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Archiv "Medizin in den Medien" (03.01.1980)

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TAGUNG DER EVANGELISCHEN AKADEMIE IN BAD BOLL

Medizin in den Medien

Die zeitliche Festlegung der Tagung verhalf ihr zu einer relativ kleinen Diskussionsrunde: elf Journalisten, fünfzehn Ärzte und drei Pfarrer-das war intim genug, um intensiv dem nachspüren zu können, was bislang unter "Spannungsverhältnis zwi- schen Ärzten und Journalisten" ver- standen wurde.

ln Bad Boll konzentrierte sich das Thema auf die Frage, welche Macht

"Medien und Medizin" auf den Men-

schen und untereinander ausüben oder ausüben können, unter Einbe- ziehung der Arzt und Journalisten gleichermaßen , beschäftigenden Frage, welche Rolle in diesem Span- nungsverhältnis die Schulmedizin spielt und wo die Außenseiter einzu- ordnen sind. Letztlich ging es auch um die Standespolitik, um die Frage:

Wer hat recht- "Spiegel" oder Stan- despresse?

Arzt und Journalist im Spannungs- feld; muß dies sein, und warum ist dies so? Dieser Frage nachzugehen bedeutete zunächst, festzustellen, daß Verallgemeinerungen und Pau- schalurteile unangebracht sind. Sie aber haben - auch das mußte fest- gehalten werden - in der Vergan- genheit den Brunnen gewaltig ver- giftet.

"Die Ärzte" - das gibt es 50 nicht.

Und "die Presse" existiert 50 eben-

falls nicht. Wenn dennoch in zurück- liegenden Jahren übereifrige PR- Leute im Hochgefühl ihrer Position,

"Chef der Presse" zu sein, Broschü- ren verteilen ließen an die Ärzte, um diesen "den Umgang mit Journali- sten" zu lehren, dann haben sie lei- der auch in der gefährlichen Verall- gemeinerung Zuflucht gesucht.

Denn "Die Presse" - das bedeutet seriös und unseriös, das bedeutet eine Vielfalt von Presseorganen und

damit eine Vielfalt von Besonderhei- ten, Wahrheiten und Meinungen.

Und "Die Ärzte"- das sind die Prak- tiker mit und ohne Standesfunktion, gewissenhafte und übereifrige Funktionsträger, das sind aufge- schlossene Menschen und überheb- liche, das sind verständige Berater und selbstsüchtige Wichtigtuer. Das sind Schulmediziner und Außensei- ter mit dem Drang nach Öffentlich- keit.

Je mehr man in die Materialien ein- drang, .aus denen sich Diskussionen um das Thema Arzt/Journalist anrei- chern lassen, desto deutlicher wur- de, wie unerschöpflich das Thema und damit, wie schwer löslich die Problematik ist. Schon allein die Frage nach den Gemeinsamkeiten beider Berufe, aus denen sich dann vielleicht leichter Verträglichkeilen hätten ableiten lassen, brachte Schwierigkeiten. Seide - Arzt und Journalist- haben es mit dem Men- schen zu tun. Aber haben nicht alle Menschen mit Menschen zu tun?

Der eine heilt von Krankheit, der an- dere von der sprichwörtlich angebo- renen Neugier. Aber reicht dies aus, um von Gemeinsamkeiten im Beruf zu sprechen? Sicherlich nicht.

Und so war in Bad Boll davon auch wenig die Rede. Vielmehr wurde der nützliche Versuch unternommen, einmal dem Gegenüber den eigenen Beruf nahezubringen, ihn zu infor- mieren, aufzuklären, mit den eige- nen Berufsproblemen zu konfrontie- ren in der Hoffnung, Verständnis zu wecken. Wie wenig der Arzt von der Arbeit, den Zwängen und Unmög- lichkeiten des Journalisten wußte, und wie wenig eigentlich auch die sogenannten "Medizinjournalisten", also jene in der Hauptsache, die bei einer Zeitung oder Zeitschrift die

"Medizin" verwalten, aus dem tägli-

pe rum er oc e Aufsätze · Notizen TAGUNGSBERICHT

ln der Evangelischen Akade-

mie in Bad Bol! ist der Ver-

such gemacht worden, dem Verhältnis zwischen Ärzten und· Journalisten auf den Grund zu gehen, einem Ver- hältnis, das in der Vergangen~

heit gezeichnet war durch ei- ne Art Haß-Liebe. ··Die Wo- chenendtagung unter der Lei- tung des Pfarrers Dr. Joachim Schwarz zwang beide Berufe, Farbe zu bekennen, den Intim- bereich beruflicher Gegeben- heiten offenzulegen und auch . ungeniert Kritik zu üben.

chen Berufsalltag des Arztes erfah- ren haben, brachte die Tagung mehr als deutlich zutage.

Keiner der anwesenden Ärzte hatte je eine Redaktion von innen gese- hen oder einer Redaktionskonferenz beigewohnt. Aber auch kein Journa- list konnte von sich behaupten, im- mer zwischen dem Funktionär und dem täglich in der Praxis stehenden Arzt unterschieden zu haben. Sie re- den von "Standespresse" und

"Standespolitik", als ob jeder Arzt laufend damit konfrontiert werde, und sprechen im selben Atemzug von ärztlicher Schweige- und Auf- klärungspflicht, vom Arzt-Patient- Verhältnis und von "Standesdün-

kel". Das Durcheinander an Halb-

wissen und Fehlinformationen war so groß, daß die gesamte Tagung ständig in Gefahr kam, am Thema vorbeizudiskutieren. Daß dem dann doch nicht so war, war einer recht- zeitig verordneten Aufmerksamkeit zu verdanken.

Ärzte sollten jetzt aber nicht mit

"aha" und "na also" reagieren. Dies

wäre- so ein Boiler Ergebnis -völlig falsch. Vielmehr hat es den An- schein, daß gerade viele junge Jour- nalisten von den Ärzten nicht ganz für voll genommen werden, deshalb kaum ausführlich informiert sind und somit ständig in Gefahr geraten, ohne Wissen berichten zu müssen.

Denn auch dies ist bei Ärzten wenig bekannt: Kaum eine Tageszeitung

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 1 vom 3. Januar 1980 29

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sätze • Notizen Medizin in den Medien

verpflichtet einen Redakteur, der auschließlich mit Medizin beschäf- tigt ist. Vielmehr ist es so, daß mal dieser und mal jener sich medizini- scher Themen bemächtigt. Schon hier zeigte sich deutlich, wie wichtig es ist, daß die Ärzteschaft einen ständigen Kontakt zur Presse hält.

Dabei darf der Journalist nicht als

„Vollzugsperson" des Informanten Arzt angesehen werden. In Bad Boll wurde deutlich, daß es immerhin die Vorstellung vieler Ärzte sei, der Journalist habe auschließlich eine gesundheitspädagogische • Funkti- on, wobei die Ärzte die Information geben und der Journalist als Dol- metscher wirkt. Presseveröffentli- chungen zum Thema „Medizin" also nur nach Wunsch und Zustimmung der Ärzte?

Solche Vorstellungen wurden von den Journalisten und auch von Ärz- ten eindeutig abgelehnt. Der Journa- list kann nicht Erfüllungsgehilfe der Ärzteschaft sein! Er darf es gar nicht sein, befürwortet man die Presse- und Meinungsfreiheit. Im Gegenteil.

In Bad Boll wurde wieder einmal klar, daß sich auch der „Stand der Ärzte" und der „Stand der Zahnärz- te" abfinden müssen mit der Tatsa- che, daß es eine Presse gibt und Journalisten, die „herausfinden",

„aufdecken", „aufspüren" und „kri- tisieren" wollen und müssen. Eine Ärzteschaft, die dies akzeptiert und sich nicht hinter den Standesgeset- zen versteckt, wird dabei feststellen, daß es mehr faire und gewissenhafte Journalisten gibt, als in der Verallge- meinerung sichtbar wird.

Dabei muß natürlich auch akzeptiert werden, daß es gerade die standes- und berufspolitischen Fragen sind, denen die Journalisten nachgehen wollen, weil sie zum einen von gro- ßem Leserinteresse und zum ande- ren für den Journalisten mit weniger fachlichen Fallstricken versehen sind. Sozialpolitik ist nun einmal ein Thema, das man ständig neu auf- wärmen kann. Die Journalisten müs- sen aber auch standespolitisch wer- den, weil solche Thematik oft an sie herangetragen wird, zum Beispiel von den Gewerkschaften. Die Infor-

mationspflicht ist es dann, die zur Veröffentlichung zwingt.

Daß gerade hier den Ärzten vielfach übel mitgespielt worden ist, wurde auch in Bad Boll zugegeben. Aber warum? Die Antwort: Es ist selbst für einen sorgfältig recherchieren- den Journalisten oft ungemein schwer, aus dem Lager der Ärzte eine kompetente Meinung zu hören, die nicht in der Feststellung gipfelt,

„dies ist im Interesse unserer Patien- ten". Es sei doch — so ein Journalist

—viel glaubwürdiger, wenn auch ein- mal zugegeben werde, daß man auch im eigenen Interesse Standes- und Berufspolitik treibe. Geradezu standestypisch sei dabei, daß der Arzt auf dem einen Bein, dem „Pa- tientenbein", gut und unangefoch- ten stehe, auf dem „standespoliti- schen Bein" aber sozusagen auf- schreie, wenn er getreten werde. Die Vermutung liege nahe, daß viele Ärz- te sich noch nicht klargemacht ha- ben, daß das Gesundheitswesen ein öffentlicher Bereich ist, auch ein po- litischer, und daß gesellschaftspoli- tische Veränderungen im Bunde mit der Medizin vor sich gehen.

Liegt dies daran, daß der Arzt eher konservativ , der Journalist aber von Berufs wegen eher progressiv ist?

Sicher ist, daß beide im Umgang mit- einander Fehler gemacht haben, aus der Oberflächlichkeit heraus in die Verallgemeinerung geraten sind und sich nun vor der Frage sehen, ob Kontrolle gut und erfolgverspre- chend wäre. Sie wurde eindeutig auf beiden Seiten abgelehnt. Wer die Pressefreiheit liebt und Zensur ver- achtet, wird nicht auf den Gedanken kommen können, die Presse kon- trollieren zu wollen. Kein Journalist wird darauf verzichten, seine Augen und Ohren offenzuhalten und Kritik zu üben dort, wo er es für ange- bracht hält. Damit wird man leben müssen.

Es ist aber auch in Bad Boll deutlich geworden, daß der Stand der Ärzte in der Lage ist, standesintern zu re- geln und zu kontrollieren. Dies war schon immer eine der Eigenschaften der Stände. Der Stand der Journali- sten aber — sofern es ihn überhaupt

gibt — kann und tut dies nicht oder nur sehr begrenzt. Er darf es gar nicht, weil die Grenze zur Zensur zu leicht überschritten werden kann.

Der Journalist ist in dem, was er schreibt und kommentiert, zunächst seine eigene Kontrolle. Wissen, Ver- antwortlichkeit und Gewissenhaftig- keit spielen dabei eine Rolle — und damit auch die Information, über die er verfügt.

Das Ergebnis dieser Tagung „Medi- zin in den Medien": Man sollte infor- mieren, diskutieren, akzeptieren und miteinander im Gespräch bleiben, um Konfrontation zu verhindern.

Jürgen Dreher, Stuttgart

ZITAT

Korrekturfunktion der Verbände

„Überlassen wir in einer Massengesellschaft, die al- les und jeden zum quantifi- zierbaren, elektronisch er- faß- und speicherbaren Bit machen muß, die Vertre- tung unserer Interessen öf- fentlich-rechtlichen Körper- schaften, Parteien oder der Ministerialbürokratie, ver- zichten wir auf die Mitwir- kung freier, demokratisch strukturierter Verbände, dann werden wir alle binnen kurzem den genormten Zwängen einer Medizin un- terworfen sein, in der einer der letzten Freibereiche un- seres Lebens, einer, der tie- fer als jeder andere in die Privatsphäre des Menschen hineinreicht, zur behördlich geregelten gewerblichen Leistung abgestuft und ent- humanisiert ist. Genau dies gilt es zu verhindern."

Dr. med. Kaspar Roos, Bun- desvorsitzender des Verban- des der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV), anläßlich der Bundeshaupt- versammlung seines Ver- bandes

30 Heft 1 vom 3. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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