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Archiv "Hausärzteverband: Spagat zwischen Protest und Dialogbereitschaft" (29.09.2006)

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A2508 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006

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er Deutsche Hausärzteverband hat sich nicht am 4. nationalen Protesttag in Berlin beteiligt. „Mit dem Endzeitstimmungsmotto ,Frei- heit oder Sozialismus‘ kann man kei- ne politischen Ziele erreichen“, er- klärte der Vorsitzende des Bundes- verbandes, Rainer Kötzle, am Vortag der Großkundgebung beim 29. Deut- schen Hausärztetag in Potsdam.

„Das hat nicht einmal in den 60er- Jahren funktioniert“, sagte der Allge- meinarzt aus Aachen vor den Dele- gierten. „Auf der Straße sind berech- tigte Interessen nur schwer durchzu- setzen.“

Kötzle distanzierte sich überdies von erklärten Zielen der rund 12 000 demonstrierenden Ärztinnen und Ärzte: „Kostenerstattung, Direktab- rechnung und Systemausstieg sind keine realistischen Optionen für die Hausärzte, die die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung tragen.

Hier wird Fundamentalopposition betrieben, die alles andere zum Ziel hat, als hausärztliche Interessen zu stärken.“

Der Deutsche Hausärzteverband, daran ließen weder Kötzle noch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Eberhard Mehl, einen Zweifel, sucht weiterhin den Erfolg über den politi- schen Dialog und die bekannt guten Beziehungen zu Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt (SPD). Al- lerdings ist dieser Kurs innerhalb des Verbandes nicht unumstritten. Ver- schiedene Delegierte forderten den Vorstand auf, trotz der Dialogbereit- schaft Flagge zu zeigen und gemein- sam mit den Kollegen anderer Arzt- gruppen auf die Straße zu gehen.

Wiederholt tauchten die Fragen auf:

„Wann ist der Rubikon überschritten?

Wann und wie werden sich die Haus-

ärzte auch offiziell an den Protes- ten gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung beteiligen?“ Kötzle hatte zuvor in seinem Bericht an die Delegierten diesen Punkt äußerst vor- sichtig formuliert: „Aber wir müssen uns auch auf andere Mittel einstellen und vorbereitet sein, wenn der Dialog nicht mehr ausreicht.“

Den Delegierten war dies offen- bar zu wenig. Sie beantragten und beschlossen mit großer Mehrheit ei- nen Aktionstag, der am 17. Oktober in Nürnberg stattfinden soll. Dort sollen die Hausärzte mit einer eige- nen Großkundgebung ihren Forde- rungen an den Gesetzgeber Nach- druck verleihen. Gerechnet wird mit mehr als 10 000 Teilnehmern.

Derzeit glaubt die Spitze des Deutschen Hausärzteverbandes je- doch, dass die Entwürfe zur Ge- sundheitsreform den Anliegen der Hausärzte zumindest teilweise Rech- nung tragen. So wertete Kötzle die vorgesehene Verpflichtung für die Krankenkassen, bundesweit Haus- arzttarife einzuführen, als einen Er- folg. Auch die Erweiterung der frei- en Vertragsgestaltung müsse positiv bewertet werden. Die generelle Stärkung der hausärztlichen Versor- gungsebene, räumte der Vorsitzen- de des Deutschen Hausärzteverban- des allerdings ein, sei bisher nur halbherzig durch den Gesetzgeber aufgegriffen worden.

Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder aus dem Bundesgesund- heitsministerium vertrat eine etwas andere Sicht der Dinge. Er betonte in Potsdam, dass die Hausärzte noch stärker als bisher die Lotsenfunkti- on im Gesundheitswesen überneh- men sollen. Ihnen solle die Schlüs- selrolle bei der Versorgung der Pati- enten zukommen. Der Gesetzent- wurf böte hier viele Ansätze, wenn- gleich noch alles im Fluss sei. Schrö- der vertrat Bundesgesundheitsmini- sterin Ulla Schmidt, die an diesem Tag mit den Koalitionsspitzen „die letzten offenen Punkte der Reform“

diskutierte – eine Formulierung, die allgemeine Heiterkeit bei den Haus- ärzten auslöste.

Ein entscheidender Punkt ist die Vergütungsfrage. Der Hausärztever- band fordert eine Grundpauschale von 75 Euro pro Patient und Quartal HAUSÄRZTEVERBAND

Spagat zwischen Protest und Dialogbereitschaft

Der Deutsche Hausärzteverband distanziert sich von den Zielen der Berliner Großkundgebung und sucht sein Heil weiterhin im direkten Gespräch mit der Politik.

Rainer Kötzle,Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes:

„Kostenerstattung und Systemausstieg sind keine realistischen Optionen für die Hausärzte.“

Klaus Theo Schröder,Staatssekretär im Bundesgesundheitsminis- terium: „Hausärzte sollen die Schlüsselrolle bei der Versorgung der Patienten bekommen.“

Fotos:Johannes Aevermann

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A2510 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006

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plus Zuschläge. Kötzle: „Die Be- völkerung wird diese Forderung un- terstützen. Kein Patient glaubt uns, dass wir das im Augenblick für 15 Euro im Monat tun. Man schämt sich fast, darüber sprechen zu müs- sen.“ Das Dilemma der Hausärzte:

Das neue Vergütungssystem soll kostenneutral eingeführt werden.

Mit anderen Worten: Es gibt nicht mehr Geld als bisher!

Kritik übten Kötzle und Mehl an der vorgesehenen Mengensteuerung für ärztliche Leistungen mithilfe von Regelleistungsvolumina. Statt- dessen fordert der Verband eine ein- fache Fallzahlbegrenzung, die ohne großen bürokratischen Aufwand zu bewerkstelligen wäre.

Schwierig gestaltet sich auch der Kurs des Hausärzteverbandes ge- genüber der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV) und den Kas- senärztlichen Vereinigungen (KVen).

Nach wie vor streben die Hausärzte eine weitgehende Selbstbestimmung an. Kötzle: „Ohne eigenes Verhand- lungsmandat und Selbstbestim- mungsrecht in der KBV, dem Bewer- tungsausschuss, dem Gemeinsamen Bundesausschuss und in den Länder- KVen wird sich für die Hausärzte und damit für die hausärztliche Ver- sorgung nichts ändern!“

Der Hausärzteverband ist nach den Worten seines Vorsitzenden nicht für eine „völlige Abschaffung des KV-Systems“. Aber die KVen sollten sich auf Verwaltungs- und Dienstleistungsaufgaben beschrän- ken. „Es kann nicht sein“, sagte Kötzle, „dass Körperschaften des öf- fentlichen Rechts in einer Art Zwit- terfunktion in einen Vertragswettbe- werb mit freien ärztlichen Verbän- den eintreten und dafür die Zwangs- gelder der Vertragsärzte zweckent- fremden können.“

Dem widersprach der Ehrenvor- sitzende des Deutschen Hausärzte- verbandes, Prof. Dr. med. Klaus- Dieter Kossow: „Wettbewerb heißt, mit eigenen Angeboten überzeugen und das Beste anzunehmen. Wenn die Kassenärztlichen Vereinigun- gen gute Verträge für die Hausärz- te machen, ist das doch in Ordnung.

Damit sollten wir kein Problem

haben.“ I

Josef Maus

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ie Umsetzung neuer Arbeits- zeitmodelle in Krankenhäu- sern kommt nur schleppend voran.

Dies geht aus einer bislang nicht veröffentlichten Studie des Deut- schen Krankenhausinstituts (DKI) hervor. Demnach führten bisher nur 40 Prozent der Kliniken neue Ar- beitszeitmodelle ein, im Schnitt je- doch nur in drei Abteilungen und zwei Funktionsbereichen. Der Ver- breitungsgrad liegt damit bei gerade einmal 23 Prozent aller betten- führenden Fachabteilungen. Doch die Zeit drängt: Nach zweimaliger Fristverschiebung sollen bis Ende 2006 in allen Kliniken Regelungen greifen, die Bereitschaftsdienste als

Arbeitszeit werten. Dies sieht das neu gefasste Arbeitszeitgesetz vor.

„Für die Kliniken wird es enorm schwer, diesen Termin zu halten“, sagt DKI-Forschungsleiter Dr. Karl Blum dem Deutschen Ärzteblatt.

Die Kliniken stünden vor großen rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Problemen. Nach der DKI-Befragung geben fast 40 Pro- zent der Häuser an, dass die Neure- gelungen bei Ärzten auf mangelnde Akzeptanz stoßen. Finanzierungs- probleme sehen knapp 33 Prozent als Hinderungsgrund. Jeder vierten Klinik fällt es schwer, die zusätzlich benötigten Ärztinnen und Ärzte zu rekrutieren.

Um wenigstens die Finanzie- rungsprobleme zu mildern, fordert die FDP-Bundestagsfraktion in ei- nem Antrag, den vom Gesetzgeber zugebilligten gestaffelten Zuschlag für neue Arbeitszeitmodelle vorzu- ziehen. Das GKV-Modernisierungs-

gesetz sieht für die Jahre 2003 bis 2009 einen Zusatzbetrag von jähr- lich rund 100 Millionen Euro vor, um den Kliniken den Umstieg zu er- leichtern. Die Einführung der Mo- delle duldet nach Meinung der FDP jedoch keinen Aufschub. Die bis 2009 veranschlagten Gelder sollten daher schon jetzt an die Kliniken aus- gezahlt werden.

Zweifelhaft ist, ob sich die Libe- ralen mit ihrem Vorstoß gegen die Mehrheit von Union und SPD durchsetzen können. Daran wird auch nichts ändern, dass sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Marburger Bund (MB) in ungewohnter Einigkeit hin-

ter die Initiative stellen. In einer Stel- lungnahme vor dem Gesundheits- ausschuss des Bundestages verweist die DKG darauf, dass der finanzielle Mehrbedarf für die Ausgestaltung neuer Arbeitszeitmodelle spätestens Anfang 2007 anfalle. Ein Zurück- halten der Mittel mache daher kei- nen Sinn. Der Hauptgeschäftsführer des MB, Armin Ehl, bezeichnet den Vorschlag der FDP als „sehr sinn- voll“. Zugleich verwahrt sich Ehl dagegen, Ärzte zu Hauptverant- wortlichen für die langsame Umset- zung der Modelle zu machen. Die monatelangen Streiks an den Klini- ken hätten gezeigt, dass Ärzte an in- novativen Arbeitszeitregelungen in- teressiert seien. Nötig sei aber, dass die Krankenhausverwaltungen um- dächten und den Ärzten interessante Angebote machten. Ehl fordert:

„Die Kliniken müssen ihre Ärzte bei den Planungen mitnehmen.“ I Samir Rabbata

KRANKENHÄUSER

Die Zeit im Nacken

Obwohl die Frist dieses Jahr abläuft, verfügt nur ein Viertel aller Krankenhausabteilungen über neue Arbeitszeit- modelle. Die FDP drängt auf schnelle finanzielle Hilfe.

Die Kliniken müssen ihre Ärzte bei den Planungen für neue Arbeitszeitregelungen mitnehmen.

Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes

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