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Archiv "PSYCHOSOMATIK: Schlußwort" (29.01.1982)

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Leserdienst

Hinweise • Anregungen

Glaube und Hoffnung

< stellung, die Stichworte:

„Zukunft, Glaube, Hoff- nung kämen in den „zahl- reichen Lehrbüchern der Medizinischen Psycholo- gie" nicht vor, zumindest zum Teil sachlich unrichtig ist. Das wohl am weitesten verbreitete Lehrbuch von Rosemeier weist schon in seinem Sachregister den Begriff Hoffnung nach. Si- cherlich ist es auch unzu- treffend, daß die Psycholo- gie sich nicht um die Pro- blematik individueller Zu- kunftsorientierung und die Auswirkungen von Hoff- nungen (und Enttäuschun- gen) bemühen würde. Die Zukunft, besser gesagt:

Vorhersage von zukünfti- gen Verhaltensweisen, ge- hört zu den wesentlichsten Anliegen der psycholo- gischen Teildisziplinen, wenn auch in unterschied-

lich starkem Ausmaß. Der Autor behauptet: „In der deutschen Sprache gibt es zwei Worte, die die Sicht der Zukunft ausdrücken:

Glaube und Hoffnung . . . "

(S. 1686). Diese Aufzählung ist wohl kaum erschöp- fend, und als weiteren wichtigen und in der Psy- chologie ausgesprochen häufig verwendeten und er- forschten Begriff möchte ich lediglich den Begriff

„Erwartung" hinzufügen.

Auf die Erwartung zukünfti- ger Geschehnisse (und die Etablierung von Erwartun- gen) läßt sich zum Beispiel die Theorie der Frustration zurückführen. Auch die moderne Handlungstheo- rie ist ohne diesen Begriff nicht denkbar.

Die Abgrenzung von „Glau- be" und „Hoffnung", so scheint mir, ist dem Autor nicht geglückt. Das gilt zu- nächst für die Etablierung von Hoffnungen: Wie an- ders sind diese denkbar, wenn nicht durch Vorerfah- rungen? Die voluminöse Literatur zur Theorie des Lernens zeigt, daß durch die Konsequenzen von Ver- haltensweisen in der Ver- gangenheit die Fähigkeit

erlangt wird, solche Konse- quenzen für analoge Ver- haltensweisen zu antizipie- ren und sich entsprechend zu verhalten. Das Kind, das eine Belohnung für er- wünschtes Verhalten er- hält, wird dieses Verhalten zumindest auch deshalb zeigen, weil es Hoffnung auf die Belohnung hat. Die- se Befunde stehen im Wi- derspruch zu zahlreichen Aussagen des Autors, zum Beispiel der, daß ein Vergangenheitsbezug der Hoffnung gering bzw. nicht vorhanden sei (S. 1687).

Unrichtig nach wissen- schaftlicher Erkenntnis und menschlicher Alltags- erfahrung ist auch die Be- hauptung, daß Hoffnung zu einer „gewissen" Inaktivi- tät führe. Hoffnung bein- haltet gerade ein Ziel, auf das das Verhalten ausge- richtet wird. Uneinsichtig und artifiziell erscheint die Unterscheidung zwischen Hoffnung und Glaube in dem Punkt, daß die Ziele, die sich aus der Hoffnung ergeben, im Unterschied zu denen, die sich aus dem Glauben ergeben, „unklar, zweideutig, teils fanta- stisch" (S. 1687) sein sol- len. Hier hat der Autor wohl

„Hoffnung" mit „Utopie"

vermischt, wenngleich auch Utopien konkrete Zielvorstellungen beinhal- ten.

Auch vom gegenwärtigen Forschungsstand der psy- chosomatischen und psy- chologischen Medizin ist der Beitrag weit entfernt.

So ist zum Beispiel die Aus- sage, daß „Trauer, Mißer- folg und Ärger . .. Darnie- derliegen der Lebensvor- gänge (bewirken)" (S.

1739), schlichtweg falsch.

Es ist lange bekannt, daß Mißerfolge und Arger, und auch Trauer, zu einer Stei- gerung der Stoffwechsel- vorgänge führen (vgl.

Streßforschung). Der Autor hat wichtige Beiträge aus philosophischer (Bloch),

psychologischer (Freud, Seligmann) und psycho- somatischer (Engel) Rich- tung zwar zum Teil zitiert, aber bei der Lösung der selbstgestellten Aufgabe nicht berücksichtigt. Eher scheint er bemüht zu sein, die Psychosomatik in ein ri- gides weltanschauliches System einzupassen. Es ist fraglich, ob Kranken wie Gesunden damit gedient ist. Freilich ist zutreffend, daß der Begriff „Glaube" in der psychologischen Lite- ratur eine eher untergeord- nete Rolle spielt, aber um- gekehrt würde ein Arzt ei- nem Theologen wohl kaum vorhalten, daß der Begriff

„Acetylsalicylsäure" in sei- nen Predigten zu selten vorkommt .. .

Dr. med. Dipl.-Psych.

Jürgen Neuser

c/o Universitätsklinikum Essen

Institut für Medizinische Psychologie

Hufelandstraße 55 4300 Essen

Schlußwort

Herr Kollege Neuser findet den Beitrag „religiös ver- brämt, definitorisch un- scharf, artefiziell und wis- senschaftlich unbegrün- det" und meint, daß die

„Psychosomatik in ein rigi- des weltanschauliches Sy- stem" eingepaßt werde. In bezug auf die Unschärfe stimme ich ihm zu, indem ich der Meinung bin, daß in diesem Problemkreis noch viele Fragen ungeklärt sind und weitere Analysen erfor- derlich sind. Es wäre schön gewesen, wenn zu dieser Klärung etwas beigetragen worden wäre. Bezüglich der weiteren Feststellun- gen kann ich nur sagen, daß man dazu selbstver- ständlich anderer Ansicht sein kann. Wissenschaftli- che mathematisch-exakte Ergebnisse, die alle Men-

schen überzeugen, wird er bei dieser Thematik wohl nicht erwartet haben. Zu dem Punkt des „weltan- schaulichen Systems"

fragt es sich, ob man an diese subjektiven Gefühls- bereiche ohne eine welt- anschauliche Grundlage überhaupt herangehen kann bzw. ohne diese nur oberflächliche Nebensäch- lichkeiten erfaßt.

Im Lehrbuch von Rosemei- er steht „Hoffnung" im Sachregister und dann zweimal als „Stichwort" im Text des Abschnittes über Sterben — und mehr nicht.

In dem Aufsatz war von der

„Vorhersage von zukünf- tigen Verhaltensweisen"

und von der Lernpsycholo- gie nicht die Rede, sondern es sollte dargestellt wer- den, wie die subjektive Sicht der Zukunft sich auf die heutige Lebens- und Körpersituation auswirkt.

Bei den Auswirkungen von Trauer, Mißerfolg und Är- ger muß getrennt werden, ob die akuten oder die chronischen Vorgänge ge- meint sind. In der akuten, gerade erlebten Situation ist der Mensch noch erregt und aktiviert, aber in einer chronischen, d. h. letztlich für ihn nicht zu ändernden, Lebenslage stehen die resi- gnierenden, depressiven Gefühle im Vordergrund (Parkes: Vereinsamung.

Die Lebenskrise bei Part- nerverlust, Rowohlt, 1978).

Herr Kollege Derwahl weist auf die Freude hin, die als Urelement aller menschli- chen Verhaltensweisen le- benserhaltend sei. Die Freude ist ein vielfältiges Gefühl, das aber gerade bei der Zukunftssicht eine wichtige Rolle spielt. Die Vorfreude oder die Erwar- tungsfreude treibt mich vorwärts.

Je mehr ich daran glaube, desto sicherer bin ich, daß ich diese Freude erleben werde. Die Freude (hier nur >

12 Heft 4 vom 29. Januar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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Leserdienst Hinweise • Anregungen

Glaube und Hoffnung BRIEFE AN DIE REDAKTION

< im Zukunftsbezug gese- hen) dürfte eher als Folge eines festen Glaubens auf- treten und weniger als Vor- aussetzung eines Glau- bens.

Sehe ich eine angenehme freudvolle Zukunft vor mir, werde ich aktiv darauf hin- arbeiten. Wenn das weitere Leben aber traurig, unan- genehm und voller Mißer- folge erscheint, werde ich diese Zukunft nicht be- schleunigen, sondern eher versuchen, sie nicht zu er- leben, indem ich einen an- deren Lebensweg suche oder Selbstmord begehe.

Diese Freude am Leben kann nur Bestand haben, wenn sie auch noch in die Zukunft hinein verlängert werden kann.

Der Verlust des Willens zum Leben besteht im we- sentlichen darin, daß die Freude im Leben nicht mehr gesehen wird und da- mit der Durchhaltewillen geschwächt wird oder ver- lorengeht, wie z. B. beim psychogenen Tod.

Ich bin nicht der Meinung, daß man nur an Menschen, aber nicht an eine Sache glauben kann. Die Mensch- heitsgeschichte zeigt viele Beispiele, daß Menschen im Glauben an selbster- dachte oder von anderen Menschen ersonnene Ide- en, Vorstellungen, Reli- gionssysteme, Parteipro- gramme oder außerirdi- sche Kräfte große Taten vollbrachten.

Hierbei wird der Glaube ei- nem „Gedankenbild" ge- schenkt, das der Mensch selbst geschaffen hat und für das es keine Existenz- beweise gibt. Natürlich wird man „vertrauenser- weckenden" Menschen, die ein solches Ideensy- stem vertreten, eher und lieber glauben.

Prof. Dr. med.

Klaus-Dietrich Stumpfe Rotdornweg 35

5000 Köln 91 (Rath)

KÖHNLECHNER

Eine Artikelserie in der „Hör- zu" veranlaßte eine Leserin zu dieser Zuschrift:

Tatenlos zusehen

Müssen wir Ärzte es dul- den, daß Dr. jur. Manfred Köhnlechner, Heilprakti- ker, „den Blick der etablier- ten Ärzte dafür schärfen"

will, „daß in ihren Warte- zimmern nicht nur poten- tielle Pillenkonsumenten sitzen, sondern Menschen, die leiden"? (Alle Zitate sind der Artikelserie „Le- ben ohne Schmerz" des o. g. Autors entnommen, die in der „Hör zu" erschie- nen ist.) Diese Zitate stehen für viele andere, sie zeigen die Grundhaltung des Ver- fassers. Wo es nur eben möglich ist, wird Mißtrauen in juristisch schwer an- greifbarer Form gesät. Den Arzten werden mangelnde Kenntnisse, fehlendes Ver- antwortungsbewußtsein und „Stillegung des Pa- tienten mit Schmerzmit- teln" vorgeworfen. Köhn- lechner spricht von der „oft tödlichen Abfertigung des Patienten", der „die Natur- medizin entgegentreten will". . . . Die unberechtig- te Verleumdung der Ärzte ist aber nicht das Schlimm- ste. Es werden Hoffnungen in den bedauernswerten Leidenden geweckt, die unerfüllbar sind. Ein „Le- ben ohne Schmerz" gibt es bekanntlich nicht. „Wenn alle Pillen versagen", dann helfen auch die Methoden der sogenannten „Natur- medizin" oder „Erfah- rungsmedizin" nicht mit Si- cherheit. Ich kenne einen einzigen Patienten, der von Herrn Köhnlechner behan- delt worden ist, er hat seine Kopfschmerzen nicht ver- loren. Die größte Gefahr, die von den zahlreichen publikumswirksamen Ver- öffentlichungen dieses Heilpraktikers ausgeht, ist vielen Arzten aus persönli- cher Erfahrung mit ihren Patienten bekannt. Ernst-

haft Erkrankte suchen den Arzt zu spät auf, weil unbe- gründetes Mißtrauen ge- gen die „Schulmedizin"

gesät wurde. Lebensver- längernde Medikamente, zum Beispiel Digitalis, blut- drucksenkende Mittel, wer- den nicht eingenommen.

Weshalb soll der von er- heblichen, typischen Ste- nokardien Gequälte den Arzt überhaupt aufsuchen?

Nach Köhnlechner „erfährt er (beim Arzt) oft, es hande- le sich bei ihm um eine ve- getative Dystonie. Die Wahrheit aber ist: alle die- se Symptome weisen auf eine Schädigung der linken Herzkammer hin". Derarti- ge Beispiele lassen sich be- liebig vermehren. Solche Veröffentlichungen stellen eine Gefährdung der Ge- sundheit unserer Gesell- schaft dar. Müssen wir die- ses dulden? Müssen wir Ärzte hier tatenlos zu- sehen? . . .

Dr. med. Elfriede Husstedt Gallenkamp 11

4400 Münster

SCHÜTZLER-KARIKATUR Zu der Karikatur von Dr. med.

W. Schützler, „Eines Tages im psychiatrischen Bereich" in Heft 52/53 vom 28. Dezember 1981:

Für die

Bild-Zeitung?

Ein Schlag ins Gesicht für alle an dem Problem Alko- holismus Beteiligten, den wir beim besten Willen nicht mehr mit Humor auf- nehmen können. Warum läßt sich der Kollege Schützler mit seinen Fähig- keiten nicht bei der Bildzei- tung anstellen?

Angela Schütt (Ärztin) Brauerstraße 3 2410 Mölln

Dr. med. Gabriele Diel Johnsdiek 2

2419 Schmilau

PHARMABERATER

Noch eine Zuschrift zu dem Kommentar in Heft 49/1981

„Der Referent mit dem Muster- koffer" (s. auch Heft 2/1982

„Briefe an die Redaktion"):

Freie Information

Dem Arzt steht es frei, wie und aus welchen Kanälen er seine Informationen be- zieht. Für den Arzneimittel- hersteller ergibt sich dage- gen als einzigen Informa- tionsabsender aus Sinn und Zweck des Arzneimit- telgesetzes eine Verpflich- tung zur umfassenden In- formation des Arztes.

In diesem Zusammenhang kommt dem Pharmaberater nach dem Arzneimittelge- setz nicht nur die Informa- tion des Arztes zu. Der Pharmaberater muß viel- mehr auch seinen Arbeit- geber über die von Ärzten beobachteten uner- wünschten Arzneimittelwir- kungen und sonstigen Risi- ken informieren. Der Phar- maberater ist durchaus mehr als „der Mann mit dem Koffer".

Natürlich brauchen Ärzte, die auf den Informations- austausch mit den Pharma- beratern keinen Wert le- gen, diese nicht zu empfan- gen. Allerdings scheint nur eine Minderheit der Ärzte so zu verfahren. Einer kürz- lich von einem unabhängi- gen Institut durchgeführ- ten Untersuchung zufolge beziehen die niedergelas- senen Ärzte 90 Prozent ih- rer Arzneimittelinformatio- nen von Pharmaberatern.

Anscheinend sind diese doch eine erheblich ergie- bigere Informationsquelle, als mancher denken mag.

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V.

Presse und Öffentlich- keitsarbeit

H-J. Cramer Karlstraße 21

6000 Frankfurt (Main) I>

Ausgabe NB DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 4 vom 29. Januar 1982 15

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