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Archiv "Alterssicherung: Neue Bescheidenheit" (29.08.2011)

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ALTERSSICHERUNG

Neue Bescheidenheit

3,5 Prozent gesenkt, eins auf 3,75 Prozent. Das geschah bisweilen auch auf Druck von oben. Jedes Ver- sorgungswerk untersteht der Rechts- aufsicht des für die Kammer zustän- digen Ministeriums und der Versi- cherungsaufsicht des Finanz- oder Wirtschaftsministeriums.

Absenkung bedeutet nicht unbe- dingt, dass die (künftigen) Leistun- gen sinken. Wenn mehr erwirtschaf- tet wird als der Rechnungszins – im Jahr 2009 sollen sich die Anlagen der Versorgungswerke der ABV zu- folge mit etwa fünf Prozent verzinst haben –, wird ein Teil in die Rückla- gen gesteckt, ein Teil als „Dynami- sierung“ an die Rentner ausgeschüt- tet oder den Anwartschaften zuge- schrieben. 3,5 oder vier Prozent – das ist immer noch mehr, als die private Lebensversicherung ihren Kunden verspricht (vgl. „3 Fragen an . . .“).

Allerdings: Der Zins und die daraus berechneten Renten werden bei der privaten Lebensversicherung für je- den Vertrag garantiert. Das führt zu sehr vorsichtigen Annahmen. Die Versorgungswerke hingegen kalku- lieren mit ihrem Rechnungszins nur, müssen aber nichts garantieren.

Hinzu kommt ein weiterer Sys- temunterschied, jedenfalls bei jenen ärztlichen Versorgungswerken, die auf dem sogenannten offenen De- ckungsplanverfahren basieren, und das sind die meisten. Diese verbin- den Kapitaldeckung (wie bei der Le- bensversicherung) und Umlage (wie bei der gesetzlichen Rentenversiche- rung). Das heißt: Ein Teil der Beiträ- ge der aktiven Mitglieder wird in den Kapitalstock gesteckt (auf den der Rechnungszins angewandt wird), ein Teil für die laufenden Rentenzahlun- gen verwandt. Wie hoch die jeweili- gen Anteile sind, hat jedes Versor- gungswerk für sich festgelegt. Es gibt solche, die näher am Umlage-, und solche, die näher am Kapital - deckungsverfahren sind. Um funk- tionieren zu können, setzt dieses Sys-

G

leich gegenüber dem Berli- ner Pergamon-Museum steht neuerdings das Pergamon-Palais:

ein Wohn- und Bürokomplex im gängigen Investorenstil. In ihn hat die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz in- vestiert. So wie die Koblenzer le- gen auch andere Versorgungswerke gerne in Immobilien an. Nieder- sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt entwickeln das Schlossviertel Nymphenburg in München, Bayern kauft den Spita- ler Hof in Hamburg, die Sachsen investieren in Stuttgarts Innenstadt, die Westfalen gar an der New Bond Street in London, um nur einige neuere Objekte zu nennen. Mit Hil- fe von Banken-Spezialfonds enga- gieren sich neun Versorgungswerke zudem weltweit. Mit Immobilien erhofft man sich einen „Renditekor- ridor“ von 3,5 bis 4,5 Prozent.

Solche Margen sind auch nötig.

Denn sichere festverzinsliche Wert- papiere, die klassischen Anlagen der Versorgungswerke, werfen nur magere Zinsen ab: zehnjährige (deutsche) Bundesanleihen gegen- wärtig etwa 2,22 Prozent, Pfand- briefe 3,25 Prozent. Erstklassige Industrieobligationen rentieren bei mittleren Laufzeiten zwischen 2,9 und 3,5 Prozent (laut Heubeck AG).

Anspruchsvolles Ziel

Mit sicheren Anlagen ist derzeit der Rechnungszins, mit dem die Versor- gungswerke Renten und Rentenan- sprüche kalkulieren, kaum zu errei- chen. Dieser beträgt bei den meisten vier Prozent und resultiert aus besse- ren Zeiten. Ihn zu erwirtschaften, bleibt, um den neuen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft berufsstän- discher Versorgungseinrichtungen (ABV), Hartmut Kilger, zu zitieren,

„ein anspruchsvolles Ziel“. Mindes- tens vier ärztliche Versorgungswer- ke haben daher die Konsequenz ge- zogen und ihren Rechnungszins auf

Die ärztlichen Versorgungswerke haben die Finanzkrise bisher

relativ gut überstanden.

Die steigende Lebenserwartung führt aber zu höheren Altersgrenzen,

und das Lokalitätsprinzip hat lästige Überleitungen zur Folge.

Elke R. Steiner

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A 1786 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 34–35

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29. August 2011 tem einen stetigen („ewigen“) Mit-

gliederzugang voraus. Um steigende Leistungen bieten zu können, sind zudem stetig steigende Beiträge, be- rechnet auf Basis steigender Ein- kommen, vonnöten und: steigende, zumindest aber anhaltend gleichblei- bende Kapitalerträge. Diese sind um- so wichtiger, je näher sich das Ver- sorgungswerk an der Kapitaldeckung ausrichtet wie etwa die hessische Ärzteversorgung. „Wir sind die Ex- tremsten“, formuliert es ein Sprecher und meint damit das in Hessen ange- wandte Anwartschaftsverfahren mit fast reiner Kapitaldeckung.

Für alle Versorgungswerke gilt gleichwohl die alte Bankerregel: Je braver die Anlage, desto geringer die Rendite. Je höher die Rendite, desto höher das Risiko. Doch selbst erfahrene Banker haben sich, wie die Finanzkrisen seit 2008 lehren, nicht daran gehalten.

Spekulationen eng begrenzt Den Versorgungswerken ist eine all- zu riskante Geschäftspolitik an sich verwehrt. Das Versicherungsauf- sichtsgesetz verlangt, das Vermögen

„so anzulegen, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei je - derzeitiger Liquidität des Versiche- rungsunternehmens unter Wahrung angemessener Mischung und Streu- ung erreicht wird“. Die darauf beru- hende Anlagenverordnung listet die erlaubten Anlageformen auf und klassifiziert sie nach Risiko. Sie lässt den Versorgungswerken einen rela- tiv breiten Spielraum, begrenzt aber gewagte Spekulationen. Die Werke legen zumeist etwa 60 bis 65 Pro- zent in als solide geltende Festver- zinsliche an. Bis zu 25 Prozent des Vermögens dürfen sie in Immobilien investieren. Risikoanlagen, zu denen Immobilien gewöhnlich nicht zäh- len, dürfen der Anlagenverordnung zufolge bis zu 35 Prozent getätigt werden. Manche Versorgungswerke schöpfen die Immobilienquote voll aus, andere bleiben unter zehn Pro- zent. Fahren die einen die Aktien- quote auf zwei Prozent herunter, schrauben andere sie auf 25 Prozent hoch. Bei der Anlagepolitik spiele eben auch viel Spontaneität mit, meint Prof. Dr. med. Frieder Hesse- nauer, der Vorsitzende der Ständigen Konferenz „Ärztliche Versorgungs- werke“ (vgl. Interview).

Zuzunehmen scheint die Vorliebe für die indirekte Kapitalanlage in Spezialfonds. Dazu wird externer Sachverstand – der Großbanken, vertrauter Regionalbanken oder der Deutschen Apotheker- und Ärzte- bank (Apobank) – eingekauft. Zu- mindest für die Banken dürfte das ein gutes Geschäft sein. Versor- gungswerke mit ihren hundert Mil - liarden Euro an Vermögensanlagen sind gern gesehene Kunden. So be- richtete die Apobank im Juni, „im Bereich der Asset-Managements“

habe sich das Geschäft mit den Ver- sorgungswerken „insgesamt positiv“

entwickelt. Das klingt zuversichtlich und doch verhalten. Denn der gute Ruf der Bank hat bei manchem Ver- sorgungswerk wegen der Fehlspeku- lationen mit strukturierten Finanz- produkten gelitten. Die Bank scheint zwar auf den Pfad der Tugend zu- rückgekehrt zu sein. Doch sah sich die Sächsische Ärzteversorgung letztes Jahr zu einer Klarstellung ge- genüber ihren Mitgliedern veran- lasst: Man schätze die Dienstleistun- gen, der Eindruck aber, in der Apo- bank investiert zu sein, sei falsch.

Unter den beiden Finanzkrisen (Lehman/Isländische Banken 2008/

2009 sowie die anhaltende Staats- schuldenkrise) leiden generell auch die Versorgungswerke. Etliche dürf- ten im Gefolge der Lehman-Pleite echte Verluste erlitten haben, wäh- rend die Folgen der jüngsten Krise sich eher in den mageren Zinsen für erstklassige Anlagen bemerkbar machen. Wer wie viel wodurch in den Sand gesetzt hat, dazu schwei- gen die Hereingefallenen.

Ein Indiz für Verluste

Ein Indiz für etwaige Verluste ist die in den Geschäftsberichten aus- gewiesene Differenz zwischen Brutto- und Nettoverzinsung der Kapitalanlagen. Wenn im kritischen Jahr 2008 in einem Versorgungs- werk die Rendite brutto 4,08 Pro- zent, netto aber 0,99 Prozent be- trug, in einem anderen Versor- gungswerk sogar brutto 5,25 Pro- zent und netto –1,24 Prozent, dann lässt sich auf außerordentliche Abschreibungen schließen. Zumal, wenn sich ein Jahr später das Blatt plötzlich gewendet hat. Im Fall eins betrug die Nettoverzinsung 2009 nämlich schon wieder 4,68 Prozent, im Fall zwei knapp drei Prozent.

Im Zuge der Lehman-Krise tauchte 2009 eine Liste der Bundes- bank auf, in der auch vier ärztliche Versorgungseinrichtungen aufge- führt waren, die auf unbesicherte Namensschuldverschreibungen der Hyporealestate (HRE) gesetzt hat- ten. Dazu sollte man aber wissen, dass die HRE und deren Vorgänge- rinnen lange als solide Adressen gal- ten. Ähnliches gilt auch für Staatsan- Die verkammerten freien Berufe sind in 89 Versorgungs-

werken (darunter 18 ärztlichen) mit 750 000 Mitgliedern (davon etwa 65 Prozent Heilberufler) organisiert. Sie zahl- ten 2006 Altersrenten an 154 000 Rentner (darunter 28 Prozent Hinterbliebene). Neuere Zahlen sind nicht verfügbar.

Die durchschnittliche Altersrente aller Versorgungswer- ke lag im Jahr 2006 bei 1 948 Euro pro Monat. Eine ent- sprechende Angabe für die ärztlichen Versorgungswerke fehlt. Deshalb zwei Beispiele: Die Ärzteversorgung Nord- rhein zahlt im Durchschnitt 2 660 Euro pro Monat, wobei der Schwerpunkt zwischen 2 500 und 3 500 Euro liegt. In Ostdeutschland scheinen die Altersrenten auf den ersten

Blick sehr niedrig zu sein, in Brandenburg zum Beispiel 1 207 Euro monatlich. Grund ist, dass die Versorgungs- werke dort erst 20 Jahre existieren und deshalb nur Teile der Berufslaufbahn absichern konnten. Doch haben hier alle Rentner zugleich Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die 89 Versorgungswerke kamen Ende 2007 auf gut 113 Milliarden Euro Vermögen; eine Verzinsung in Höhe des Rechnungszinses unterstellt, entspricht das heute et- wa 128 Milliarden Euro. Sie waren aufgeteilt in 65 Prozent Festverzinsliche und Schuldverschreibungen, vier Prozent Hypotheken, 18 Prozent Aktien und neun Prozent Immobi- lien. Die Finanzkrise dürfte diese für 2007 berechneten Anteile verschoben haben. So soll die Aktienquote Ende 2009 deutlich unter zehn Prozent gelegen haben.

RENTEN UND VERMÖGEN

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leihen der sogenannten PIGS-Staa- ten (Portugal, Irland, Griechenland, Spanien), die – auch Versorgungs- werken – Ärger bereiten könnten, zumal die Liste immer länger wird.

Nun kommt auch Italien ins Gerede.

Wie stark einzelne Versorgungswer- ke hier engagiert sind, ist nicht prä - zise zu erfahren. Das Versorgungs- werk Westfalen-Lippe vermeldete Mitte 2010, man halte indirekt über Fonds für 91,3 Millionen Euro Grie- chenland-Anleihen. Das entspreche einem Prozent der Gesamtanlagen.

Das klang beruhigend, deshalb wohl auch das Eingeständnis. Allgemei- ner ließ sich kürzlich die sächsische Ärzteversorgung vernehmen: Es las- se sich „kaum vermeiden, auch in Papieren von Staaten investiert zu sein, die momentan als Krisenstaa- ten gelten“. Der Geschäftsführer ei- ner Versorgungseinrichtung im Wes- ten differenziert: Die direkten Aus- wirkungen der Staatsschuldenkrise habe man im Griff, die indirekten nicht; als Beispiel nennt er die An - lage in Gewerbeimmobilien, die durch einen Wirtschaftsabschwung hart getroffen würden.

Anders gesagt: Versorgungswer- ke bewegen sich mit ihren Anlagen auf dem Kapitalmarkt und müssen mit dessen Risiken leben. Man kann damit leben, wenn die Einbrü- che nur geringe Teile der Vermö- gensanlage betreffen. Auch vor - übergehende Unterschreitungen des Rechnungszinses gefährden nicht die Leistungsversprechen. Erst ein nachhaltiger Rückgang über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren wür- de eine Korrektur des Rechnungs- zinses erforderlich machen, schätzt ein Versicherungsfachmann.

Der Ausgleich kommt aus der Si- cherheitsrücklage, die jedes Versor- gungswerk bilden muss. Die Ärzte- versorgung Baden-Württemberg et- wa musste ihre Rücklage 2008, als die Verzinsung ihrer Anlagen auf 0,18 Prozent abrutschte, auf 4,7 Pro- zent der Deckungsrücklage ab- schmelzen, konnte sie aber ein Jahr später bereits wieder auf 6,5 Prozent auffüllen. Jetzt will sie die Rücklage sogar auf 7,5 Prozent aufstocken.

„Beweggründe waren“, erläuterte das Versorgungswerk im Juni dieses Jahres, „zum einen die hohe Volatili-

tät der Kapitalanlagen und die be- achtlichen Risiken“. Zum anderen vermutet man, auch die Versorgungs- werke würden höheren Eigenkapital - anforderungen ausgesetzt. Das ist vorsichtig gedacht und liegt im all - gemeinen Trend, die Rücklagen zu stärken. Erhöhung der Rücklagen be- deutet aber, von den Kapitalerträgen mehr einzubehalten, statt sie als

„Dynamisierung“ weiterzugeben. Das kann zu Unmut bei den Mitgliedern führen, zumal bei jüngeren. Während nämlich „Alt-Rentner“ über Jahre von hoher Dynamik profitierten, sehen die jungen Mitglieder trotz unverändert hoher Beiträge („Ver - sorgungsabgaben“) vergleichsweise mageren Zeiten entgegen. Um halb- wegs für „Generationengerechtig- keit“ zu sorgen, gehen deshalb man- che Versorgungseinrichtungen dazu über, Bestandsrenten geringer zu dynamisieren als Anwartschaften.

Freiberufler leben länger Nachteilig und unerwartet für die Jüngeren ist allein schon, dass sie länger arbeiten müssen als ihre älte- ren Kollegen. 2006 nämlich ließ die ABV die statistische Lebenserwar- tung ihrer damals rund 700 000 Mit- glieder durch die Versicherungsma- thematiker der Heubeck AG über- prüfen. Es stellte sich heraus, dass die Lebenserwartung der Freiberuf- ler um circa 20 Prozent höher liegt als die der Gesamtbevölkerung. Die Folge: Die „Richttafeln“ mussten aktualisiert werden.

Die an sich erfreuliche Botschaft hat eine unangenehme Seite. Der längere Rentenbezug muss irgend- wie bezahlt werden. „Das heißt“, erläutert die Ärzteversorgung Ba- den-Württemberg, „Renten und Rentenanwartschaften müssten bei sofortiger Anwendung der Richtta- feln um acht Prozent korrigiert wer- den.“ Das aber traute man sich nir- gends. Der Ausweg war, das Ren- teneintrittsalter heraufzusetzen. Da- mit kann die Hälfte der kalkulierten Belastungen finanziert werden, die

Finanzierung der anderen Hälfte kann über zehn Jahre gestreckt wer- den. Das bedeutet, dass die Versor- gungswerke einen Teil ihrer Über- schüsse zurückhalten müssen, bis die zusätzlichen Jahre gedeckt sind.

Das mindert die Dynamisierung der Renten, die ohnehin unter den Fol- gen der Finanzkrise leidet und zur- zeit mager ausfällt: zwischen null Prozent und einsamen zwei Pro- zent, die sich Bayern leistet.

Bis auf die hessische Ärzteversor- gung haben alle Versorgungswerke inzwischen die 67-Jahres-Grenze eingeführt, soeben noch das Saar- land (vgl. eTabelle). Ältere Ärzte, die sich schon auf den Ruhestand freuten, müssen nun zwei Jahre län- ger arbeiten oder Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen. Viele wollen das nicht einsehen. In Thüringen zum Beispiel lehnte die Kammerver- sammlung, zuständig für Änderun- gen der Satzung, im Dezember 2008 die 67 mit Zweidrittelmehrheit ab.

Drei Monate später musste sie, auch

auf Druck der Aufsicht, der Einfüh- rung zustimmen, rückwirkend zum 1. Januar 2009. Die Hessen wollen hingegen bei den 65 bleiben, obwohl das Versorgungswerk die Anhebung befürwortete. Doch die Kammerver- sammlung lehnte ab. Auf Dauer, so ist aus Hessen zu hören, werde sich das aber nicht halten lassen.

So national, ja international sich die Versorgungswerke in ihrer An- lagepolitik orientieren, so regional hingegen ist ihr eigener Geschäfts- bereich. Jede Ärztekammer hat ihr

Mehr Rücklagen bedeutet, von den Kapitalerträgen mehr

einzubehalten, statt sie als „Dynamisierung“ auszuweisen.

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A 1788 Deutsches Ärzteblatt

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29. August 2011 Versorgungswerk. Manchmal be-

sorgen zwei (Berlin und Hamburg) oder drei (Niedersachsen, Mecklen- burg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt) ihre Geschäfte gemeinsam. Andere stimmen sich informell ab. Doch im Prinzip bleibt jedes Versorgungs- werk strikt kammerbezogen – ein abgeschlossener Mikrokosmos. Das hat seine gute Seite: die Nähe zu den Mitgliedern. Problematisch wird die Begrenzung aber für jene Mitglieder, die die Kammer und da- mit auch das Versorgungswerk wechseln müssen. Es gilt das Loka- litätsprinzip: wo der Ort der beruf - lichen Tätigkeit, da auch die Mit- gliedschaft.

Bis 2005 konnte ein Mitglied, das umzog, noch wählen, ob es im alten Versorgungswerk bleiben oder ins neue wechseln wollte. Man wählte, wenig überraschend, das vermeintlich bessere. Es gab Ver- sorgungswerke, erinnert sich Mi- chael Jung von der ABV, wo an die

30 Prozent der Mitglieder nicht der betreffenden Kammer angehörten.

Damit sei das Prinzip der Selbstver- waltung gefährdet gewesen.

Ende der Rosinenpickerei Überleitungsabkommen, die in die Satzungen aller Versorgungswerke Eingang fanden, beendeten 2005 das Rosinenpicken. Die ABV, die das Muster für die Abkommen aus- gehandelt hatte, bezog sich auf eine Verordnung der Europäischen Union (EU) von 1971. Die habe für die Überleitung von Rentenansprüchen von EU-Bürgern das Lokalitätsprin- zip verlangt. Kritiker, auch solche aus den Versorgungswerken, behaupten zwar nach wie vor, die Verordnung habe innerhalb Deutschlands nicht angewandt werden müssen. Doch die Abkommen bestehen jetzt.

Ausgenommen vom Lokalitäts- prinzip sind lediglich jene Ärztinnen und Ärzte, die maximal 60 Monate Beiträge entrichtet und unter 45 Jah-

re alt sind. Deren Beiträge werden in die neue Versorgungseinrichtung übergeleitet. Diese stellt das neue Mitglied so, als seien die übergelei- teten Beiträge bei ihr geleistet wor- den. Wer die 60-Monate-Grenze überschritten hat, bleibt beitragsfrei im alten Versorgungswerk und be- gründet im neuen Versorgungswerk eine zusätzliche Mitgliedschaft. Be- wegliche Ärzte können so auf zwei und mehr Anwartschaften kommen.

Ob sie sich damit im Alter besser oder schlechter stehen als bei der früheren Regelung, lässt sich nur im Einzelfall berechnen, wenn über- haupt. Zumindest ist die zwangswei- se Überleitung für Wechsler lästig.

Klagen vor Gericht blieben nicht aus. Doch das Lokalitätsprinzip er- wies sich bisher als gerichtsfest. Pro- teste kommen zurzeit von den Hono- rarärzten, die sich gegen Honorar an wechselnden Orten zeitweise betäti- gen. Aber nicht nur die ärgern sich.

Die 60-Monate-Regel ist nämlich mit der ärztlichen Weiterbildung nicht kompatibel. Wer dafür länger als fünf Jahre braucht, begründet schnell un- freiwillig zwei Mitgliedschaften in Versorgungswerken. Auch Ärzte und Ärztinnen, die Berufserfahrung in mehreren Stellen sammeln wollen und dabei nicht auf die Kammer - grenzen achten, sammeln zugleich (Mini-)Anwartschaften.

Doch Besserung ist in Sicht.

Nach nunmehr sieben Jahren (!) des Nachdenkens zeichnet sich eine Revision des Musterüberleitungs- abkommens ab. Danach soll

der Überleitungszeitraum auf 96 Monate erweitert,

die Altersgrenze auf die Voll- endung des 50. Lebensjahres ange- hoben und

der Überleitungsbetrag zu- mindest pauschal verzinst werden.

Geplant ist, die Überleitung bis zum 1. Januar 2012 überall umzu- stellen, sofern die Versorgungswerke mitmachen und ihre Satzungen rechtzeitig novellieren. Mobile Ärz- tinnen und Ärzte kann der Kompro- miss zwar nicht befriedigen. Aber mehr ist wohl nicht drin.

Norbert Jachertz

@

eTabelle im Internet:

www.aerzteblatt.de/111785 Die Regelaltersgrenze wird

auch bei den Versorgungs- werken ab 2012 auf 67 Jahre angehoben. Rechnen Sie mit weiteren Anhebungen?

Kilger: Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen he- ben ihre Regelaltersgrenze in unterschiedlicher Schrittfolge auf das 67. Lebensjahr an. Dies geschieht, um auf die wachsen- de Lebenserwartung zu reagie- ren. Gegenwärtig sehe ich die Notwendigkeit weiterer Erhö- hungen der Altersgrenze nicht.

Die Berechnungen von Heu- beck zur Lebenserwartung beziehen sich auf „Freiberuf- ler“. Wäre für die ärztlichen Versorgungswerke nicht nach angestellten und selbstständigen Ärzten zu differenzieren?

Kilger: Wir orientieren uns an der Bundesärzteordnung, und

danach sind auch die ange- stellten Ärzte Angehörige eines freien Berufs und nicht nur die selbstständig Tätigen. Die Berechnungen von Professor Heubeck beziehen sich im Übrigen auf alle Angehörigen der freien Berufe, nicht nur die niedergelassenen und selbst- ständig Tätigen. Für die be- rufsständischen Versorgungs- werke spielt die Art der Berufs- ausübung keine Rolle.

Die Versorgungswerke muss- ten ihren Rechnungszins durchweg senken. Führt das nicht zu sehr unterschiedli- chen Verrentungen von Alt und Jung und damit zur Ab- kehr von der Generationen- gerechtigkeit?

Kilger: Das ist nicht richtig. Die meisten Versorgungswerke ar- beiten nach wie vor mit einem Rechnungszins von vier Prozent.

Diesen mit der Vermögensanla- ge zu erwirtschaften und den Mitgliedern damit eine sehr gute Verzinsung ihrer Beiträge zu bieten, bleibt ein anspruchsvol- les Ziel. Deshalb ist die Investiti- on von zusätzlichen Beiträgen eine überlegenswerte Sache, denn der Rechnungszins, der in der privaten Lebensversiche- rung eine völlig andere Funktion hat als in der öffentlich-rechtli- chen berufsständischen Versor- gung, beträgt dort zurzeit 2,25 Prozent und soll zum 1. Januar 2012 auf 1,75 Prozent gesenkt werden.

3 FRAGEN AN . . .

Hartmut Kilger, Rechtsanwalt, Vorsitzender der ABV

Hartmut Kilger (68), Tübingen, ist seit April 2011 Vorsitzender der Arbeitsge- meinschaft berufsständischer Versor- gungseinrichtungen (ABV) und u. a.

Stellvertretender Vorsitzender des Ver- sorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg; er gehörte dem Verwaltungsausschuss der Sächsi- schen Ärzteversorgung an. Von 2003 bis 2009 war Kilger Präsident des Deutschen Anwaltvereins.

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eTABELLE

Altersgrenzen, Beispiel für föderalen Gestaltungsspielraum

Lesebeispiel: Die Regelgrenze für den Beginn der Altersrente in Bayern beträgt 67 Jahre, erstmals ab dem Geburtsjahrgang 1964.

Sie wird ab dem Geburtsjahrgang 1947 schrittweise, gestaffelt in x-Monatsschritten, erreicht.

Recherche nach bestem Wissen und Gewissen, Irrtum vorbehalten.

Versorgungswerk

Baden-Württemberg Bayern

Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Koblenz

Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen

Nordrhein Saarland

Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein

Thüringen Trier

Westfalen-Lippe

Regeleintritt mit (Jahren)

67 67 67 67 67 67 65 67 67 67 67 67

67 67 67

67 67 67

Ab Geburts- jahrgang

1961 1964 1961 1960 1977 1960

1974 1964 1964 1971 1965

1961 1964 1966

1964 1958 1960

gestaffelt ab Jahrgang

1950 1947 1950 1949 1954 1948

1952 1953 1953 1948 1948

1950 1953 1949

1947 1947 1949

Staffelung/Monate

2 1 2 2 1 2

1 2 2 1 1,

ab Jahrgang 1960: 2 2

2 1,

ab Jahrgang 1961; 2 1

2 2

Referenzen

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