Aufsätze • Notizen Tages-Chirurgie
re Grenzen liegen, sowohl hinsicht- lich der Dosierungen als auch hin- sichtlich der Narkosenebenwirkun- gen und der erlernbaren Fähigkeit, letzteren recht- oder vorzeitig entge- genwirken zu können. Das kleine Narkosesortiment kommt der Ambulantchirurgie entgegen, weil es bei seiner Praktik sich zum tägli- chen Exerzitium gestaltet, zu einem Drill. Intuition hat dabei wenig Raum. Und das ist positiv in Anbe- tracht der Mängel unserer Hilfskräf- te, deren I. Q. rückläufig ist im Ver- gleich mit der vorigen Generation.
Wird das Angebot an Ambulanznar- kosen wesentlich erweitert, so si- gnalisiert die Erweiterung spontan und linear ansteigend die Skala von Bedenken und Warnungen, auf die Bernd Landauer nicht nur mit Fug und Recht hingewiesen hat, sondern weil er damit beiträgt, durch Index und Codex unverzichtbare Orientie- rungsmaßstäbe in unser aller Inter- esse zu setzen. Es geht um nichts weniger als um Absicherung gegen Risiken im Interesse der Patienten und damit um Absicherung der Be- handler selbst.
Die U.S.-Amerikaner haben sich ty- pisch rückversichert, um möglichen
„Pannen" vorzubeugen. Sie drük- ken damit den Respekt vor War- nungshinweisen aus, die – ohne ge- schrieben sein zu müssen – jeden Operateur „verfolgen", nicht nur den, der exklusiv zur ambulant- chirurgischen Tätigkeit disqualifi- ziert ist (wie das Gesetz es befahl).
Sie haben Night-Wards (1) empfoh- len und eingerichtet – Wachstatio- nen für Nachtbetrieb –, um über die Tageszeiten bei tages-chirurgischen Behandlungen hinausgehen zu kön- nen, das heißt die Vertretbarkeit der Entscheidung zur Entlassung in am- bulante Nachbehandlung in Zwei- felsfällen um Stunden verschieben zu können. Die Prolongierung die- ses „Wechsels" ist nicht Retoure in das Reservat und die Exklusivität zur Stationärversorgung. So einfach können wir es uns nicht mehr ma- chen.
„Operieren – das ist nicht automa- tisch Krankenhaus" ist nicht ledig-
lich der Aufhänger zu einer Abhand- lung in einer medizinischen Tages- zeitung (26). Er bedeutet Konfronta- tion, der die Ärzteschaft, die Chir- urgenschaft, die Kostenträger die- ses Versorgungssystems, die Ärzte- kammern, die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht länger auswei- chen können. Diese „Akte" erledigt sich nicht von selbst durch Liegen- lassen.
Vordringlich dürfte „Tuchfühlung"
zwischen Klinikern und Nichtklini- kern sein. Bei der „Tuchfühlung"
steht allerdings die betonierte Mau- er zwischen Klinik und Praxis stö- rend dazwischen, wodurch das Krankenhaus für niedergelassene Ärzte der operativen Fächer zum ab- soluten Sperrgebiet erhoben wor- den ist (wie das Gesetz es befahl).
Das Präsidium der „Deutschen Ge- sellschaft für Chirurgie", vormals Berlin, hatte sich 1973 dazu bekannt (13), quasi eine Fußbreite von Öff- nung zwischen Klinik und Praxis als Einlaß für Außenärzte in das Kran- kenhaus zu legitimieren. Dieses
„Quasi-Manifest" liegt seitdem inert in der Schublade der Vergessenheit.
Es hat niemals praktische Bedeu- tung erlangt, es sei denn die, daß seitdem die Zahl der „abgehalfter- ten" Belegärzte, die halbwegs „in- nen" waren, größer geworden ist.
Die Amerikaner kennen vorzugswei- se nur den Typ des Belegarztes. Sie haben als solche ständige „Tuch- fühlung". Wie sagte jemand aus der Provinz? Er stellte fest: „Wir können nicht amerikanische Verhältnisse auf unser Versorgungssystem über- tragen". Grundsätzlich hat seine Aussage hier und heute das Signum der Unumstößlichkeit. So haben wir auch keine „Colleges of physicians and surgeons".
Bei uns sind Chirurgen nominell nicht im Aushängeschild der Ärzte- kammern verzeichnet. Sie fehlen dort, genauso wie Belegärzte von der Liste gestrichen worden sind und weiterhin nach System abge- baut werden. Wir aber haben einen Kassenärztestand. Es bedarf zur Verdeutlichung von Kontrasten
nicht des Echos aus der Provinz. Wir müssen uns nicht provinziell orien- tieren. Wir können nicht umhin, uns global zu messen, um nicht An- schlüsse zu verpassen.
Die Chirurgenschaft – das ist das Gesamt der Angehörigen operativer Fächer– hat ein tragfähiges Konzept zur Kooperation nötig und die ent- sprechende Konzeption. Die Tages- Chirurgie ist geeignet, diese Fällig- keit katalytisch zu beeinflussen.
Literatur im Sonderdruck
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Kurt Hoehle Leitender Arzt der Chirurgischen Abteilung am Augusta-Hospital 4294 Isselburg-Anholt
—ZITAT
Keineswegs so schlecht
„Die ambulante Versorgung des Patienten ist sicher nicht optimal, aber keineswegs so schlecht, wie es in der öf- fentlichen Kritik gesagt wird.
Diese Kritik stammt selten von Patienten. Sie trägt deutlich ideologische Züge.
Wenn also den Patienten ei- ne bessere Versorgung zu- teil werden soll, so würde mit nicht unerheblichen Ko- sten vor allem etwas bewirkt, was die Patienten derzeit of- fenbar nicht durchweg ver- missen: die Verbesserung der Anleitung zum gesund- heitsgerechten Leben."
Prof. Dr. med. Hans Schae- fer, emeritierter Ordinarius für Physiologie, ehemaliger Direktor des Instituts für So- zialmedizin an der Universi- tät Heidelberg in „Leistung und Finanzierung des Ge- sundheitswesens in den achtziger Jahren", WId0- Materialien, Band 8, Bonn 1979, Seite 140
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 48 vom 27. November 1980 2875