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Archiv "Arzneimittel: Was alles den anhaltenden Ausgabenanstieg bewirkt .. ." (28.10.1983)

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DEUTSCHES ZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Arzneimittel:

Was alles den anhaltenden Ausgabenanstieg bewirkt .. .

Aus den vielfältigen Informationen, die an der Monatswende Septem- ber/Oktober ein Seminar der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung den gesundheits- und sozialpoliti- schen Redakteuren oder Korre- spondenten führender Tageszeitun- gen und des Rundfunks vermittelte, hob die Berichterstattung vor allem die Fragen der kassenärztlichen Vorbereitungszeit und der Neurege- lung des Medizinstudiums (siehe auch das DA-Interview mit Dr. Mu- schallik in Heft 41) sowie die pro- blematische Entwicklung der Aus- gaben der gesetzlichen Kranken- kassen für Arzneimittel hervor. Mit letzterem Thema befaßte sich bei dem Presseseminar vor allem der Hauptgeschäftsführer der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.

med. Eckart Fiedler, in einem weit- gespannten Übersichtsreferat, das nebenstehend und auf den nachfol- genden Seiten redaktionell zusam- mengefaßt wird.

Der Arzneimittelausgaben-Zuwachs bei den gesetzlichen Kran- kenkassen in den ersten acht Monaten dieses Jahres entspricht genau dem Preisanstieg. Aber nicht allein die Preisbildung der pharmazeutischen Industrie bestimmt die Ausgabenentwick- lung; vielmehr wirken auch andere Faktoren in komplizierter Weise auf die „Gleichung" ein.

Im zweiten Quartal 1983 dämpfte, zum Beispiel, die ab 1. April gesetzlich eingeführte „Negativliste" den Kostenanstieg. Dane- ben: Die Zahl der Kassenrezepte wird insgesamt immer geringer und auch die Zahl der Verordnungen je Rezept. Dennoch wei- terer Kostenanstieg? Hier kommt die sogenannte Strukturkom- ponente ins Spiel, vor allem auch deren demographische Seite:

weit überproportionale Steigerungen der Arzneimittelausgaben für Rentner gegenüber den Allgemeinversicherten (wesentlich mehr Behandlungsfälle, sehr viel mehr Rezepte und darauf viel mehr Verordnungen; dazu gerade bei der Rentner-Versicherung ein besonderes — überwiegend durch teurere Arzneimittel be- stimmtes — Präparatespektrum, und: im Bereich dieser Mittel sind die Preise besonders stark gestiegen). Bei der Beleuchtung des medizinischen Hintergrunds zeigt sich in Auswirkung des Arzneimittelgesetzes von 1976 auch eine Bevorzugung der seit- her unter strengeren Auflagen zugelassenen Neupräparate.

Aber auch wachsende Einflüsse spezieller Werbemaßnahmen der pharmazeutischen Industrie auf die Arzneimittelausgaben- Entwicklung sollen nicht verschwiegen werden: Zunehmende kassenärztliche Klagen gelten beispielsweise dem Überhand- nehmen der Besuche von Pharmareferenten. Dem könne der Arzt zwar — worauf ein Journalist beim KBV-Presseseminar hin- wies — mit seinem Hausrecht begegnen. Gewiß ließe sich aber das Problem durch Gesamtregelungen für alle Beteiligten bes- ser lösen als — bei vermehrten Schwierigkeiten — zwischen den einzelnen Ärzten und Pharmabesuchern.

Zusammen mit Ausführungen des stellvertretenden KBV-Vorsit- zenden, Sanitätsrat Dr. Josef Schmitz-Formes, erhellte das Refe- rat von Dr. Eckart Fiedler auf faszinierende Weise Detail für De- tail die komplizierten Zusammenhänge der Ausgabenentwick- lung. Bitte lesen Sie die Einzelheiten auf den nächsten Seiten.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 43 vom 28. Oktober 1983 19

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung Arzneimittelausgaben

D

ie Ausgaben der Gesetzli- chen Krankenkassen für Arzneimittel entwickelten sich in den ersten beiden Quarta- len dieses Jahres ungewöhnlich sprunghaft. Im ersten Vierteljahr gab es eine Zuwachsrate von 8,4 v. H.; bei den Rentnern kam man sogar auf 11,1 v. H. Im zweiten Vierteljahr sank die Zuwachsrate auf 3,7 v. H. ab. Bei den Allge- meinversicherten war sogar ein leichter Rückgang zu verzeich- nen. Alles in allem schloß das er- ste Halbjahr mit einem Ausgaben- zuwachs von 6,0 v. H.

Es liegt nahe, diesen Abfall der Zuwachsrate als Auswirkung der

"Negativliste" zu sehen, die am 1.

April 1983 in Kraft getreten war.

Durch den neuen § 182 f RVO wurden Arzneimittel, die vorwie- gend bei "Bagatellerkrankungen"

verordnet werden, aus der Erstat- tungspflicht der Krankenkassen herausgenommen. Wie hat sich diese Bestimmung ausgewirkt?

"Erdrutsch"

bei Grippemitteln

ln den ersten drei Monaten der Geltung des neugefaßten § 182 f RVO ist der Anteil der Grippemit- tel am gesamten Arzneimittel- markt von 0,4 v. H. auf 0,1 v. H. zu- rückgegangen, also um 75 v. H.

Ebenso stark war der Rückgang bei den Laxantien (von 0,8 auf 0,2 v. H.). Bei den Mund- und Rachen- therapeutika belief sich der Rück- gang auf 55 v. H.; ihr Anteil schrumpfte von 0,9 auf 0,4 v. H. Ei- nigermaßen überraschend war die Tatsache, daß es bei den Schnupfenmitteln überhaupt kei- ne Veränderung gegeben hat. Sie blieben auf ihrem Marktanteil von 1,2 v. H., während bei den Husten- mitteln 28 v. H. weniger umge- setzt wurden. Insgesamt ist der Umsatz von Mitteln dieser Indika- tionsgruppen von 6,9 v. H. auf 4,5 v. H. zurückgegangen.

Überträgt man diesen Rückgang um 2,4 v. H. auf das Ausgabenvo- lumen für Arzneimittel von 3,625

Milliarden DM in diesem Zeitab- schnitt, kommt man auf 87 Millio- nen. Auf das Jahr hochgerechnet würde man also den vom Gesetz- geber angenommenen Einspa- rungseffekt von rund 350 Millio- nen DM erreichen. Eine solche rein rechnerische Schlußfolge- rung ist mit Sicherheit zu optimi- stisch, weil sie einige wesentliche Tatbestände vernachlässigt:

..., Die Morbiditätsverläufe der einzelnen Quartale sind nicht Jahr für Jahr identisch. Die saisonbe- dingten Einflüsse auf das Krank- heitsspektrum können sehr unter- schiedlich sein.

..., Man darf annehmen, daß viele Versicherte sich im ersten Viertel- jahr Vorräte an solchen Arzneimit- teln angelegt haben, von denen sie annahmen, daß die Kranken- kassen sie ab 1. April nicht mehr bezahlen würden. Dies~ Bevorra- tung, die den Verbrauch im 2.

Quartal gemindert haben kann, wird sich in den kommenden Quartalen nicht mehr auswirken.

.... Der Umsatzrückgang bei den Grippemitteln kann teilweise dar- auf zurückzuführen sein, daß die Ärzte von den bisher verordneten Kombinationspräparaten auf Mo- nosubstanzen, zum Beispiel Anal- getika, übergegangen sind, die in der Roten Liste nicht als spezifi- sche Grippemittel geführt wer- den. Das heißt, ein Teil der Ausga- ben ist einfach auf andere Me- dikamente umgeschichtet wor- den.

Zudem kann von echten Einspa- rungen auch sonst nicht die Rede sein, da die Kosten lediglich von den Krankenkassen auf die Versi- cherten verlagert worden sind.

Addiert man die vermeintlich ein- gesparten 2,4 v. H. zur Ausgaben- zuwachsquotevon 3,7 v. H. für das zweite Quartal, kommt man auf ei- nen Ausgabenzuwachs von 6,1 v. H. Der "Abschwung" im Ver- gleich zum ersten Quartal ist also keineswegs so eindrucksvoll, wie er zunächst erscheinen könnte.

Preise

stiegen um 6 v. H.

ln den ersten acht Monaten dieses Jahres sind die Arzneimittelprei- se, verglichen mit den ersten acht Monaten des Jahres 1982, um 6 v. H. gestiegen. Der Preisanstieg entspricht prozentual genau dem Zuwachs an Ausgaben der Kran- kenkassen für Arzneimittel. Man könnte also annehmen, an der Verordnungsweise der Kassen- ärzte habe sich weder mengen- mäßig noch strukturell etwas ge- ändert. Doch diese so naheliegen- de Schlußfolgerung ist irrig. Im ersten Halbjahr 1983 ist die Zahl der Rezepte um 4,2 v. H. ge- genüber dem ersten Halbjahr 1982 zurückgegangen, und zwar bei der Allgemeinen Versicherung um 6,9, bei den Rentnern um 0,9 v. H. Gleichzeitig verringerte sich aber auch die Zahl der verordne- ten Arzneimittelpackungen pro Rezept um 2,2 v. H. Bei den Allge- meinversicherten ging die Zahl der verordneten Packungen im zweiten Quartal 1983 sogar um 18,7 v. H. zurück. Insgesamt belief sich der Rückgang an verordne- ten Arzneimittelpackungen auf 6,4 v. H.

Das ist im übrigen keine Erschei- nung, die ausschließlich im Zu- sammenhang mit der Einführung der "Negativliste" zu sehen ist.

Ein Vergleich mit den Jahren 1979 bis 1982 weist einen ständigen Rückgang der Zahl der verordne- ten Arzneimittelpackungen je Krankenkassenmitglied aus:

1979 - 5,0 V. H.

1980 - 4,0 V. H.

1981 - 3,3 v. H.

1982 - 6,5 V. H.

Diese Aufstellung berücksichtigt zwar nicht die Packungsgröße der einzelnen Arzneimittel; da aber nicht davon auszugehen ist, daß die Kassenärzte ihren Patienten nur noch Groß- und Anstaltspak- kungen verschrieben haben, hätte bei den Ausgaben für Arzneimittel die Bewegung deutlich rückläufig 20 Heft 43 vom 28. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(3)

Darstellung 1: Die Zuwachsraten der Ausgaben für Arzneimit- tel 1971 bis 1982 (im Vergleich zum Vorjahr)

Zuwachs- raten

14 - 1 2 - 1 0 -

RENTNER - VERSICHERTE

8- 6-

4 - 2 -

1971 1 1972 1 1973 1 1974 1 1975 1 1976 1 1977 1 1978 1 1979 1 1980 1 1981 11982 11,8AL.,1 1983 Jahr Quelle: Einnahren/Ausgaben der GKV, Jahresabrechnung (KJ 1)

Arzneimittelausgaben

sein müssen. Das ist aber nicht der Fall gewesen. In Wirklichkeit sind die Ausgaben der Kassen für Arzneimittel in all diesen Jahren gestiegen, mit Ausnahme von 1982 sogar über den Durchschnitt der allgemeinen Kostensteige- rung hinaus:

1980 + 8,7 v. H.

1981 + 7,7 v. H.

1982 + 0,4 v. H.

1983 (1. Halbjahr) + 6,0 v. H.

Wo sind die Gründe für den Anstieg der Arzneimittel- ausgaben zu suchen?

Die Strukturkomponente Mit gestiegenen Arzneimittelprei- sen allein wäre dieser Kostenan- stieg bei den Kassen nicht zu er- klären. Der Preisanstieg lag näm- lich in all diesen Jahren — mit Aus- nahme von 1982, wie schon ge- sagt — immer unterhalb des Aus- gabenanstiegs, und das bei stän- dig geringer werdender Zahl von Rezepten und von Verordnungen je Rezept. Wir kommen der Pro- blematik nur näher unter Berück- sichtigung der Strukturkompo- nente.

Vermindert man den Prozentsatz des Ausgabenanstiegs (6 v. H.) um den der Preisentwicklung (5,7 v. H. im ersten Halbjahr 1983) und addiert das Ergebnis mit der Ent- wicklung der Zahl der Verordnun- gen (6,4 v. H.), erhält man die so- genannte Strukturkomponente.

Sie beläuft sich für das erste Halb- jahr 1983 auf 6 5,7 + 6,4 = 6,7 v. H. Für das erste Halbjahr 1982 ist sie vom Wissenschaftlichen In- stitut der Ortskrankenkassen mit + 5,5 v. H. errechnet worden.

Sehen wir uns die demographi- sche Seite dieser Strukturkompo- nente an, so zeigt sich das deut- liche Ausgabenübergewicht in der Krankenversicherung der Rentner. Die Gesetzliche Kran- kenversicherung gab 1982 für Arz- neimittel 13,759 Milliarden DM

aus. Davon entfielen 7,186 Milliar- den DM auf die Arzneimittelver- sorgung der Rentner. Das bedeu- tet, daß 52,2 v. H. der Ausgaben auf 21,6 v. H. aller Mitglieder ent- fielen. Pro Kopf umgerechnet sind das 258,68 DM in der Allgemeinen Versicherung, aber 690,85 DM in der Rentner-Krankenversiche- rung. Aufgrund altersbedingter Multimorbidität gibt es darüber hinaus je Rentner 31 v. H. mehr Behandlungsfälle als in der Allge- meinen Versicherung. Jeder Be- handlungsfall löst 85 v. H. mehr Rezepte aus, auf denen wiederum 21 v. H. mehr Arzneimittel verord- net sind.

Das spiegelt sich in einem graphi- schen Überblick über die Zu- wachsraten der Ausgaben für Arz- neimittel in den Jahren 1971 bis 1982, jeweils im Vergleich zum Vorjahr (Darstellung 1). Daraus wird ersichtlich, daß der Ausga- benzuwachs in der Krankenversi- cherung der Rentner immer über dem in der Allgemeinen Versiche- rung gelegen hat. Die Ausnahme in der Zeit 1977/78 wurde durch das KVKG verursacht, nach dem die Rentner ab 1. Juli 1977 eine Rezeptblattgebühr von 1 DM zu zahlen hatten, was die Kranken- kassen vorübergehend entlastete.

Aber schon 1979 stieg die Kosten- kurve in der Rentnerversicherung wieder steil an, und im ersten Halbjahr 1983 klafft die Ausgaben-

schere zwischen den Arzneimit- telausgaben der beiden Versi- chertengruppen besonders weit auseinander.

Ein anderes

Präparatespektrum

Die hohen Ausgaben für die Arz- neimittel in der Krankenversiche- rung der Rentner sind nicht nur mengenmäßig, sondern auch durch das veränderte Präparate- spektrum bedingt, das in der Hauptsache teurere Mittel umfaßt (Darstellung 2). So ist der Anteil des Verbrauchs an durchblu- tungsfördernden Mitteln, an Anti- hypertonika, an Koronarmitteln und Kardiaka, sowie an Anti- diabetika besonders hoch. Bei Schmerz- und Rheumamitteln liegt der Verbrauch bei beiden Versichertengruppen etwa gleich höch. Nun sind die Arzneimittel- preise gerade im Bereich dieser Mittel besonders stark gestiegen, z. B. bei den durchblutungsför- dernden Mitteln um 6,2 v. H., bei den Antihypertonika um 7,7 v. H.

Bei den Analgetika und den Anti- rheumatika um 7,9 v. H.

1> Wir haben also bei den am häufigsten verordneten Mitteln ei- nen überdurchschnittlich hohen Preisanstieg, der durch den Durchschnittssatz der Preiserhö- hungen teilweise verdeckt wird.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 43 vom 28. Oktober 1983 21

(4)

Darstellung 2: Anteile von Allgemein- und Rentnerversicher- ten in den 15 umsatzstärksten Indikationsgruppen — 1981

GEORDNET NACH INDIKATIONSGRUPPENUMSATZ

ANALGETIANTIRHEUMA,

PSYCHOPHARMAKA

MAGEN—DARM—MITTEL

DURCHBLJOERD,MITTEL

ANTIHYPERTONIKA

KORONARMITTEL

ANTITUSSIEXPECTOR,

ANTIDIABETIKA

KARDIAKA

DERMATIKA VENENMITTEL ANTIBIOTIKA BRONCHOSPIANTIASTH, ANTIHYPOTONIKA BETA—RF7FPTORENBL.

1

20

1 1 1 1 1 I 1

0

40 60 80 100

PROZENT Quelle: GKV Arzneimittelindex (WIdO)

AV RV

eien en n egg een eff ie.

PROZENT 100-'

90-

80-

70-

60-

50-

40-

30-

20-

10-

0-

Die Information:

Bericht und Meinung

Arzneimittelausgaben

und den

Intermedikamenteneffekt, d. h.

die Wahl anderer, zumeist teure- rer Arzneimittel, der 4 v. H. be- trägt.

Verstärkt wird die steigende Ten- denz der Arzneimittelkosten in der Krankenversicherung der Rentner dadurch, daß bei einem allgemeinen Mitgliederzuwachs um 0,17 v. H. im Jahre 1982 der Anteil der Rentner um 0,73 v. H., also um das Viereinhalbfache, an- gestiegen ist. Allein dadurch er- rechnet sich ein Anstieg der Ge- samtausgaben für Arzneimittel um 1,73 v. H.

Im Rahmen des GKV-Index*) hat man den Struktureffekt der Arz- neimittelversorgung im ersten

Halbjahr 1982 mit dem des ersten Halbjahres 1981 verglichen. Dabei ist der Struktureffekt in Höhe von 5,5 v. H. um die wachsende Zahl der Rentner und deren kostenstei- gernde Wirkung zu bereinigen.

Den Struktureffekt gliedern die Statistiker in zwei Gruppen auf, den

Intramedikamenteneffekt durch andere Packungsgrößen, Stärken und Darreichungsformen, der 1,5 v. H. des Struktureffektes aus- macht,

Der lntermedikamenteneffekt wird wieder in zwei etwa gleich große Kategorien unterteilt, den Intraklasseneffekt (2,01 v. H.), d. h.

die Verordnung anderer (teurerer) Arzneimittel innerhalb einer Indi- kationsgruppe, und einen Inter- klasseneffekt (1,93 v. H.). Dabei werden aus anderen Indikations- gebieten teurere Mittel verordnet.

Innerhalb dieses Interklassenef- fekts macht die Innovationskom- ponente, also der Anteil der neu auf den Markt gekommenen Arz- neimittel, 1,14 v. H. aus.

Die „alte Last" des AMG Die verstärkte Verordnung der durchweg teureren neuen Medi- kamente ist nicht Ausdruck einer cupiditas rerum novarum der Kas- senärzte, einer Sucht nach Neu- em, sondern hat einen medizi- nisch begründeten Hintergrund.

Bei Inkrafttreten des Arzneimittel- gesetzes (AMG) von 1976 wurden für die Zulassung neuer Arznei- mittel ab 1. Januar 1978 strenge Maßstäbe angelegt, und es wurde der Nachweis ihrer therapeuti- schen Wirksamkeit verlangt. Für die auf dem Markt vermuteten 47 000 Altpräparate — nach Anga- ben aus dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesund- heit sollen es sogar 70 000 sein — besteht keine Zulassungspflicht.

Sie dürfen bis Ende 1989 weiter auf den Markt gebracht werden.

Bundesgesundheitsminister Dr.

Heiner Geißler hat noch kürzlich erklärt: „Arzneimittelsicherheit und Transparenz erfordern ... ei- ne Intensivierung der Aufberei- tung des bestehenden Marktes der Altpräparate, die nach dem

') Arzneimittelindex der Gesetzlichen Kran- kenversicherung

22 Heft 43 vom 28. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(5)

Arzneimittelgesetz als zugelassen gelten und für die eine Über- gangstrist bis 1990 besteht. Es ist ... auf die Dauer ein untragbarer Zustand, daß einer Zahl von rund 2000 Arzneimitteln, die ein Zulas- sungsverfahren durchlaufen ha- ben, etwa 70 000 allein aus indu- strieller Fertigung, die ohne Zu- lassung verkauft werden, gegen- überstehen. Ich werde daher eine Nachzulassung energisch betrei- ben."

Eine solche Nachzulassung, so er- klärte der Minister weiter, mache eine "Positivliste" unnötig, die auf eine Zweitzulassung durch die Gesetzliche Krankenversicherung hinauslaufen würde.

..,.. Dieses qualitative Niveaugefäl- le zwischen Alt- und Neupräpara- ten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit ist der Grund für die vermehrte Verordnung von Neupräparaten durch die Kassenärzte.

Für einige Arzneimittel, die man als "alte Last" des Pharma-Mark- tes bezeichnen könnte, besteht sogar ein gewisses Gefährdungs- potential, auch wenn es in seiner Größenordnung nicht deutlich be- stimmbar ist.

Die Legionen

der Pharmareferenten

Wenn auch die Frage der Sicher- heit das Verordnungsverhalten der Kassenärzte entscheidend be- stimmt, soll doch der Einfluß der unmittelbaren Werbung der phar- mazeutischen Industrie nicht ein- fach ausgeschlossen werden. Un- verkennbar zeigt sich dieser Ein- fluß bei den Pharmareferenten, deren Zahl zwischen 12 000 und 18 000 geschätzt wird und nach unseren eigenen Berechnungen bei 15 300 liegen dürfte. Hier be- stehen -je nach Schulung, medi- zinischem Wissen und psycholo- gischem Einfühlungsvermögen - Einwirkungsmöglichkeiten auf den einzelnen Arzt, die kaum mit dem sachlichen Informationsge- halt abzuwägen sind.

Hauptzielgruppen dieser Pharma- referenten sind die 47 v. H. Allge- meinärzte und Praktiker und die 17 v. H. Internisten unter den Kas- senärzten. Diese 35 000 Ärzte stel- len 81 v. H. aller Verordnungen aus. Man rechnet bei den Prakti- kern mit 62, bei den Internisten mit 19 v. H. der Verordnungen.

Erst weit dahinter folgt als näch- ste Gruppe die der Kinderärzte mit 5,5 v. H. Die Zahl der Besuche von Pharmareferenten bei den beiden erstgenannten Gruppen hat derart zugenommen, daß täg- lich drei/vier Besuche von Phar-

Arzneimittelausgaben

tende Vorsitzende der Kassen-.

ärztlichen Bundesvereinigung, Sanitätsrat Dr. Josef Schmitz-For- mes, in Berlin Ausführungen ge- macht, die auf einer noch in Arbeit befindlichen Studie des Zentralin- stituts für die Kassenärztliche Ver- sorgung beruhen.

ln der Bundesrepublik Deutsch- land werden jährlich 1,3 Milliar- den Packungen Arzneimittel ver- kauft, 21 pro Kopf der Bevöl- kerung. ln dem untersuchten Zeitabschnitt 1970 bis 1980 hat sich diese Menge kaum verändert,

ArzneimiHelausgaben 1982 für Mitglieder und Rentner

Ausgaben für Arzneimittel

AV*): 6,573 Milliarden DM RV*): 7,186 Milliarden DM

25,414 Millionen Mitglieder 10,402 Millionen Rentner

Ausgaben

je Mitglied/Rentner AV: 258,68 DM RV: 690,85 DM

(Familienkoeffizient: 849 auf 1000) (Familienkoeffizient: 250 auf 1000) 52,2 v. H. der Gesamtausgaben werden für 21,6 v. H. Rentner ein- schließlich deren Familienangehörige aufgewandt

·) AV = Allgemeinversicherte

•) RV = Rentnerversicherte

mareferenten in einer Allgemein- arzt- oder Internistenpraxis keine Seltenheit mehr sind.

..,.. Man muß daher überlegen, ob - in Analogie zur Regelung in der Schweiz - Pharmareferenten nur noch nach Voranmeldung einen Besuchstermin bei den Ärzten er- halten, eine Regelung, die sich in der Schweiz durchaus bewährt.

hat.

Der Bundesbürger als Tablettenkonsument

Zeigen sich die Kassenärzte bei ihren Verschreibungen aber nicht stärker noch Wünschen der Pa- tienten geneigt, die nur allzu gern nach der Tablette greifen, die die Pharmaindustrie für jedes Übel bietet? Dazu hat der stellvertre-

Quellen: KV 45 und KBV

im Schnitt um 0,5 v. H. jährlich, wobei allerdings eine Verände- rung der Packungsgrößen unbe- rücksichtigt geblieben ist. Setzt man diese Menge in Vergleich mit der Ausgabensteigerung für Arz- neimittel bei den Krankenkassen, die in diesem Zeitabschnitt fast 200 . v. H. betrug, kommt man zwangsläufig zu dem Schluß, daß dieser Ausgabenzuwachs "fast ausschließlich durch die Preisge- staltung oder die Preispolitik der pharmazeutischen Industrie be- einflußt wurde und nicht, wie oft behauptet, durch ... das Konsum- verhalten der Patienten oder die Verordnungsweise der Kassen- ärzte."

Interessant ist ferner, daß Länder mit Arzneimittelzuwachsraten von zwei bis fünf Prozent pro Kopf (Italien, Spanien, Frankreich) Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 43 vom 28. Oktober 1983 23

(6)

Die Information:

Bericht und Meinung Arzneimittelausgaben

rückläufige Realpreise aufweisen {also Preise, die inflationsberei- nigt sind). Auffallend ist ferner der hohe Anteil.von Kombinationsprä- paraten: Mit nahezu 70 v. H. wird die Bundesrepublik hier nur noch von Spanien übertroffen. Aller- dings ist der sich abzeichnende Übergang zur Verordnung von

Arzneimittel-

Verordnungsanteile einzelner Arztgruppen 1982 (in

V.

H.)

Allgemeinärzte/

Praktiker 62,0

Internisten 19,0

Kinderärzte 5,5

Frauenärzte 3,6

Hautärzte 3,2

HNO-Ärzte 2,0

Nervenärzte 2,0

Orthopäden 1 ,5

Rest 1,2

Quelle: KBV

Monosubstanzen wiederum ko- stensteigernd, da die Monosub- stanzen oft teurer sind.

Re-Importe sind kein Allheilmittel

Kann man durch verstärkten Re- Import deutscher Arzneimittel aus dem Ausland die Krankenkassen finanziell entlasten? Auch mit die- ser Frage befaßte sich der KBV- Hauptgeschäftsführer bei dem Berliner Presseseminar. Solche Re-Importe werden häufig zu ei- nem Preis von 15 v. H. unter der Lauer-Taxe angeboten. Die Spit- zenverbände der Krankenkassen behaupten in einer gemeinsamen Presseerklärung sogar, für be- stimmte Arzneimittel müsse der deutsche Verbraucher bis zu acht- mal soviel bezahlen wie der Pa- tient in einem anderen Lande der Europäischen Gemeinschaft. Da- mit subventioniere der deutsche

Krankenversicherte das Auslands- geschäft der pharmazeutischen Industrie.

Grundsätzlich erscheint ein Re- Import durchaus diskussions- würdig, zumal die meisten dieser Importe Produkte deutscher Her- stellerfirmen von internationalem Rang sind und den Qualitäts- standards der Bundesrepublik entsprechen dürften. Gewisse Schwierigkeiten könnte es aber bei Patienten geben, die ein ihnen vertrautes Mittel in ~nderer

Konfektionierung, vielleicht auch in anderer Zusammensetzung und anderer Farbe, bekommen. Hier könnten erhebliche Compliance- Probleme auftreten. Das wurde bereits durch eine Infratest- Umfrage bestätigt. Außerdem:

ln der Auslieferung solcher re- importierten Arzneimittel l'<önnen zeitliche Verzögerungen auftre- ten.

~ Es ist außer Zweifel, daß es ge- radezu absurd wirkt, wenn trotz rückläufiger Rezept- und Verord- nungszahlen die Ausgaben für Arzneimittel in einem Teilbereich der gesetzlichen Krankenversi- cherung schon höher sind als die der kassenärztlichen Behandlung.

Es ist ebenfalls sicher, daß alle Bemühungen um eine Kosten- dämpfung scheitern müssen, wenn diese Entwicklung sich fort- setzt. Die bisherigen Strukturef- fektuntersuchungen haben aber.

auch wenn sie noch in den Anfän- gen stecken, gezeigt, wie kom- plex das Problem der Pharmaaus- gaben in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung ist, und daß es mit so einfach scheinenden Mit- teln wie den Parallelimporten nicht zu lösen ist.

Wir hoffen aber aus der noch nicht abgeschlossenen Studie des Zentralinstituts Erkenntnisse zu gewinnen, die es den Kassenärz- ten ermöglichen, die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimit- tel auf das ihrer Bedeutung im Rahmen der ärztlichen Versor- gung entsprechenCle Maß zurück- zuführen und zu stabilisieren. D

NACHRICHTEN

Niedersachsen:

Schutzimpfungen sind jetzt Kassenleistung

Die Angestellten- und Arbe.iter-Er~

Satzkassen in Niedersachsen ver- güten ab sofort die vom Sozialmi- nister öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen, wenn die Ver- sicherten sie gegen Vorlage eines Krankenscheines vom Kassenarzt durchführen lassen. Bislang konn- ten die Versicherten der Ersatz- kassen aie Schutzimpfung nur als privatärztliche Leistung in An- spruch nehmen, wobei allerdings die Krankenkassen die Kosten hierfür in angemessener Höhe er- statteten. Wie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen und der Landesausschuß der Ersatz- kassen gemeinsam mitteilen, übernehmen alle Ersatzkassen die Kosten für Schutzimpfungen als präventive Maßnahme, wobei der öffentliche Gesundheitsdienst Vorrang hat.

ln Ergänzung des Impfangebotes der Gesundheitsämter überneh- tnen die Ersatzkassen für ihre Ver- sicherten die Kosten für folgende, bei niedergelassenen Ärzten durchgeführte Impfungen: Diph- therie, Keuchhusten, Kinderläh- mung, Masern, Mumps, Röteln, Tuberkulose und Wundstarr- krampf sowie in bestimmten Fäl- len bei Tollwut, Virusgrippe und infektiösen Lebererkrankungen.

Die KV und der VdAK Niedersach- sen sind der Auffassung, daß mit dieser Regelung ein wesentlicher Schritt für einen umfassenden Impfschutz getan ist und bedenk- liche Impflücken in weiten Teilen der Bevölkerung damit beseitigt werden können. Außerdem sei die Regelung auch ein wichtiger Bei- trag zur Kostendämpfung.

Eine ähnliche Vereinbarung über die Durchführung von Schutzimp- fungen auf Krankenschein be- steht seit Sommer 1983 zwischen der KV Niedersachsen und dem Landesverband der Ortskranken-

kassen. AP-N

24 Heft 43 vom 28. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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