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Archiv "Ist „Rehabilitation“ gleich Rehabilitation?" (28.02.1991)

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Ist „Rehabilitation" gleich Rehabilitation?

Das Wort „Rehabilitation" ist seit Mitte der fünfziger Jahre bei uns populär geworden und wird zuneh- mend häufig benützt. Der Kontext läßt häufig erkennen, daß das Wort nicht in Kongruenz zu dem Begriff gebraucht wird, wie er schon vor mehr als 150 Jahren in unserem Land definiert wurde.

Nicht sprechen will ich von der mißbräuchlichen Verwendung des Wortes, die — nach Zusammenhang — die Annahme nahelegt, man halte es für einen Schlüssel zur Kasse mögli- cher Kostenträger.

Nötig: Klare Organisation

Es ist also immer noch notwen- dig, Charakteristika des Begriffinhal- tes erneut darzustellen, damit klare Abgrenzungen zwischen richtigem, falschem und mißbräuchlichem Ge- brauch des Wortes erhalten bleiben:

Rehabilitation ist die Antwort darauf, daß in vielen Krankheits- und Verletzungsfällen nur eine De- fektheilung möglich ist, die den Ver- lust der bisherigen sozialen Einord- nung bedingen kann. Die medizini- sche und insbesondere klinische Be- handlung wird dadurch zur Rehabili- tation erweitert, daß dieser Tatbe- stand als Symptom behandelt wird, gleichrangig den medizinischen Sym- ptomen, und daß er diesen gleich- wertig in die Behandlung einbezogen wird.

Ist die medizinische Behandlung mit der Defektheilung abgeschlos- sen, so ist es die Rehabilitation erst dann, wenn die Wiedereingliederung erfolgt ist.

Daraus ergeben sich klare Fol- gerungen. Einige davon, die prakti- sche Auswirkungen haben, werden schlaglichtartig beleuchtet, weil eine Klassifizierung der Verwendung des Wortes „Rehabilitation" erleichtert werden kann, wenn man sie bedenkt.

Die Orientierung im Ablauf der Rehabilitation wird durch eine klare Organisation erleichtert, denn die Entität entsteht aus sachlich, zeitlich und örtlich optimal koordinierter Bearbeitung zahlreicher Teilaspekte:

medizinisch im Rahmen interdiszi- plinären Zusammenwirkens, insge- samt unter Mitwirkung mehrerer Fa- kultäten (Medizin, Verwaltungs- und Versicherungsrecht, Volks- bzw. Be- triebswirtschaft).

Zudem überlappen die Abläufe zeitlich den Abschnitt der klinischen Behandlung oft erheblich.

Die Einheit des Rehabilitations- ablaufes kann auf zweierlei Art an- gestrebt werden:

a) durch Weitergabe der Füh- rung entsprechend der Behandlung der Teilaspekte an eine jeweils „fe- derführende Institution" in der Art einer Stafette, die (nicht selten)

„Übergabeschwierigkeiten" oder

„Versanden" zeigt.

b) Die Führung bleibt für den ganzen Verlauf bei der erstbehan- delnden Rehabilitationsklinik (die erst dadurch zu einer solchen wird).

Die Aufgabe wird durch interdiszi- plinäre bzw. fakultäre Delegation der Behandlung der Teilaspekte ge- löst bei Erhalt der einheitlichen Füh- rung bis zum Abschluß der Rehabili- tation.

Während a) heute in der Häufig- keit überwiegt, ist b) die Lösung, die logischer ist und eine Instanz zur Verfügung stellt, die jederzeit über den jeweiligen Gesamtstand orien- tiert ist. In jedem Fall soll am Ende des klinischen Behandlungsabschnit- tes ein Reha-Gutachten stehen, das enthält:

1. den physo-psychischen De- fektheilungsstatus mit Beschreibung der (geprüften!)

a) Belastungsfähigkeit,

b) Leistungsfähigkeit (unter an- derem zur Selbständigkeit),

c) den Stand von Substitutions- bzw. Adaptierungsmittel-Versor- gung,

d) der sozialen Lage und des so- zialen Umfeldes.

2. Das Rehabilitationsziel muß angegeben sein: Dabei sind nach den Möglichkeiten des Falles folgende Stufen Planungsziele (ausgehend von der schlechtesten Möglichkeit, daß der Patient nur in klinischer Be- treuung existenzfähig bleibt, zum Beispiel beim apallischen Syndrom).

Es ist zu sagen, ob ohne Gefähr- dung möglich wird:

a) Überführung in ein Pflege- heim,

b) Pflege innerhalb der Familie, ohne deren Struktur zu zerstören,

c) Selbständiges Leben in Wohnheim oder -Gemeinschaft,

d) b + c mit einhalbschichtiger Beschäftigung in einer beschützen- den Werkstätte oder ähnlicher Ein- richtung,

e) b + c mit vollschichtiger Be- schäftigung in einer Werkstätte für Behinderte oder ähnlicher Einrich- tung.

Für b und c wäre auch internats- mäßige Unterbringung zu erwägen.

f) b oder c mit einhalbschichti- ger Beschäftigung an einem adap- tierten Arbeitsplatz des allgemeinen Arb&tsmarktes.

g) b oder c mit vollschichtiger Beschäftigung an einem adaptierten Arbeitsplatz des allgemeinen Ar- beitsmarktes.

3. den Wiedereingliederungs- plan, wie er in der Gruppenberatung festgelegt wurde, mit

a) Kostenübernahme-Erklärun- gen für die zu delegierenden Maß- nahmen und Versorgungen für den vorgesehenen weiteren Verlauf. Die- se sollten zweckmäßig auch die Per- son, die in jeder Institution für die Abwicklung zuständig ist, mit Na- men nennen — gegebenenfalls sollen auch Termine und Ort der Durch- führung (zum Beispiel Umschulung) angegeben werden.

„Reha"-Arzt?

b) für den Fall weiterer Füh- rung durch eine Reha-Klinik:

Die Verpflichtung der Teilbear- beiter zu Meldungen über den Stand der jeweiligen Maßnahme zu Quar- talsbeginn, erstmals ab zweitem Ver- laufsquartal der jeweiligen Maßnah- me. Gegebenenfalls wäre ein Ab- schlußbericht für die Teilnahme zu erstellen, der die jeweils relevanten Daten des Ereignisses enthält. Kor- rekturen des weiteren Ablaufs kön- nen dann aufgrund dieser Meldun- gen unter Bekanntgabe an alle Betei- ligten verabredet werden.

Nach Abschluß der Rehabilitati- on, ein Vierteljahr nach erfolgter

A-648 (38) Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991

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Welche Erkrankungen wurden bei Ihnen mit welchem Erfolg behandelt?

1111 Häufigkeit % Therapieerfolg %

Kopfschmerz/Migräne Nikotinabusus Rücken-Beinschmerz Adipositas Allergie HWS-Syndrom

1 1 1 1 1 1 1 1

0 10 20

30 40 50 60 70 80

Wiedereingliederung ist dann von der Reha-Klinik das Rehabilitations- Abschlußgutachten zu erstatten, das außer dem Termin für die nächste Nachuntersuchung gegebenenfalls auch den Termin für eine erste Er- haltungsbehandlung angibt.

Dies sind maßgebliche Gesichts- punkte, unter denen eine Behand- lung als Rehabilitation bezeichnet werden kann. Als Nebenergebnis

zeigen diese Überlegungen, wie not- wendig die Schaffung und Anerken- nung des „Rehabilitationsarztes"

sind: Die Patienten genießen da- durch den Schutz, daß sie nur einem Fachmann mit großer Erfahrung in interdisziplinärer und -fakultärer Koordination und damit einer geeig- neten Integrationspersönlichkeit an- vertraut werden. Der Arzt erhält da- mit einen Schutz des Wertes, den der

Erwerb langjähriger breitgefächerter Erfahrung darstellt. Es ist heute schwieriger, eine Integrationspersön- lichkeit zu finden als „Spezialisten".

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Karl-Ludwig Lemberg Nervenarzt

Hübschstraße 20 8580 Bayreuth

Akupunktur und öffentliche Meinung

90 Prozent aller schmerztherapeu- tischen Einrichtungen in Deutsch- land wenden die Akupunktur als zusätzliches Verfahren an. Eine epidemiologische Untersuchung der Orthopädischen Klinik der Universität Düsseldorf (Dr. med.

Albrecht Molsberger, Dirk Her- mes) ist jetzt der Frage nachge- gangen, inwieweit bei Patienten

D

ie Stichprobe war hinsichtlich der Auswahlkriterien, der Ge- schlechts- und Altersverteilung als repräsentativ anzusehen. Eine Vor- auswahl von Patienten, die der Aku- punktur von vornherein positiv ge- genüberstehen, konnte vermieden werden: Als Erhebungsorte wurden ausschließlich Praxen und Kranken- hausambulanzen ausgewählt, die das Verfahren der Akupunktur nicht praktizierten.

Die Untersuchung zeigt, daß bei Patienten ein großes Interesse an Akupunktur besteht. Aus den ge- wonnenen Daten ergeben sich fol- gende Kernaussagen:

Interesse: Gut ein Drittel aller befragten Patienten (39,3 Prozent) hat sich schon einmal mit Akupunk- tur beschäftigt.

Motivation: 70,4 Prozent aller Patienten würden sich mit Akupunk- tur behandeln lassen — auch wenn ei- ne längere Therapiedauer von bis zu 36 Sitzungen erforderlich wäre. Da- bei sehen nur 6,3 Prozent der befrag- ten Patienten einen Hinderungs- grund in der fehlenden Kostenerstat- tung durch Versicherungsträger für die Akupunkturtherapie.

Interesse oder Bedarf an der Aku- punktur besteht. Zwischen Mai 1989 und August 1990 wurden in drei Krankenhäusern und sechs Praxen niedergelassener Ärzte 1100 Erhebungsbögen ausgege- ben. 987 Fragebögen, von den Pa- tienten anonym und freiwillig aus- gefüllt, konnten über EDV ausge- wertet werden.

Information: Nur 30 Prozent der Patienten kennen einen Arzt, der Akupunktur anwendet. 43,7 Prozent fühlen sich nicht ausreichend über die Möglichkeiten der Akupunktur informiert. 73,1 Prozent der Patien- ten glauben, daß die Möglichkeiten der Akupunktur noch nicht ausrei- chend genutzt werden. Die Haltung zur Akupunktur ist kaum dogmatisch eingefärbt. Nur 2,7 Prozent halten den Einsatz der Akupunktur pau-

schal für sinnlos. Nur 5,6 Prozent würden sich „auf keinen Fall" und nur 16,8 Prozent würden sich „auf je- den Fall" mit Akupunktur behan- deln lassen.

Erfolgreich bei Kopfschmerz

Am häufigsten wird die Aku- punktur angewandt bei Kopfschmerz (26,1 Prozent), Nikotinabusus (15,6 Prozent), Rücken-Beinschmerzen (12,1 Prozent) und zur Gewichtsre- duktion (10,9 Prozent). Erfolgreich behandelt fühlen sich bei Kopf- schmerz 77,6 Prozent, bei Nikotin- abusus 76,7 Prozent, bei Rücken- Beinschmerzen 75 Prozent und bei Gewichtsreduktion 42,9 Prozent der therapierten Patienten.

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Albrecht Molsberger Dirk Hermes

Kasernenstr. lb W-4000 Düsseldorf 1

Die Abbildung zeigt die am häufigsten mit Akupunktur behandelten Krankheitsbilder (schwarz) und den Anteil der Patienten, die sich erfolgreich behandelt fühlten (schraffiert) Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991 (41) A-651

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