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Archiv "Chefärzte: Konfiskatorische Abgaben" (16.04.2004)

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ie Abgaben- und Kostenerstat- tungsregelungen privatliquidati- onsberechtigter leitender Kran- kenhausärzte (Chefärzte) haben ein Ausmaß erreicht, dass sie in ihrer Sum- me zum Teil konfiskatorisch wirken.

Dies sei zum Teil verfassungsrechtlich bedenklich und kollidiere mit Grund- rechtsnormen. Dies ist der Tenor eines Gutachtens, das der Verfassungsrechtler Prof. Dr. jur. Ferdinand Kirchhof,Tübin- gen, im Auftrag des Verbandes Leiten- der Orthopäden e.V. veranstaltet hat.*

Bei der Überprüfung der Chefarzt- abgabenregelungen unter rechtlichen Aspekten hat Kirchhof mehr als 100 Chefarztverträge analysiert und festge- stellt, dass die Gesamtabgabenlast zwi- schen 50 und 104 Prozent liegt. Auch Empfehlungen der Deutschen Kranken- hausgesellschaft e.V. über die Formu- lierung von Muster-Chefarztverträgen (4. Auflage) lassen erkennen, dass über die Abgabenregelungen und die Erschlie- ßung von Finanzierungsquellen aus den Privatumsätzen der leitenden Klinikärz- te eine zweite Finanzierungsart zur Sub- ventionierung der gedeckelten Budgets erschlossen werden soll. Zudem brodelt es seit langem auch im Hinblick auf eine überfällige Weiterentwicklung und Re- vision der Amtlichen Gebührenord- nung für Ärzte (GOÄ). Die Parteien jedweder politischen Couleur, insbeson- dere auch die Bundesländer, drängen seit langem, die GOÄ-Liquidationskon- ditionen zu verschlechtern, um vor al- lem die Beihilfe zu entlasten.

Grundgesetz-Verstöße

Verfassungrechtler Kirchhof gelangt zu folgenden Ergebnissen:

>Der Zugriff und die Requirierung von Teilen aus Einnahmen aus Pri- vatliquidationen von Abteilungsleitern

(Chefärzten) in Krankenhäusern ist vielgestaltig, oftmals intransparent und wirkt in ihrer Summierung oftmals konfiskatorisch. Einerseits ist das Re- glement der Privatliquidation auch der liquidationsberechtigten Krankenhaus- ärzte durch die normativen Vorgaben der GOÄ gesetzlich bestimmt, anderer- seits sind auf landesrechtlicher und indi- vidualvertraglicher Basis geldwerte Ko- stenerstattungsbeträge und Vorteilsaus- gleiche (= Nutzungsentgelt), Mitarbei- terbeteiligungen (so genannte Poolrege- lungen), die Erstattung des Verwal- tungsaufwandes, berufsbedingte Versi- cherungsprämien und Vertretervergü- tungen sowie andere Erstattungslei- stungen und Abgaben aus dem Chef- arztliquidationsvolumen zu „bedienen“.

Zudem sind Abgaben-, Kostenerstat- tungs- und Vorteilsausgleichsregelun- gen nicht aufeinander abgestimmt.

>Die Abgabepositionen und die dar- aus resultierende finanzielle Gesamtlast müssten bei angestellten und beamteten Chefärzten an deren verbrieften Grund- rechten gemessen werden. Öffentlich- rechtliche Krankenhäuser seien unmit- telbar an diese gebunden. Erwerbswirt- schaftliche (private) ebenso wie freige- meinnützige (einschließlich kirchlicher) Krankenhausträger seien selbst Grund- rechtsträger. Sie seien jedoch gegenüber ihren Arbeitnehmern auf die Grund- rechte verpflichtet. Deshalb müssten auch diese Klinikträger die grundrecht- lichen verbrieften Rechte der Arbeit- nehmer und Arbeitgeber in eine „kon- kordante Übereinstimmung“ bringen.

Nach Kirchhof können folgende Grundrechte tangiert sein:

>der Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 1 bis 3

Grundgesetz (GG). Eine Verallgemei- nerung von Tatbeständen (Typisierung) und eine Pauschalierung (Vereinheitli- chung von Bezugs- und Bemessungs- größen) ist zulässig, insofern ihre Wahr- scheinlichkeitsmaßstäbe der Realität nahe kommen. Allerdings muss der ein- mal gewährte Belastungsgrund in der normativen und tatsächlichen Durch- führung durch den Klinikarbeitgeber konsequent eingehalten werden. Die durch den Privatbehandlungssektor ent- standenen Kosten und die dem liquida- tionsberechtigten Klinikarzt gewährten Vorteile müssten vom „Normsetzer“

sorgfältig ermittelt und belegt werden;

>das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Danach müs- sen Abgaben durch Gründe des Ge- meinwohls unter Beachtung des Über- maßverbots gerechtfertigt sein;

>das Grundrecht auf Eigentum (Art.

14 GG). Deshalb seien betriebswirt- schaftlich angemessene, gerechte und verhältnismäßig ausgleichende Regelun- gen im Hinblick auf die Eigentumsge- staltung bei den Abzügen zu beachten.

>Berücksichtigung der Grundsätze des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Sachlich gerechtfertigt seien Chefarztabgaben aus dienstlichen Not- wendigkeiten, zum Beispiel, um eine Beeinträchtigung der Amtsausübung zu verhindern oder um die Funktions- fähigkeit des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten.

>Prinzipiell sind Abzüge von Privatli- quidationsumsätzen (Privathonoraren) gerechtfertigt, wenn diese Aufwendun- gen oder Vorteile ausgleichen, die der Krankenhausträger zum Betrieb von Privatabteilungen und der Ausübung von wahlärztlichen Leistungen erbringt.

Über den Daumen gepeilt

>Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) verlangt einen 25-prozentigen Abschlag bei privatärztlichen sta- tionären Leistungen, soweit sie nicht pflegesatzfähige Kosten des Kranken- hauses ausgleicht, die für wahlärztliche Leistungen entstehen. Kirchhof bemän- gelt, dass das Abzugsvolumen in Höhe von 25 Prozent politisch bestimmt sei statt empirisch exakt ermittelt. Zudem sei der feste Einheitsabgabensatz ohne T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1616. April 2004 AA1075

Chefärzte

Konfiskatorische Abgaben

Verfassungsrechtler Kirchhof kritisiert Quersubventionierung der Krankenhäuser aus Privatliquidation.

*Ferdinand Kirchhof: Staatlich angeordnete Abzüge von privaten Liquidationen der Krankenhaus-Chefärzte, Tü- binger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht, Band 70, Berlin, Februar 2004, 134 Seiten

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weitere Differenzierung rechtlich frag- würdig.

>Nach § 24 Abs. 2 der Bundespfle- gesatzverordnung ist eine von den Krankenhausträgern geforderte Ko- stenerstattung gerechtfertigt, wenn und insoweit den Krankenhäusern aus wahlärztlichen Leistungen weitere, nicht bereits dem Patienten berechnete Kosten entstanden sind. Die Bundes- pflegesatzverordnung fordert eine Ko- stenerstattung in Höhe von 20 bis 40 Prozent des Privatarzthonorars. Lan- desgesetzlich geregelte Vorteilsaus- gleichsentgelte verlangen darüber hin- aus einen weiteren Abzug in ähnlicher Höhe. Außerdem sei häufig auf landes- gesetzlicher oder betriebsindividueller Grundlage eine Abgabe an den ärztli- chen Mitarbeiterpool fällig. Kostener- stattungsregelungen und Abgabever- pflichtungen mit einer realen Belastung in Höhe von 53,3 beziehungsweise 26,7 Prozent des tatsächlich berechneten Privatarzthonorars seien rechtlich be- denklich, weil in erster Linie fiskalisch.

Die Anwendung von lediglich zwei Ab- gabetarifen – trotz unterschiedlich ho- her Betriebskosten in einzelnen Fach- abteilungen – sei grundgesetzwidrig.

Im Übrigen müsse es auch Begrenzun- gen bei der obligatorischen Mitarbei- terbeteiligung geben. Poolabgaben sei- en nur rechtlich zulässig, soweit sie obligatorische Tätigkeiten von Mitar- beitern vergüten, die nicht bereits vom Krankenhaus entgolten und als Ko- sten dem Chefarzt berechnet werden (Verbot der Doppelbelastung). Zudem müsse der Pool konsequent die Abzüge der Chefärzte entsprechend dem Um- fang der Mitwirkung von nachgeordne- ten Ärzten an wahlärztlichen Behand- lungen festlegen.

In der Krankenhausrealität werde oftmals gegen die Vorschrift, die be- rechneten Verwaltungskosten und Ver- sicherungsprämien richtig zu dimen- sionieren, verstoßen. In den überprüf- ten Chefarztverträgen waren die hier- auf entfallenden Abgaben und Umla- gen oftmals nicht realitäts- und markt- gerecht. Zudem dürften Abgaben für ärztliche Abwesenheitsvertreter nur im Umfang von deren Einsatz für die wahlärztliche Leistungserbrin- gung durch den Klinikträger gefordert werden. Dr. rer. pol. Harald Clade

T H E M E N D E R Z E I T

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A1076 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1616. April 2004

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ie „Ärztliche Stelle“ bei der Lan- desärztekammer Baden-Württem- berg überprüft regelmäßig alle Röntgeneinrichtungen. Sie wurde als bundesweit erste Institution vom TÜV zertifiziert. Seit 15 Jahren werden sämtli- che Röntgengeräte in Baden-Württem- berg – einschließlich Mammographie- und Computertomographie-Einrichtun- gen – durch die „Ärztliche Stelle“ nach der Röntgenverordnung bei der Lan- desärztekammer Baden-Württemberg (Stuttgart) alle zwei Jahre überprüft.

Landesweit werden derzeit rund 2 200

Betreiber von Röntgeneinrichtungen mit rund 4 600 Strahlern erfasst.

Jeder Betreiber einer Röntgenein- richtung wird von der Landesärztekam- mer innerhalb des Prüfintervalls aufge- fordert, bestimmte Röntgenaufnahmen von Patienten und Unterlagen der Qua- litätssicherung bei der „Ärztlichen Stel- le“ einzureichen. Dabei handelt es sich einerseits um Patientenbilder von Kin- dern und Erwachsenen, die unter ande- rem der Untersuchung der Bildqualität, dem Schutz der Fortpflanzungsorgane sowie der Untersuchungs- und Einstel- lungstechnik dienen. Andererseits wer-

den auch Aufnahmen von bestimmten Prüfkörpern angefordert, mit denen zum Beispiel die korrekte Eichung der Geräte nachgewiesen wird. Diese Qua- litätssicherungsmaßnahmen zählen im Rahmen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu den Aufgaben der Lan- desärztekammer. Fachexperten und Medizinphysiker bei der Ärztekammer begutachten anhand des eingereichten Bildmaterials die Gerätetechnik und Bildqualität. Aufgrund dieser Analysen lassen sich auch Aussagen über die Indi- kation sowie die Einhaltung von Strah- lenschutzbestimmungen treffen.

Nach jetzt veröffentlichten Ergebnis- sen kann den Patienten in Baden-Würt- temberg versichert werden, dass die Gerätetechnik und die Röntgenaufnah- men höchstem Standard entsprechen.

Die Röntgenuntersuchungen werden da- her als „sehr sicher“ eingestuft. Um das hohe Überprüfungsniveau auch künftig halten zu können, hat sich die „Ärztliche Stelle“ als bundesweit erste Einrichtung dieser Art selbst einer externen Zerti- fizierung gestellt, die durch TÜV-Auditoren erfolgte. Das TÜV-Siegel für das Quali- tätsmanagement wurde über vier Etappen erworben: Im er- sten Schritt sichtete ein TÜV- Experte in der „Ärztlichen Stelle“ alle Unterlagen,die An- gaben zu Verantwortlichkei- ten, Verfahren und Abläufen enthalten. Dann beurteilte er, ob die beschriebenen Abläu- fe im Arbeitsalltag umgesetzt werden. Nachdem die „theore- tische und praktische Prüfung“

bestanden wurde, wurde das TÜV-Siegel für Qualitätsma- nagement an die „Ärztliche Stelle“ ver- geben. Im vierten Schritt werden TÜV- Mitarbeiter das Qualitätsmanagement- System jährlich erneut unter die Lupe nehmen. Nach Überzeugung der Kam- mer führt das TÜV-Siegel für die „Ärztli- che Stelle“ zu mehr Akzeptanz bei den Betreibern von Röntgeneinrichtungen, und es erhöht die Transparenz der Über- prüfungen. Darüber hinaus kommt dies auch den Patienten zugute. Denn die Prüfinstanz für Röntgeneinrichtungen und für die Arbeit mit den Geräten hat sich selbst erfolgreich auf den TÜV-Prüf- stand gestellt. Dr. med. Oliver Erens

Medizinische Geräte

Im Südwesten sehr sicher

„Ärztliche Stelle vom TÜV zertifiziert“

Röntgengeräte in Baden-Württemberg werden regel- mäßig überprüft.

Foto:Caro

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