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Archiv "Leibesvisitation: Blicke auf den Körper in fünf Jahrhunderten" (01.11.1990)

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sche Einwirkungen auf den Menschen. Bemerkenswert ist auch, daß er hier bereits Leit- sätze ausgesprochen hat, die er zeit seines Lebens beibehielt.

Vor allem These 2: Theoria epigeneseos unica et vera. Und These 3: In sanguine est causa motus non a corde pendens.

Bei der Erörterung der ver- schiedenen Krankheitsursa- chen äußert er bereits einen Gedanken, der später aufgrund der Zellenforschung von Vir- chow zum Axiom erhoben wur- de: die Harmonie resp. Identi- tät von Physiologie und Patho- logie.

1813 ließ sich Steinheim als praktischer Arzt in Altona nie- der. Seine Praxis florierte bald, und so konnte er 1814 Johanna Mathiessen heiraten und ein repräsentatives Haus an der Palmaille in Altona beziehen.

Das Ehepaar Steinheim war in Anlehnung an den berühmten Salon der Rahel Varnhagen in Berlin Mittelpunkt eines kultu- rellen Kreises in Altona, der aktuelle Literatur las und be- sprach sowie Theater- und Mu- sikaufführungen vorbereitete.

Zu den ständigen Gästen des Hauses gehörten der ebenfalls in Altona niedergelassene Arzt David Assing mit seiner Fami- lie, die jungdeutschen Journali- sten und Schriftsteller Karl Gutzkow, Ludolf Wienbarg, Ludwig Wihl und der Altonaer Bibliothekar Meyer Isler. Dar- über hinau.s stand Steinheim in Verbindung mit dem dänischen Bildhauer Berthel Thorwald- sen und dem norwegischen Dichter Henrik Wergeland.

Steinheims Erfahrungen waren geprägt von seinem ärzt- lichen Alltag in der nicht sehr wohlhabenden Stadt Altona, wo er zudem als Hospital- und Armenarzt in der jüdischen Gemeinde tätig war. Die Pro- bleme und die Hoffnungslosig- keit, die ihm in den zumeist ar- men Familien der jüdischen Gemeinde entgegenschlugen, bewogen Steinheim, 1837 der Hochdeutschen Israeliten Ge- meinde Altona II ein Legat für die Unterhaltung einer „Lehr- anstalt für die unvermögende männliche Jugend der Gemein- de" auszusetzen sowie 1838 ei- nen „Lehrlingsverein zur Be- förderung zukünftiger Hand- werke unter den israelitischen Glaubensgenossen" mitzube-

gründen. Über diese Aktivitä- ten hinausgehend kämpfte Steinheim in den 30er und 40er Jahren öffentlich für die Eman- zipation der Juden in Holstein;

er verfaßte zahlreiche Zei- tungsartikel und griff in Parla- mentsdebatten ein. Als sein Bemühen nicht fruchtete, zog sich Steinheim 1845 resigniert nach Italien zurück und ver- brachte sein Alter in Rom, Flo- renz und Neapel. Er starb am 19. Mai 1866 in Zürich.

Neben seiner praktischen ärztlichen Tätigkeit war Stein- heim auch wissenschaftlich tä- tig. Die Typhusepidemie des Jahres 1814 und die Cholera- epidemie von 1830 waren für Steinheim, der an der Bekämp-

Unter dem Titel „Leibesvi- sitation. Blicke auf den Körper in fünf Jahrhunderten" präsen- tieren das Deutsche Histori- sche Museum in Berlin und das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden ihre erste gemeinsame Ausstellung. Sie wird vom 20.

Oktober bis zum 28. Februar 1991 gezeigt im Deutschen Hy- giene-Museum, Lingnerplatz 1, 0-8012 Dresden, Telefon (0) 0 37 51/4 96 72 19.

Mit der Ausstellung kehrt nach 55 Jahren der legendäre

„Gläserne Mensch" für vier Monate an den Ort seiner Er- schaffung, ins Deutsche Hygie- ne-Museum Dresden zurück.

Diese Werkstattausstellung ist keine medizinhistorische Schau, sondern wendet sich kultur- und mentalitätsge- schichtlichen Aspekten zu. Sie beleuchtet Anatomie, Hygiene und Eugenik, Leibesertüchti- gung und Militärdrill. Die Aus- stellung fragt also nicht nur nach den historischen Voraus- setzungen für die Herstellung der gläsernen Figuren um 1930, sondern auch nach dem sich wandelnden Verhältnis zum unvollkommenen oder mißge- bildeten Körper, nach den Überlegungen zum „transpa- renten Volkskörper" in der Weimarer Republik und nach der menschenfeindlichen Be- völkerungspolitik im National-

fung der Epidemien erfolgreich mitwirkte, Anlaß zu seinen bei- den Monographien: „Über den Typhus im Jahr 1814 in Altona"

und den „Bau- und Bruchstük- ken einer künftigen Lehre von den Epidemien und deren Ver- breitung"; sie sind Beispiele ex- akter Beobachtungsgabe, wenn Steinheim die Verbreitung der Cholera durch das Wasser ver- mutete. Er gehörte vor .Beginn der bakteriologischen Ara zur Gruppe der „Contagionisten", die einen Ansteckungsstoff, ein Gift annahmen, das Steinheim in spekulativer Vorwegnahme der Entdeckung der Bakterien als „organisch belebtes Wesen, dem Samen einer Wucher- pflanze vergleichbar", be-

sozialismus. Zugleich wird das Körperbild in der Kunst des 20.

Jahrhunderts ebenso darge- stellt wie der Sport oder die Wiederentdeckung des Kör- pers durch die Freikörperkul- tur. Thema ist darüber hinaus der „gläserne Bürger" des tota- litären Erfassungsstaates.

Die Ausstellung präsentiert Objekte aus den Beständen des Deutschen Hygiene-Museums und des Deutschen Histori- schen Museums sowie zahlrei- che Leihgaben aus Museen in Ost und West. Mit dieser Aus- stellung erhält das Deutsche Historische Museum die Mög- lichkeit, seine wachsenden Be- stände zum Themenraum „Ge- sundheit, Krankheit, Tod" öf- fentlich vorzustellen. Zugleich soll eine ehemals weltbekannte Stätte der medizinischen Volks- aufklärung für die Öffentlich- keit im Westen wiederentdeckt werden. Die Ausstellung ist auch ein Beitrag zur Rettung des Dresdener Museums, das bautechnisch in einem bedenk- lichen Zustand ist. Das Ende der 1920er Jahre von Wilhelm Kreis konstruierte Gebäude war — und ist — in seiner Funk- tion und Gestaltung einzigartig in Deutschland. Nach schwer- sten Schäden im Jahre 1945 wurde es in der Nachkriegszeit mit einfachen Mitteln wieder aufgebaut. DHM

schreibt. Entgegen dieser An- nahme führte eine andere Gruppe von Epidemiologen, die „Miasmatiker", die Seu- chen auf „Ausdünstungen" und

„Luftverunreinigungen" zu- rück. Dennoch bleibt Stein- heim dem Schellingschen Den- ken verhaftet, wenn er von der Cholera behauptet, sie sei,

„was ihre negative Sphäre an- langt, von einer outrierten De- kombustion der organischen Ursäfte, von einer vollendeten Melanhämie mit allen ihren be- gleitenden, aus dieser einzigen Quelle entspringenden patho- logischen Affekten".

Steinheim forschte nicht als Einzelgänger; er war vielmehr eingebunden in einen Kreis medizinisch-naturwissenschaft- lich Forschender seiner Zeit.

Er gehörte dem „Ärztlichen Verein zu Hamburg" von 1823-1844 an, hielt dort zahl- reiche Vorträge und war Präses der zoologischen Abteilung.

Ferner war Steinheim Mitglied zahlreicher auswärtiger Gesell- schaften, zum Beispiel des

„Vereins für Natur- und Heil- kunde in den Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauen- burg", korrespondierendes Mitglied der „k.u.k. Sozietät der Arzte in Wien" sowie des

„Vereins für Heilkunde in Preußen". Aufgrund dieser Mitgliedschaften besuchte Steinheim die Naturforscher- kongresse in Mainz (1836), Straßburg (1837) und Kopen- hagen (1841), wo er einen viel- beachteten Vortrag über die

„Synkritik" hielt, der in den Kongreßakten sowie ein Jahr später auf deutsch erschien.

Mit welchem Engagement Steinheim seine Thesen ver- fochten hat, ist in Berichten über die wissenschaftlichen Versammlungen des Ärztli- chen Vereins zu Hamburg überliefert: „Der Hauptconta- gionist Steinheim verfocht das Vorhandensein eines tierischen fortpflanzungsfähigen Cont agi- ums. Inzwischen hatten sich Steinheim und Buek in eine solche Rage hineingeredet, daß sie selbst von den drei vom Verein eingesetzen Kampfrich- tern (. . .) nicht mehr in parla- mentarischen Schranken gehal- ten werden konnten. Der Streit wurde deshalb abgebrochen und die Kampfrichter legten ihr Amt nieder."

Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden

Leibesvisitation

Blicke auf den Körper in fünf Jahrhunderten

A

-

3474 (114) Dt. Ärztebl. 87, Heft 44, 1. November 1990

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