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Archiv "Intensivierte Spontanerfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen" (14.05.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Bernd Czechanowski, Irini Karapanagiotou-Schenkel, Monika Henke-Eberhardt, Dirk Otto Schäfer und Ellen Weber

Aus der Abteilung für Klinische Pharmakologie (Direktor: Professor Dr. Ellen Weber) der Medizinischen Universitäts-Klinik (Geschäftsführender Ärztlicher Direktor:

Professor Dr. med. Dr. h. c. mult.

Gotthard Schettler) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Intensivierte

Spontanerfassung unerwünschter

Arzneimittelwirkungen

Systematisierte Sammlung von Meldungen niedergelassener Ärzte

N

ach einer Definition der WHO handelt es sich bei einer uner- wünschten Arzneimittelwirkung (UAW) um jede schädliche, unbe- absichtigte Reaktion, die bei Do- sierung von Arzneimitteln auftritt, wie sie für die Prophylaxe, Diagno- se und Therapie üblich ist (4).

Zur Erfassung von UAW sind welt- weit in den vergangenen drei Jahr- zehnten zahlreiche Methoden ent- wickelt worden (3). Der methodi- sche Aufwand und die Kosten sind teilweise so hoch, daß nur ein be- grenztes Patientenkollektiv und Arzneimittelspektrum überwacht werden kann und sehr selten auf- tretende UAW nicht oder nur zufäl- lig erkannt werden. Da die Erfas- sungssysteme meist nur in Klini- ken praktiziert werden, können UAW, die erst nach Langzeitthera- pie auftreten, in der Regel nicht er- faßt werden.

Ein System zur Erfassung uner- wünschter Arzneimittelwirkungen, bei dem sowohl Meldungen von niedergelassenen Ärzten als auch von Klinikärzten und Herstellerfir- men eingehen, ist das Spontaner- fassungssystem der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzte- schaft in Köln (2). Das Früherfas-

Der niedergelassene Arzt kann ei- nen wesentlichen Beitrag zur Arz- neimittelsicherheit leisten. Hierzu ist es notwendig, daß er sich mehr als bisher an der Erfassung uner- wünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) beteiligt. Es wird ein Sy- stem zur systematischen Erfas- sung unerwünschter Arzneimittel- wirkungen durch niedergelassene Ärzte vorgestellt, dessen Ziele dar- in bestehen, möglichst viele Kolle- gen zu einer Mitarbeit zu motivie- ren, ein weitgefaßtes Medikamen- tenspektrum und große Patienten- kollektive zu überwachen, UAW- Profile zu erstellen sowie seltene und schwere UAW zu erfassen.

sungssystem dient der Sammlung von Kasuistiken und Hypothesen- generierung. Die Häufigkeit des Auftretens von UAW ist hierbei schwer beurteilbar und ihre Be- stimmung auch nicht das Ziel die- ses Systems. Da es sich um ein rein „passives" Spontanmeldever- fahren handelt, durch das „bana- le" und schon bekannte Reaktio- nen wahrscheinlich seltener erfaßt werden, als die Ärzte sie beobach- ten, wird die Dunkelziffer dieser Reaktionen sehr groß sein.

An der Medizinischen Universi- tätsklinik Heidelberg wurde mit Unterstützung des Bundesge- sundheitsamtes ein System zur Er- fassung von unerwünschten Arz- neimittelwirkungen bei niederge- lassenen Ärzten entwickelt, das sowohl die Erstellung von Neben- wirkungsprofilen und eine Quanti- fizierung der als UAW einge- schätzten Symptome als auch die Erfassung seltener und schwerer UAW zum Ziel hat und gleichzeitig ein breites Arzneimittelspektrum überwachen soll.

Bei diesem System handelt es sich um eine „intensivierte" Spontan- erfassung. Dies bedeutet, daß bei den niedergelassenen Ärzten kei- ne permanente, systematische Be- fragung durchgeführt wird, son- dern die Meldung spontan erfolgt.

Durch das Bewußtsein der Ärzte, bei einem solchen System „aktiv"

mitzuarbeiten, wird allerdings eine erhöhte Melderate — insbesondere der banalen und schon bekannten UAW — erwartet.

Dieses System darf aber keines- falls als Konkurrenz oder Ersatz der reinen Spontanerfassung durch die Arzneimittelkommission gesehen werden. Die Anzahl der Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 20 vom 14. Mai 1986 (55) 1439

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Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

meldenden Ärzte ist bei der inten- sivierten Spontanerfassung be- grenzt und damit auch die Anzahl der überwachten Therapien. Die Wahrscheinlichkeit, sehr selten auftretende UAW zu erfassen, ist deshalb geringer als bei der Spon- tanerfassung durch die Arzneimit- telkommission.

Die Zielvorstellungen der intensi- vierten Spontanerfassung sind in Tabelle 1 zusammengestellt und Unterschiede beziehungsweise Vorteile gegenüber einem Drug Monitaring System in der Klinik oder in klinischen Studien der Phase II bis IV erwähnt.

entzündliche und

..,.. Rekrutierungssystem Es wurde ein "Rekrutierungssy-

stem" entwickelt, das es ermög-

licht, mit einem geringen Aufwand diejenigen niedergelassenen Ärzte zu ermitteln, die bereit sind, regel- mäßig Symptome oder Sym- ptomenkomplexe, die sie mit der Einnahme eines oder mehrerer Arzneimittel ursächlich in Verbin- dung sehen, an eine zentrale Stel- le zu melden. Dieses System be- dient sich mehrerer Kontakte mit zunehmendem Informationsgehalt in Form von zwei Anschreiben, ei- nem Telefongespräch und einem abschließenden Besuch. Dem Arzt

Anzahl der UAW

infektiöse Prozesse

Nierenfunktionsstörungen Elektrolytverschiebungen

Atemfunktionsstörungen endokrine Störungen

Blutungskomplikationen und Gerinnungsstörungen

Blutbildveränderungen Muskel· und Skelettsystem

Abbildung: Nebenwirkungsprofil der im Beobachtungszeitraum 1981 bis 30. Juni 1984 erfaßten 3739 UAW

Tabelle 1: Zielvorstellungen und Leistungsfähigkeit der intensivier- ten Spontanerfassung bei niedergelassenen Ärzten

1. Erstellung von Nebenwirkungsprofilen -Erfassung möglichst aller UAW- 2. Erfassung seltener und schwerer UAW

-große Patientenkollektive-

3. Erfassung von UAW neuer Fertigarzneimittel

-Verordnung dieser Präparate zunächst vorwiegend von niederge- lassenen Ärzten -

4. Erfassung von UAW nach Langzeittherapie - Liegedauer in der Klinik zu kurz-

5. Im Gegensatz zu klinischen Prüfungen sind die Ausschlußkriterien weiter gefaßt

1440 (56) Heft 20 vom 14. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

bleibt es dabei zu jedem Zeitpunkt überlassen, ob er über das Projekt näher informiert werden möchte.

Besucht werden alle Ärzte, die sich zu einer Mitarbeit bereit erklä- ren.

Die Mitarbeitsdauer ist zunächst auf ein Jahr begrenzt; eine länger- dauernde Zusammenarbeit ist al- lerdings außerordentlich wün- schenswert. Bei dem Ausscheiden eines Arztes wird versucht, durch Nachrekrutierung den Mitarbeiter- stamm zu erhalten.

..,.. Art der UAW, die erfaßt wer- den sollen, Erfassungsumfang, Möglichkeiten der Informations- übermittlung

Wir bitten die niedergelassenen Ärzte, alle Symptome oder Sym- ptomenkomplexe zu melden, die sie bei ihren Patienten beobach-

ten, als unerwünscht ansehen und

möglicherweise mit der Einnahme von einem oder mehreren Arznei- mitteln ursächlich in Verbindung bringen. Dies bedeutet, daß wir Verdachtsfälle von Arzneimittel- anschuldigungen sammeln. Ob es sich im einzelnen Fall um eine echte Arzneimittelnebenwirkung handelt, kann und soll mit diesem System nicht bewiesen werden. Die Erfassung aller Verdachtsfälle ist erforderlich, da eines der Hauptziele der intensivierten Spontanerfassung darin besteht, von einzelnen Arzneimitteln oder Arzneimittelgruppen Nebenwir- kungsprofile zu erstellen und Prä- parate gleicher Indikation mitein- ander zu vergleichen.

Um den Dokumentationsaufwand möglichst gering zu halten, ist der Erfassungsumfang auf ein Min- destmaß beschränkt (Alter, Ge- schlecht, Gewicht, Größe, Diagno- se, UAW, angeschuldigte[s] Medi- kament[e] ). Da die Ärzte gebeten werden, auch die "banalen" UAW zu melden, wäre es wenig sinnvoll, für alle diese Fälle einen aufwendi- gen, differenzierten Datensatz zu fordern, da hierdurch "Datenfried-

höfe" erzeugt würden. [>

(3)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Bei bisher nicht beschriebenen, seltenen oder schweren UAW wer- den die Ärzte gebeten, einen in Zu- sammenarbeit des Bundesge- sundheitsamtes, der Arzneimittel- kommission und des Bundesver- bandes der pharmazeutischen In- dustrie entwickelten Zusatzfrage- bogen auszufüllen, der ihnen ge- sondert zugeschickt wird. ln die- sem Bogen sollen insbesondere der zeitliche Verlauf und Folge- schäden dokumentiert werden. Statt Fragebögen zu benutzen, wird den Ärzten auch die Möglich- keit angeboten, die beobachteten UAW auf die Kassette eines Mini-

Tabelle 2: Die am häufigsten gemeldeten Einzelsymptome -1981 bis 30. Juni 1984-

Meldungen

UAW (n = 3739)

% Übelkeit/

Erbrechen 15,4 Oberbauch-

beschwerden 10,0

Exanthem 8,2

Kopfschmerzen 7,1

Schwindel 6,5

Durchfall 4,0

Tabelle 3: Die am häufigsten angeschuldigten Medikamentengrup- pen- 1981 bis 30. Juni 1984-

Medikamentengruppe Anschuldigungen

(n = 3878)%

Analgetika, Antipyeretika, Antirheumatika 18,2

Gefäßwirksame Mittel 10,9

Chemotherapeutika 8,9

Substanzen mit Wirkung auf den Blutdruck 7,9

Antibiotika 7,8

Substanzen mit Wirkung auf das Myokard 6,3 Substanzen mit Wirkung auf das

respiratorische System Psychopharmaka

diktaphons zu diktieren, die regel- mäßig im Abstand von etwa sechs Wochen ausgetauscht werden.

Das Rekrutierungs- und Erfas- sungssystem wird EDV-gesteuert, und die Nebenwirkungsdaten wer- den patientenanonym in codierter Form in einem Datenbanksystem (RAMIS) gespeichert.

Ergebnisse

~ Mitarbeitsbereitschaft der Ärzte

ln einem Zeitraum von vier Jahren (1981 bis 1984) wurde mit 2699 niedergelassenen Ärzten aller

5,9 5,2

Fachrichtungen der Kassenärzt- lichen Vereinigungen Nordbaden und Pfalz Kontakt aufgenommen. 258 Ärzte (9,6 Prozent) konnten zu einer Mitarbeit gewonnen werden.

Die Mitarbeitsquote wies in bezug auf die Stadt/Land-Verteilung kei- ne Unterschiede auf.

Etwa 64 Prozent der angeschrie- benen Ärzte waren Allgemeinme- diziner und Internisten. Dement- sprechend hoch (67 Prozent) war der Anteil aus diesen beiden Fach- richtungen an der Gesamtzahl der Teilnehmer. Die mittlere Mitar- beitsdauer beträgt eineinhalb Jahre.

1442 (58) Heft 20 vom 14. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

~ Meldeverhalten

der niedergelassenen Ärzte ln dreieinhalb Jahren (1981 bis 30.

6. 1984) wurden 3739 uner- wünschte Arznei m ittelwi rku ngen gemeldet, wobei 84 Prozent von Ärzten der Fachgebiete Allgemein- medizin und Innere Medizin beob- achtet wurden. Die Meldefre- quenz, ausgedrückt in Anzahl der Mitarbeitstage pro UAW, lag bei 29,4 Tagen pro UAW. Dies bedeutet, daß pro Arzt alle 30 Tage mit einer UAW-Meldung gerechnet werden

kann. Die Meldeaktivitäten der ein-

zelnen Ärzte weisen allerdings er- hebliche Unterschiede auf.

~ Beobachtete unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Das in der Abbildung dargestellte Nebenwirkungsprofil aller 3739 UAW zeigt, daß ein Drittel (33,8 Prozent) der Reaktionen im Be- reich des Gastrointestinaltrakts lo- kalisiert war. Das am häufigsten gemeldete Einzelsymptom war Übelkeit/Erbrechen. Neurologi- sche und psychische Störungen (n

= 288) sowie Befindlichkeitsstö- rungen (n = 895), die an zweiter Stelle lagen, bestanden überwie- gend aus Symptomen wie Schwin-. del, Kopfschmerzen oder Müdig- keit. Mit etwas größerem Abstand folgten die Hautreaktionen. UAW , die sich in Form von Labor- wertveränderungen äußern, wur- den sehr selten gemeldet, da sie wahrscheinlich auch selten er- kannt werden. Dies mag teilweise dadurch begründet sein, daß eine Routinediagnostik in der Praxis im Gegensatz zur Klinik nicht durch- führbar ist. Die am häufigsten ge- meldeten Einzelsymptome sind in Tabelle 2 dargestellt. Über 50 Pro- zent aller gemeldeten UAW betra- fen -konstant über den Beobach- tungszeitraum- diese sechs Reak- tionen. Trotz eines ständigen Wechsels der mitarbeitenden Ärz- te waren in der Rangfolge der Be- obachtungshäufigkeiten der Ein- zelsymptome im Verlauf des Beob- achtungszeitraums keine Unter- schiede zu erkennen.

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Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

~ Angeschuldigte Arzneimittel Die Häufigkeitsverteilung der 839 verschiedenen Arzneimittel (in Gruppen zusammengefaßt), deren Einnahme mit der Entstehung un- erwünschter Arzneimittelwirkun- gen in Zusammenhang gesehen

wurde, ist in Tabelle 3 dargestellt.

Ein Vergleich mit den Verord- nungszahlen, die dem GKV-Index (1983) entnommen wurden, zeigt, daß die Rangfolge der Anschuldi- gungen in etwa den Verordnun- gen entspricht; allerdings ist das Verordnungsverhalten der an un-

Tabelle 4: Die am häufigsten angeschuldigten Medikamentengrup- pen (Vergleich der Rangfolge der Anschuldigungs- und Verord- nungshäufigkeiten)- Beobachtungszeitraum 1983-

Medikamentengruppe Rangfolge der

Anschul- Verord- digun- nun-

gen gen* Analgetika, Antipyeretika, Antirheumatika 1 1

Gefäßwirksame Mittel 2 2

(einschließlich Antiangionosa)

Antibiotika 3 7

(einschließlich Antimyokotika)

Substanzen mit Wirkung 4 6

auf den Blutdruck

Chemotherapeutika 5 8

(einschließlich Tuberkulostatika und Urologika)

Substanzen mit Wirkung 6 3

auf das respiratorische System

Psychopharmaka 7 5

Substanzen mit Wirkung auf das Myokard 8 4

Die Anschuldigungen der Medikamente der aufgeführten Gruppen (n = 1067) entspre- chen 74,2% der Gesamtanschuldigungen, die Verordnungen 55,3% der Gesamtverord- nungen.

Die Verordnungszahlen wurden dem GKV-Index 1983 entnommen.

Tabelle 5: Die am häufigsten angeschuldigten Fertigarzneimittel (Vergleich der Rangfolge der Anschuldigungs- und Verordnungs- häufigkeiten) - 1981 bis 30. Juni 1984-

Arzneimittel Rangfolge der

Anschul- Verord- digun- nun-

gen gen*

Voltaren® (Diclofenac) 1 4

Felden® (Piroxicam) 2 34

Adalat® (Nifedipin) 3 11

Urospasmon® 4 349

(Nitrofurantoin, Sulfadiazin, Phenazopyridin)

Amuno® (Jndometacin) 5 43

• Die Verordnungszahlen wurden dem GKV-Index 1983 entnommen.

serem Projekt mitarbeitenden Ärz- te hinsichtlich der Vergleichbar- keit bisher noch nicht überprüft worden (Tabelle 4). Tabelle 5 zählt die fünf Arzneimittel auf, die am häufigsten angeschuldigt wurden.

Sie entsprechen nur 0,6 Prozent der insgesamt angeschuldigten Präparate (n = 839), wurden aber bei 370 (9,9 Prozent) unerwünsch- ten Arzneimittelwirkungen als ver- ursachend oder mitverursachend angesehen.

~ Nebenwirkungsprofile Als Beispiel für die Erstellung von Nebenwirkungsprofilen und den Vergleich von Arzneimitteln glei- cher Indikation sind in Tabelle 6 die Profile verschiedener (nicht- steroidaler) Antirheumatika mit- einander verglichen. Bei lndome- tacin-Präparaten wurden Befind- lichkeitsstörungen mit 45 Prozent sehr viel häufiger angegeben als bei den übrigen aufgeführten Sub- stanzen. Es handelte sich bei die- sen Reaktionen fast ausschließlich um zentral bedingte Schwindeler- scheinungen, die als Befindlich- keitsstörungeneingestuft wurden.

Hautreaktionen wurden mit fünf Prozent sehr viel seltener gemel- det als bei den restlichen Anti- rheumatika. Bei Profen- und Oxi- cam-haltigen Präparaten scheinen Störungen im Bereich des Gastra- intestinaltraktes häufiger vorzu- kommen.

Die als "Aspirin-Asthma" bekann- te pseudoallergische Reaktion in Form eines Bronchospasmus wur- de als unerwünschte Arzneimittel-

wirkung mit 9,1 Prozent sehr viel

häufiger nach Therapien mit ASS- haitigen Fertigarzneimitteln ge- meldet, obwohl diese Reaktion nicht ASS-spezifisch ist, sondern auch bei allen anderen nicht-ste- roidalen Antirheumatika beobach- tet werden kann. Möglicherweise spielt hierbei eine Rolle, daß der Begriff "Aspirin-Asthma" allge- mein bekannt ist, dagegen nur we- nige Ärzte wissen, daß vergleich- bare Reaktionen auch auf andere nicht-steroidale Antirheumatika

vorkommen. C>

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 20 vom 14. Mai 1986 (59) 1443

(5)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tabelle 6: Vergleich der Nebenwirkungsprofile verschiedener Antirheumatika* -1981 bis 30. Juni 1984-

Nebenwirkungen ASS lndo- Diclofenac

metaein

% % %

Gastroi ntestinaltrakt 41 44 50

Befindlichkeitsstörungen 14 45 18

Neurologische Störungen

-

5 6

Haut 27 5 18

Ödeme -

-

4

Bronchospasmus 9 -

-

Sonstige UAW 9 1 4

Prozentuale Anteile an den insgesamt beobachteten UAW der jeweiligen Präparategruppe

~ Schwere/seltene UAW Als Beispiel für schwere bezie- hungsweise seltene UAW sind in Tabelle 7 einige, teilweise schwere Reaktionen zusammengestellt, die nach dem Quaddeln mit Lokal- anästhetika beobachtet wurden.

Neben allergischen Reaktionen in Form von lokalen Hauterscheinun- gen können auch generalisierte Symptomenbilder mit schwersten exfoliativen Hautreaktionen sowie anaphylaktische Schocks vorkom- men. Auch toxische unerwünschte Arzneimittelwirkungen, wie im Fall vier, mit einer ZNS- beziehungs- weise kardialen Symptomatik wer- den beschrieben (1 ). Sie entstehen in der Regel bei absoluter oder re- lativer Überdosierung, zum Bei- spiel bei versehentlicher intrava- saler Injektion. Die Intoxikations- zeichen können bis zur zentralen Lähmung und zum Herzstillstand führen. Das ZNS reagiert dabei empfindlicher, das heißt bei klei- neren Dosen, als das Herz.

Wie ein Beispiel zeigt, kann sich eine UAW erst im Laufe von Jah- ren langsam entwickeln. Eine 64jährige Patientin wurde seit zwei Jahren wegen eines Hyperto- nus mit einem Betablocker behan- delt. Sie wurde unter der Therapie zunehmend inaktiver, mußte sich in psychiatrische Behandlung be- geben und entwickelte eine thera- pieresistente Depression. Nach Absetzen des Betablockers fühlte sich die Patientin nach acht bis zehn Tagen wie "neu geboren".

Bei Reaktionen dieser Art, die sich in Form einer langsam zunehmen- den, unspazifischen Symptomatik äußern, ist es sehr schwierig, den ursächlichen Zusammenhang mit der Einnahme eines Arzneimittels zu erkennen.

Schlußfolgerung

Die Ergebnisse der intensivierten Spontanerfassung im Bereich nie- dergelassener Ärzte zeigen, daß die Zielsetzungen erfüllt sind.

Ein großer Teil der Ärzte ist bereit, über einen längeren Zeitraum re- gelmäßig unerwünschte Arznei- mittelwirkungen an eine zentrale Stelle zu melden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Arznei- mittelsicherheit zu leisten. Es ist möglich, niedergelassene Ärzte zu motivieren, auch die "banalen"

und schon bekannten UAW zu

Tabelle 7: Schwere bzw. sei- tene UAW nach Applikation von Lokalanästhetika

(Procain)

- 1981 bis 30. Juni 1984- 1. Generalisiertes

urtikarialies Exanthem 2. Blutdruckabfall,

Schweißausbruch, Atemnot

3. Photoallergie

4. Psychotischer Zustand, Sprachstörungen

1444 (60) Heft 20 vom 14. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

Profen Oxicam Naproxen

% % %

64 65 46

11 8 20

2 3 7

14 8 20

5 9 7

1 1 -

3 6 -

melden, die erforderlich sind, um Nebenwirkungsprofile zu erstel- len. Durch die große Zahl melden- der Ärzte werden medikamentöse Therapien großer Patientenkollek- tive und ein weitgefaßtes Arznei- mittelspektrum überwacht. Die Pa- tientenkollektive sind ausreichend groß, um auch seltene uner- wünschte Arzneimittelwirkungen zu erfassen.

(Herrn Professor Dr. med. Fritz Scheler zum 60. Geburtstag ge- widmet)

(Mit Unterstützung des Bundesge- sundheitsamtes Berlin)

Literatur

(1) Dukes M. N. G.: Meyler's Side Effects of Drugs, Tenth Edition, Elsevier Verlag, Amster- dam, New York, Oxford, (1984) 201 - (2) Och- senfahrt, H.: Unerwünschte Arzneimittelwir- kungen, Sammlung und Auswertung durch die Arzneimittelkommission. Fortschr. Med. 102, 13 (1984) 355-360-(3) Venulet, J.: Methoden der Überwachung und Dokumentation uner- wünschter Arzneimittelwirkungen. Erfassung - Feststellung - Untersuchungen. ln: Kuem- merle, H. P.; Goossens. N.: Klinik und Therapie der Nebenwirkungen. Thieme Verlag, Stutt- gart, New York, 3. Auflage (1984) 85-94- (4) World Health Organisation: International Drug Monitoring, Technical Report Series Nr. 425 (1969) 6

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med. Ellen Weber Leiterin der Abteilung

Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universitäts-Klinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg 1

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