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Archiv "Die kollagene Kolitis" (20.11.1985)

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Die kollagene Kolitis

Volker Grouls

Aus dem Institut für Pathologie

(Leiter: Dr. med. Wolfgang Oehmichen), Mönchengladbach

Die kollagene Kolitis wurde erst kürzlich als ein eigenständiges Krankheitsbild erkannt. Sie ist gekennzeichnet durch über Monate auftretende, häufige tägliche wäßrige Diarrhöen, für die sich keine überzeugende Erklärung findet. Radiologische und endoskopische Befunde sind unauffällig. Lichtmikroskopisch läßt sich jedoch eine charakteristisch verbreiterte Kollagenschicht unter dem Oberflä- chenepithel der kolorektalen Schleimhaut nachweisen. Die Ätiologie der Erkrankung ist derzeit noch unklar. Die übliche Therapie mit Anti- Diarrhoica ist in den meisten Fällen erfolglos. Spontane Remissionen der klinischen und histomorphologischen Befunde können auftreten.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

D

iarrhöen stellen ein häufi- ges klinisches Symptom dar, als dessen Ursache ei- ne Vielzahl von Erkrankungen in Betracht kommen kann (22)*).

Noch wenig bekannt ist dabei die kollagene Kolitis, die erst 1976 von Lindström (15) beschrieben wurde und die klinisch durch auf- fällig häufige, wäßrige Diarrhöen sowie morphologisch durch brei- te, bandförmige Kollagen-Ablage- rungen unter dem Oberflächen- epithel der kolorektalen Schleim- haut gekennzeichnet ist. Inzwi- schen sind etwa 35 bis 40 weitere Beobachtungen über dieses wich- tige Krankheitsbild mitgeteilt wor- den, das Klinikern und Patholo- gen gleichermaßen geläufig sein sollte (1, 3, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 16, 17, 19, 20).

Klinik der kollagenen Kolitis Das Alter der Patienten liegt zwi- schen 30 und 78 Jahren bei einem Durchschnittsalter von etwa 53 Jahren. Überwiegend sind Frauen betroffen. Im Vordergrund der Symptomatik stehen anderweitig nicht erklärbare, über Monate auf- tretende wäßrige und teils kolikar- tige Diarrhöen mit 4 bis 15 täg- lichen Entleerungen (4, 8).

Schleim oder Blutablagerungen sind dabei nicht nachweisbar.

Auch ein Gewichtsverlust wird in der Regel nicht beobachtet. Ra- diologische Untersuchungen des oberen und unteren Gastrointesti- naltraktes ergeben keine dia- gnostisch verwertbaren Befunde.

Auch das endoskopische Bild ist uncharakteristisch, wobei manch- mal eine ödematöse Auflocke- rung und Hyperämie der Schleim- haut nachweisbar sein kann (4, 8).

Gelegentlich liegt eine verwa- schene und aufgehobene submu- köse Gefäßzeichnung vor, ähnlich wie bei einer blanden Colitis ulce- rosa (12). Ätiologisch ist die Verän- derung unklar. In der Vorgeschich- te der Patienten fanden sich keine Hinweise auf einen Laxantienab- usus oder abdominale Bestrahlun- gen. Auch lagen keine systemi- schen Bindegewebserkrankun- gen oder eine Amyloidose vor.

Histomorphologische Befunde Der auffälligste und gleichzeitig diagnostische Befund besteht in einer wechselnd breiten, bandför- migen, homogenen, eosinroten, bindegewebigen Ablagerung un- ter dem Oberflächenepithel der Kolon- und Rektumschleimhaut, während die perikryptale Binde- gewebsscheide frei von derarti- gen Veränderungen ist (Abbildun- gen 1 und 2). Der erwähnte Ge- websstreifen färbt sich mit den üblichen Bindegewebsfärbungen intensiv rot an, während die Amy- loidreaktion mit Kongorot stets negativ ausfällt. Eingeschlossen sind in wechselndem Ausmaß chronisch-entzündliche Zeltele- mente und Fibroblasten.

Die Veränderungen sind im proxi- malen Segment des Dickdarms manchmal herdförmig angeord- net, im distalen Abschnitt dage- gen generell kontinuierlich aus- gebildet (8). Die Magen- und Dünndarmschleimhaut ist nicht betroffen.

Elektronenmikroskopisch handelt es sich um kollagene Bindege- websfasern mit typischer periodi- scher Streifung. Die Basalmem-

bran des Oberflächenepithels ist dabei intakt und teils mit in die Bindegewebsschicht inkorporiert.

Die Breite der kollagenen Binde- gewebsablagerungen schwankt zwischen 7 bis 60 !Im und ist dabei zum Teil erheblich größer als die normalerweise 0,4 bis 4,6 um mes- senden, subepithelialen kollage- nen Bindegewebsstreifen der ko- lorektalen Schleimhaut (9, 20). Zu- sätzlich läßt sich in der Lamina propria eine unterschiedlich dich- te, zumeist mäßiggradige Ver- mehrung mononukleärer, chro- nisch-entzündlicher Zellelemen- te, insbesondere Plasmazellen und Lymphozyten nachweisen ne- ben wenigen eosinophilen und polymorphkernigen Granulozy- ten, so daß rein formal-pathoge- netisch die von Lindström (15) ge- wählte Bezeichnung der „kollage- nen Kolitis" in Analogie zu dem bereits bekannten klinischen Krankheitsbild der Kollagen- Sprue (18, 21) zu Recht besteht.

Hierbei handelt es sich bekannt- lich um eine besonders schwere Verlaufsform der Gluten-Entero- pathie mit breiten Kollagenbän-

Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 47 vom 20. November 1985 (61) 3537

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Kollagene Kolitis

dern unter dem Oberflächenepi- thel ausschließlich der Dünndarm- schleimhaut. Eine Verbindung zwischen beiden Erkrankungen läßt sich jedoch nicht herstellen, da die Dünndarmschleimhaut bei der kollagenen Kolitis morpholo- gisch unauffällig ist und auch ein Malabsorptionssyndrom fehlt.

Pathogenese

Pathogenetische Überlegungen zur Entstehung der kollagenen Kolitis haben überwiegend eine (erworbene) Störung in der nor- malen Funktion und Entwicklung perikryptaler Fibroblasten ange- nommen (4, 7, 16). Normalerweise

brozyten und der Basalmembran des Oberflächenepithels durch Zytoplasmafortsätze, wodurch kleine azelluläre, fenestrierte, po- renartige Abschnitte unter dem Oberflächenepithel entstehen, die wahrscheinlich eine wichtige Rolle in der normalen Wasser- und Elektrolytresorption aus der Darmlichtung spielen (14).

Schwellungs- und Schrumpfungs- eigenschaften der subepithelialen kollagenen Fasern bewirken dann eine Erweiterung oder eine En- gerstellung dieser siebartigen Po- ren und damit eine Regulation der Flüssigkeitsaufnahme (14). Es wird vermutet, daß bisher nicht näher bekannte und definierbare Störungen in diesem komplexen

und M. Crohn, derartige Verände- rungen nicht auftreten. Es sei auch angemerkt, daß eine patho- genetische oder ätiologische Be- ziehung zu den als „Kollageno- sen" zusammengefaßten Erkran- kungen nicht besteht, denen ge- neralisierte, sich am kollagenen Gewebe des Stützapparates ab- spielende, immunpathologische, hyperergisch-allergische Entzün- dungsprozesse uneinheitlicher Ätiologie zugrunde liegen. Die Be- zeichnung „kollagene Kolitis"

bringt somit rein deskriptiv die Besonderheit einer ausgeprägten Kollagenbildung im subepithelia- len Bindegewebe der Dickdarm- schleimhaut auch begrifflich zum Ausdruck.

Abbildung 1: Kollagene Kolitis: Breites, homogenes, kollage- nes Band unter dem Oberflächenepithel der Dickdarmschleim- haut; mäßig dichtes lympho-plasmozelluläres entzündliches Zellinfiltrat in der Lamina propria

Abbildung 2: Kollagene Kolitis: Stärkere Vergrößerung mit Ent- zündungszellen und Fibroblasten im Kollagenstreifen unter dem Oberflächenepithel. Regelrechte, feine perikryptale Bin- degewebsscheide

werden die Krypten des Kolons und Rektums am Grund von Fibro- blasten umscheidet, die von au- ßen eng dem Kryptenepithel an- liegen und die nur eine minimale Kollagenbildung erkennen lassen (5, 14). Diese Fibroblasten wan- dern mit den Epithelien zur Kryp- tenoberfläche und differenzieren sich synchron mit dem zugehöri- gen Drüsenepithel. Sie verlieren dabei die Fähigkeit, sich zu teilen und reifen zu Fibrozyten aus, die nun vermehrt Kollagen bilden und den feinen sogenannten Kolla- gentisch (5) unter der Basalmem- bran des Oberflächenepithels ausbilden (Abbildung 3). Dabei besteht eine Verbindung zwi- schen den vertikal gelagerten Fi-

Mechanismus zu einer pathologi- schen Verbreiterung des subepi- thelialen Kollagentisches führen und eine entsprechende Barriere mit Verminderung der Wasser- und Elektrolytresorption aus der Darmlichtung hervorrufen. Damit sind auch die bei den Patienten mit kollagener Kolitis beobachte- ten typischen sekretorischen Diar- rhöen gut erklärbar (7, 16).

Die Annahme, daß die vermehrte Kollagenbildung möglicherweise Folge und nicht Ursache der Diar- rhöen sein könnte, kommt nicht in Betracht, da bei anderen Erkran- kungen, die mit lang anhaltenden Diarrhöen einhergehen können, wie zum Beispiel Colitis ulcerosa

Therapie und Verlauf

Eine Behandlung ist schwierig, da die Patienten zumeist nicht auf die sonst übliche symptomatische Therapie mit Anti-Diarrhoica an- sprechen. Eine Besserung der Durchfallfrequenz haben Höchter et al. (12) unter der Gabe von an- fangs Prednisolon (z. B. Deca- prednil®, Deltacortril®) (30 mg/d) sowie später (13) mit Fluocortolon (z. B. Ultralan®) (15 mg/d) und Reasek (Diphenoxylat-HCL 2,5 mg und Atropinsulfat 0,025 mg; 3 bis 4 Tabl./d) bei einer Patientin er- reicht. Andererseits gibt es Beob- achtungen, daß die Symptomatik und auch die morphologischen Befunde im Einzelfall vollkommen 3538 (62) Heft 47 vom 20. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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Abbildung 3: Nor- males Verhalten der perikryptalen Fibroblasten und Fibrozyten (5):

Am Kryptengrund dachziegelartige Lagerung der Fibroblasten (fb) ohne Kollagenbil- dung. Am Kryp- teneingang Um- wandlung zu Fi- brozyten (fc) mit Synthese von Kollagen und Ab- lagerung subepi- thelial unter die Basalmembran des Oberflächen- epithels in Form des sogenannten Kollagentisches

"161141111.1111111111111111111411;

• Kollagentisch fc.

• lamina propria

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kollagene Kolitis

reversibel sein können (10, 13, 17). Es können aber auch Rezidive auftreten (1). Unter der Therapie mit Weizenkleie und motilitäts- hemmenden Mitteln wurde eine Patientin von Güller und Anabitar- te (9) bereits zwei Monate nach der Erstdiagnose vollkommen symptomlos und gesund. Auch bei der zweiten Patientin sistier- ten die Diarrhöen spontan nach acht Monaten. Histologische Kon- trolluntersuchungen zu diesem Zeitpunkt und auch später erga- ben in beiden Fällen ein völlig un- auffälliges Bild ohne verbreiterte kollagene Bänder.

Die gleichen Erfahrungen einer Spontanheilung machten auch Höchter und Ottenjann (13) sowie Pieterse et al. (17), die eine Rück- bildung der Diarrhöen und eine Normalisierung der histologi- schen Befunde nach dreimonati- ger Mepacrin-Therapie erzielten.

Der Patient von Bamford et al. (1) zeigte dagegen nach einem Jahr erneut Diarrhöen und wies auch ein entsprechendes histologi- sches Rezidiv auf.

Schlußbemerkung

Bei der kollagenen Kolitis handelt es sich um eine bisher noch sel-

ten diagnostizierte, aber klinisch bedeutsame Erkrankung, die durch das Erscheinungsbild un- klarer, multipler täglicher, wäßri- ger Diarrhöen und einen typi- schen mikroskopischen Befund charakterisiert ist. Sie kann als ei- genständige Entität neben die schon bekannten anderen chro- nisch-entzündlichen Dickdarmer- krankungen wie die Colitis ulcero- sa, die granulomatöse Kolitis (Crohn) und die ischämische Koli- tis gestellt werden. Endoskopisch fällt der überraschend uncharak- teristische Befund auf ohne pathognomonische makroskopi- sche Hinweise (12).

Hieraus ergibt sich die Forderung, bei jedem Patienten mit unklaren Diarrhöen trotz makroskopisch re- gelrechter Schleimhaut Etagen- biopsien aus Kolon und Rektum durchzuführen, um eine kollagene Kolitis nicht zu übersehen (9, 12).

Die Häufigkeit der kollagenen Ko- litis ist gegenwärtig schwer abzu- schätzen. Dies hängt damit zusam- men, daß wahrscheinlich aus en- doskopisch unauffälliger Schleim- haut nicht immer routinemäßig biopsiert wird und möglicherweise auch die morphologischen Befun- de bisher in Unkenntnis dieser Er- krankung nicht entsprechend be- wertet wurden.

Insgesamt scheint die Erkrankung jedoch nicht ganz so selten zu sein, wie aus den in den letzten Jahren zunehmend publizierten Fällen hervorgeht. Im eigenen gastro-enterologischen Biopsie- material wurde die Diagnose einer kollagenen Kolitis inzwischen bei sechs Patienten gestellt.

Therapeutisch gibt es schließlich keine befriedigenden Ansatz- punkte, so daß zunächst nur ein Zuwarten auf die spontane Besse- rung und Rückbildung der klini- schen Symptomatik und auch der morphologischen Befunde bleibt.

Ob dies allerdings generell für alle Patienten zu erwarten ist und nach welcher Zeitspanne (wahr- scheinlich Monate), läßt sich we- gen der bisher nur spärlich vorlie- genden Angaben über den Krank- heitsverlauf noch nicht sicher be- urteilen.

Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent

Dr. med. Volker Grouls Institut für Pathologie Limitenstraße 90

4050 Mönchengladbach 2

NOTIZ

Intrakoronare

thrombolytische Therapie des akuten

Myokardinfarktes

Zu dem genannten Beitrag, er- schienen in Heft 33/1985, Seiten 2329 bis 2334, teilen uns die Ver- fasser, R. Dörr und S. Effert, fol- gendes ergänzend zur Klarstel- lung mit:

„Die Sachkosten für eine Ko- ronarangiographie belaufen sich auf DM 524,—. Die in Tabelle 2 der genannten Arbeit angegebenen Kosten beziehen sich auf die selektive intrakoronare Thrombo-

lyse". ❑

3540 (64) Heft 47 vom 20. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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