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Archiv "Antibiotika-assoziierte Kolitis: Entwicklung in den 90er Jahren" (01.10.1999)

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aß Toxine des anaeroben, spo- renbildenden Stäbchens Clo- stridium difficile unter oder nach Behandlung mit Antibiotika und Chemotherapeutika zu einer schwe- ren Kolitis führen können, ist seit En- de der siebziger Jahre bekannt. Das klinische und morphologische Bild so- wie die Therapie der Erkrankung wur- den mehrfach ausführlich dargestellt, in dieser Zeitschrift zuletzt 1992 (6).

Warum also nochmals daran erinnern?

Es gibt Hinweise darauf, daß die Antibiotika-assoziierte Kolitis (AAK) nach wie vor unterschätzt wird. Dies legen Kasuistiken, die steigende Zahl nosokomialer Ausbrüche und Analy- sen einzelner Institute und Länder über die Jahre nahe. So ergab eine Li- teraturrecherche, daß Berichte über Kleinepidemien in Krankenhäusern und anderen Versorgungseinrichtun- gen von zirka vier pro Jahr in den frühen achtziger Jahren auf über 30 im Jahr 1994 weltweit zugenommen ha- ben (8). Eine detaillierte epidemiolo- gische Untersuchung an zwei chirurgi-

schen Kliniken einer amerikanischen Großstadt zeigt die Zahl AAK-Kran- ker zwischen 1984 und 1994 steil an- steigend, parallel zum perioperativen Einsatz von Cephalosporinen. Unter insgesamt 201 Patienten betrug die Letalität 3,5 Prozent, unter zehn des- halb Operierten 30 Prozent. Einziger signifikanter Unterschied zwischen Verstorbenen und Überlebenden war ein verzögerter Therapiebeginn von im Mittel 10,4 gegenüber 5,4 Tagen nach den ersten Symptomen (4). In der Tendenz gleichlautende Berichte mit vergleichbarer Letalität gibt es aus europäischen Ländern wie England und Schweden, wo die Inzidenz Clo- stridium difficile toxinpositiver Durch- fallerkrankungen 58/100 000 Einwoh- ner im Jahr 1995 betrug gegenüber zir- ka 6/100 000 im Jahr 1983 (5).

In Deutschland dürfte die Situati- on nicht viel anders sein. Mit Fortent-

wicklung der Antibiotikatherapie sind die neueren Substanzen als Wegberei- ter der AAK mehr und mehr in den Vordergrund getreten. Zu den früher besonders gefürchteten Lincomycinen – die ja zur Aufdeckung der Pathoge- nese geführt hatten – und Aminopeni- cillinen sind die modernen Macrolide, Chinolone und Cephalosporine der verschiedenen Generationen hinzuge- kommen. Tabelle 1 zeigt die der Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zwischen 1989 und 1998 gemeldeten Fälle von Durchfall und Kolitis unter antimikrobiell wirksa- men Medikamenten. Die Zahlen sind sicherlich nur die Spitze des Eisbergs und geben keinen Aufschluß über die wirkliche Inzidenz. Vor allem die so- genannten blanden Antibiotika-assozi- ierten Durchfälle, die eine andere Pa- thogenese haben und nur zu zirka 20 Prozent mit Clostridium difficile asso- ziiert sind, dürften weit unterrepräsen- tiert sein, da schwere Verläufe (Koli- tis) eher gemeldet werden. Letztere sind ja auch von besonderem Interes- A-2439

M E D I Z I N KURZBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 (51)

Antibiotika-

assoziierte Kolitis

Entwicklung in den 90er Jahren Klaus Loeschke

Nosokomiale Ausbrüche und Inzidenz der durch Toxine von Clostridium difficile hervorgerufenen Kolitis haben in den letzten Jahren an Häufigkeit weltweit zugenom- men. Ursache dürfte der zunehmende Einsatz hochwirk- samer Antibiotika sein, vor allem von Cephalosporinen, Chinolonen und Makroliden. Obwohl das klinische Bild lange bekannt ist, muß die Erkrankung noch mehr im Be- wußtsein der Ärzte verankert, der Verbreitung des Erre- gers durch hygienische Maßnahmen entgegengewirkt und der Einsatz von Antibiotika restriktiver gehandhabt wer- den. Um potentiell tödliche Verläufe zu verhindern, soll-

ten Koloskopie und/oder mikrobio- logische Diagnostik frühzeitig erfol-

gen. Für den Toxinnachweis wurden schnelle enzym- immunologische Verfahren entwickelt, deren Sensitivität im Vergleich zur aufwendigen Zellkultur (mit Neutralisie- rung des zytopathischen Effekts durch Antitoxin) aber noch zu wünschen übrig läßt. In der Therapie hat sich Metronidazol als Mittel erster Wahl etabliert, während orales Vancomycin bei kritisch Kranken und Sonderfällen eingesetzt wird.

Schlüsselwörter: Antibiotikum, Kolitis, Clostridium difficile

ZUSAMMENFASSUNG

Antibiotic-Associated Diarrhea:

Developments in the Past Decade

In recent years nosocomial outbreaks and the incidence of Clostridium difficile colitis have increased worldwide. This appears to be due to the more widespread use of potent antibiotics such as cephalosporins, chinolones and macro- lides. Although the clinical spectrum of the disease is well established, it is not always readily recognized by physici- ans. Strict guidelines for infection control and antibiotic use should be followed. To prevent a potentially lethal

course, colonoscopy and/or microbiological investigations should be employed early. Rapid

immunological tests for toxin A and/or B are now avail- able but their sensitivity is still less than that of the cumber- some tissue culture for toxin B (with neutralization of cyto- pathic effects by antitoxin). With respect to specific ther- apy, metronidazol has become first choice whereas oral vancomycin is preferred for the critically ill patient and some special indications.

Key words: antibiotic, colitis, Clostridium difficile

SUMMARY

D

Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med.

Dr. h. c. Peter C. Scriba) der Ludwig-Maximi- lians-Universität, München

(2)

se, insbesondere wenn es sich um neu eingeführte Substanzen handelt. Aus der Aufstellung kann man immerhin ablesen, daß es nach antimikrobieller Monotherapie mit Vancomycin, Ami- noglycosiden, Metronidazol, Sulfon- amiden und Tetracyclinen kaum je zur Kolitis kam. Heute sind die Cephalo- sporine eindeutig für den größten Teil der Meldungen verantwortlich, wie auch in anderen Ländern. In diesem Ausmaß dann doch überraschend häufig, finden sich als Auslöser ferner die Chinolone. Wegen der großen Zahl der Meldungen über Cephalo- sporine wurden dazu Detailangaben nur beschränkt übermittelt.

Natürlich muß man diese Anga- ben in Relation zu den verordneten Tagesdosen sehen. Die Grafik zeigt

die Tagesdosen der verschiedenen Substanzgruppen zwischen 1989 und 1996. Unter Berücksichtigung der zu- sätzlichen Verordnungen aus den neu- en Bundesländern (seit 1993) ist es nur zu einem moderaten Anstieg der Ge- samttagesdosen gekommen. Klare Sonderbewegungen mit steiler Zunah- me auf das zirka Vierfache seit 1989 zeigen insbesondere die Cephalospo- rine und Macrolide. In Zusammen- schau mit Tabelle 1 findet sich be- stätigt, daß die nach wie vor bevorzugt verordneten Tetracycline und einfa-

chen Penicilline sowie die Sulfonami- de bei Monotherapie nur selten zur Kolitis führen, das wenig eingesetzte Clindamycin dagegen überproportio- nal häufig. Eine genauere Berechnung des Quotienten aus Kolitis und Tages- dosen ist bei der lückenhaften Daten- lage nicht angebracht.

Welche Gründe könnte es für die Annahme geben, daß die AAK nicht ernst genug genommen wird? Haupt- grund könnte sein, daß die Antibiotika- assoziierten Durchfälle ohne Kolitis so häufig sind und man deshalb geneigt sein kann, die Zeichen der Kolitis zu übersehen oder der Grunderkrankung bei den oft multimorbiden Patienten zuzuschreiben. Prinzipiell sollte jeder Durchfall nach Antibiotika (oder nach einem Krankenhausaufenthalt von

mehr als drei Tagen) eine AAK erwä- gen lassen, ganz besonders, wenn syste- mische Entzündungszeichen wie Fie- ber, Leukozytose oder ein Anstieg der humoralen Entzündungsparameter hinzukommen. Klare lokale Symptome wie Bauchschmerzen, Blutbeimengun- gen zu den Stühlen oder ein auffälliger Meteorismus müssen nicht vorhanden sein. Atypische klinische Verläufe wur- den wiederholt berichtet, bis hin zum toxischen Megakolon ohne Durchfälle.

In den Arbeiten wird daher immer wie- der gefordert, die Erkrankung mehr im

Bewußtsein der Ärzte zu verankern, frühzeitig zu diagnostizieren und zu be- handeln, hygienische Vorkehrungen zu beachten und Antibiotika nur bei strenger Indikation gezielt einzusetzen unter Vermeidung einer sogenannten

„Abdeckung“. In Anbetracht hoher Gesamtkosten, die pro Erkrankungs- fall durch Clostridium difficile errech- net wurden (in England zum Beispiel zirka 4 000 Pfund Sterling), kann die Überlegung nicht überraschen, dieses Geld lieber präventiv in hygienische Maßnahmen im Krankenhaus zu inve- stieren (15). Schon der restriktive Ein- satz von Breitbandantibiotika, insbe- sondere von Cephalosporinen und Clindamycin, hat die Inzidenz der AAK in manchen Institutionen spür- bar gesenkt (2, 9).

Tabelle 2faßt die Diagnostik der AAK noch einmal kurz zusammen.

Lenken klinische und/oder laborche- mische Befunde den Verdacht auf eine Kolitis, kann schon eine abdominelle Sonographie durch den erfahrenen Arzt weiterhelfen. Er sieht die verdick- ten Darmwände, kann das Ausmaß des Befalls bestimmen und findet of Aszites (12). Der schnellste und sicher- ste Weg zur Diagnose bleibt jedoch die Koloskopie. Hier lassen sich die Merk- male der Kolitis eindeutig nachweisen, in der Regel auch die Pseudomembra- A-2440

M E D I Z I N KURZBERICHT

(52) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 Tabelle 1

Meldungen über Durchfall/Kolitis als unerwünschte Wirkung bei antimikrobiellen Mitteln an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft*

1

Gesamt davon davon un- Gesamt davon Bemerkungen n = Kolitis*2 kombiniert*3 Tod Beitrag*4

Vancomycin 2 1 1 1 0 intravenös

Aminoglycoside 8 4 0 2 1

Metronidazol 12 6 0 1 1

Sulfonamide/ 17 5 2 3 3

Trimethoprim

Tetracycline 31 3 2 0 –

Penicilline 88 42 28 9 8 zirka 50 % Aminopenicilline

Chinolone 137 45 29 9 8

Clindamycin 48 31 24 7 7

Macrolide 334 12 10 0 – ganz überwiegend Roxithromycin

Clarithromycin

Cephalosporine 902 74 keine Detailangaben ganz überwiegend Cefpodoxim

Cefuroxim

*1 Phoenix Datenbank-Recherche der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Stand 4/98.

Meldungen ab 1989, vereinzelt auch früher. Ich danke Herrn Dr. H. Düppenbecker für die Überlassung der Rohdaten.

*2Überwiegend pseudomembranös, selten unklassifiziert oder „blutiger Durchfall“.

*3Als antimikrobielle Mittel nur Indexpräparatgruppe.

*4Beitrag antimikrobieller Mittel zum Tod möglich oder unbewertet.

(3)

nen. Bei Schwerkranken wird aller- dings meist die mikrobiologische Dia- gnostik vorgezogen. Hierbei ist daran zu erinnern, daß der Nachweis des Er- regers im Stuhl die Kolitis noch nicht beweist (zirka zwei Prozent asympto- matische Träger unter ambulanten Er- wachsenen, im Krankenhaus zirka fünf Prozent, bei Kindern 5 bis 60 Prozent), so daß seine Spezifität für die AAK niedrig ist. Für den spezifischen Toxin- nachweis wurden verschiedene neue Verfahren entwickelt, deren Sensiti- vität den Goldstandard der langsame- ren und aufwendigeren Zellkultur aber noch nicht erreichen (1, 3).

In der Therapie hat sich für leich- tere und mittelschwere Verläufe Me- tronidazol durchgesetzt (3 x 500 mg/d oral in der Regel für 7 bis 10 Tage), während Vancomycin (4 x 125 mg/d oral) den kritisch Kranken, Schwange- ren, Kindern unter zehn Jahren und an- deren Sonderfällen vorbehalten bleibt (33). Die Ansprechraten von Van- comycin, frühzeitig gegeben, liegen bei praktisch 100 Prozent, die von Metro- nidazol wohl leicht darunter, wobei gut kontrollierte vergleichende Daten spärlich sind (16). Orales Vancomycin führt zu hohen Stuhlkonzentrationen, auch soll es schneller wirken (14). Ge- gen Metronidazol sind Erregerisolate in zirka drei Prozent resistent, es hat häufiger unerwünschte Wirkungen und sein Effekt ist in Anbetracht niedriger Stuhlkonzentrationen letztlich unge- klärt. Argumente gegen Vancomycin sind der hohe Preis und die Befürch- tung, daß ein breiter Einsatz Resisten- zen von Staphylokokken und Entero- kokken fördert. Für den parenteralen Weg kommt ausschließlich Metronida- zol in Frage. Unverändert bedeutungs- voll (als erste und manchmal ausrei- chende Maßnahmen) sind die rasche symptomatische Therapie und das Ab- setzen des auslösenden Antibiotikums wann immer möglich. Die häufigen Re- zidive (nach Primärbehandlung mit beiden Mitteln zirka 20 Prozent) kann man erfolgreich mit absteigenden Do- sen Vancomycin über fünf Wochen be- handeln (11), mit etwas schlechteren Ergebnissen auch mit Saccharomyces boulardii über vier Wochen während und nach erneuter Antibiotikatherapie (7). Berichte über verschiedene weitere Therapiemöglichkeiten sind anekdo- tisch. Bei der seltenen hämorrhagi- A-2441

M E D I Z I N KURZBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 (53) Tabelle 2

Diagnostik der Antibiotika-assoziierten Kolitis (AKK)

Disposition Behandlung mit antimikrobiellen beziehungsweise antineoplastischen Medikamenten, Multimorbidität, Immunsuppression

Symptome früh Durchfall (bis zirka 6 Wochen nach Antibiotika, gelegentlich blutig), selten Obstipation. Meteorismus, Bauchschmerzen, Fieber

spät Hypovolämischer Schock, (Sub-)Ileus, toxisches Megakolon, Perforation

Labor Anstieg der Entzündungsparameter, Hypokaliämie, Hypalbuminämie

Sonographie Verdickte Darmwände, Aszites (Computer-

tomographie) und

Koloskopie Pseudomembranöse oder uncharakteristische Kolitis und/oder

Mikrobiologie Erregernachweis (Kultur; Latex-Agglutinationstest, niedrige Spezifität für AAK)

Toxinnachweis (verschiedene Enzymimmuno- Assays, Sensitivität 70 bis 90 %; Goldstandard:

zytopathischer, durch Antitoxin neutralisierter Effekt in der Zellkultur mit höchster Spezifität und

Sensitivität > 90 % für AAK)

Tetracycline

Penicilline Macrolide

Sulfonamide/Trimethoprim Aminopenicilline Oralcephalosporine Chinolone

Clindamycin 100

80

60

40

20

0

Tagesdosen (Mio.) Alte Bundesländer Gesamtdeutschland

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 Grafik

Verordnete Tagesdosen antimikrobieller Mittel 1989 bis 1996 in den alten Bundesländern beziehungsweise Gesamtdeutschland (ab 1993). Zusammengestellt nach Schmitz, 1997 (10).

(4)

schen Variante der AAK muß nur das Antibiotikum abgesetzt werden (meist Penicilline), da sie mit Clostridium dif- ficile nichts zu tun hat („allergisch“).

Am Rande sei bemerkt, daß sich in den letzten Jahren zwar das klinische Vorgehen nicht wesentlich gewandelt, die Kenntnisse der Pathophysiologie der Erkrankung aber große Fortschrit- te gemacht haben (13). Es ist heute klar, daß fast alle toxigenen Stämme von Clostridium difficile sowohl Toxin A als auch Toxin B produzieren. Die Toxine gehören zur Gruppe der großen Clo- stridien-Zytotoxine, die Gene sind klo- niert und sequenziert. Beide Toxine binden an die Zellmembran, gelangen über rezeptorvermittelte Endozytose in die Enterozyten und bewirken dort über mehrere bekannte Zwischen- schritte eine Disaggregation des Aktin- zytoskeletts mit der Folge einer Steige- rung der parazellulären Permeabilität und der Entzündungsreaktion über die Freisetzung von Enterozytenproduk- ten und/oder direkt über die Aktivie- rung unter anderem von Mastzellen.

IgG-Antikörper gegen Toxin A könn- ten in Zukunft zur Behandlung der Er- krankungsrezidive genutzt werden, da bei einigen dieser Patienten eine un- genügende Antikörperantwort beob- achtet wurde. Auch Impfstrategien könnten entwickelt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2439–2442 [Heft 39]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Klaus Loeschke Medizinische Klinik

Klinikum Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstraße 1

80336 München A-2442

M E D I Z I N KURZBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

(54) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Dieter Adam,

Abteilung für antimikrobielle Therapie und Infektionsimmunologie im Dr. von Hauner- schen Kinderspital, Klinikum Innenstadt der LMU München, danke ich für die Durch- sicht des Manuskripts.

Früherkennungsuntersuchungen auf Zervixdysplasien oder -karzino- me werden in Großbritannien Frauen im Alter von 21 bis 64 Jahren regel- mäßig im Abstand von drei bis fünf Jahren angeboten. Doch immer wie- der gibt es Diskussionen über diese Programme, bei denen Bedenken geäußert werden, daß eine große Menge finanzieller Mittel im Gesund- heitswesen darauf verwendet wird, Frauen nach der Menopause zu un- tersuchen, bei denen das Risiko für Zervixkarzinome gering ist. Daher wurden mehrere mathematische Mo- delle entwickelt, durch welche die wichtigsten Veränderungen beschrie- ben werden sollen, wenn Frauen mit einem niedrigen Risikoprofil früher aus dem Screeningprogramm genom- men werden würden.

Mehrere Modelle wurden rech- nerisch durchgespielt; jeweils im Hinblick auf die Entwicklung der fi- nanziellen Einsparungen im Zusam- menhang mit der Inzidenz von inva- siven Zervixkarzinomen. Sie beru- hen auf vorhandenen Studiendaten über Früherkennung, der Inzidenz von präkanzerösen Läsionen und de- ren klinischen Verlauf bei bestimm- ten Altersgruppen.

Bei dem ersten Modell wurden die Bedingungen für eine Beendi- gung des Screenings bei Frauen ab einem bestimmten Alter definiert durch vier unauffällige Zervixabstri- che in Folge im Abstand von jeweils drei Jahren; bei dem zweiten sollte eine unauffällige Abstrichuntersu- chung sowie ein negatives Tester- gebnis auf die DNA von Hochrisiko- typen der humanen Papilloma-Viren die Voraussetzung sein. Weiterhin wurden Berechnungen aufgestellt, welche Auswirkungen ein Ende des Screenings dieser Frauen im Alter von jeweils 50, 55 und 60 Jahren hät- te.

Durch ein nur noch selektives Früherkennungsprogramm bei Frau- en ab 50 Jahren könnten, so die Be- rechnungen, bis zu 25 Prozent der Kosten für Abstrichuntersuchungen

und 18 Prozent für Kolposkopien eingespart werden. Gleichzeitig aber sagen die Modelle einen Anstieg der Inzidenz von invasiven Zervix- karzinomen um bis zu jährlich zwei Fälle pro 100 000 Frauen voraus. Die Auswertung ergab, daß kein wesent- licher Unterschied bestand, welche der beiden gewählten Bedingungen für das Screeningende betrachtet wurden.

Geoff Royston, Leiter der For- schungsabteilung in der Verwaltung des National Health Service, betonte in seinem Kommentar in der glei- chen Ausgabe des British Medical Journals die Vorteile derartiger Mo- dellrechnungen: Durch sie könnten Veränderungen wichtiger Parameter auf eine wenig kostenintensive und kurzfristige Weise abgeschätzt und auch etliche ethische Probleme von experimentellen Studien vermieden werden. Dennoch sollten, bevor ir- gendwelche Veränderungen im Ge- sundheitssystem vorgenommen wer- den, Ergebnisse weiterer Studien ab- gewartet werden.

Auch die Autoren des Berichts ziehen eine Änderung der Früher- kennungsprogramme in Betracht, wenn Studien die Vorhersagen ihrer Modellrechnungen bestätigen. Al- lerdings betonen sie ebenfalls, daß ethische Fragen, etwa ob eine Ge- meinschaft ein derart geändertes Screening akzeptiere, durch solche Berechnungen nicht beantwortet werden könnten. Weiterhin müsse darüber diskutiert werden, ob mögli- cherweise eingesparte Mittel in an- deren Bereichen der medizinischen Versorgung eingesetzt werden soll- ten oder aber das Früherkennungs- programm etwa für Risikogruppen des Zervixkarzinoms intensiviert werden sollte, damit den erwarteten steigenden Inzidenzraten invasiver Karzinome entgegengewirkt werden

könnte. silk

Sherlaw-Johnson C et al.: Withdrawing low risk women from cervical screening programmes: mathematical modelling study. Br Med J 1999; 318: 356–360.

Royston G: Commentary: Trials versus models in appraising screening pro- grammes. Br Med J 1999; 318: 360–361.

Dr. Sherlaw-Johnson, Clinical Opera- tional Research Unit, Department of Mathematics, University College Lon- don, London WC1E 6 BT, England.

Veränderung der

Screeningprogramme

für Zervixkarzinome

Referenzen

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