Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 47⏐⏐24. November 2006 A3145
S E I T E E I N S
A
uftritt der Bundesgesundheitsministerin bei der„Ergebniskonferenz externe stationäre Qualitäts- sicherung“ in Berlin: „Die Ärztinnen und Ärzte“, sagte Ulla Schmidt, „sollen dahin gelangen, dass sie Qua- litätssicherung nicht als Bedrohung, sondern als För- derung ihrer Arbeit betrachten.“ Und den Mitarbeitern und vielen ehrenamtlichen Helfern in der Bundes- geschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) und in den Landesgeschäftsstellen galt der Wunsch der Ministerin:
„Machen Sie weiter so; das ist gut für die Patien- tinnen und Patienten, das ist gut für den Standort Deutschland.“
Doch das „weiter so“ lässt sich, folgt man dem Wort- laut des Gesetzentwurfs zur Gesundheitsreform (GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz), in der stationären Qua- litätssicherung nicht mehr ganz so einfach umsetzen.
Denn ohne viel Federlesen wird hier eine Einrichtung der Selbstverwaltung, getragen von den Spitzenverbän- den der Krankenkassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung, der Deutschen Krankenhausge- sellschaft, der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat, seit 2001 erfolgreich und mit viel Engage- ment ausgebaut, in eine nunmehr unmittelbar vom Ge- meinsamen Bundesausschuss (G-BA) – nach öffentli- cher Ausschreibung – beauftragte und finanzierte Insti- tution (§ 137a) umgewandelt.
Erstaunlicherweise spielte dieser Vorgang bei der von rund 700 Teilnehmern besuchten Ergebniskon- ferenz kaum eine Rolle. Ganz im Gegenteil: In sei- ner Eröffnungsansprache wandte sich Prof. Dr. med.
Michael-Jürgen Polonius, Vorsitzender des G-BA in seiner für Krankenhausbehandlung zuständigen Beset- zung, mit einem ausdrücklichen Lob für den Gesetzent- wurf an die Gesundheitsministerin. Nach den Formulie- rungen des Gesetzentwurfs werde es nunmehr aufgrund der datenschutzrechtlichen Bestimmungen möglich sein, komplette Krankheitsverläufe sektorenübergreifend zu betrachten und auszuwerten. Dieser positiven Bewer- tung in einem wichtigen Detail kann man sicher zustim- men. Dass es darüber hinaus hinter den Kulissen in Sa- chen Qualitätssicherung noch gewaltig knirscht, ließ
sich lediglich aus der Bemerkung von Polonius deuten, Details des Regelungsvorschlages seien noch diskussi- onsbedürftig. Ein wenig Vorarbeit war offenbar bereits geleistet worden. Hieß es im Referentenentwurf noch, die Neuordnung der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssi- cherung sei notwendig, „weil die sie derzeit tragenden Gesellschafter die notwendige Unabhängigkeit von Verbandsinteressen nicht ausreichend gewährleisten“, so ist im aktuellen Gesetzentwurf zur Gesundheitsre- form diese Bewertung ersatzlos gestrichen.
Das Misstrauen der Politik in die Selbstverwaltung ist damit jedoch nicht verschwunden. Die direkte An- bindung einer qualitätssichernden Institution an den G-BA steht immer noch im Gesetzentwurf, auch wenn dort darauf verwiesen wird, dass bereits bestehende Einrichtungen genutzt und organisatorisch angepasst werden sollen. Mit einer unsensiblen Gesetzgebung werde hier ohne Not eine hervorragende Einrichtung gefährdet, die mit viel Mühe über Jahre hinweg aufge- baut worden sei, kritisierte Dr. med. Regina Klakow- Franck für die Bundesärztekammer. Und in seltener Eintracht sprang ihr der Vertreter des Verbands der An- gestellten-Krankenkassen, Theo Riegel, zur Seite. Mit der Loslösung aus der bisherigen Selbstverwaltung werde die Akzeptanz der externen Qualitätssicherung bei den Beteiligten und Betroffenen schwinden.
Thomas Gerst Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik QUALITÄTSSICHERUNG
Misstrauen der Politik
Thomas Gerst