maßgebliche Verantwortung dafür trägt, dass das Paradig- ma der Hormon„ersatz“thera- pie seit den 1960er-Jahren in der (west-)deutschen Ärzte- schaft tief verankert werden konnte. Der Leserbrief von Herrn Lauritzen darf jetzt schon als medizinhistorisch wichtiges Dokument betrach- tet werden.
Prof. Dr. med. Norbert Schmacke, Marssel 48, 28719 Bremen
Ärztliche Leitlinien
Zu dem Leserbrief „Absurd“ von Priv.-Doz. Dr. med. Gerald Denk Gie- bel in Heft 45/2005:
Juristische Anmerkungen
Herrn Dr. Giebel ist zuzuge- ben, dass das Studium der Rechtswissenschaft kein Propädeutikum in Logik um- fasst. Falls Mediziner ebenso wenig mit juristischen Überle- gungen vertraut sein sollten, mögen folgende Anmerkun- gen von Interesse sein:
Dass Rechtsbeugung nur vor- sätzlich begangen werden kann, Ärzte bei einer Körper- verletzung aber auch für Fahr- lässigkeit haften, widerspricht keineswegs dem Artikel drei des Grundgesetzes („Gleich- heit vor dem Gesetz“). Dieser gebietet nämlich, Gleiches gleich und Ungleiches un- gleich zu behandeln. Hier liegt aber gerade Ungleiches vor:
Ob der menschliche Körper verletzt ist, lässt sich einfacher feststellen als eine Rechtsver- letzung. Das liegt daran, dass der Mensch sorgfältiger kon- struiert ist als unsere Rechts- ordnung (weil Juristen im er- sten Fall glücklicherweise nicht, im zweiten dagegen lei- der zu wenig beteiligt waren).
Das gerichtliche Verfahren kennt Rechtsmittel, die eine Überprüfung in höherer In- stanz ermöglichen. Gegen be- reits eingetretene Gesund- heitsschäden gibt es solche na- turgemäß nicht.
„Wer richtet die Richter?“
Soll wirklich der Amtsrichter mit zwei ehrenamtlichen Schöffen darüber entscheiden, ob beispielsweise acht Bun-
desverfassungsrichter fahrläs- sig das Grundgesetz falsch ausgelegt haben?
Das Problem der Rechts- kraft: Wenn jeder, der in drei Instanzen verloren hat, nun mit der Behauptung, die Rich- ter hätten fahrlässig falsch ent- schieden, wieder von vorne beginnen könnte – wann wür- de jemals Rechtsfrieden ein- treten? Denn auch wenn diese Regressklage abgewiesen wür- de, hätten die Richter be- stimmt erneut fahrlässig falsch entschieden.
Dass die Rechtsordnung bei der Rechtsbeugung hohe Hür- den aufbaut, ist also nicht auf fehlende Propädeutika zurückzuführen, sondern folgt einem sachlich begründeten Differenzierungsgebot. Ralf Dahrendorf, insoweit unver- dächtig, bringt es auf den Punkt: „Wir sind nur vor dem Gesetz gleich, nach dem Ge- setz nie“. Auch das freilich ist:
Logik.
Heiko Feurer,Gerbersruhstraße 111, 69168 Wiesloch
Versorgungswerke
Zu dem Interview mit Dipl.-Kfm.
Michael Jung in Heft 45/2005:
Seit fünf Jahren Stagnation
Auf die Frage nach der weite- ren Entwicklung der ärztli- chen Versorgungswerke ant- wortet der Hauptgeschäftsfüh- rer der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versor- gungseinrichtungen, Michael Jung, unter anderem: „Man muss deshalb davon ausgehen, dass die Dynamik der Renten- anwartschaften und der Ren- ten in Zukunft geringer ausfal- len wird als früher.“ Ich selbst beziehe von der Westfälisch- Lippischen Ärzteversorgung eine Altersrente. Diese ist seit dem 1. 1. 2001 nicht mehr er- höht worden. Es besteht also zumindest bei dieser Versor- gungsanstalt schon seit fünf Jahren keine „Dynamik“, nicht einmal ein Inflationsaus- gleich . . .
Dr. med. Walter Paulus,
Tennelbachstraße 65, 65193 Wiesbaden
A
A3410 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 49⏐⏐9. Dezember 2005
B R I E F E / B Ü C H E R
Georg Adler: Verhaltens-Einzel- psychotherapie von Depressio- nen im Alter (VEDIA). Ein stan- dardisiertes Programm. Mit einem Geleitwort von Heinz Häfner.
Schattauer GmbH, Stuttgart, New York, 2005, 168 Seiten, 4 Abbil- dungen, 16 Tabellen, kartoniert, 29,95 A
Das Buch stellt das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim dar.
Dort erfolgte die Evaluation bei Einzeltherapien im teil- stationären Rahmen der Al- tentagesklinik.
In übersichtlicher Form stellt sich der Inhalt didak- tisch gut aufbereitet dar. Aus- gehend von drei etablierten Krankheitsmodellen zur De- pression (Verlust an positiven Verstärkern; dysfunktionale Kognition und erlernte Hilf- losigkeit) wird ein verhaltens- therapeutisches Programm vorgestellt. In zwölf Sitzungen von jeweils 45 Minuten Dauer (ein- bis zweimal wöchent- lich) durchläuft der Kranke ein klar strukturiertes Pro- gramm mit mehreren vorge- gebenen „Weichenstellen“, an denen alternative Therapie- pfade ausgewählt werden können. Illustrierend sei das Standardprogramm darge- stellt: Die ersten drei Sitzun- gen dienen der Indikations- stellung, dem Aufbau einer therapeutischen Beziehung und dem Ausschluss von Kon- traindikationen (Demenz, pa- ranoide Symptome, Sucht).
Wenn dem nichts entgegen- steht und der Patient motiviert ist, folgt darauf das eigentli- che zweigliedrige Programm (Block A und B, über jeweils vier Sitzungen). Die vierte Stunde beginnt mit dem „sym- ptombezogenen“ Block A und kommt somit zunächst dem für alte Menschen häufig im Vordergrund stehenden so- matischen Krankheitskonzept entgegen. Hierbei besteht eine thematische Wahlmöglichkeit zwischen „Angst“, „körperli-
chen Beschwerden“ oder „In- aktivität“ – abhängig vom in- dividuellen Fall. Mit der ach- ten Stunde beginnt dann re- gulär der „situationsbezoge- ne“ Block B. Hier kann in ähn- licher Weise wie zuvor aus den vorgegebenen Themen „Ver- luste“, „Wohnungswechsel“
und „altersbedingte Verände- rungen“ eines ausgewählt werden. Schließlich erfolgen dann in der zwölften Stunde Zusammenfassung und Ab- schluss.
Aufbauend auf bewähr- ten verhaltenstherapeutischen Verfahren vermittelt das Ma- nual einen kompakten Ein-
druck und erscheint praktisch anwendbar. Durch den selbst- erklärenden Charakter und Wiederholungen der Infor- mationen erhält es allerdings den Charme eines „Koch- buches“. Andererseits wird dadurch das gezielte Nach- schlagen deutlich erleichtert.
Durch den Materialteil (stan- dardisierte Fremd- und Ei- genbewertungsbögen) und die übersichtliche Darstel- lung erscheint eine rasche Implementierung des VEDIA- Programmes in eine geron- to-psychiatrische Klinik gut möglich und auch für den in Weiterbildung befindlichen Assistenzarzt durchaus mach-
bar. Robert Franzke
Gerontopsychiatrie