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Archiv "INTERVIEW: Behandlungseffizienz im Vordergrund" (29.06.2001)

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T H E M E N D E R Z E I T

A

A1732 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 26½½29. Juni 2001

DÄ: Chefarztverträge werden oft- mals zeitlich befristet und das „Fest- gehalt“ mit einer erfolgsbezogenen Tantiemenvereinbarung verbunden. In welchem Umfang werden solche Boni- und Tantiemen-Vereinbarungen bei der Rhön-Klinikum AG praktiziert, wel- che Erfahrungen haben Sie damit ge- macht?

Münch: Die Auseinandersetzung mit – im Verhältnis zu der zu versorgen- den Bevölkerung – ständig knapper werdenden Ressourcen betrifft alle Krankenhäuser, die ihren Auftrag ernst nehmen, gleichgültig ob es sich um kari- tative beziehungsweise öffentlich- rechtliche Träger handelt, oder ob sie erwerbswirtschaftliche Interessen ver- folgen. Der Unterschied ist allerdings, dass die letzteren den Druck direkt und früher spüren, weshalb sie den Trend anführen. Chefärzte, die entscheiden- den Betriebsleiter des Krankenhauses, die hinsichtlich drei Viertel bis neun Zehntel ihrer Einkünfte von Privatpati- enten abhängig sind, wären eine Klasse von Übermenschen, wenn sie nicht ten- denziell dem in diesem Finanzierungs- konzept liegenden Anreiz zur Selekti- on nach Kaufkraft unterliegen würden und sich damit kontraproduktiv zum Auftrag des Krankenhauses verhielten.

Zeitverträge sehen wir als nicht so günstig an, sondern für uns sind künd- bare Verträge, in denen die Auseinan- dersetzung bereits geregelt ist, die sachgerechtere und wesentlich kon- fliktfreiere Lösung, da jeder der Ver- tragspartner – auch der Arbeitgeber – weiß, was „Ärger machen“ kostet. Be- triebsfriede ist im allgemeinen erfolg- reicher als Unfriede.

Die Insider wissen um das Problem der nicht selbst und höchstpersönlich erbrachten und dennoch abgerechne- ten Leistungen. Das herkömmliche Vertragssystem erzeugt an der Spitze

der medizinischen Leistungspyrami- de, wo es auf höchste Integrität an- kommt, permanent die Gefahr, gegen Gesetze zu verstoßen. Die Tolerie- rung und Annahme der daraus ge- wonnenen Vorteile (teilweise gesetz- lich verordnet durch Poolregelungen) korrumpiert alle, einschließlich der Krankenhausleitungen, denn diese gewinnen aus diesen Ergebnissen oft die einzig freien Investitionsmittel.

Dies und die immanente Fehlsteue- rung sind die Gründe, weshalb wir in allen Neuverträgen versuchen, den Anteil der Privatliquidation am Ein- kommen des leitenden Arztes auf zehn bis maximal 35 Prozent zu redu- zieren. Um den Ärzten das Risiko ei- ner verdeckten Arbeitgebereigen- schaft zu nehmen, die in der Beteili- gung von Mitarbeitern steckt, wird außerdem das Liquidationsrecht an das Haus gebunden und der Arzt dar- an beteiligt und nicht, wie es traditio- nell ist, umgekehrt. Da leitende Ärzte bei uns nicht weniger, sondern, insbe- sondere wenn sie gut sind, mehr ver- dienen, ergibt sich die Differenz zum Markt aus einer Ergebnisbeteiligung, die am Betriebsergebnis hängt und die in kleinerem Umfang alle Mitarbeiter im Rahmen von Tarifverträgen, somit quasi öffentlich überwacht, erhalten.

In wenigen Ausnahmefällen gibt es

zusätzlich auf die Abteilung, die ge- führt wird, bezogene Incentives, die aber immer mit dem Versorgungsziel und der Behandlungseffizienz gekop- pelt sind.

DÄ: Werden Tantiemen-Vereinba- rungen mit allen leitenden Kranken- hausärzten in Ihrem Klinik-Konzern abgeschlossen oder beschränken sich diese vielmehr auf die so genannten Neu-Verträge und die kleineren klini- schen Fächer, wie etwa Urologie oder Unfallchirurgie, wie dies bereits vor zehn Jahren, zum Teil von Misserfolgen begleitet, vom Städtischen Krankenhaus Hildesheim GmbH praktiziert wurde?

Münch: Es gibt einheitliche Basis- Vertragsmuster, die jedoch individuell verhandelt werden, weil die Anforde- rungen unterschiedlich sind. Die Prin- zipien werden jedoch nicht verändert.

Auch in den Altverträgen, die wir ein- vernehmlich sukzessive umstellen, sind Tantiemenanteile enthalten, al- lerdings nicht im heutigen Ausmaß.

DÄ: Wird das neue, ab 2003 flächen- deckend geltende, leistungsbezogene Entgeltsystem (diagnosebezogene Fall- pauschalen) die Einführung von lei- stungs- und erfolgsbezogenen Chef- arztverträgen begünstigen? Inwiefern werden die Chefarzt-Musterverträ- ge und die Empfehlungen der Deut- schen Krankenhausgesellschaft da- durch überholt?

Münch: Die DRGs werden die Landschaft stark verändern und ver- mutlich sogar die Krankenhausorgani- sation auf DRG-gerechte Strukturen ausrichten. Die DRGs werden Lei- stungsmenge und Qualität belohnen;

mit unseren Verträgen sind die Chef- ärzte an dieser Entwicklung beteiligt.

Ob damit die heutige Fachbereichsglie- derung erhalten bleibt, ist sehr zu be- zweifeln. Wir haben mit funktionsbezo- genen Abteilungen an einigen Plätzen sehr gute Erfahrungen gemacht und teilweise unter Funktionsaufteilung Fachbereiche, die in ihrer Speziali- tätensumme zu breit sind, in koopera- tive prozessbezogene Leitungsbereiche Eugen Münch: „Es gibt

Incentives, die immer mit dem Versorgungs- ziel und der Behand- lungseffizienz gekop- pelt sind.“

Foto: privat

Behandlungseffizienz im Vordergrund

Eugen Münch, Vorstandsvorsitzender der Rhön-Klinikum AG, Neustadt an der Saale, zu erfolgsabhängigen Chefarztverträgen

INTERVIEW

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beschränkter Vertretungsmacht im Au- ßenverhältnis allein für die Leitung des Krankenhauses verantwortlich ist. Diese Rechtsstellung des Geschäftsführers lässt nur wenig Raum für eine verantwortliche Beteiligung des Chefarztes oder auch nur des ärztlichen Direktors an der Führung des Krankenhauses. Von ärztlicher Seite wird daher eine Doppelspitze für die Krankenhaus-GmbH gefordert, beste- hend aus einem ökonomischen und ei- nem ärztlichen Geschäftsführer.

Die praktische Umsetzung einer gleichberechtigten ärztlichen Beteili- gung an der Geschäftsführung scheitert meist nicht nur am Krankenhausträger, sondern auch daran, dass in der Regel kein Chefarzt bereit und in der Lage ist, einen solchen Full-Time-Job zusätzlich zu seiner ärztlichen Tätigkeit zu über- nehmen. Die Beteiligung eines exter- nen Arztes an der Geschäftsführung wird jedoch vonseiten der Kranken- hausärzte abgelehnt. Alternativ hierzu ist folgendes Modell denkbar: Ein in Fragen des Krankenhausmanagements erfahrener Chefarzt wird beispielsweise nach Vollendung des 55. Lebensjahres als gleichberechtigter Partner des Öko- nomen in die Geschäftsführung des Krankenhauses berufen. Der damit ein- hergehende Verzicht auf die bisherige Chefarzt-Tätigkeit setzt jedoch eine Vergütungsregelung für den Arzt vor- aus, die eine Sicherung seiner bisheri- gen Einkünfte gewährleistet. Dies er- fordert ein Umdenken in den Vergü- tungsstrukturen des Krankenhauses, was in erfolgreichen Häusern bereits praktiziert wird. Die Zahl der ärztli- chen Krankenhaus-Geschäftsführer ist noch klein. Wo eine solche Struktur be- steht, ist sie jedoch erfolgreich.

Wirtschaftlichkeitsgebot

Seit einigen Jahren verpflichten neu ab- geschlossene Chefarztverträge den Arzt regelmäßig zu einer zweckmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Be- handlung im Rahmen des ärztlich Not- wendigen und der Aufgabenstellung des Krankenhauses und der Abteilung. Zu- gleich wird dem Chefarzt die Verant- wortung für eine sparsame Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel durch seine Mitarbeiter auferlegt. Dar-

über hinaus sehen viele neuere Verträge die Möglichkeit vor, dass nach An- hörung des Arztes ein internes abtei- lungsbezogenes Budget erstellt werden kann, auf dessen Einhaltung der Arzt hinzuwirken hat. Dieses Gebot ist je- doch nicht bewehrt, was seinen Grund darin hat, dass eine Unwirtschaftlichkeit viele Ursachen haben kann, auf die ein Chefarzt keinen oder nur einen gerin- gen Einfluss nehmen kann.9Es ist daher mit arbeitsrechtlichen Mitteln (Abmah- nung, Kündigung) die Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zu reali- sieren. Es kommt hinzu, dass eine echte Budgetverantwortung nur dann besteht, wenn das Budget zusammen mit dem Arzt erstellt wurde. Dies ist jedoch mit dem Selbstverständnis der meisten Kran- kenhausträger nicht vereinbar, wonach zwischen dem Wirtschaftsdienst und dem klinikärztlichen Dienst eine strikte Aufgabenverteilung bestehen muss.

Bonus-/Malus-Regelung

Vereinzelt enthalten neue Chefarztver- träge eine Koppelung zwischen der Höhe des Nutzungsentgelts aus Liquida- tionserlösen und der Einhaltung des in- ternen Kostenbudgets für die Abteilung.

Danach wird das Nutzungsentgelt bei Einhaltung oder Unterschreitung des Budgets reduziert, bei einer Überschrei- tung dagegen erhöht. Was auf den ersten Blick überzeugend erscheint, erweist sich in der Praxis jedoch als problematisch.

Die Einhaltung eines Budgets könnte nur dann zum Maßstab für ein Bonus-/

Malus-System gemacht werden, wenn die verschiedenen, im Budget enthalte- nen Kostenarten vom Chefarzt beein- flusst werden könnten. In der Praxis ist dies in nur geringem Umfang möglich. So hat der Chefarzt beispielsweise auf die Personalkosten, die im Durchschnitt rund 70 Prozent der Betriebskosten eines Krankenhauses ausmachen, kaum Ein- fluss, da eine Steigerung der Personalko- sten im Wesentlichen tariflich bedingt ist.

Nur die Kosten des medizinischen Sach- bedarfs, die veranlassten Fremdleistun- gen (Inanspruchnahme von Konsiliar- ärzten, von Fremdinstituten, Kranken- transporten und Leistungen anderer Ab- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 26½½29. Juni 2001 AA1733

aufgeteilt. Der alte Chefarzt, der noch im Königreichdenken verhaftet ist, kommt damit allerdings nicht zurecht.

Diese neuen Felder sind eine Domäne von Chefärzten, die vernetzt denken und handeln. Auch bei diesen neuen Konzepten macht der rundum von einem Arzt behandelte Privatpatient keinen Sinn. Wir schlagen deshalb vor, dass sich vorausdenkende Kräfte der Krankenhäuser, Chefarztverbän- de und private Krankenversicherun- gen treffen und darüber reden sollten, ob es nicht besser ist, wenn der künfti- ge Privatpatient für seinen Wahlarzt eine Behandlungs-Management-Ge- bühr bezahlt, statt dass er eine Rech- nung mit der Zahl von Handschlägen erhält. Bei diesem Modell würde die Leistung bezahlt, die der Patient im Krankenhaus mit vielen Spezialisten, die nicht alle Chefärzte sind, in Form von höchster Qualität im verfügbaren Prozess erhält. Es müsste nicht eine persönliche Leistung generiert wer- den, die auf Allrounder und nicht auf die heutigen Spezialisten zugeschnit- ten ist.

DÄ: In welcher Größenordnung bewegen sich bei erfolgs- und tan- tiemenbezogenen Chefarzt-Verträgen die Bezüge aus dem Festanstellungs- Salär und den Boni beziehungsweise den erfolgsabhängigen Tantiemen?

Münch: Diese Frage ist die gleiche, wie sie auch immer wieder im Zusam- menhang mit Spitzenleistungen in anderen Bereichen, zum Beispiel dem Sport, diskutiert und beantwor- tet wird. Es gibt C- und A-Klasse- Spieler, solche in der Bundesliga und Weltklasse; nicht jeder bleibt, wo er anfängt, und nicht jede Spezialisie- rung ist gleichermaßen gefragt. Chef- ärzte mit einem Jahreseinkommen unter 150 000 DM kennen wir nicht und solche, die über zwei Millionen DM verdienen, sind selten. Die Tantiemenanteile liegen in derselben Spanne von 15 bis 35 Prozent des Einkommens wie die Privatliquidati- onsanteile, allerdings mit steigender

Tendenz. ✮ 9Arbeitsgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 20. Februar

1989 – 1 Ca 187/88

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