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Archiv "Kinder- und Jugendärzte: Keine Pädagogen" (23.09.2011)

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KINDER- UND JUGENDÄRZTE

Keine Pädagogen

Immer mehr Kinder leiden nach Erkenntnissen des Be- rufsverbands unter Entwicklungsstörungen, die Ärzte allein nicht beheben können.

W

er Ausgabenanstiege bei Heilmittelverordnungen für Kinder anprangert, muss sich fragen lassen, warum die Gesellschaft nicht ausreichend Frühfördereinrichtun- gen zur Verfügung stellt und die Be- treuungseinrichtungen für Kinder nicht so ausstattet, dass sie ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommen können.“ Mit diesen Worten hat Dr. med. Wolfram Hart- mann Anfang September auf einen Pressebericht reagiert, in dem die zu häufige Verordnung von Heilmitteln wie Logotherapie und Ergothera- pie kritisiert wurde („Spiegel“, 34/2011). Gäbe es ein ausreichendes pädagogisches System der sozial- kompensatorischen frühkindlichen Förderung, wären manche Kinder dort sicher besser aufgehoben als im Gesundheitssystem, ergänzte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (bvkj).

Besser eine Verordnung als gar nichts tun

Hartmann verwies auf ein Problem, dass sein Verband seit längerem diskutiert: Der Anteil an kleinen Pa- tienten mit schweren akuten Er- krankungen geht zurück. Dafür steigt der Anteil an Kindern mit

„neuen“ Krankheiten: Dazu zählen Adipositas und Allergien, vor allem aber auch Entwicklungs- und Ver- haltensstörungen. Die Kinderärzte im bvkj verkennen nicht, dass man- ches kindliche Leiden dem Druck ausgesprochen leistungsorientierter Elternhäuser geschuldet ist.

Ihre größere Sorge gilt jedoch den Störungen und Erkrankungen, die auf ein in vieler Hinsicht unge- sundes Aufwachsen in einer anre- gungsarmen, überforderten familiä- ren Umgebung zurückzuführen sind. „Der fehlende innerfamiliäre Austausch wird oft durch den Fern- seher ersetzt, es wird wenig gespro-

chen oder miteinander gespielt“, präzisierte Hartmann. Im Kindergar- ten oder in der Schule fallen dann Defizite der Kinder auf wie eine ver- zögerte Sprachentwicklung; es folgt der Rat, einmal zum Arzt zu gehen.

„Auch wir Kinder- und Jugendärzte können solche soziogenen Defizite nicht heilen“, betonte Hartmann.

Dass dennoch oft eine Förderthera- pie verordnet werde, resultiert nach seiner Einschätzung daraus, dass viele Kollegen überhaupt etwas für die Kinder tun wollen.

Den Anstieg logopädischer und ergotherapeutischer Verordnungen reden die Kinderärzte deshalb nicht schön. Dr. med. Ulrich Fegeler, nie- dergelassener Kinderarzt und Bun- despressesprecher des bvkj, ver- wies darauf, dass nach Angaben verschiedener Sozialpädiater nur vier bis acht, maximal zehn Prozent der Kinder einer Logopädie-Be- handlung aus organischen oder ge- netischen Gründen bedürfen. Be- handelt wurden aber bereits im Jahr 2009 nach Angaben des Wissen- schaftlichen Instituts der Ortskran- kenkassen fast jeder vierte sechs- jährige Junge und etwa jedes siebte sechsjährige Mädchen.

Auch Fegeler ist überzeugt da- von, dass die steigenden Verord- nungen ein hilfloser Versuch sind, unzulänglich geförderte Kinder in das Medizinsystem überzuleiten:

„Wir sind Ärzte, keine Pädagogen.“

Überfordert sind nach Ansicht von Hartmann und Fegeler aber in den meisten Fällen auch die Erzieherin- nen in Kindertagesstätten. Ihre Aus- bildung bereite sie unzureichend auf die Förderung von Kindern aus wenig kompetenten Familien vor, hieß es. Hinzu komme, dass der Personalschlüssel in Kitas viel zu niedrig für gegensteuernde Erzie-

hungsarbeit sei.

Sabine Rieser

A 1948 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 38

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23. September 2011

P O L I T I K

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