Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 30⏐⏐25. Juli 2008 A1575
S E I T E E I N S
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er Bayerische Hausärzteverband hat es geschafft.Zwei Protestveranstaltungen der Hausärztinnen und Hausärzte mit einmal 7 000 und einmal gar 25 000 Teilnehmern haben die CSU dazu bewogen, die eigenen Grundsätze über Bord zu werfen. Es ist Wahlkampf, und die Partei bangt um ihre absolute Mehrheit im bayeri- schen Landtag. In den Verhandlungen über die jüngste Gesundheitsreform hatten CDU und CSU noch gegen den erklärten Willen von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Kassenärztlichen Vereinigun- gen (KVen) als Vertragspartner für die hausarztzentrier- te Versorgung ins Boot geholt. Jetzt sollen sie wieder ausgebootet werden. Eine entsprechende Gesetzesände- rung sei bereits mit dem Kanzleramt, dem Bundesge- sundheitsministerium und der SPD abgestimmt, schreibt der Bayerische Hausärzteverband nach einem Gespräch mit Vertretern der bayerischen Staatsregierung an seine Mitglieder. Danach sollen die Krankenkassen künftig in erster Linie mit denjenigen Gemeinschaften Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung schließen, die 50 Prozent der Hausärzte eines KV-Bereichs vertreten.
In Bayern ist das der Hausärzteverband.
Was nun wie ein Sieg der bayerischen Hausärzte wirkt, kaschiert in Wirklichkeit eine verfahrene Situa- tion. Zum einen spricht es nicht für eine intakte Ver- handlungskultur, wenn man auf eine Gesetzesänderung angewiesen ist, um sich den Krankenkassen als Ver- tragspartner zu empfehlen. In Baden-Württemberg ha- ben der Hausärzteverband und Medi ihren Hausarzt- vertrag mit der AOK ohne solchen Druck zustande ge- bracht. Zum anderen hat in beiden Bundesländern die Konkurrenz zwischen Verbänden und KV das Klima innerhalb der Ärzteschaft vergiftet. Aus Protest gegen die Zugeständnisse der bayerischen Staatsregierung an den Hausärzteverband haben die Vertreter der KV das Expertengremium „Zukunft der niedergelassenen Ärz- te – Sicherheit für die Patienten in Bayern“ verlassen, das Sozialministerin Christa Stevens vor dem Hinter- grund der Proteste des Hausärzteverbandes im Februar ins Leben gerufen hatte. Eine Sonderbehandlung ein- zelner Arztgruppen aufgrund von wahltaktischen Er- wägungen sei zutiefst unsolidarisch, hieß es aus der KV. Außerdem werde der viel zitierte Wettbewerbsan- satz im Gesundheitssystem durch die Schaffung eines faktischen Anbietermonopols des Hausärzteverbandes torpediert. „Wir sind nicht länger bereit, Zeit und per- sonelle Ressourcen in diese Scheinveranstaltung zu in- vestieren“, betonte der Vorstand der KV. Der Friedens- schluss zwischen Hausärzten und Politik hat auch bei der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände
für Empörung gesorgt. Sie warf der Staatsregierung und der CSU-Spitze einseitiges Agieren vor.
Auch in Baden-Württemberg sorgt der mit vielen Vorschusslorbeeren versehene Vertragswettbewerb nicht überall für glückliche Gesichter. So empfinden die Pädiater die Regelungen zur kinderärztlichen Versor- gung im AOK-Hausarztvertrag als Provokation. „We- der Medi noch der Hausärzteverband hatten die Legiti- mation, die mehr als 700 Kinder- und Jugendärzte in Baden-Württemberg zu vertreten“, teilte der Verband mit. Diese würden überwiegend dem Vertrag nicht bei- treten. Stattdessen biete der Verband der AOK direkte Gespräche an.
Das ist ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie es in der schönen neuen Welt des Vertragswettbewerbs künf- tig zugehen könnte. Das Hauen und Stechen unter den Ärzten dürfte jedoch weder diesen noch ihren Patientin- nen und Patienten nützen. Die Uneinigkeit spielt viel- mehr den Krankenkassen in die Hände, die angesichts ihrer „Marktmacht“ ihre Vorstellungen gegenüber den zerstrittenen und miteinander konkurrierenden Ärzte- verbänden durchsetzen werden. Die Frage, wie vor die- sem Hintergrund die Patienten einheitlich und flächen- deckend versorgt werden können, hat ebenfalls noch niemand schlüssig beantwortet. Damit Kranke aus Stuttgart auch in München zum Arzt gehen oder außer- halb der Sprechstundenzeiten behandelt werden kön- nen, verweisen selbst die Wettbewerbsbefürworter gerne und regelmäßig auf die ansonsten ungeliebten KVen. Vielleicht sollte man es mit Kuno Winn halten.
Der Vorsitzende des Hartmannbundes sagte mit Blick auf den AOK-Hausarztvertrag in Baden-Württemberg:
„Beileibe nicht alles, was sich innerhalb des KV-Sys- tems abspielt, ist gut. Deshalb ist aber eben noch lange nicht alles besser, nur weil es außerhalb stattfindet.“
Heike Korzilius Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik
HAUSARZTVERTRÄGE
Schöne neue Welt
Heike Korzilius