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Archiv "Rehabilitation - auch bei Depressiven?" (18.04.1997)

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Der Beitrag von Herrn Profes- sor Tölle rekapituliert unter der Fra- gestellung des Rehabilitationsauf- trages eine Unterteilung von depres- siven Erkrankungen. Diese wird lei- der zugunsten einer Zusammenfas- sung differenzierbarer depressiver Erkrankungen unter der schwer- punktmäßigen Berücksichtigung von Dauer und Frequenz der Er- krankungsphasen verlassen.

Die von Prof. Tölle vorgestellte Systematik hat operationale Bedeu- tung, das heißt es ergibt sich eine Differentialtherapie bei Verwen- dung der Unterteilung von Tölle, die bei anderen Einteilungen anhand der Leitdiagnose nicht erkannt wer- den kann.

Verpflichtungen zur raschen Klassifizierung (beispielsweise In- ternational Classification of Disea- ses [ICD]) von Diagnosen erzwingen eine Verwässerung bewährter klini- scher Einteilungen zugunsten von Sammelbegriffen wie zum Beispiel

„depressive Episode unterschiedli- chen Schweregrades gegenwärtig anhaltend“.

Anders als bei Erkrankungen, die sich punktuell im Erstkontakt bei orientierender Untersuchung oder mit umschriebenem Organzu- sammenhang feststellen lassen, er- gibt sich die Diagnose einer De- pression erst nach Sichtung der im Verlauf präsentierten, oft als „kör- perlich“ beklagten Beschwerden.

Das Fortbildungsreferat von Herrn Tölle hat dadurch eine her- ausragende Bedeutung für die allge- meinmedizinische Praxis, weil es ei- ne nahezu durch Auflagen des Ge- setzgebers und Strömungen der in- ternationalen Syntax bedrohte be- währte klinische Verlaufseinteilung anhand des Behandlungsimperatives wieder ins Gedächtnis holt. Die Be- trachtungsweise „Was soll ich für meinen Patienten veranlassen“ ist

typisch für den allgemeinmedizini- schen, das heißt für den hausärztli- chen Alltag. Sie ist gleichzeitig ein Zugang, um vom Symptom zur Dia- gnose zu gelangen.

Dr. med. Martin P. Wedig Roonstraße 86

44628 Herne

Für den Artikel möchte ich Herrn Prof. Tölle danken und ihn durch eige- ne Erfahrungen mit der Rehabilitati- on depressiver Patienten ergänzen.

Patienten in einer schweren de- pressiven Episode benötigen weitge- hende Entlastung, körperliche, medi- kamentöse Behandlung, seelische Stützung und soziale Fürsorge, wie sie in der Regel nur in einer psychiatri- schen Klinik geleistet werden kann.

Im weiteren Verlauf bietet eine An- schluß-Heilbehandlung in einer Re- habilitations-Klinik dem depressiven Patienten eine Hilfe zur Integration in den Alltag.

Ziel der stationären Rehabilitati- on ist es, dem Patienten das dosierte Auftrainieren seiner körperlichen, seelischen und sozialen Fähigkeiten zu ermöglichen.

! Durch ein tägliches Ausdau- ertraining, zum Beispiel in einer Laufgruppe, wird sowohl die Kondi- tion als auch die Stimmungslage und das Selbstvertrauen gebessert. Das über den Tag verteilte Sportpro- gramm gewöhnt wieder an eine ganztägige Belastung und bessert das Schlaf-Wach-Verhalten.

! In Einzel- und Gruppenthe- rapien wird der alltägliche Umgang mit depressiven Anteilen trainiert.

Ziel ist die Steigerung der Selbstak- zeptanz an guten wie an schlechten Tagen.

! Die Reha-Klinik bietet Rück- zugsmöglichkeiten und die Möglich- keit, jederzeit mit geringer Eigen- initiative Kontakte zu knüpfen. Es wird die Fähigkeit trainiert, sich wohl- zufühlen im Kontakt mit anderen, aber auch allein mit sich selbst in gu- ter Gesellschaft zu sein. Damit wird das quälende Gefühl der Einsamkeit beseitigt.

Der Patient kann seine körperli- che, seelische und soziale Belastbar- keit austesten und Strategien zum Schutz vor Überlastung im häuslichen Bereich entwickeln. Dieses Pro- gramm ist nur im Rahmen einer sta- tionären Rehabilitation durchführ- bar. Aus diesem Grunde halte ich die Einrichtung von Anschluß-Heilbe- handlungen im psychiatrischen Be- reich für notwendig. Wir haben mit solchen AHB-Behandlungen depres- siver Patienten, die bisher von den Kassen in Einzelfällen bewilligt wur- den, seit Jahren gute Erfahrungen ge- macht.

Dr. med. Lothar Schuppert

Arzt für Neurologie und Psychiatrie/

Psychotherapie/Physikalische Therapie

Postfach 3000 24349 Damp

Mit großem Interesse las ich ihren Beitrag zur Rehabilitation depressiver Patienten im Deutschen Ärzteblatt. In dem Abschnitt „Erschwerende Um- weltbedingungen“ steht: „Diese Bemühungen sind (auch in der härter gewordenen Arbeitswelt) durchaus er- folgversprechend; denn ,Depression‘

ist inzwischen nicht mehr ein tabuisier- A-1072

M E D I Z I N

(56) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997

DISKUSSION

Rehabilitation –

auch bei Depressiven?

Rehabilitationsauftrag rekapituliert

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. Rainer Tölle in Heft 41/1996

Ergänzung durch eigene Erfahrungen

Depressiver Kollege

stigmatisiert

(2)

A-1073

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997 (57) ter oder pejorativer Begriff, sondern

nicht selten geeignet, Verständnis und auch Geduld zugunsten des Kranken aufkommen zu lassen.“

Leider kann ich dies aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Nachdem ich mich in diesem Jahr wegen einer schweren reaktiven Depression län- gere Zeit in stationärer Behandlung befunden hatte, wurde mir das „Her- ausgeraten“ aus der Depression in meinem Arbeitsumfeld nicht leicht gemacht. Von Oberärzten miß- trauisch beobachtet, von Kollegen ge- mieden, unverstanden in der Er- schöpfung nach allzu früh und zu häu- fig zu leistenden Nachtdiensten, abge- stempelt als „nicht mehr belastbar“ – das sind nur einige Beispiele dafür, daß die Depression unter Ärzten (!) aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht mit Geduld und Verständnis aufgenommen wird. Die Depression ist und bleibt für den Betroffenen lei- der ein Stigma, insbesondere, wenn er als Arzt tätig ist.

Name und Anschrift des Verfas- sers sind der Medizinisch-Wissen- schaftlichen Redaktion bekannt.

Dr. Wedig spricht die aktuelle Klassifikation depressiver Störun- gen an und bestätigt meine Auffas- sung, daß für die Therapie- und Re- habilitations-Indikationen im einzel- nen eine sorgfältige Differentialdia- gnose beziehungsweise Differential- typologie der Depressionen ange- bracht ist. Dr. Wedig ist auch darin zuzustimmen, daß eine Überbeto- nung der Klassifikation (die ja un- vermeidlich reduktionistisch ist) für die klinische Psychiatrie zum Pro- blem werden kann. Dennoch: Klassi- fikation, auch und gerade in Form der ICD, hat durchaus ihre Bedeu- tung, nämlich für die Diagnosensta- tistik von Institutionen, für Versor- gungsplanungen, zur Charakterisie- rung wissenschaftlicher Stichproben und zur internationalen Verständi- gung.

Dr. Schuppert weist auf Sport- programme, beispielsweise Lauf- gruppen für die Rehabilitation Depressiver hin – eine wichtige Er-

gänzung unseres Beitrages. Schwieri- ger ist die Frage nach Anschlußheil- behandlungen zu beantworten, die Dr. Schuppert in seinem Brief wie- derholt empfiehlt. Solche An- schlußheilbehandlungen sind nach unseren Erfahrungen in der Rehabili- tation Depressiver sehr selten indi- ziert (zum Beispiel bei den beschrie- benen anhaltenden Depressionen nach Unfällen), im allgemeinen aber nicht notwendig, meist sogar ausge- sprochen unangebracht, da es auf die Rehabilitation im sozialen Feld an- kommt.

Die Zuschrift des depressiven Kollegen, der verständlicherweise anonym bleiben möchte, gibt zu den- ken: ist es gerade im ärztlichen Be- reich so schwer, einen depressiven Kollegen wieder zum Zuge kommen zu lassen?

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Rainer Tölle

Klinik für Psychiatrie der Universität Münster

Albert-Schweitzer-Straße 11 48149 Münster

DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT

Schlußwort

Zwei kürzlich im American Jour- nal of Medicine publizierte Arbeiten stellen nochmals das chronische Mü- digkeitssyndrom (chronic fatigue syn- drome, CFS) als eigenständige Entität heraus. Das CFS ist durch eine meist akut beginnende, über mehr als sechs Monate anhaltende ausgeprägte Schwächeperiode gekennzeichnet, die sich durch Erholungsphasen nicht bes- sern läßt und den Betroffenen in seinen Aktivitäten deutlich limitiert. Zusätz- lich treten unspezifische Symptome wie Konzentrations- und Gedächtnis- störungen, Halsschmerzen, empfindli- che Hals- und Achsellymphknoten, Myalgien, Athralgien, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Krankheitsgefühl nach Anstrengung auf.

Die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt, wegen der häufigen Asso- ziation mit depressiven Symptomen wird neben einer organischen Ursache (zum Beispiel chronischer Virusinfekt) auch ein primär psychiatrisches Ge- schehen diskutiert.

Die Arbeitsgruppen aus Boston und Seattle setzten bei insgesamt 400 Patienten mit CFS neben einer körperlich-psychiatrischen Untersu- chung einen aus 36 verschiedenen Fra- gen bestehenden Test (SF-36) ein, der den funktionellen Status, das Wohlbe- finden und die Lebensqualität der Pati- enten erfaßt. Als Kontrollgruppen dienten neben gesunden Probanden auch Patienten mit organischen Er- krankungen wie Mononukleose, arteri- eller Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II sowie Patienten mit neurolo- gisch-psychiatrischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose und endogener Depression.

Der Test in Kombination mit der klinischen Untersuchung eignete sich sehr gut in der Beurteilung von Patien- ten mit CFS. Überraschenderweise zeigte sich, daß alle Patienten mit CFS in der Gesamtbewertung gegenüber den anderweitig Erkrankten und den Gesunden signifikant schlechter ab- schnitten. Gegenüber den Patienten

mit endogenen Depressionen ließen sie sich durch ausgeprägtere Störungen in der Aktivität, des körperlichen Wohl- befindens und durch die somatischen Symptome abgrenzen; nur in bezug auf die Selbsteinschätzung der psychischen Gesundheit und der emotionalen Fähigkeit rangierten sie vor den de- pressiven Patienten.

Die Autoren beider Studien hal- ten eine Abgrenzung gegenüber Pati- enten mit endogener Depression mit dem aufgezeigten Testverfahren für

möglich. acc

Komaroff AL et al.: Health status in pa- tients with Chronic Fatigue Syndrome and in general population and disease comparison groups. Am J Med 1996; 101:

281–290.

AL Komaroff MD, Div. of General Me- dicine and Primary Care, Dep. of Medici- ne, Brigham and Women’s Hospital, 75 Francis St., Boston, MA 02115, USA.

Buchwald D et al.: Functional status in patients with Chronic Fatigue Syndrome, other fatiguing illnesses, and healthy in- dividuals. Am J Med 1996; 101: 364–370.

Dedra Buchwald MD, Harborview Medi- cal Center, 325 9th Avenue, Box 359780, Seattle, Wash. 98104, USA.

Mehr über das chronische Müdigkeitssyndrom

Referenzen

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