringen Zahl der be- obachteten Behandlungen die ermit- telten Häufigkeitswerteam unsicher- sten.
e
Der Vergleich zeigt, daß un- ser Erfassungssystem realistische Er- gebnisse liefert. Aufgrund des bisher kleinen Beobachtungskollektivs muß sich die Bewertung jedoch auf häu- fige, bereits bekannte unerwünsch- te Arzneimittelwirkungen beschrän- ken.Datenerhebung mit Hilfe der EDV
.... Da der Anteil der mit Praxis- computern ausgestatteten niederge- lassenen Praxen zugenommen hat, wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem die für das Forschungsvorhaben relevanten Daten aus der Datenbank eines Praxiscomputers abgerufen werden können. Hierzu wurde in Zu- sammenarbeit mit einem Software- hersteller ein Datenselektionspro- gramm entwickelt. Damit können die benötigten Behandlungsdaten vom Praxiscomputer in anonymisierter Dt. Ärztebl. 88, Heft 15, 11. April 1991 (35) A-1253
Form auf eine Diskette übertragen werden.
Um die gewünschten Daten zu finden, sucht das Programm zu- nächst die Verordnungen der ausge- wählten Medikamente. Wird eines der Medikamente in der Datei eines Patienten entdeckt, werden folgende Informationen auf die Diskette über- tragen: Alter, Geschlecht, Dauerdia- gnosen, Diagnosen mit kurzfristiger Bedeutung, Dauermedikation, Akut- medikation, Befundtexte, Ergebnisse von Röntgenuntersuchungen, Aller- gien, Ergebnisse von EKG und So- nographie. Die auf die Diskette ab- gespeicherten Daten werden in die Datenbank des Instituts aufgenom- men. Es wird daran gearbeitet, die in einer Pilotphase mit wenigen Ärzten gewonnenen Daten zu verschlüsseln und auszuwerten.
Durch den Einsatz der EDV zu Datenerhebungszwecken soll die Zahl der beobachteten Behand- lungsverläufe so erhöht werden, daß Inzidenzberechnungen zu sichereren Ergebnissen führen und auch sel- tenere unerwünschte Wirkungen quantifiziert werden können.
... Unabhängig davon bleibt für Ärzte, die weiterhin mit Karteikar- ten arbeiten und die an einer Teil- nahme interessiert sind, die Möglich- keit einer Erfassung der für das For- schungsvorhaben erforderlichen An- gaben auf Formblättern erhalten.
Wir danken Professor Dr.
*
Lüllmann, Pro- fessor Dr. Ziegler und Privatdozent Dr. Mohr, Abteilung Pharmakologie der Universität Kiel, für ihre Mitwirkung beim Aufbau und bei der Durchführung des Forschungsvorhabens.(Literatur beim Sonderdruck)
Anschrift der Verfasser:
Michael Hannig, Apotheker Dr. rer. nat. Reinhard Hanpft, Apotheker
Prof. Dr. med. Fritz Beske, MPH Ekkehard Becker, Diplom-Ingenieur Andreas Sauer, medizinischer Dokumentationsassistent Institut für
Gesundheits-System-Forschung Kiel Weimarer Straße 8
W-2300 Kiel-Wik
DEUTSCHES
ARZTEBLATT
DER KOMMENTAR
6 + 1 = 2: Eine neue Grundrechenregel behn BlUldesgeslUldheitsamt?
Die Verordnung über unwirt- schaftliche Arzneimittel in der ge- setzlichen Krankenversicherung ("Negativliste"), die zum 1. Juli 1991 in Kraft tritt, erzeugt immer stärkere gegenregulatorische Aktivitäten.
Es ist nur allzu verständlich, daß jeder pharmazeutische Unternehmer die Aufnahme seines Präparates in diese für seinen Umsatz nachteilige Liste verhindern möchte - mag es sich bei seinem Fertigarzneimittel auch um eine noch so irrationale
"Komposition" handeln. Es sieht so aus, als ob derartige Bemühungen vom Bundesgesundheitsamt in be- stimmten Fällen nach Kräften unter- stützt werden.
So hat die Bundesoberbehörde zum Beispiel dem Hersteller von Spasmo-Rhoival® bescheinigt, daß das in seinem Produkt enthaltene so- genannte "Extractum compositum"
aus 6 (sechs) unterschiedlichen Pflanzenteilen (Herba Agrimoniae, Herba Virgaureae, Herba Hyperici, Herba Bursae pastoris, Flores Arni- cae, Radix Valerianae) gleichzuset- zen sei mit einem Arzneistoff. Zu- sammen mit dem in diesem Fertig- arzneimittel noch enthaltenen Di- cycloverin ergibt dies also nicht die Summe 7, sondern die Summe 2 - Spasmo Rhoival® fällt damit nicht mehr unter die Bestimmungen dieser
FERNSEHKRITIK
Die fliegenden Ärzte (Dienstag, 26. März, ZDF). Gleich zu Beginn des Pilotfilms der australischen Fernsehserie stirbt der erste Patient von Dr. Tom Callaghan (Andrew McFarlane ), der sein Praktikum bei den Flying Doctors absolviert. Mit diesem tragischen Anfang soll wohl deutlich werden, daß der Zuschauer nicht mit einer der üblichen "Halb- götter-in-Weiß-Serien" zu rechnen hat.
Die "fliegenden Ärzte", die ein Gebiet betreuen, das so groß ist wie Frankreich, haben es nicht leicht: Sie müssen gegen V murteile und Miß-
Negativliste (Präparate mit mehr als 3 Inhaltsstoffen - die sogenannte
"3er-Regel"-sollen nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden).
Entgegen seinen derzeitigen Bemü- hungen hat der Hersteller das aus- schließlich den "zusammengesetzten Extrakt" und nicht Dicycloverin ent- haltende Rhoival® in der Roten Li- ste 1991 bei den Kombinationsprä- paraten einreihen lassen.
Besonders pikant wird diese
"Zusammenfassungstendenz" des Bundesgesundheitsamtes, wenn ein wissenschaftlich nicht unumstritte- nes Enzymgemisch tierischer und pflanzlicher Herkunft (Wobenzym®, enthält unter anderem Bromelaine, Papain, Alpha-Amylase, Trypsin und Chymotrypsin) ebenfalls in Zukunft als ein Arzneistoff gelten soll. Es muß damit gerechnet werden, daß die Hersteller unterschiedlich zu- sammengesetzter Bakterien-Kultur- Suspensionen (zum Beispiel in Kol- picortin®: Staphylococcus-, Strepto- coccus-, Pseudomonas- und E.-coli- Bestandteile) diese vom Bundesge- sundheitsamt angebotenen Möglich- keiten ebenfalls ausschöpfen wollen.
Schon seit längerem werden au- ßerdem "Umdeklarationen" von arz- neilich wirksamen Bestandteilen ei- nes Fertigarzneimittels in zum Bei- spiel "wirkungsrelevante Hilfsstof-
trauen der Landbevölkerung beste- hen. Außerdem sind die technischen Möglichkeiten häufig unbefriedi- gend. Dennoch gelingt es dem sym- pathischen Dr. Callaghan allmählich, das Vertrauen der Menschen zu ge- winnen.
Kein Wunder, daß die "Flying Doctors" sich in zahlreichen Län- dern der Welt großer Beliebtheit er- freuen. Denn Liebe und Leid des au- stralischen Landlebens werden nicht nur unterhaltsam und spannend, sondern auch überzeugend in Szene gesetzt. So ist davon auszugehen, daß die Serie, von der vorerst 34 Fol- gen ausgestrahlt werden, auch in Deutschland begeisterte Anhänger
finden wird. Kli
A-1254 (36) Dt. Ärztebl. 88, Heft 15, 11. April 1991