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Archiv "Rabattverträge: Übermäßiger Aufwand für Ärzte und Apotheken" (27.08.2007)

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A2316 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 34–35⏐⏐27. August 2007

P O L I T I K

bung in Deutschland hingewiesen, durch die deutsche Forscher seiner Meinung nach international ins Hin- tertreffen gerieten. Er habe auch wei- terhin vor, sich in die Politik ein- zumischen, kündigt Winnacker an.

Dabei setzt er auch darauf, dass die EU-Kommission ihr Versprechen hält, die wissenschaftliche Autono- mie des Forschungsrats zu schützen.

Besonders am Herzen liegt dem EFR-Generalsekretär, jungen For- schern in Europa neue Perspektiven zu bieten. „Die Nachwuchsförde- rung ist eine der großen Schwächen der europäischen Forschungsförde- rung“, kritisiert Winnacker. Bedarf an finanzieller Unterstützung scheint es jedenfalls ausreichend zu geben.

9 167 junge Forscher nutzten die Chance, bei einer ersten Bewer- bungsrunde bis Ende April einen An- trag auf Forschungsförderung durch den EFR einzureichen. „Das hat all unsere Erwartungen weit übertrof- fen“, sagt Winnacker. „Wenn Sie al- le Anträge auf dem Fußboden aus- breiten, füllt das locker zwei Büro- räume.“

Die Auswahl ist streng. Mehr als 8 000 Kandidaten sind bereits durchs Raster gefallen. Bis Ende des Jahres soll feststehen, wer von den verbleibenden 559 Bewerbern För- dermittel bekommen wird. Nur schätzungsweise die Hälfte der Aspiranten kann auf Zuschüsse von bis zu 400 000 Euro jährlich über ei- nen Zeitraum von fünf Jahren durch den EFR hoffen.

USA und Japan weiter vorn

Stolz fügt Winnacker hinzu, dass sich der EFR in die Riege der größ- ten Förderorganisationen weltweit einreihen werde, wenn die dem- nächst beginnende Bewerbungsrun- de für etablierte Wissenschaftler auf ebenso großes Interesse stößt.

Doch die unübersehbare Begeiste- rung für sein neues Amt trübt seinen Blick für die Realitäten keineswegs.

Winnacker glaubt, dass die EU ihr selbst gestecktes Ziel, bis zum Jahr 2010 in der Spitzenforschung zu ei- nem ernst zu nehmenden Konkurren- ten für die Vereinigten Staaten und Japan zu werden, auch mit dem EFR nicht erreichen werde. I Petra Spielberg

I

n der Ewaldi-Apotheke im Köl- ner Norden sind 60 Prozent der Menschen, die hier ihre Medika- mente abholen, Stammkunden.

Stefanie Tiggelbeck kennt ihre Stammkunden fast alle mit Namen.

Die 42-Jährige hört sich gern die Sorgen und Nöte der Menschen an und wird dafür von ihren Kunden sehr geschätzt. Seit dem 1. April hat die Geschäftsinhaberin der Apo- theke allerdings weniger Zeit für ihre Kundschaft. Durch die neuen Rabattverträge zwischen Kranken- kassen und Arzneimittelherstellern ist für Ärzte und Apotheker erheb- lich mehr Bürokratie entstanden.

„Wir sind mit jedem Rezept nun wesentlich länger beschäftigt als vorher“, erklärt Tiggelbeck. „Es bleibt viel weniger Zeit, um sich

wirklich um die Kunden zu küm- mern.“

Die Software der Apotheke wird alle zwei Wochen aktualisiert. Nur so ist es möglich, den Überblick über die rabattierten Arzneien zu bewahren. Mit einem Knopfdruck können die Apotheker überprüfen, welches Medikament sie abgeben dürfen. „Besonders aufwendig ist es, wenn ein Kunde mehrere Medi- kamente braucht und kein Aut- idem-Kreuz gesetzt ist. Dann sind wir als Apotheker gefordert, und das bedeutet dann längere Warte- zeiten für die anderen Kunden. Ich finde das inakzeptabel.“ Hat der Arzt hingegen die Substitution aus- geschlossen, darf nur dieses Medi- kament abgegeben werden, und die ganze Bürokratie entfällt. Fehlt das

RABATTVERTRÄGE

Übermäßiger Aufwand für Ärzte und Apotheken

Seit dem 1. April gelten die neuen Rabattverträge. Was bedeutet das für den Alltag? Einige Stimmen aus der Praxis

RABATTVERTRÄGE

Mit dem GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz vom 1. April 2007 hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten für Rabattverträge zwischen Kran- kenkassen und Arzneimittelherstel- lern erweitert.

Apotheken sind nun verpflichtet, Arz- neimittel abzugeben, für die die Kran- kenkasse einen Rabattvertrag abge- schlossen hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Arzt die Substitution nicht durch Ankreuzen des Aut-idem-Felds auf dem Rezept ausgeschlossen hat.

Der Arzt wiederum ist von der Bonus- Malus-Regelung ausgenommen, wenn er seinem Patienten ein rabattiertes Arzneimittel verordnet.

Ist das rabattierte Arzneimittel nicht verfügbar, hat der Apotheker im Rah- men der sogenannten Friedenspflicht die Möglichkeit, das Präparat gegen ei-

nes der drei preisgünstigsten Ersatz- präparate auszutauschen.

Dem Bundesministerium für Ge- sundheit zufolge hatten im Juli bereits 200 Krankenkassen mit 55 Arzneimit- telherstellern Rabattverträge abge- schlossen. Die Allgemeinen Ortskran- kenkassen haben bisher Rabattverträ- ge mit Pharmaunternehmen geschlos- sen, deren Marktanteil in Deutschland bislang eher gering war. In diesem Zu- sammenhang wurde immer wieder über Lieferengpässe oder Wartezeiten berichtet. Die Friedenspflicht wurde bis zum 30. September verlängert. Dies bedeutet, dass der Apotheker nur noch für kurze Zeit eines der drei preisgüns- tigsten Ersatzpräparate abgeben darf.

Ab Oktober muss er mit Retaxationen rechnen und das Ersatzmedikament aus eigener Tasche bezahlen.

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Kreuz, beginnt für die Apotheker die Sucherei in der Liste mit Medi- kamenten. Erst muss nachgesehen werden, ob das Medikament abge- geben werden darf, dann, ob es vorrätig ist. Die Software zeigt alle Arzneien der Anbieter an, mit der die jeweilige Krankenkasse Rabatt- verträge abgeschlossen hat. Kleine- re Firmen haben durch die Fülle der Nachfrage teilweise Lieferschwie- rigkeiten. Es gibt häufiger soge- nannte Defekte, also Storno oder nicht lieferbare Medikamente, als vorher. Mindestens eine Angestellte ist inzwischen täglich damit be- schäftigt, den Großhändlern hinter- herzutelefonieren. Ist die Ware lie- ferbar? Wo bleibt die Bestellung?

„Meistens hängt man aber in der Warteschleife“, erklärt die Mitar- beiterin. In der Regel können die größeren Unternehmen zuverlässi- ger die geforderten Medikamente liefern.

Apotheker bekommen den Unmut der Kunden zu spüren

„Ein weiteres Problem ist die Kun- dentoleranz“, sagt Tiggelbeck. Die Apotheken sind bei den neuen Ra- battverträgen das letzte Glied in der Kette und „bekommen manchmal den ganzen Unmut der Kunden zu spüren“, beklagt die Apothekerin.

„Nicht mit jedem, aber bestimmt mit jedem zweiten Kunden müssen wir diskutieren. Man hat da schon seinen Standardsatz.“ Viele sind er- bost über den Wechsel der gewohn- ten Medikamente. Dies sei aber vor allem eine Generationsfrage, meint Tiggelbeck. „Generell sind junge Menschen da aufgeschlossener. Für ältere Patienten ist es häufig unver- ständlich, warum sie jahrelang eine blaue Pille nehmen mussten und nun plötzlich eine weiße.“ Selbst- verständlich werde diesen Kunden dann erklärt, warum dies so sei, aber nicht immer stoße man damit auf Verständnis.

Ein älteres Ehepaar empört sich über die neue Gesetzgebung, während es die Herzmedikamente für den Mann abholt. „Ich finde das unmöglich. Nur um ein paar Cent zu sparen, muss mein Mann sich an ein neues Medikament gewöhnen“, schimpft eine ältere Dame über das

Aber auch für Ärzte bedeuten die neuen Rabattverträge hauptsächlich mehr Bürokratie. Dr. med. Jochen Balkhausen, hausärztlicher Inter- nist, kritisiert hauptsächlich die zu- sätzliche Arbeit, die bei Ärzten und Apothekern entstehe. „Die Arbeits- zeit ist doch viel teurer als die tatsächliche Ersparnis. Das ist völlig unsinnige Verwaltungsarbeit.“

Gestörter Informationsfluss zwischen Arzt und Patient

Balkhausen sieht vor allem ein Pro- blem in der völligen Verunsiche- rung der Patienten. Zudem sei der Informationsfluss zwischen Arzt und Patient gestört. Der Arzt wisse am Ende nicht, welches Präparat der Patient letztendlich einge- nommen habe. „Wenn der Patient das Medikament dann überhaupt nimmt. Darauf kann man sich jetzt auch nicht mehr verlassen.“ Vor al- lem fehlt nun auch in der Praxis Zeit für den Patienten. „Einige Tätigkeiten kann man ja delegie- ren, aber vieles muss man auch im Gespräch mit dem Patienten klären – dazu hat man aber kaum noch die Möglichkeit.“ Darunter leide auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. „Das Schlimme ist ja nicht, dass gespart wird, son- dern dass es schlecht gemacht

wird.“ I

Sunna Gieseke neue Gesetz. Tiggelbeck kann den

Unmut gut verstehen, ist aber machtlos. „Manchmal sind es nur zwei Cent Preisunterschied zwi- schen den einzelnen Medikamen- ten. Dadurch liegt das günstigere im unteren Preisdrittel der Medikamen- tenliste, und wir dürfen nur dieses abgeben. Solche kleinen Unter- schiede machen uns das Leben schwer.“

Die Kunden fühlen sich zusätz- lich durch Verpackungen und Na- men der Medikamente irritiert. Die- se können unterschiedlich aussehen und lauten, obwohl sie den gleichen Wirtstoff haben – es kommt eben darauf an, von welcher Firma sie produziert wurden. „Das sorgt bei den Patienten noch zusätzlich für Verwirrung und macht es schwieri- ger zu erklären, warum sie jetzt plötzlich ein anderes Medikament nehmen sollen.“

Die sogenannte Friedenspflicht gilt noch bis zum 30. September.

Läuft sie aus, sieht Tiggelbeck noch mehr Chaos auf die Apotheken zu- kommen. Dann können diese nicht mehr ein anderes Medikament her- ausgeben, sollte das verschriebene nicht erhältlich sein. Dies bedeutet, dass auf die Apotheken Retaxatio- nen zukommen können, sollten sie sich nicht an die vorgeschriebene Umsetzung der Rabattverträge hal- ten.

Per Knopfdruck können sich die Apo- theker einen Über- blick über die rabat- tierten Medikamente verschaffen. Die ent- sprechende Software wird alle zwei Wo- chen aktualisiert.

Foto:Keystone

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