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Archiv "Infektionsschutzänderungsgesetz: Hygienepflicht in Klinik und Praxis" (24.06.2011)

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A 1408 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 25

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24. Juni 2011

P O L I T I K

INFEKTIONSSCHUTZÄNDERUNGSGESETZ

Hygienepflicht in Klinik

Ü

ber die genaue Anzahl der Todesfälle herrscht Uneinig- keit. Die Regierung spricht von 15 000 Todesfällen pro Jahr infolge einer nosokomialen Infektion, die Deutsche Gesellschaft für Kranken- haushygiene vermutet bis zu 40 000 Tote. Einig sind sich jedoch alle Beteiligten, dass die Krankenhaus- infektionen eingedämmt werden müssen. Um dieses Ziel zu errei- chen, hat der Deutsche Bundestag am 9. Juni das Infektionsschutzän- derungsgesetz beschlossen.

Darin wird der Grundstein für die neue Kommission Antiinfek - tiva, Resistenz und Therapie (ART) gelegt, die beim Robert-Koch-Insti- tut (RKI) gegründet werden soll.

ART soll die behandelnden Ärzte mit gut zugänglichen und übersicht- lichen Informationen über die Re- sistenzlage, Therapieprinzipien sowie Therapie- und Diagnoseleitlinien versorgen. Die Leiter von Kranken- häusern, Arztpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheitswe- sens werden dazu verpflichtet, die Empfehlungen der Kommission ART und der bereits beim RKI ansässigen Kommission für Kran- kenhaushygiene und Infektionsprä- vention (KRINKO) einzuhalten.

Zudem müssen die Leiter von Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulantes Operieren künftig das Auftreten von nosokomialen In- fektionen und Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen auf- zeichnen. Sie sollen „sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich er- forderlicher Präventionsmaßnah- men“ ziehen und dafür sorgen, dass diese dem Personal mitgeteilt und umgesetzt werden. Darüber hinaus sollen sie sicherstellen, dass „Daten zu Art und Umfang des Antibiotika- verbrauchs fortlaufend aufgezeich- net, unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation bewertet und sachgerechte Schlussfolgerun- gen hinsichtlich des Einsatzes von Antibiotika gezogen werden“.

Die Leiter von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Ge- sundheitswesens werden zudem verpflichtet, Hygienepläne auszuar- beiten, in denen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshy- giene festgelegt sind. Die Bundes-

länder können auch die Leiter von Arztpraxen, in denen invasive Ein- griffe vorgenommen werden, zur Festlegung solcher Hygienepläne verpflichten.

Das Gesetz schreibt den Ländern darüber hinaus vor, bis zum 31.

März 2012 per Rechtsverordnung Regelungen für die Einhaltung der Infektionshygiene in Krankenhäu- sern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens zu treffen. Un- ter anderem sollen darin die hygie- nischen Mindestanforderungen an Bau, Ausstattung und Betrieb der Einrichtungen sowie die Bestellung von Hygienekommissionen berück- sichtigt werden. Zudem sollen die Länder Regelungen über die „erfor- derliche personelle Ausstattung“

mit Hygienefachkräften, Kranken- haushygienikern und hygienebeauf- tragten Ärzten bis spätestens Ende 2016 treffen.

Das Gesetz verpflichtet den Ge- meinsamen Bundesausschuss zu- dem dazu, geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienequali- tät festzulegen und die Ergebnisse

in den Qualitätsberichten der Kran- kenhäuser transparent zu machen.

Der Bewertungsausschuss soll darüber hinaus eine zunächst auf zwei Jahre befristete Vergütungs - regelung für die ambulante Therapie von Patienten vereinbaren, die mit Methicillin-resistenten Staphylo- coccus aureus (MRSA) infiziert sind, und dazu eine neue Gebührenord- nungsposition in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufnehmen.

Opposition und Verbände zeig- ten sich grundsätzlich mit den Neu- regelungen zufrieden. So begrüßte der Präsident der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft (DKG), Rudolf Kösters, „die mit dem Gesetzent- wurf verfolgten Ziele, Hygiene und Infektionsschutz in der medizini- schen Versorgung zu stärken“. Fünf Jahre seien jedoch bei weitem nicht ausreichend, um die notwendige Zahl an Krankenhaushygienikern auszubilden.

Darüber hinaus sehe der Gesetz- entwurf zahlreiche neue Anforde- rungen vor, deren Finanzierung leider nicht thematisiert werde.

Mehr Fachpersonal, mehr Hygiene und besser aufbereitete Informationen zu Antibiotikaresistenzen sollen die Krankenhauskeime eindämmen.

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 25

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24. Juni 2011 A 1409

P O L I T I K

„Neue Aufzeichnungs- und Doku- mentationspflichten kosten nicht nur die Zeit der Klinikmitarbeiter, sondern auch Geld“, so Kösters.

„Insgesamt belaufen sich die Kos- ten auf nahezu ein Prozent der Krankenhausausgaben jährlich.“

Das sei ohne finanzielle Ressour- cen nicht zu bewältigen.

Der Gesetzgeber hat sich im In- fektionsschutzänderungsgesetz auch anderer Bereiche des Gesundheits- wesens angenommen. So sollen künftig auf Landesebene Schieds- stellen eingerichtet werden, die Streitigkeiten zwischen Kranken- kassen und Vorsorge- oder Reha - bilitationseinrichtungen über die angemessene Höhe der Vergütun- gen und die Kosten stationärer me- dizinischer Rehabilitation schlich- ten. Die paritätisch besetzte Schiedsstelle kann angerufen wer- den, wenn innerhalb von zwei Mo- naten, nachdem eine Vertragspartei zur Aufnahme von Verhandlungen aufgefordert hat, keine Vereinba- rung zustande kommt.

Darüber hinaus wird es dem GKV-Spitzenverband künftig er- laubt sein, ein Darlehen aufzuneh- men, um die Ansprüche von Versi- cherten und Ärzten gegenüber einer insolventen Krankenkasse zu erfül- len. Mit der derzeit geltenden Um-

lagefinanzierung bei den anderen Kassen würde es laut Bundesge- sundheitsministerium (BMG) zu lange dauern, um das Geld kurzfris- tig auszahlen zu können. Das BMG, das die Darlehensaufnahme geneh- migen muss, reagiert damit auf die Schließung der City-BKK.

Mit dem Infektionsschutzände- rungsgesetz wird zudem die zum 1.

Juli 2011 auslaufende Regelung zur Datenübermittlung im Rahmen von Hausarzt-, Facharzt- und Verträgen zur integrierten Versorgung weitge- hend in das Sozialgesetzbuch V übernommen. So können an diesen Verträgen teilnehmende Ärzte Ver- tragspartner, zum Beispiel die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft, mit der Abrechnung der Daten be- auftragen, die ihrerseits privatrecht- lich organisierte Rechenzentren mit der Abrechnung betrauen können.

Die Voraussetzung dafür ist, dass die Ärzte zuvor eine schriftliche Einwilligung seitens der teilneh- menden Patienten erhalten haben.

Mit dem Eingang der Daten über- nehmen die Vertragspartner der Ärzte auch die datenschutzrecht - liche Verantwortung. Ausgeschlos- sen wird nun, dass die Rechen - zentren ihrerseits Unteraufträge an weitere Stellen erteilen können. Da-

mit soll der Kreis der an der Daten- verarbeitung beteiligten Stellen ein- geschränkt werden.

Krankenhäuser behalten das Recht, die im Rahmen einer Not- fallbehandlung erbrachten ambu- lanten ärztlichen Leistungen über die privatrechtlich organisierten Rechenzentren mit den Kassenärzt- lichen Vereinigungen abzurechnen.

Neu ist dabei, dass die Krankenhäu- ser die Patienten nach dem Notfall- einsatz über die Datenweitergabe informieren und die Einwilligung des Patienten einholen müssen, be- vor sie die Daten weitergeben.

Dem Verband der privaten Kran- kenversicherung (PKV) wird zu- dem die Möglichkeit gegeben, sich durch einen eigenen Prüfdienst an den Qualitätsprüfungen von Pflege- einrichtungen zu beteiligen. Die Landesverbände der Pflegekassen sollen künftig für die Durchführung von Qualitätsprüfungen einem Prüfdienst der PKV zehn Prozent der Prüfaufträge eines Jahres zu- weisen. Bislang wurden diese Prü- fungen vom Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt, und die PKV musste sich an zehn Prozent der dabei ent- stehenden Kosten beteiligen. ■ Falk Osterloh

Reichen die Maßnahmen des Gesetzes aus?

Kern: Wenn die beiden Kommissionen überzeugende und pragmatische Empfehlun- gen geben, kann es gelingen, das Problem nosokomialer Infektionen und Antibiotikaresis- tenzen besser zu kontrollieren.

Kliniken müssen ihrerseits in Fachpersonal investieren und Strukturen aufbauen, innerhalb derer man die Empfehlungen auch umsetzen kann.

Größere Kliniken brauchen vor Ort ein ansprechbares Team von Infektionsexperten. Diese Investition muss sein.

Was vermissen Sie in dem Gesetz?

Kern: Es ist etwas zu sehr auf MRSA fokussiert, denn dort liegt in vielen Fällen nicht mehr unser Hauptproblem. Die Vielfäl- tigkeit der nosokomialen Infek- tionen erfordert unterschiedliche Bündel von Maßnahmen. Bei be- grenzten Mitteln und zu wenig Personal wird man um eine Prio- risierung nicht herumkommen.

Die Ärzteschaft muss hierzu für Deutschland eine aktuelle Analy- se unter Beteiligung von Klini- kern, Epidemiologen und Ökono- men erarbeiten – mit validen Daten aus deutschen und nicht

aus amerikanischen oder eng - lischen Kranken häusern.

Können bis 2016 genug Hygieneexperten in den Kliniken zur Verfügung stehen?

Kern: Die Zeit ist knapp, denn es gibt derzeit einen erheblichen Mangel an Fach- personal – dies betrifft die Hygiene, aber auch die rationel- le Antibiotikaanwendung. Der Mangel kann nur über zusätz - liche Fortbildungsinitiativen angegangen werden. Der Weg über die Weiterbildungsordnung wäre zu lang.

3 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Winfried Kern, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie

und Praxis

Foto: picture alliance

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