prägung mit oder ohne zystische Veränderungen vorgefunden. Be- reits aus diesem Grunde muß bei Vorliegen einer Nierendysplasie ein komplexes Fehlbildungssyndrom im- mer ausgeschlossen werden. Nach unseren Erfahrungen ist das autoso- mal rezessiv vererbte Meckel-Syn- drom eines der häufigsten Fehlbil- dungssyndrome mit zystischen Nie- renveränderungen. Die Nierenmit- beteiligung ist beim Meckel-Syn- drom obligat. Hinzutreten können Polydaktylie, Cholangiodysplasie der Leber, Gehirnfehlbildungen (Enze- phalozele. usw.), Gesichtsanomalien („Potter-Facies", Lippen-Kiefer- Gaumenspalte), Darmanomalien, Pankreaszysten, Genitalanomalien und anderes.
Das morphologische Spektrum der Nierenbeteiligung kann jedoch erheblich variieren, reicht von typi- schen Formen der Nierendysplasie bis zu zystischen Veränderungen, die einer ADPN ähneln können. Eine Obstruktion der ableitenden Harn- wege liegt im allgemeinen nicht vor.
Für die humangenetische Beratung ist wichtig, daß es oligosymptomati- sche Meckel-Fälle mit alleiniger Nie- renbeteiligung gibt, während Ge- schwisterkinder das Vollbild eines Meckel-Syndroms zeigen (19). Hier kommt der pathoanatomischen Be- schreibung der Nierenveränderun- gen für die genetische Beratung eine große Bedeutung zu.
5. Weitere Formen zystischer
Nierenerkrankungen
Zystische Nierenveränderungen können, außer bei den bisher vorge- stellten Formen, bei vielen anderen, teils genetischen, teils nicht geneti- schen Nierenerkrankungen beobach- tet werden (Tabelle 2). Die juvenile Nephronophthise ist eine 1951 erst- mals von Fanconi et al. beschriebene autosomal rezessive, chronisch skle- rosierende interstitielle Nephropa- thie (20). Knapp zehn Prozent aller chronisch niereninsuffizienten Kin- der leiden an einer Nephronophthi- se. Der klinische Verlauf ist schlei- chend. Polyurie und Polydipsie sowie Anämie und Minderwuchs sind die
häufigsten Symptome. In fortge- schrittenen beziehungsweise termi- nalen Stadien sind an der Mark-Rin- dengrenze von distalen Tubuli aus- gehende Zysten variabler Größe nachweisbar. Extrarenale Organbe- teiligungen können in Einzelfällen vorgefunden werden wie geistige Re- tardierung, Retinitis pigmentosa, Le- berfibrose, Knochenanomalien (Zapfenepiphysen, periphere Dyso- stosen usw.), zerebelläre Ataxie und Kolobom („Nephronophthise-Kom- plex") (21).
Ein klinisch und pathoanato- misch weitgehend identisches, in Eu- ropa außerordentlich seltenes Krankheitsbild manifestiert sich im Erwachsenenalter, wird autosomal dominant vererbt und als medullär- zystische Nierenerkrankung bezeich- net (22). Extrarenale Organmanife- stationen sind nicht nachweisbar.
Die medulläre Schwammniere wird überwiegend im Erwachsenenalter beobachtet und ist charakterisiert durch eine zystische Erweiterung der Sammelrohre im Papillenbereich.
Klinisch ist sie entweder asymptoma- tisch (zufälliger Nachweis im intrave- nösen Pyelogramm) oder geht mit ei- ner Nephrolithiasis und rezidivieren- den Harnwegsinfektionen einher.
Männer erkranken häufiger als Frauen, die Erkrankung ist in 80 Prozent der Fälle bilateral. Familiä- re Häufungen sind bekannt, ein ein- heitlicher Erbgang liegt jedoch nicht vor (23).
Die multilokuläre zystische Nie- renerkrankung ist eine seltene, zu- meist einseitige Veränderung, die in jedem Lebensalter beobachtet wer- den kann Sie steht der multizysti- schen Nierendysplasie nahe, wenn auch Fehlbildungen der ableitenden Harnwege hier nicht vorkommen Im Kindesalter muß sie vom zystischen multilokulären Nephrom als benigner Nephroblastomvariante abgegrenzt werden. Die erworbene zystische Nephropathie stellt eine zystische Veränderung dar, die sekundär bei entzündlichen glomerulären und tu- bulointerstitiellen Prozessen im Ver- lauf der chronischen Niereninsuffi- zienz und unter Dialysetherapie bei etwa 50 Prozent der Fälle auftritt (24). Im Extremfall kann sie einer ADPN ähneln.
Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über die Verfasser.
Anschriften der Verfasser:
Privatdozent
Dr. med. Klaus Zerres Institut für Humangenetik der Universität Bonn Wilhelmstraße 31 W-5300 Bonn 1
Prof. Dr. med. Rüdiger Waldherr Pathologisches Institut
der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 220/221 W-6900 Heidelberg
FÜR SIE REFERIERT
E. Coli-0157:
H7-Kolitis
Abdominelle Krämpfe, blutige Durchfälle und kein oder nur gering- gradiges Fieber kennzeichnen die hämorrhagische Kolitis, die durch das Shiga-ähnliche Toxin von Esche- richia coli 0157:H7 hervorgerufen wird. Histologisch erinnert das Krankheitsbild an die ischämische Kolitis mit Blutung, fokaler Nekrose und entzündlicher Infiltration der oberflächlichen Mukosaschichten, während die tiefen Krypten erhalten bleiben. Daneben wird aber auch ei- ne granulozytäre Infiltration wie bei einer infektiösen Kolitis, gelegent- lich sogar die Ausbildung von Pseu- domembranen beobachtet. Bevor- zugte Lokalisation der Mukosaver- änderungen ist das rechtsseitige Ko- lon. Routinestuhluntersuchungen er- lauben keine Differenzierung von der üblichen Coliflora des Darms.
Bei epidemischem Auftreten hä- morrhagischer Kolitiden sollte ge- zielt nach dem E.-coli-0157:H7-To- xin gefahndet werden.
Griffin, P. M., I. C. Olmstead, R. F. Petras:
Escherischia coli 0157:H7-associated coli- tis. A clinical and histological study of 11 cases. Gastroenterology 99:142-149, 1990 Enteric Disease Branch, Division of Bacte- rial Diseases, Center for Infectious Dis- ease, Centers for Disease Control, Atlanta, Georgia, USA
Dt. Ärztebl. 87, Heft 43, 25. Oktober 1990 (67) A-3333