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Archiv "Krankenversicherung: Schöne neue (Krankenkassen-)Welt" (06.01.2003)

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ie private Krankenversicherung (PKV) fordert – wie ihre gesetzli- chen Mitbewerber – mehr „Steue- rungsmacht“ im Gesundheitswesen. Al- le wollen vom „payer“ zum „player“

werden. Alle Großen der Branche set- zen auf Managed Care in seinen ver- schiedenen Ausprägungen als „Königs- weg“ zur Lösung ihrer Kostenproble- me. Sie propagieren unverdrossen, dass nur dann, wenn sie sich steuernd in den Behandlungsprozess zwischen Patient und Arzt einschalten, die Qualität der ärztlichen Behandlung verbessert wer- den könne und auch die Kosten gesenkt würden. Worin kann eine Verbesse- rung denn bestehen, wenn die demogra- phische Entwicklung und der medizini- sche Fortschritt die wesentlichen Ko- sten verursachenden Faktoren sind?

Müssen Privatpatienten, die in Zukunft

„Managed-Care-Tarife“ wählen, damit rechnen, dass ihnen medizinische Maß- nahmen vorenthalten oder sie sogar vom Fortschritt abgekoppelt werden? – ein Weg, der von einigen Versicherun- gen durch Ausschluss analoger Bewer- tungen aus den Versicherungsvertrags- bedingungen bereits versucht wurde.

Leitziel: Managed Care

Diese Fragen stellen sich, wenn man den Zwischenbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertrags- rechts – eingesetzt von der ehemaligen Bundesjustizministerin, Professorin Dr.

jur. Herta Däubler-Gmelin (SPD) – vom Mai 2002 liest. Diese Kommission hat unter anderem den Auftrag, das Ver- tragsrecht der Versicherungssparten, auch der privaten Krankenversiche- rung, zeitgemäß und übersichtlich zu gestalten. Vorarbeiten hat die 1996 vom Bundesfinanzministerium einge-

setzte „Unabhängige Expertenkommis- sion zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Kranken- versicherten im Alter“ geleistet.

Auch die neue Kommission sieht „das Leitbild der privaten Krankenversiche- rung zukunftsbezogen nicht nur auf die reine Kostenerstattung begrenzt“, son- dern will „den Rahmen eröffnen für neue Formen und Methoden zur wirk- samen Kostensteuerung bei gleichzeiti- gem Erhalt beziehungsweise Steigerung der medizinischen Behandlungsqua- lität“. Dazu schlägt sie Managed Care, Leistungsmanagement, Direktabrech- nung mit Leistungserbringern, Beratung über medizinische Leistungen und über Leistungsanbieter bis zur Erbringung medizinischer und sonstiger Gesund- heitsleistungen durch die PKV oder durch von ihr beauftragte Gesundheits- dienstleister (Naturalleistung) vor. Da- mit werden Entwicklungen jetzt auch auf die privatärztliche Versorgung über- tragen, die im US-amerikanischen Ge- sundheitswesen mit seiner wettbewerbli- chen Ausprägung zu eklatanten Fehlent- wicklungen geführt haben: „Managed care has failed to manage care.“ Auf- grund der Wettbewerbseuphorie, die das Gesundheitswesen erfasst hat, propagie- ren Sachverständige unverändert eine marktwirtschaftliche Ausrichtung des deutschen Gesundheitswesens – trotz bekannter negativer Auswirkungen wie Risikoselektionen zulasten Schwerkran- ker und multimorbider älterer Patien- ten, Übermacht von Ökonomie und Steuerungsbürokratie über die Medizin, Fremdbestimmung des ärztlichen Han- delns, bis hin zur Kontrolle und Gänge- lung von Arzt und Patient.

In den USA hat der privatwirtschaft- liche Gesundheitsmarkt dazu geführt, dass Patienten um ihre Rechte kämpfen mussten. Die Ärzteschaft hat gegen zu-

nehmende Abhängigkeit und Einmi- schung in ihre Therapieentscheidungen eigene, ärztlich gesteuerte Einrichtun- gen gegründet. Profitiert haben „Ge- sundheitsverwalter“ und „Consulting- Firmen“, auf Kosten der medizinischen Versorgung der Patienten. Wesentliche Einsparungen wurden nicht erzielt, denn die USA verbraucht rund 14 Pro- zent ihres Bruttoinlandprodukts für die medizinische Versorgung, obwohl etwa 44 Millionen der 281 Millionen Ein- wohner ohne Versicherungsschutz sind (Stand: 1999).

Einkaufsmodell: PKV-Wunsch

Offenbar ist es auch Ziel der deutschen privaten Krankenversicherung, Ärzte oder Arztgruppen auszuwählen, mit de- nen sie Direktverträge abschließt, oder Ärzte direkt anzustellen (Beispiel:

DKV). Privatpatienten mit einem sol- chen Tarif dürfen dann auch nur „Ver- tragsärzte“ aufsuchen. Die Kommission

„Versicherungsvertragsrecht“ soll dazu den Weg ebnen. Die Ärzteschaft ist in dieser Kommission weder vertreten, noch hat sie bisher Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhalten. Dabei steht außer Frage, dass die Ärzteschaft Ver- antwortung für eine patientengerechte Medizin und den wirtschaftlich sorgsa- men Umgang mit begrenzten finanziel- len Ressourcen trägt und diese auch wahrnehmen muss. Auch die Garantie einer qualitätsgesicherten Versorgung ist ureigenes ärztliches Interesse. Der vorgezeichnete Weg der Kommission ist jedoch eine falsche Weichenstellung, die weder zu einer Kostenreduzierung noch zur Qualitätsverbesserung führen wird.

Erkennbare Linie der PKV ist es, ärztliche Leistungen durch vertragliche P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1–26. Januar 2003 AA9

Krankenversicherung

Schöne neue (Krankenkassen-)Welt

Zwischenbericht der „Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechtes“

beim Bundesjustizministerium will der privaten Krankenversicherung Steuerungsmacht

über Privatpatienten und Ärzte einräumen.

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Vereinbarungen – weg von der Amtli- chen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) – vermehrt pauschaliert zu ver- güten, um damit auch in der privatärztli- chen Versorgung das Morbiditätsrisiko auf die Ärzte abzuwälzen. Die GOÄ würde als Vergütungsgrundlage ausge- höhlt und letztlich überflüssig. Neben Vergütungsbegrenzungen beziehungs- weise -senkungen sind Vorgaben für die ärztliche Behandlung denkbar, die von Positivlisten für Arzneimittel über An- weisungen bei der Wahl von Behand- lungsmaßnahmen bis zur extensiven Be- wertung der Ergebnisse in Form von

„Outcome-Reports“ gehen. Sie münden damit – ähnlich wie in den USA – in eine permanente Kontrolle und Gängelung des Arztes, aber auch des Patienten. Die dadurch eingesparten Kosten fließen der Verwaltung für die Steuerung der Abläufe zu. Eine Qualitätsverbesserung wird dadurch nicht erreicht. Das beson- dere Merkmal der privatärztlichen Ver- sorgung – die freie Arztwahl – wird aus- gehebelt. Der Weg zum Sachleistungs- system verwischt das eigenständige Pro- fil der PKV und nähert sie noch weiter der GKV an, sodass einer Fusion von privater und Gesetzlicher Krankenver- sicherung, in welchen sich ähnliche Strukturen entwickeln, nichts mehr im Weg steht. Allerdings haben in solchen Strukturen gesetzlich Krankenversi- cherte den Vorteil, ihre Krankenkasse wechseln zu können, wohingegen privat Versicherte aufgrund der fehlenden Transferierbarkeit ihrer Alterungsrück- stellungen bei der PKV verbleiben müs- sen. Allenfalls ein Tarifwechsel in einen Normaltarif könnte stattfinden, der je- doch mit finanziellen Mehrbelastungen verbunden sein dürfte.

Wenn der Wettbewerb im Gesund- heitswesen – auch zwischen privater und Gesetzlicher Krankenversicherung – als modernes wettbewerbskonformes Kostendämpfungsinstrument „Einkaufs- modelle“ mit selektiven Verträgen der Krankenversicherer zur Steuerung der ärztlichen Behandlung „zum Maß aller Dinge macht“, dann werden auch in Deutschland Patientenrechte gesetzlich abgesichert werden müssen. Die Freibe- ruflichkeit des Arztes und die dadurch garantierte Weisungsfreiheit in seinen medizinischen Entscheidungen sind ge- fährdet. Renate Hess,BÄK

P O L I T I K

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A10 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1–26. Januar 2003

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m Wochenende vor Weihnachten nutzten viele Bundesbürger be- reits den Freitag, um ausgiebig Geschenke einzukaufen. Ihre Volks- vertreter hatten an diesem 20. Dezem- ber anderes zu tun: Im Bundestag wur- de „Kanzlermehrheit“ benötigt, also die Zustimmung der Mehrheit seiner Mitglieder – unter anderem, um das Beitragssatzsicherungsgesetz gegen den Widerstand des unionsdominierten Bun- desrats endgültig zu verabschieden.

Dies gelang. Das Gesetz tritt nun al- ler Voraussicht nach Anfang dieses Jahres in Kraft.

Geplante Fristverlängerung ist fehlgeschlagen

Damit ist die „Nullrunde“ für die nie- dergelassenen Ärzte und die Kranken- häuser beschlossene Sache. Zwar woll- te Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in letzter Minute allen Kliniken einen Verhandlungsspielraum von 0,8 Prozent (West) und 2,09 Pro- zent (Ost) bei den Budgets 2003 ein- räumen, sofern sie sich noch bis zum 31. Dezember 2002 für die Abrechnung nach dem neuen Fallpauschalensystem entscheiden. Doch daraus wird erst ein- mal nichts. Die entsprechende Fristver- längerung musste nämlich in Schmidts zweites Spargesetz gepackt werden, in dem die zustimmungspflichtigen Ände- rungen gebündelt wurden. Dieses 12.

SGB-V-Änderungsgesetz ist am Wider- stand des Bundesrats gescheitert.

Nur die Krankenhäuser, die sich bis 31. Oktober 2002 für das neue Abrech- nungssystem entschieden hatten, haben also Spielraum bei den Budgets. Mit der Ablehnung der SGB-V-Novelle sind

weitere Änderungen für 2003 hinfällig:

das Einfrieren der Verwaltungskosten der Krankenkassen, für das allerdings Ausnahmen vorgesehen waren, und die Vorgabe, so genannte Analogpräparate künftig wieder in die Festbetragsrege- lung einzubeziehen.

Was nun? Offenbar will die SPD- Bundestagsfraktion noch in diesem Monat erneut den Vermittlungsaus- schuss anrufen, um die SGB-V-Novelle doch noch umzusetzen. Darauf verwies bei Redaktionsschluss eine Sprecherin des Bundesministeriums für Gesund- heit und Soziale Sicherung. Dennoch kann der Bundesrat das Gesetz endgül- tig ablehnen. Beobachter in Berlin mei- nen, dass die Chancen erst nach den Landtagswahlen in Hessen und Nieder- sachsen wieder besser stehen. Dann müsse man sich mit der Union sowieso endlich über Reformen der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) ver- ständigen.

Bleibt abzuwarten, wie die SPD sich in den nächsten Wochen intern verstän- digt. Am 20. Dezember, als „Kanzler- mehrheit“ im Bundestag gefragt war, berichtete der „Tagesspiegel“ über ein Strategiepapier aus dem Bundeskanz- leramt. Darin werde knapp, aber eindeutig zu Reformen in der GKV Stellung bezogen. Mehr Wettbewerbs- elemente seien nötig: Wahltarife mit Eigenleistungen, Beitragsrückerstattun- gen für „kostenfreie“ Jahre oder an- dere Bonussysteme. Bereits für 2003 werde eine umfassende Gesundheitsre- form angestrebt.

Strategiepapier:

Warnung aus dem Kanzleramt

Zwar beeilten sich Regierungssprecher umgehend zu versichern, solche Über- legungen seien „politischer Alltag“ und nicht der Aufregung wert. Ulla Schmidt betonte in Interviews, der Kanzler ken- ne und teile ihre Auffassungen. Unbe- stritten ist jedoch, dass die Ministerin vom jüngsten Strategiepapier nichts wusste. Seine verborgene Botschaft an sie und nicht zuletzt die SPD-Bundes- tagsfraktion wird in den Medien mehr- heitlich so dechiffriert: Haltet euch ran – und lehnt nicht von vornherein allzu- viele Reformoptionen ab. Sabine Rieser

Bundestagsbeschluss

„Nullrunde“

kommt

Ein Spargesetz ist verabschie-

det – über Reformen in 2003

wird vielstimmig debattiert.

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